Spanien - geographie. 1 EINLEITUNG Spanien (spanisch España), Königreich im Südwesten Europas. Spanien erstreckt sich über den größeren Teil (etwa 80 Prozent) der Iberischen Halbinsel und grenzt im Norden an den Golf von Biscaya, an Frankreich und Andorra, im Osten an das Mittelmeer, im Süden an das Mittelmeer und an den Atlantik und im Westen an Portugal und den Atlantik. Die britische Kronkolonie Gibraltar liegt im äußersten Süden von Spanien und wird von diesem beansprucht. Die Balearen im Mittelmeer und die Kanarischen Inseln im Atlantik vor der Küste Afrikas sind spanische Gebiete. Weiterhin stehen zwei kleine Exklaven in Marokko, Ceuta und Melilla, sowie drei Inselgruppen nahe der Küste von Afrika (Peñón de Vélez de la Gomera, die Alhucemas- und die Chafarinas-Inseln) unter spanischer Verwaltung. Das Staatsgebiet Spaniens einschließlich der Gebiete in Afrika und der Inselterritorien beläuft sich auf 505 990 Quadratkilometer. Madrid ist Hauptstadt und gleichzeitig die größte Stadt des Landes. 2 LAND Spanien hat eine Küstenlänge von rund 5 000 Kilometern. Die lange, ununterbrochene Gebirgskette der Pyrenäen, die sich auf etwa 435 Kilometer vom Golf von Biscaya bis zum Mittelmeer erstreckt, bildet im Norden die natürliche Grenze zu Frankreich und damit zu Westeuropa. Im äußersten Süden trennt die Straße von Gibraltar, die an ihrer schmalsten Stelle weniger als 13 Kilometer breit ist, Spanien von Afrika. 2.1 Physische Geographie Das spanische Festland wird von drei unterschiedlichen Landschaftsräumen geprägt. Dies sind das zentrale Hochland der Meseta, die randlich anschließenden Gebirge sowie die äußeren Becken- und Gebirgslandschaften. Die mittlere Höhe des Festlandes beträgt etwa 660 Meter über dem Meeresspiegel. Damit ist Spanien nach der Schweiz das gebirgigste Land des europäischen Kontinents. Das ausgedehnte Hochland der Meseta mit Madrid im Zentrum erstreckt sich über eine Fläche von mehr als 250 000 Quadratkilometern. Diese Hochebene fällt von Osten nach Westen sanft ab. Sie wird vom Kastilischen Scheidegebirge und dessen Ausläufern Sierra de Guadarrama und Sierra de Gredos in die nördliche und die südliche Meseta unterteilt. Höchste Erhebung in diesem Gebiet ist der Pico de Almanzor mit 2 592 Metern. Die Gebirgszüge sind durch zum Teil steilwandige Täler intensiv gegliedert. Die nördliche Meseta umfasst die historischen Landschaften Altkastilien und León, die größere südliche Meseta die Landschaften Neukastilien und Extremadura. An die zentral gelegene Meseta schließen Gebirgszüge an. Nach Norden ist dies das Kantabrische Gebirge mit dem bis 2 648 Meter hohen Massiv der Picos de Europa. Im Osten wird die Hochebene vom Iberischen Randgebirge umrahmt (in der Sierra de Moncayo bis 2 313 Meter hoch). Die geographische Grenze nach Süden markiert die bis 1 323 Meter hohe Sierra Morena. Im Westen fällt die Meseta allmählich über das Tafelland in Extremadura zur Atlantikküste in Portugal ab. Zu den höchsten der äußeren Randgebirge des spanischen Festlandes gehören die Pyrenäen im Norden und die Betische Kordillere mit der Sierra Nevada im Süden. Höchster Gipfel der Pyrenäen, dem Grenzgebirge zu Frankreich, ist der Pico de Aneto mit 3 404 Metern. In der Sierra Nevada erhebt sich der Mulhacén (3 477 Meter) als höchster Berg der Iberischen Halbinsel. Zwischen den inneren, die Meseta begrenzenden Gebirgen und den küstennahen Hochgebirgen breiten sich ausgedehnte Flusstäler aus. Weite Beckenlandschaften werden von den längsten Flüssen der Halbinsel durchquert. Die fruchtbaren Küstenebenen sind überwiegend schmal und selten breiter als 30 Kilometer. An einigen Stellen reichen die Bergketten bis an das Meer, wo sie zum Teil sehr steil abfallen und felsige Landspitzen bilden. Dies ist besonders entlang der Mittelmeerküste der Fall, wo sich einzelne Ausläufer des Katalanischen Küstengebirges bis zum Meer hin ausdehnen. Barcelona verfügt über den einzigen größeren Hafen