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Willy Brandt - Geschichte.

Publié le 13/06/2013

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Willy Brandt - Geschichte. 1 EINLEITUNG Willy Brandt (1913-1992), deutscher Politiker (SPD), Regierender Bürgermeister von Berlin (1957-1966), Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland (1969-1974), Vorsitzender der SPD (1964-1987) und Friedensnobelpreisträger. Als erster sozialdemokratischer Kanzler der Nachkriegszeit ergänzte Brandt die von Konrad Adenauer in der Ära des Kalten Krieges begründete Westintegration der Bundesrepublik durch eine Politik der Verständigung und Aussöhnung mit Osteuropa. Willy Brandt wurde am 18. Dezember 1913 als Herbert Ernst Karl Frahm in Lübeck geboren. Er wuchs in einfachen, sozialdemokratisch geprägten Verhältnissen auf, absolvierte die Realschule und erhielt dann aufgrund seiner Begabung ein Stipendium an einem Realgymnasium, an dem er 1932 das Abitur ablegte. Schon als Jugendlicher politisch aktiv, schloss sich Brandt 1929 der Sozialistischen Arbeiterjugend an, trat 1930 der SPD bei und wechselte 1931 zur neu gegründeten Sozialistischen Arbeiterpartei (SAP), der linkssozialistischen Abspaltung von der SPD. Bereits als Schüler war Brandt journalistisch tätig und veröffentlichte im Lübecker Volksboten, der von seinem politischen Vorbild Julius Leber geleitet wurde. 2 EXIL UND POLITISCHER AUFSTIEG IM NACHKRIEGSDEUTSCHLAND Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten 1933 emigrierte er nach Norwegen und nahm aus Sicherheitsgründen den Decknamen Willy Brandt an (die formelle Namensänderung erfolgte 1949). In Oslo leitete er die Außenstellen der SAP und des Sozialistischen Jugendverbandes Deutschland und arbeitete daneben als Journalist. 1936 hielt sich Brandt unter falschem Namen, vorgeblich als norwegischer Student, einige Monate lang in Berlin auf, wo er die SAP-Untergrundorganisation ,,Metro" leitete. Im folgenden Jahr entsandte ihn die SAP nach Barcelona, um dort einen sozialistischen Jugendkongress zu organisieren und über den Spanischen Bürgerkrieg zu berichten. Im September 1938 wurde ihm die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen, woraufhin er die norwegische Staatsbürgerschaft beantragte, die ihm im August 1940 erteilt wurde. Nach dem deutschen Einmarsch in Norwegen im April 1940 floh Brandt nach Schweden; von Stockholm aus leitete er ab 1942 das schwedisch-norwegische Pressebüro. Während seines Exils in Schweden trat er wieder der SPD bei. Nach Kriegsende kehrte Brandt im Oktober 1945 als Berichterstatter für die skandinavische Arbeiterpresse beim Nürnberger Hauptkriegsverbrecherprozess nach Deutschland zurück (über den Prozess veröffentlichte er 1946 in Oslo das Buch Forbrytere og andre tyskere, ,,Verbrecher und andere Deutsche"). Unmittelbar nach seiner Rückkehr nahm er Kontakt zur Führungsspitze der wieder gegründeten SPD um Kurt Schumacher auf. Ab Januar 1947 war Brandt für ein Jahr als Presseattaché der norwegischen Vertretung beim Alliierten Kontrollrat in Berlin tätig. Im Juli 1948 wurde Brandt wieder deutscher Staatsbürger. Zum 1. Januar 1948 trat Brandt seine neue Funktion als ,,Beauftragter des SPD-Parteivorstandes in Berlin und bei den alliierten Kontrollbehörden" an - gegen anfänglichen Widerstand des SPD-Vorsitzenden Schumacher. In dieser Funktion arbeitete er eng mit dem (West-)Berliner Bürgermeister Ernst Reuter zusammen, mit dem ihn auch eine gemeinsame Linie gegen Schumachers deutschlandpolitischen Kurs verband: Angesichts des in Berlin besonders deutlich spürbaren Drucks seitens der Sowjetunion sprachen sich Brandt und Reuter im Interesse der Sicherheit und Freiheit Westdeutschlands und Berlins für eine Anbindung an den Westen aus, während Schumacher den Adenauer'schen Kurs der Westintegration strikt ablehnte. Ende 1949 legte Brandt sein Amt als Vertreter des SPD-Vorstandes nieder und ließ sich in