Totalitarismus - Politik.
Publié le 16/06/2013
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Totalitarismus - Politik. Totalitarismus, Bezeichnung für eine politische Herrschaftsform, die mit diktatorischen Methoden ausgeübt wird, das Prinzip der Gewaltenteilung nicht kennt, demokratische Rechte nicht zulässt oder unterdrückt und sich mit offener oder verdeckter Gewaltanwendung das gesamte wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und kulturelle Leben im Namen einer staatlicherseits geltend gemachten Ideologie unterwirft. Der Begriff ,,Totalitarismus" bzw. das Adjektiv ,,totalitär" - eine französisierende Form des Wortes ,,total" - wurde in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts in Italien geprägt. Benito Mussolini bezeichnete die von ihm begründete Herrschaftsform als stato totalitario und beschrieb sie wie folgt: ,,Alles innerhalb des Staates, keiner außerhalb des Staates, keiner gegen den Staat." Der Widerstand gegen das Mussolini-Regime griff die Bezeichnung totalitär bzw. totalitario auf, verwendete sie jedoch als antifaschistischen Kampfbegriff gegen das Regime und trug damit wesentlich zur Verbreitung des Begriffes bei. Nach Deutschland wurde der Begriff anschließend vor allem durch den Staatsrechtler Carl Schmitt eingeführt und beeinflusste maßgeblich die Ausformulierung der nationalsozialistischen Ideologie. Im Unterschied zu den schon vor den totalitären Systemen des 20. Jahrhunderts existierenden autoritären Herrschaftsformen (Autokratie, Absolutismus, Despotie, Diktatur, Tyrannis) gibt es im totalitären Staat keine erkennbare Grenze mehr zwischen dem öffentlichen und dem privaten Bereich, weil nahezu alles den staatlichen Bedürfnissen, Erfordernissen und Anordnungen subsumiert und jegliche Kritik und Freiheitsrechte des Individuums nötigenfalls gewaltsam unterdrückt werden. Als ,,klassische" Beispiele totalitärer Staaten gelten das faschistische Italien, das nationalsozialistische Deutschland und die stalinistische Sowjetunion. Gemeinsam war und ist den meisten totalitären Staaten trotz ihres diktatorischen Charakters ein mit ihm verknüpftes populistisches Element, das zwar in keiner spontanen Massenbewegung wurzelt, aber dank moderner Massenkommunikationsmittel und der über sie propagierten Staatsideologie sowie einem mehr oder weniger ausgeprägten Führerkult (siehe Führerprinzip) relevante Teile des jeweiligen Staatsvolkes zu Anhängern eines totalitären Staates macht. Innerhalb der Politikwissenschaft sind seit den bahnbrechenden Untersuchungen zum Totalitarismus von Carl Joachim Friedrich, Zbigniew Brzezinski und Hannah Arendt folgende Phänomene als die grundlegenden Charakteristika eines totalitären Systems allgemein weitgehend anerkannt: 1. eine alle öffentlichen und privaten Bereiche des gesellschaftlichen Lebens vereinnahmende, staatlicherseits oktroyierte Ideologie; 2. ein streng hierarchisch aufgebauter und auf einen Führer zugeschnittener Staatsapparat, der 3. von einer herrschenden Einheitspartei dominiert wird (keine freie Parteibildung und Wahlen); 4. eine vom Staatsapparat unter Führung dieser Einheitspartei zentralistisch-bürokratisch gelenkte Wirtschaft; 5. Kontrolle, Steuerung und Zensur der Massenkommunikationsmittel; 6. Ausgrenzung, Kontrolle und Verfolgung bis hin zum Terror gegenüber wirklichen oder vermeintlichen system- bzw. staatsfeindlichen Gruppen oder Individuen. Diese Parameter sind aus der historischen Analyse verschiedener totalitärer Staaten extrapoliert und treten nicht unbedingt gleichzeitig in der genannten idealtypischen Reihung und Kombination auf. Der Begriff Totalitarismus ist ein ausschließlich politologischer Begriff, der die zugehörige und zugrunde liegende wirtschaftliche und gesellschaftliche Struktur innerhalb eines totalitären Systems weitgehend unberücksichtigt lässt. Eben darin liegt die zentrale Schwäche des Totalitarismus-Begriffes, weshalb er innerhalb der Politik- und Geschichtswissenschaft seit dem Ende des 2. Weltkrieges durchaus kontrovers diskutiert wird. So wird der Totalitarismus-Theorie z. B. vorgeworfen, dass sie auf der ständigen Suche nach Ähnlichkeiten und Vergleichbarkeiten unterschiedliche Wirtschafts- und Gesellschaftssysteme - kapitalistische, sozialistische, faschistische oder islamische - umstandslos in ein gemeinsames begriffliches Bezugsfeld setzt, dabei den untrennbaren Zusammenhang von Wirtschafts-, Gesellschafts- und Herrschaftsstruktur vernachlässigt und als einzige Bezugsgröße unhinterfragt die parlamentarische Demokratie einsetzt. Deshalb erlebte die Totalitarismus-Theorie vor allem in Zeiten des Kalten Krieges eine Blütezeit, als es darum ging, die Vorzüge - die wirklichen und die vermeintlichen - der parlamentarischen Demokratie als alternativer Herrschaftsform zum Realsozialismus zu propagieren. Insofern fungierte der Totalitarismus auch als ideologischer Kampfbegriff zwischen zwei konkurrierenden Systemen, was den Erfolg des Buches The Origins of Totalitarism (1951) von Hannah Arendt erklärt. Die Renaissance der Totalitarismus-Theorie seit Ende der achtziger Jahre wiederum hängt zusammen mit der notwendig gewordenen Auseinandersetzung mit den Phänomenen des Fundamentalismus und Extremismus sowie der Aufarbeitung der Geschichte der DDR und anderer ehemals kommunistischer Staaten. Weitere Impulse erhielt die Totalitarismus-Forschung durch die Kritik an den potentiell totalitären Strukturen der Globalisierung. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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