an diesem Küstenabschnitt. An der Küste im Nordwesten Spaniens, besonders in Galicien, gibt es einige bedeutende Häfen. Die Voraussetzungen für die Entstehung geeigneter Buchten sind in diesem Bereich überaus günstig. Durch nacheiszeitlichen Anstieg des Meeresspiegels wurden in Galicien ehemalige, weit ins Landesinnere hineinreichende Flusstäler überflutet und bilden nun tief eingeschnittene Buchten (Riaküste). In diesen Küstenbereichen entstanden ideale Naturhäfen. Die Inselgruppe der Balearen bildet geologisch die nordöstliche Fortsetzung der Betischen Kordillere im Mittelmeer. Höchster Berg ist der Puig Mayor auf Mallorca mit einer Höhe von 1 445 Metern. Die höchste Erhebung auf dem gesamten spanischen Territorium ist der Pico de Teide (3 715 Meter) auf Teneriffa, der größten der Kanarischen Inseln. Auch wenn der Boden in Spanien für eine agrarische Nutzung sorgfältig bewässert und kultiviert werden muss, ist er eine reiche und wertvolle natürliche Ressource. Das Spektrum unterschiedlicher Bodentypen ist aufgrund der Größe der Landes überaus breit. Während weite Teile des überwiegend trockenen Landesinneren von wenig entwickelten Rohböden bedeckt sind, ist in den feuchteren Regionen Terra rossa großflächig verbreitet. Dieser Bodentyp ist charakteristisch für die Teile des mediterranen Raumes, in denen Kalkstein ansteht. Die niederschlagsreichen Gebiete im Norden des Landes sowie an den Luvseiten der Gebirge sind mit fruchtbaren Braunerden bedeckt. Die Landesteile in den trockenen Bereichen des südöstlichen Spanien tragen überwiegend graue, salzhaltige Halbwüsten- und Wüstenböden. 2.2 Flüsse und Seen Die längsten spanischen Flüsse durchqueren zum Teil ausgedehnte Beckenlandschaften. Sie haben meist große Einzugsgebiete; ihre Wasserscheiden verlaufen über die Kämme der hohen Gebirgszüge. Die Hauptwasserscheide zwischen Atlantischem Ozean und Mittelmeer verläuft über die Gebirge, welche die Meseta im Norden und Osten begrenzen. Der für kleinere Schiffe streckenweise befahrbare Ebro im Nordosten Spaniens fließt in einem breiten Becken zwischen den Pyrenäen und dem Iberischen Randgebirge und mündet nach Durchqueren des Katalanischen Küstengebirges in einem sich ständig erweiternden Delta ins Mittelmeer. Er ist 910 Kilometer lang und der einzige der großen spanischen Flüsse, die in das Mittelmeer entwässern. Die anderen Hauptflüsse des Landes münden in den Atlantischen Ozean. Der 657 Kilometer lange Guadalquivir durchfließt in Südspanien das breite Andalusische Becken, das zum Atlantischen Ozean hin in eine weite Tiefebene übergeht. Duero (in Portugal Douro, Gesamtlänge 895 Kilometer), Tajo (Tejo, 1 007 Kilometer), Guadiana (818 Kilometer) und Miño (Minho, 310 Kilometer) entspringen in Spanien und münden in Portugal in den Atlantik. Der Guadalquivir ist der tiefste Fluss Spaniens und der einzige, der über eine gewisse Strecke für größere Schiffe befahrbar ist. Die meisten spanischen Flüsse sind zu schmal für die Binnenschifffahrt und können auch kaum zur Bewässerung genutzt werden. Zahlreiche Kraftwerke dienen jedoch der Energiegewinnung aus Wasserkraft. In Spanien gibt es keine größeren natürlichen Binnenseen. An vielen Stellen der großen Flüsse wurden künstliche Stauseen angelegt. 2.3 Klima Aufgrund der großen Höhenunterschiede und der weiten Nord-Süd- und West-Ost-Erstreckung hat Spanien Anteil an mehreren Klimazonen. Die nördlichen Landesteile (von Galicien im Nordwesten über das Kantabrische Gebirge bis zu den Pyrenäen im Nordosten) sind ozeanisch geprägt; sie erhalten Niederschläge zu allen Jahreszeiten. In manchen Gebieten wurden schon Jahresniederschläge von mehr als 2 500 Millimetern verzeichnet. Sie gehören damit zu den feuchtesten Gebieten Europas. Die Tages- und Jahresschwankungen der Temperatur sind im Norden relativ gering. Die mittleren Monatstemperaturen liegen im Sommer um 20 °C, im Winter bei etwa 9 °C. Das Klima im überwiegenden Teil Spaniens ist