den Deutschen Bundestag entsenden, dem er als einer der Vertreter Berlins bis 1957 angehörte. Von 1950 bis 1969 gehörte er zudem dem Berliner Abgeordnetenhaus an, von 1955 bis 1957 als dessen Präsident. In den fünfziger Jahren profilierte sich Brandt mit von der allgemeinen Parteilinie abweichenden Standpunkten: so etwa in der Frage der Westintegration, mit seiner Bereitschaft zu Koalitionen mit den bürgerlichen Parteien, wie sie in Berlin an der Tagesordnung waren, und vor allem auch mit seiner Forderung nach innerparteilichen Reformen wie etwa der Transformation der SPD von einer Arbeiter- in eine Volkspartei. 3 REGIERENDER BÜRGERMEISTER VON BERLIN Nach dem Tod von Otto Suhr wurde Brandt am 3. Oktober 1957 zum Regierenden Bürgermeister von Berlin gewählt, 1958 auch zum Vorsitzenden der Berliner SPD und in den Vorstand der Bundes-SPD. Konfrontiert mit dem sowjetischen Berlin-Ultimatum 1958 und dem Mauerbau 1961, leistete Brandt als Regierender Bürgermeister der sowjetischen Repressionspolitik energischen Widerstand und setzte sich auf der internationalen politischen Bühne nachdrücklich für die Freiheit Westberlins ein. Aus der Erfahrung mangelnder politischer und moralischer Unterstützung seitens der drei westlichen Alliierten während des Mauerbaus entwickelten Brandt und sein enger Vertrauter Egon Bahr ein neues deutschland- und ostpolitisches Konzept, das sich unter den Schlagworten ,,Politik der kleinen Schritte" (Brandt) und ,,Wandel durch Annäherung" (Bahr) subsumieren ließ. Für die politische Praxis bedeutete dies: Westdeutschland musste sich bemühen, in Verhandlungen mit den osteuropäischen Nachbarstaaten und der Sowjetunion ein Klima der Entspannung zu schaffen, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Westberlin auf der einen und der DDR auf der anderen Seite nach und nach zu verbessern sowie Erleichterungen für die Bevölkerung im deutsch-deutschen Verkehr zu erreichen, und zwar aus eigener Anstrengung und auf eigene Initiative, ohne auf ein Engagement der drei Westalliierten zu bauen. Voraussetzung dieses neuen Konzepts war die Bereitschaft, die Folgen von Nationalsozialismus und 2. Weltkrieg, d. h. die bestehenden politischen Grenzen, anzuerkennen. Einen ersten Erfolg in seinen Bemühungen, durch eine neue Ostpolitik zur Entspannung im Ost-West-Konflikt beizutragen, erzielte Brandt 1963 mit dem Passierscheinabkommen zwischen Westberlin und der DDR. 1959 verabschiedete die SPD ihr neues Grundsatzprogramm, das Godesberger Programm, das maßgeblich von den reformorientierten Kräften innerhalb der Partei, zu denen auch Brandt gehörte, geprägt worden war. 1964 wurde Brandt nach dem Tod von Erich Ollenhauer zu dessen Nachfolger im Parteivorsitz gewählt. 1961 und 1965 ging die SPD mit Brandt als ihrem Kanzlerkandidaten in die Bundestagswahlen, erreichte beide Male große Zugewinne, musste aber weiterhin in der Opposition bleiben. Erst nach dem Scheitern der CDU/CSU/FDP-Koalition kam die SPD im Rahmen einer großen Koalition mit der CDU/CSU im Dezember 1966 in die Regierungsverantwortung; Brandt wurde Außenminister und Vizekanzler unter Bundeskanzler Kurt Georg Kiesinger. 4 AUSSENMINISTER Als Außenminister setzte Brandt seine Ostpolitik, die er als Berliner Bürgermeister im kommunalen Rahmen eingeleitet hatte, auf Bundesebene fort. Er lockerte die seit 1955 geltende Hallsteindoktrin und knüpfte vielfältige Kontakte zu den osteuropäischen Staaten, zu denen die Bundesrepublik bislang keine diplomatischen Beziehungen unterhielt. Das innenpolitische Klima zur Zeit der großen Koalition wurde von der Außerparlamentarischen Opposition (APO) geprägt, die als Ergänzung bzw. Ersatz der nur noch in Form der FDP vorhandenen parlamentarischen Opposition entstanden war, und von der Auseinandersetzung um die Notstandsgesetze, die Brandt - im Gegensatz etwa zur APO - als notwendige Voraussetzung für die volle innere Souveränität der Bundesrepublik nachhaltig unterstützte. Bei den Bundestagswahlen im September 1969 erreichte die SPD erstmals deutlich über 40 Prozent der Stimmen, blieb aber weiterhin nur zweitstärkste Kraft. Eine Fortsetzung der großen Koalition war aufgrund zunehmender Differenzen zwischen CDU/CSU und SPD praktisch ausgeschlossen; Brandt ging daher eine Koalition mit der FDP unter Walter Scheel ein. 5 BUNDESKANZLER Am 21. Oktober 1969 wurde Brandt zum Bundeskanzler gewählt; Außenminister und Vizekanzler wurde Scheel, der Brandts Ostpolitik in allen Teilen mittrug und vorantrieb. Als Schlagwort für seine Regierung gab Brandt in seiner ersten Regierungserklärung das Motto ,,Mehr Demokratie wagen" aus. 5.1 Ost- und Deutschlandpolitik Im Zentrum der Außenpolitik der Regierung Brandt stand die Weiterentwicklung der Ost- und Deutschlandpolitik. Am 12. August 1970 unterzeichneten er und der sowjetische Ministerpräsident Aleksej Kossygin den ,,Moskauer Vertrag über Gewaltverzicht und Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen", in dem die Bundesrepublik u. a. de facto die polnische Westgrenze anerkannte und auf ihren Alleinvertretungsanspruch für alle Deutschen verzichtete. Das politische Ziel der Bundesrepublik, eine Wiedervereinigung der beiden deutschen Staaten herbeizuführen, blieb durch diesen Vertrag (wie auch durch alle folgenden Ostverträge) ausdrücklich unberührt. Am 7. Dezember 1970 unterzeichnete Brandt in Warschau den Warschauer Vertrag mit Polen, in dem die Bundesrepublik erneut die Unverletzlichkeit der polnischen Westgrenze entlang der Oder-Neiße-Linie garantierte. Brandts Kniefall während seines Warschau-Aufenthaltes vor dem Mahnmal für die von der SS im Warschauer Ghetto ermordeten Juden erlangte als Geste seines Versöhnungswillens Symbolcharakter. 1971 wurde Brandt in Würdigung seiner Versöhnungspolitik gegenüber dem Osten mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Die CDU/CSU-Opposition im Bundestag, der die beiden Ostverträge noch ratifizieren musste, lehnte die Verträge als ,,Ausverkauf deutscher Interessen" ab; ebenso waren sie in der Bevölkerung umstritten. Am 27. April 1972 suchte die Opposition durch ein konstruktives Misstrauensvotum und mit Rainer Barzel als ihrem Kanzlerkandidaten Brandt zu stürzen, verfehlte jedoch knapp die notwendige Mehrheit. Am 17. Mai 1972 passierten die Ostverträge den Bundestag, nachdem Brandt durch die in einer ,,Gemeinsamen Entschließung" fixierten Einschränkung, dass eine endgültige Grenzziehung einem Friedensvertrag vorbehalten bleibe, der Opposition die Anerkennung der Ostverträge ermöglicht hatte. Nach der Ratifizierung der drei Ostverträge konnte auch das von allen Fraktionen begrüßte Viermächteabkommen über Berlin, das schon 1971 ausgehandelt worden war, dem die Sowjetunion aber bis zur Ratifizierung der Ostverträge die Unterschrift verweigerte hatte, in Kraft treten. Am 21. Dezember 1972 schlossen die Bundesrepublik und die DDR nach langwierigen Verhandlungen den Grundlagenvertrag. Wesentlicher Punkt des Vertrages war die Anerkennung der DDR als selbständigen Staat durch die Bundesrepublik und der Verzicht der Bundesrepublik auf ihren Alleinvertretungsanspruch. Dem Vertragsschluss vorausgegangen war ein erstes deutsch-deutsches Gipfeltreffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph im März 1970 in Erfurt, dem drei Monate später ein zweites in Kassel folgte. Der Grundlagenvertrag passierte nach ebenfalls äußerst kontroverser Debatte am 11. Mai 1973 den Bundestag. Als letzten Ostvertrag unterzeichnete Brandt am 11. Dezember 1973 in Prag den deutsch-tschechoslowakischen Prager Vertrag. Die Bundesrepublik erklärte darin u. a. das Münchner Abkommen von 1938 für nichtig; das äußerst sensible Thema Vertreibung der Sudetendeutschen, das in der Bundesrepublik erneut zu scharfen Kontroversen geführt und die Ratifizierung des Vertrages gefährdet hätte, wurde ausgeklammert. 