demgegenüber subtropisch-mediterran. Aufgrund der großen Entfernung zum thermisch ausgleichenden Meer hat es kontinentalen Charakter. Die Temperaturunterschiede sind im Jahresverlauf vor allem in der Meseta sehr hoch. Madrid hat eine mittlere Julitemperatur von 24 °C, während der entsprechende Wert im Januar bei nur 5 °C liegt. Einzelne Tage können auch extreme Werte annehmen. So werden hier im Sommer mitunter Tagestemperaturen von 40 °C überschritten und im Winter an manchen Tagen -10 °C erreicht. In der zentralen Hochebene können im Winter die Flüsse zufrieren, während es im Sommer so heiß ist, dass viele Flüsse bei lange andauernden Dürreperioden vollständig austrocknen. Ein vor allem im südlichen Teil der Hochebene im Sommer auftretendes Phänomen ist die Calina. Dieser Begriff bezeichnet trockenen Staubdunst, der aus kleinsten Staubteilchen besteht, die von der aufsteigenden heißen Luft in die bodennahen Luftschichten transportiert werden. Die mittleren Jahresniederschläge liegen in den flachen Gebieten der Meseta zwischen 300 und 600 Millimetern (in Madrid 419 Millimeter), die Randgebirge des Hochlandes erhalten bis 2 000 Millimeter. Hauptregenzeiten im zentralen Spanien sind Frühjahr und Herbst. Am trockensten ist es in den küstennahen Tieflagen im Südosten. Im Windschatten der Sierra Nevada werden häufig 200 Millimeter Niederschlag im Jahr unterschritten. Damit zählt dieses Gebiet zu den trockensten in Europa. Halbwüstenhafte Bedingungen herrschen in einem küstenparallelen Streifen zwischen Alicante im Nordosten und Almería im Südwesten. Regen fällt hier in Form von Schauern an nur wenigen Tagen im Jahr. Auf den Balearen sind die Winter bei Mittelwerten um 12 °C relativ mild. Die Kanarischen Inseln verzeichnen aufgrund der südlicheren Lage ganzjährig hohe Temperaturen; die Mittelwerte liegen zwischen 18 °C im Winter und 26 °C im Sommer. 2.4 Flora Die natürliche Vegetation Spaniens wurde durch menschliche Einflussnahme tief greifend umgestaltet. Früher waren weite Teile der Iberischen Halbinsel von Wald bedeckt. Weiträumige Abholzung zur Ausweitung von Agrar- und Siedlungsfläche sowie zur Gewinnung von Bau- und Brennholz dezimierte die Waldbestände erheblich. Mittlerweile sind nur noch 35,4 Prozent der Landesfläche bewaldet (2005). In den kühleren und feuchteren Lagen des Nordwestens überwiegen sommergrüne Laubbäume wie Buchen, Eichen oder Kastanien, während in den Pyrenäen zusätzlich Nadelhölzer gedeihen. Seit mehreren Jahrzehnten wird intensiv aufgeforstet. Einerseits sollen die neu geschaffenen Waldflächen das Fortschreiten der Bodenerosion verhindern und den Wasserhaushalt der betreffenden Gebiete verbessern. Andererseits stehen hierbei wirtschaftliche Überlegungen im Mittelpunkt des Interesses. Unter den wärmeren und trockeneren Bedingungen der nach Süden anschließenden Landesteile wird die Vegetationsdecke lichter. Im Übergangsbereich zu den sommerheißen Gebieten sind in den höheren Lagen Kork- und Steineichenwälder sowie verschiedene Strauchgewächse wie Ginster verbreitet. Die innere Borke der Korkeichen kann nach etwa acht bis zehn Jahren in Platten vom Stamm geschält und verarbeitet werden. Korkeichen werden daher zumeist als Nutzbäume angebaut. Weiden, Erlen und Pappeln sind die charakteristischen Baumarten der Flussufer. Die natürliche Vegetation in der zentralen Hochebene besteht vor allem aus Sträuchern und Gebüschen. Im Süden des Landes sind der Trockenheit angepasste Hartlaubgewächse verbreitet. Dominante Arten der Macchie sind Johannisbrotsträucher, Erdbeerbäume und Oleander. Außerdem finden Agaven und Feigenkakteen hier ideale Wachstumsbedingungen. Der Anbau von Ölbäumen ist einer der wichtigsten landwirtschaftlichen Bereiche. Der Ölbaum ist die klassische Leitpflanze der mediterranen Flora. Eine der vielen wissenschaftlichen Abgrenzungen des Mittelmeerraumes orientiert sich an der Verbreitung des Ölbaumes. Während der Anbau im Landesinneren bis in die Meseta hineinreicht, werden die küstennahen Gebiete bis in die Pyrenäen kultiviert. In den trockensten Gebieten im Südosten wurden die typischen Vertreter der Macchie durch die Gebüschformation Garigue verdrängt. Die Flora setzt sich dabei aus niedrig wüchsigeren Pflanzen wie Wolfsmilchgewächsen und Zistrosen zusammen. Die Vegetation der Kanarischen Inseln umfasst zahlreiche endemische Arten, zu den markantesten Pflanzen gehört der Drachenbaum. Die Kanarische Dattelpalme breitete sich von den Inseln über weite Teil des Mittelmeerraumes aus. 2.5 Fauna Die ehemals vielfältige Tierwelt wurde durch die weiträumige Abholzung reduziert. Viele Arten verloren ihre Lebensgrundlage und wurden entweder in Randbereiche zurückgedrängt oder starben vollständig aus. Zum Schutz bedrohter Arten wurden vor allem in den Pyrenäen, im Kantabrischen Gebirge und im Mündungsbereich des Guadalquivir Nationalparks eingerichtet. Die Säugetierfauna ist durch einige bemerkenswerte Spezies gekennzeichnet, so gibt es in Spanien zwei Arten von Schleichkatzen: die Ginsterkatze und den Ichneumon. Zudem leben in den gebirgigeren Regionen noch Braunbären, Wölfe, Luchse und Wildkatzen. Zu den berühmtesten domestizierten Tieren gehören Stiere, die in der Nähe von Sevilla und Salamanca für den spanischen ,,Nationalsport", den Stierkampf, gezüchtet werden. Die Avifauna (Vogelwelt) Spaniens umfasst auffallende Arten wie Bienenfresser, Blauracke, Eisvogel und Wiedehopf sowie eine Vielzahl von Greifvogelarten mit Adlern, Geiern, Falken, Milanen, Weihen und Bussarden. In feuchten Gebieten sind Flamingos, Reiher, Löffler und Dommeln verbreitet. Die relativ reiche Reptilienfauna umfasst Eidechsen (u. a. die bis 60 Zentimeter große Perleidechse), Geckos, Skinke (Glattechsen), Schleichen, Schlangen (Nattern, Ottern), das Europäische Chamäleon sowie Land- und Meeresschildkröten. In Bergflüssen und Bergseen leben zahlreiche Fischarten wie Barben, Schleien und Forellen. Die Küstengewässer sind reich an Thunfischen, Sardinen und Krebstieren. 2.6 Umweltsituation Fortschreitende Entwaldung, Bodenerosion, Bodenversalzung in bewässerten Gebieten sowie die damit einhergehende Verschmutzung der Flüsse zählen zu den gravierendsten ökologischen Problemen des Landes. Der Tourismus, eine wichtige Einnahmequelle Spaniens, belastet die Umwelt ebenfalls erheblich. Die Anlage von ausgedehnten Feriensiedlungen stellt für unter Schutz stehende Gebiete häufig eine Bedrohung dar, und fehlende Klär- und Wasseraufbereitungsanlagen führen zu gefährlichen Verschmutzungen, insbesondere an der Mittelmeerküste während der Sommermonate. Etwa 7,8 Prozent (2007) der Landesfläche stehen unter Naturschutz. Zwei Nationalparks wurden zum Weltnaturerbe erklärt. Im Rahmen des Biosphärenprogramms der UNESCO wurden 14 Biosphärenreservate geschaffen. In mehreren Regionen ließ die spanische Regierung Vogelschutzgebiete anlegen. Darüber hinaus wurden sechs Meeresgebiete im Rahmen des Aktionsplanes für das Mittelmeer unter besonderen Schutz gestellt. 3 BEVÖLKERUNG Die Einwohnerzahl Spaniens beträgt etwa 40,5 Millionen (2008). Die Bevölkerungsdichte liegt bei etwa 81 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Verteilung der Bevölkerung ist überaus ungleichmäßig. 77 Prozent der Bevölkerung leben in Städten (2005). Hohen Werten der Bevölkerungsdichte in den wirtschaftlich stark entwickelten Gebieten und den Küstenregionen stehen zum Teil sehr niedrige Werte im Landesinneren gegenüber. Die Zuwanderung von Menschen aus strukturschwachen ländlichen Regionen in die großen Städte hält an. Mehr als drei Millionen Spanier leben im Ausland, darunter etwa 200 000 in Deutschland. Das mittlere Bevölkerungswachstum Spaniens beträgt etwa 0,10 Prozent (2008). Die mittlere Lebenserwartung liegt für Männer bei 76,6 und für Frauen bei 83,5 Jahren (2008). Spanien ist ein ethnisch überaus homogenes Land, rund 97,5 Prozent aller Bewohner sind Spanier. Die