5.2 Innenpolitik In der Innenpolitik konzentrierte sich Brandt vor allem auf den Ausbau des Sozialstaates (u. a. Reform des Rentengesetzes, der gesetzlichen Krankenversicherung, des Eheund Familienrechtes, des Bildungswesens, Einführung des BAföG etc.) und - entsprechend dem Motto ,,Mehr Demokratie wagen" - auf die Motivation der Bevölkerung zu aktivem politischem Engagement. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Terrorismus vor allem linksextremer Gruppen, allen voran der Baader-Meinhof-Gruppe, einigte sich Brandt im Januar 1972 mit den Ministerpräsidenten der Länder auf den so genannten Radikalenerlass gegen mutmaßliche Demokratiefeinde. Dieser Erlass war heftig umstritten und schadete dem Ansehen Brandts bei der politischen Linken erheblich; Brandt selbst schätzte den Radikalenerlass, der das linksfeindliche Klima in der Bundesrepublik noch weiter verschärfte, später als Fehler ein. Im Lauf des Jahres 1972 verlor die SPD/FDP-Koalition ihre Mehrheit im Bundestag - mehrere Abgeordnete der Koalitionsparteien waren aus Protest gegen die Ostverträge zur Opposition übergetreten. Am 20. September 1972 stellte Brandt die Vertrauensfrage; er verlor die Abstimmung, der Bundestag wurde aufgelöst. Aus den Neuwahlen am 19. November 1972 ging die SPD unter Brandt mit fast 46 Prozent erstmals in ihrer Geschichte als stärkste Bundestagsfraktion hervor, auch die FDP gewann hinzu. Die sozialliberale Koalition unter Brandt war von den Wählern klar bestätigt worden und wurde fortgesetzt. Ab Ende 1973 erlebte die Bundesrepublik infolge der Ölkrise ihre erste schwere Wirtschaftskrise. Die Bundesregierung sah sich nun gezwungen, verschiedene Reformvorhaben aufzuschieben bzw. ganz zurückzunehmen, da sie vorerst nicht finanzierbar waren. Dies sowie die rapide steigende Inflation und Arbeitslosigkeit und zahlreiche Streiks schwächten das Vertrauen in den Bundeskanzler erheblich. Am 6. Mai 1974 trat Brandt im Zusammenhang mit einer Spionageaffäre, der so genannten Guillaume-Affäre, von seinem Amt als Bundeskanzler zurück. Amtsmüdigkeit und Enttäuschung über die innenpolitische Entwicklung mögen den Rücktritt erleichtert haben. 6 ELDER STATESMAN Brandt blieb weiterhin Vorsitzender der SPD (bis 1987) und Mitglied des Bundestags (bis 1992). Der Friedenspolitik verpflichtet, begleitete Brandt den sich in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre wieder verschärfenden Ost-West-Konflikt mit Sorge, plädierte in der Rüstungsfrage für eine ,,doppelte Null-Lösung", also den Abbau aller Mittelstreckenwaffen, stellte sich aber in der Diskussion um den NATO-Doppelbeschluss loyal hinter seinen Amtsnachfolger Helmut Schmidt. Erst nach dem Sturz Schmidts im Oktober 1982 bekannte Brandt offen seine von Beginn an gehegte Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses. Weltweit hoch geachtet, engagierte sich Brandt auch auf internationaler Ebene in verschiedenen Funktionen. Von 1976 bis 1992 war er Präsident der Sozialistischen Internationale (SI), die unter seiner Führung weit reichende organisatorische Reformen und eine Verlagerung ihrer politischen Schwerpunkte - Ost-West-Konflikt einschließlich Abrüstungsfrage, Dialog und Kooperation mit den Entwicklungsländern - erfuhr. Von 1977 bis 1989 leitete Brandt die Nord-Süd-Kommission (,,BrandtKommission"), deren Arbeit weltweit auf große Resonanz stieß, die Politik der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern in der Praxis allerdings kaum zu beeinflussen vermochte. Von 1979 bis 1983 war Brandt zudem Mitglied des Europäischen Parlaments. Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1989/90 verwirklichte sich Brandts wichtigstes deutschlandpolitisches Ziel; (zu) optimistisch begrüßte Brandt die Vereinigung mit dem Ausspruch: ,,Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört." Brandt starb am 8. Oktober 1992 in Unkel am Rhein. Verfasst von: Wieland Eschenhagen Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

« 5.1 Ost- und Deutschlandpolitik Im Zentrum der Außenpolitik der Regierung Brandt stand die Weiterentwicklung der Ost- und Deutschlandpolitik.

Am 12.

August 1970 unterzeichneten er und dersowjetische Ministerpräsident Aleksej Kossygin den „Moskauer Vertrag über Gewaltverzicht und Unverletzlichkeit der bestehenden Grenzen”, in dem die Bundesrepublik u.

a.de facto die polnische Westgrenze anerkannte und auf ihren Alleinvertretungsanspruch für alle Deutschen verzichtete.

Das politische Ziel der Bundesrepublik, eineWiedervereinigung der beiden deutschen Staaten herbeizuführen, blieb durch diesen Vertrag (wie auch durch alle folgenden Ostverträge) ausdrücklich unberührt.

Am7.

Dezember 1970 unterzeichnete Brandt in Warschau den Warschauer Vertrag mit Polen, in dem die Bundesrepublik erneut die Unverletzlichkeit der polnischen Westgrenzeentlang der Oder-Neiße-Linie garantierte.

Brandts Kniefall während seines Warschau-Aufenthaltes vor dem Mahnmal für die von der SS im Warschauer Ghetto ermordetenJuden erlangte als Geste seines Versöhnungswillens Symbolcharakter.

1971 wurde Brandt in Würdigung seiner Versöhnungspolitik gegenüber dem Osten mit demFriedensnobelpreis ausgezeichnet. Die CDU/CSU-Opposition im Bundestag, der die beiden Ostverträge noch ratifizieren musste, lehnte die Verträge als „Ausverkauf deutscher Interessen” ab; ebenso warensie in der Bevölkerung umstritten.

Am 27.

April 1972 suchte die Opposition durch ein konstruktives Misstrauensvotum und mit Rainer Barzel als ihrem KanzlerkandidatenBrandt zu stürzen, verfehlte jedoch knapp die notwendige Mehrheit.

Am 17.

Mai 1972 passierten die Ostverträge den Bundestag, nachdem Brandt durch die in einer„Gemeinsamen Entschließung” fixierten Einschränkung, dass eine endgültige Grenzziehung einem Friedensvertrag vorbehalten bleibe, der Opposition die Anerkennung derOstverträge ermöglicht hatte.

Nach der Ratifizierung der drei Ostverträge konnte auch das von allen Fraktionen begrüßte Viermächteabkommen über Berlin, das schon 1971ausgehandelt worden war, dem die Sowjetunion aber bis zur Ratifizierung der Ostverträge die Unterschrift verweigerte hatte, in Kraft treten. Am 21.

Dezember 1972 schlossen die Bundesrepublik und die DDR nach langwierigen Verhandlungen den Grundlagenvertrag.

Wesentlicher Punkt des Vertrages war dieAnerkennung der DDR als selbständigen Staat durch die Bundesrepublik und der Verzicht der Bundesrepublik auf ihren Alleinvertretungsanspruch.

Dem Vertragsschlussvorausgegangen war ein erstes deutsch-deutsches Gipfeltreffen zwischen Willy Brandt und Willi Stoph im März 1970 in Erfurt, dem drei Monate später ein zweites in Kasselfolgte.

Der Grundlagenvertrag passierte nach ebenfalls äußerst kontroverser Debatte am 11.

Mai 1973 den Bundestag. Als letzten Ostvertrag unterzeichnete Brandt am 11.

Dezember 1973 in Prag den deutsch-tschechoslowakischen Prager Vertrag.

Die Bundesrepublik erklärte darin u.

a.

dasMünchner Abkommen von 1938 für nichtig; das äußerst sensible Thema Vertreibung der Sudetendeutschen, das in der Bundesrepublik erneut zu scharfen Kontroversengeführt und die Ratifizierung des Vertrages gefährdet hätte, wurde ausgeklammert. 5.2 Innenpolitik In der Innenpolitik konzentrierte sich Brandt vor allem auf den Ausbau des Sozialstaates (u.

a.