Bevölkerung ging im Wesentlichen aus der Mischung der ursprünglichen Bevölkerung der Iberischen Halbinsel mit den Völkern hervor, welche die Halbinsel eroberten und über lange Zeiträume hinweg besetzten. In diesen Perioden kamen ethnische Elemente der Römer, der Sweben, der Westgoten (siehe Goten) und der Teutonen hinzu. Weiterhin können semitische Elemente nachgewiesen werden. Viele ethnische Gruppen in Spanien haben sowohl kulturell als auch sprachlich ihre Identität bewahrt. Hierzu zählen die etwa 2,5 Millionen Basken im Norden des Landes. Sie sind Nachkommen eines nichtindogermanischen Volksstammes und zeigen traditionell starke Bestrebungen zur Autonomie. Die historische Region der Basken reicht auf französisches Staatsgebiet über. Im Nordwesten Spaniens leben rund 2,5 Millionen Galicier. Eine weitere zahlenmäßig starke ethnische Gruppe sind die etwa acht Millionen Katalanen, von denen die meisten in Katalonien leben. Weitere Siedlungsgebiete der Katalanen sind die südlich angrenzenden Gebiete sowie die Balearen. Im Dezember 2000 waren in Spanien rund 940 000 Ausländer gemeldet, davon stammten rund 555 000 aus Ländern außerhalb der Europäischen Union. Der Anteil ausländischer Bewohner an der Gesamtbevölkerung ist mit etwa 2,5 Prozent sehr gering. Die größte Gruppe bilden Marokkaner (ca. 195 000), gefolgt von Chinesen (31 000) und Ecuadorianern (29 000). Seit 1990 ist eine verstärkte Zuwanderung aus osteuropäischen Staaten zu verzeichnen. Zahlenmäßig stärkste Volksgruppen sind Rumänen (12 000, mit einem hohen Anteil von Sinti und Roma) und Polen (9 000). Die Zahl der sich illegal in Spanien aufhaltenden Personen wird auf über 100 000 geschätzt. 3.1 Wichtige Städte Die Hauptstadt und zugleich größte Stadt ist Madrid mit etwa 3,13 Millionen Einwohnern (2007). Die zweitgrößte Stadt, Barcelona (1,60 Millionen), ist zugleich wichtigster Hafen und Handelszentrum, die Hauptstadt der Provinz Barcelona und der Region Katalonien. Weitere bedeutende Städte sind u. a. Valencia (798 000), die Hauptstadt der gleichnamigen Provinz und Region, ein Produktions- und Eisenbahnzentrum, Sevilla (699 000), Hauptstadt der Provinz Sevilla und der Region Andalusien, ein bedeutendes kulturelles Zentrum, Zaragoza (654 000), Hauptstadt der Provinz Zaragoza und der Region Aragonien, ein wichtiges Industriezentrum, und Bilbao (353 000), eine Stadt mit einem bedeutenden Exporthafen. 3.2 Sprache Offizielle Landessprache ist Spanisch, das weltweit von etwa 250 Millionen Menschen gesprochen wird. Rund 500 000 Menschen im spanischen und französischen Baskenland sprechen Baskisch. Die Herkunft dieser überaus alten Sprache ist unbekannt; sie hat keinerlei Verwandtschaft mit anderen europäischen Sprachen. Katalanisch hat seit Ende der Franco-Ära im Nordosten des Landes Spanisch immer mehr verdrängt. Galicisch ist mit dem Portugiesischen eng verwandt; die Sprachgrenzen sind fließend. Baskisch, Katalanisch und Galicisch sind seit 1978 als Nationalsprachen anerkannt und werden in den Schulen der jeweiligen Gebiete unterrichtet. 3.3 Religion Etwa 97 Prozent der Spanier bekennen sich zur römisch-katholischen Kirche. Das Land ist in elf Erzdiözesen und über 50 Suffraganbistümer unterteilt. Der Katholizimus war einst Staatsreligion. In der Verfassung von 1978 wurde jedoch festgelegt, dass Spanien keine Staatsreligion mehr haben solle. Es gibt kleinere Gemeinden von Protestanten, Juden und Muslimen. 3.3.1 Feiertage Zu den gesetzlichen Feiertagen gehören Neujahr (1. Januar), der Dreikönigstag (6. Januar), der Josefstag (19. März), der Karfreitag, der Tag der Arbeit (1. Mai), Fronleichnam, der Namenstag des Königs (24. Juni), der Santiago-Tag (25. Juli), der Nationalfeiertag, an dem der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus gedacht wird (12. Oktober), Allerheiligen (1. November), Mariä Empfängnis (8. Dezember) und Weihnachten (25. Dezember). Daneben feiert nahezu jede Stadt und jede Region ihre eigene Fiesta zu Ehren des lokalen Schutzheiligen. 3.4 Soziales Das 1939 erlassene Gesetz zur Familienbeihilfe gewährt den Arbeitern in Spanien eine monatliche Unterstützung je nach Anzahl der Kinder in der Familie. Die hierfür benötigten Mittel werden von Arbeitgebern und Angestellten beigesteuert. Seit 1949 gibt es ein Rentensystem sowie Kranken- und Wochengeld. Aus öffentlichen Geldern stammen die Mittel für die Unterstützung der Armen, Schwesternschulen und Krankenhäuser. Die medizinische Versorgung der Bevölkerung ist ausreichend. 4 BILDUNG UND KULTUR Das goldene Zeitalter des spanischen Bildungswesens lag im Mittelalter, als Mauren, Christen und Juden in Córdoba, Granada und Toledo starke, religionsübergreifende Zentren für höhere Bildung unterhielten. Die Universität von Salamanca (1218 gegründet) diente seit dem 16. Jahrhundert als Vorbild für die Hochschulen in Lateinamerika und stärkte so den internationalen Einfluss des spanischen Bildungswesens. Im Lauf des 16. Jahrhunderts war die Universität von Alcalá (gegründet in Alcalá de Henares 1510, Umzug nach Madrid 1836 - Universität von Madrid) für die in vielen Sprachen parallel durchgeführten Bibelübersetzungen berühmt. Bedeutende Lehrmeister jener Zeit waren u. a. Juan de Huarte, ein Pionier auf dem Gebiet psychologisch orientierter Erziehung, der Humanist und Philosoph Juan Luis Vives, der neue Vorstellungen für das Bildungswesen vertrat und sich ganz besonders für die Bildung der Frauen einsetzte, sowie St. Ignatius von Loyola, der Gründer des Jesuitenordens. Francisco Giner de los Ríos, der nach Reformmöglichkeiten in der höheren Bildung und bei der Ausbildung von Frauen suchte, Francisco Ferrer Guardia, der sich für eine Reform und Demokratisierung der Bildung stark machte, und der Philosoph José Ortega y Gasset, dessen Schriften über die Aufgaben der Universität in viele Sprachen übersetzt wurden, waren weitere Lehrer, die im 19. und 20. Jahrhundert wichtige Beiträge zum Bildungswesen leisteten. Die Königliche Spanische Akademie (1713 gegründet) und die Königliche Akademie für Geschichte (1738 gegründet) sind für ihre wissenschaftlichen Veröffentlichungen bekannt. Jede Betrachtung der spanischen Kultur muss den außerordentlich großen Einfluss der Religion auf die Geschichte des Landes und das Leben des Einzelnen hervorheben. Das spanische Leben ist stark von Fiestas geprägt. Diese beginnen normalerweise mit einer Hochmesse mit anschließender feierlicher Prozession, bei der Heiligenfiguren von den Teilnehmern auf ihren Schultern getragen werden. Oft beleben Musik, Tanz, Dichtung und Gesang das farbenfrohe Ereignis. Zu den bedeutendsten Fiestas gehören die Fiesta in Valencia, die April-Fiesta in Sevilla und die Fiesta San Fermín in Pamplona. Dagegen sind das Fronleichnamsfest in Toledo und Granada sowie die Feierlichkeiten der Karwoche in Valladolid, Zamora und Cuenca sehr ernsthafte Ereignisse. Der Stierkampf, der in der spanischen Tradition eine überaus große Rolle einnimmt, wird fiesta brava genannt. Auch wenn der Stierkampf selbst in Spanien immer stärker in die Kritik gerät, bleibt der Besuch einer Arena für viele Spanier eine beliebte Freizeitbeschäftigung. Die Wurzeln des Stierkampfes reichen in das 16. Jahrhundert zurück, als Reiter (caballeros) die Stiere mit der Lanze erlegten. Neben der Funktion als Feierlichkeit an adeligen Höfen diente dieser Kampf mitunter auch als Waffenübung. Im Laufe des 17. Jahrhunderts wurde der berittene Kämpfer immer mehr vom ,,Kämpfer zu Fuß" verdrängt. Zum öffentlichen Schauspiel wurden Stierkämpfe mit Fertigstellung des Baus der ersten Plaza de Toros im Jahr 1749 in Madrid. Mittlerweile treten als Stierkämpfer nur noch professionelle Toreros in die Arena. 