Reform des Rentengesetzes, der gesetzlichen Krankenversicherung, des Ehe-und Familienrechtes, des Bildungswesens, Einführung des BAföG etc.) und – entsprechend dem Motto „Mehr Demokratie wagen” – auf die Motivation der Bevölkerung zuaktivem politischem Engagement. Vor dem Hintergrund des zunehmenden Terrorismus vor allem linksextremer Gruppen, allen voran der Baader-Meinhof-Gruppe, einigte sich Brandt im Januar 1972 mit denMinisterpräsidenten der Länder auf den so genannten Radikalenerlass gegen mutmaßliche Demokratiefeinde.

Dieser Erlass war heftig umstritten und schadete dem AnsehenBrandts bei der politischen Linken erheblich; Brandt selbst schätzte den Radikalenerlass, der das linksfeindliche Klima in der Bundesrepublik noch weiter verschärfte, späterals Fehler ein. Im Lauf des Jahres 1972 verlor die SPD/FDP-Koalition ihre Mehrheit im Bundestag – mehrere Abgeordnete der Koalitionsparteien waren aus Protest gegen die Ostverträgezur Opposition übergetreten.

Am 20.

September 1972 stellte Brandt die Vertrauensfrage; er verlor die Abstimmung, der Bundestag wurde aufgelöst.

Aus den Neuwahlen am19.

November 1972 ging die SPD unter Brandt mit fast 46 Prozent erstmals in ihrer Geschichte als stärkste Bundestagsfraktion hervor, auch die FDP gewann hinzu.

Diesozialliberale Koalition unter Brandt war von den Wählern klar bestätigt worden und wurde fortgesetzt. Ab Ende 1973 erlebte die Bundesrepublik infolge der Ölkrise ihre erste schwere Wirtschaftskrise.

Die Bundesregierung sah sich nun gezwungen, verschiedeneReformvorhaben aufzuschieben bzw.

ganz zurückzunehmen, da sie vorerst nicht finanzierbar waren.

Dies sowie die rapide steigende Inflation und Arbeitslosigkeit undzahlreiche Streiks schwächten das Vertrauen in den Bundeskanzler erheblich.

Am 6.

Mai 1974 trat Brandt im Zusammenhang mit einer Spionageaffäre, der so genanntenGuillaume-Affäre, von seinem Amt als Bundeskanzler zurück.

Amtsmüdigkeit und Enttäuschung über die innenpolitische Entwicklung mögen den Rücktritt erleichtert haben. 6 ELDER STATESMAN Brandt blieb weiterhin Vorsitzender der SPD (bis 1987) und Mitglied des Bundestags (bis 1992).

Der Friedenspolitik verpflichtet, begleitete Brandt den sich in der zweitenHälfte der siebziger Jahre wieder verschärfenden Ost-West-Konflikt mit Sorge, plädierte in der Rüstungsfrage für eine „doppelte Null-Lösung”, also den Abbau allerMittelstreckenwaffen, stellte sich aber in der Diskussion um den NATO-Doppelbeschluss loyal hinter seinen Amtsnachfolger Helmut Schmidt.

Erst nach dem Sturz Schmidtsim Oktober 1982 bekannte Brandt offen seine von Beginn an gehegte Ablehnung des NATO-Doppelbeschlusses. Weltweit hoch geachtet, engagierte sich Brandt auch auf internationaler Ebene in verschiedenen Funktionen.

Von 1976 bis 1992 war er Präsident der SozialistischenInternationale (SI), die unter seiner Führung weit reichende organisatorische Reformen und eine Verlagerung ihrer politischen Schwerpunkte – Ost-West-Konflikteinschließlich Abrüstungsfrage, Dialog und Kooperation mit den Entwicklungsländern – erfuhr.

Von 1977 bis 1989 leitete Brandt die Nord-Süd-Kommission („Brandt-Kommission”), deren Arbeit weltweit auf große Resonanz stieß, die Politik der Industrieländer gegenüber den Entwicklungsländern in der Praxis allerdings kaum zubeeinflussen vermochte.

Von 1979 bis 1983 war Brandt zudem Mitglied des Europäischen Parlaments. Mit der Vereinigung der beiden deutschen Staaten 1989/90 verwirklichte sich Brandts wichtigstes deutschlandpolitisches Ziel; (zu) optimistisch begrüßte Brandt dieVereinigung mit dem Ausspruch: „Jetzt wächst zusammen, was zusammengehört.” Brandt starb am 8.

Oktober 1992 in Unkel am Rhein. Verfasst von:Wieland EschenhagenMicrosoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation.

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