4.1 Bildung und Schulwesen Während der letzten Jahrzehnte wurde das Bildungswesen des Landes kontinuierlich ausgebaut. Dadurch gelang es auch, die Analphabetenrate auf inzwischen unter 5 Prozent zu senken. In Spanien ist die Schulausbildung kostenlos. Es besteht eine Schulpflicht von 11 Jahren (2001-2002). Das Schulsystem besteht aus der Vorschule (für Kinder von drei bis fünf Jahren), der Grundschule (von sechs bis elf Jahren) und einer weiterführenden Schule (von zwölf bis 16 Jahren). Danach können die Schüler entweder eine ein bis zwei Jahre dauernde Berufsausbildung absolvieren oder das sich über zwei Jahre erstreckende Bachillerato als Vorbereitung und Bedingung für den Besuch der Universität ablegen. Das universitäre System besteht aus drei Stufen. Die erste, bei deren Abschluss die Diplomatura erreicht wird, dauert drei Jahre. Nach Abschluss der zweiten Stufe, die sich über zwei oder drei Jahre hinzieht, wird die Licenciatura abgelegt. Studenten, die den Grad eines Doktors erreichen wollen, müssen die dritte Stufe über zwei Jahre absolvieren und eine Doktorarbeit schreiben. Etwa 1,83 Millionen Studenten sind an spanischen Hochschulen eingeschrieben (2001-2002). Zu den bedeutendsten Universitäten des Landes gehören die Universität und die Polytechnische Hochschule von Madrid (1971 gegründet) sowie die Universitäten von Barcelona (1450), Granada (1526), Salamanca (1218), Sevilla (1502) und Valencia (1500). 4.2 Kultureinrichtungen Die 1712 als Königliche Bibiliothek gegründete Nationalbibliothek in Madrid ist die größte des Landes und beherbergt über vier Millionen gebundene Bücher. Zu ihrer Sammlung gehören seltene Bücher, Drucke und die wunderschöne Sala de Cervantes, die dem großen spanischen Schriftsteller Miguel de Cervantes Saavedra gewidmet ist. Die Bibliothek des Königlichen Palastes (1760 gegründet) in Madrid verfügt über viele seltene Auflagen aus dem 16. Jahrhundert sowie über herausragende Manuskripte und Kupferstiche. Die Escorial-Bibliothek in der Nähe von Madrid ist für ihre Sammlung seltener Bücher bekannt. Archiv und Bibliothek der Kathedrale von Toledo sind für die Sammlung von etwa 3 000 Manuskripten aus dem 8. und 9. Jahrhundert und mehr als 10 000 Dokumenten aus dem 11. Jahrhundert berühmt. Eine der größten Kunstsammlungen der Welt befindet sich im Nationalmuseum in Madrid (dem Prado). Hier finden sich Exponate von El Greco, Diego Velázquez, Bartolomé Esteban Murillo und Francisco Goya, Werke der italienischen Maler Sandro Botticelli und Tizian sowie von Rembrandt. Das Nationalmuseum für Moderne Kunst in Madrid hat sich auf die spanische Malerei nach 1800 spezialisiert. Spanische Tonwaren, Brokate, Wandteppiche und Elfenbeinschnitzereien befinden sich im Nationalen Museum für Archäologie, das auch die bedeutendste spanische Bibliothek mit Werken der Archäologie beherbergt. Im Nationalen Völkerkundemuseum in Madrid sind Kunstwerke aus den ehemaligen spanischen Kolonien ausgestellt, darunter aus Äquatorialguinea, den Philippinen und Bolivien. Weitere Museen in Madrid sind das Nationale Museum der Wissenschaft und das Museum des Spanischen Volkes. In Barcelona befinden sich das Meereskundemuseum und das Archäologische Museum, das eine große Sammlung prähistorischer, phönizischer, griechischer, römischer und westgotischer Kunstwerke beherbergt. 4.3 Literatur Siehe spanische Literatur 4.4 Kunst und Musik Die spanische Kunst wirkte über die Jahrhunderte nachhaltig auf den Rest der europäischen Tradition. Zu den berühmtesten spanischen Malern gehören El Greco, Velázquez, Goya, Salvador Dalí und Pablo Picasso. Die spanische Musik spiegelt die starken Einflüsse der christlichen und maurischen Kultur. Im 17. Jahrhundert wurde eine besondere Opernform, die Zarzuela , eingeführt. Antonio Soler war im 18. Jahrhundert einer der führenden Klavierkomponisten, und Enrique Granados sowie Manuel de Falla setzten diese Tradition im 20. Jahrhundert fort. Neben Komponisten von Weltruf brachte Spanien auch Instrumentalvirtuosen hervor. Berühmte spanische Musiker des 20. Jahrhunderts sind u. a. der Gitarrist Andrés Segovia, der u. a. Paco de Lucía maßgeblich beeinflusste, und der Cellist Pablo Casals. Unter den berühmtesten Tenören der Gegenwart kommen José Carreras und Plácido Domingo aus Spanien. Zu den in Spanien beliebtesten Instrumenten gehören Gitarre, Tamburin, Kastagnetten und die gaita, eine Art Dudelsack. Bolero, Flamenco, Jota und Fandango haben in Spanien ihren Ursprung. 4.5 Medien Die staatliche Mediengesellschaft Radiotelevision Española (RTVE) wird von einem Ausschuss geleitet, dem Vertreter aller politischer Richtungen und der freien Wirtschaft angehören. Seit 1988 sind auch private Fernsehstationen zugelassen. In Spanien gibt es 151 Tageszeitungen (2004), die eine Gesamtauflage von etwa 4 Millionen Exemplaren erreichen. Einflussreiche Tageszeitungen sind etwa die in Madrid herausgegebenen El País und A.B.C. sowie La Vanguardia aus Barcelona. 5 VERWALTUNG UND POLITIK Nach dem Ende des autoritären Regimes unter Francisco Franco (1939-1975) entwickelte sich Spanien zu einer demokratischen Republik. Gemäß der 1978 in Kraft getretenen, 1992 letztmals erweiterten Verfassung ist Spanien eine konstitutionelle Monarchie mit einem parlamentarisch-demokratischen Regierungssystem. 5.1 Exekutive Das spanische Staatsoberhaupt ist der König, der auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist. In Spanien gibt es eine Erbmonarchie. Der König verfügt auch über das Recht, das Parlament aufzulösen. An der Spitze der Regierung steht der Premierminister; er wird auf Vorschlag des Monarchen vom Abgeordnetenhaus (Kongress der Deputierten) gewählt. 5.2 Legislative 1977 wurde das spanische Einkammersystem der Cortes durch ein aus zwei Kammern bestehendes Parlament ersetzt. Die beiden Kammern setzen sich aus dem Abgeordnetenhaus mit 350 Mitgliedern und dem Senat mit 259 Mitgliedern zusammen. Die Mitglieder des Abgeordnetenhauses werden auf vier Jahre in allgemeiner Verhältniswahl gewählt. Wahlberechtigt sind alle Bürger ab 18 Jahren. Von den 259 Mitgliedern des Senats werden 208 in den Autonomen Regionen ebenfalls auf vier Jahre direkt gewählt, die übrigen 51 werden von den Parlamenten der Autonomen Regionen ernannt. 5.3 Judikative Die höchste juristische Instanz ist der Oberste Gerichtshof mit Sitz in Madrid. Es gibt 17 regionale Gerichte, eines in jeder Autonomen Region, und 52 Gerichte der Provinzen. Die unterste Stufe des Gerichtswesens bilden die Amtsgerichte. Das Verfassungsgericht überwacht die Einhaltung der Verfassung. 5.4 Kommunalverwaltung Spanien besteht aus 17 Autonomen Regionen (Comunidades Autónomas) mit insgesamt 52 Provinzen. Die Autonomen Regionen sind Andalusien, Aragonien, Asturien, Balearen, Baskenland (País Vasco), Kanarische Inseln, Kantabrien, Kastilien-La Mancha, Kastilien-León ( siehe Kastilien), Katalonien, Extremadura, Galicien, La Rioja, Madrid, Murcia, Navarra und Valencia. Die Verfassung von 1978 erlaubte zwei Arten von autonomen Regionen, die jeweils mit unterschiedlichen Befugnissen ausgestattet waren. Katalonien, das Baskenland und Galicien wurden zu ,,historischen Nationalitäten" erklärt und durchliefen ein vereinfachtes Verfahren zur Erreichung ihrer Autonomie. Das Verfahren für die anderen Regionen war langwieriger und komplizierter. Die Autonomen Regionen haben zwar weitgehende Vollmachten in der Selbstverwaltung; über die Frage, ob regionale oder zentrale Regierungsgewalt vorherrschen soll, wird jedoch noch immer verhandelt. Zu den Zuständigkeiten der Autonomen Regionen gehören u. a. Sozialfürsorge, Kultur, Polizei, Gesundheitswesen und Umweltschutz. In jeder der 17 Autonomen Regionen Spaniens wird eine gesetzgebende Versammlung gewählt, die aus einer Kammer besteht. Diese Kammer bestimmt aus ihren Mitgliedern einen Präsidenten. Sieben Autonome Regionen bestehen aus nur einer Provinz, die anderen zehn umfassen zwei oder mehr Provinzen. Die einzelnen Regionen unterscheiden sich hinsichtlich Fläche, Einwohnerzahl und Wirtschaftskraft stark voneinander. Katalonien im Nordosten von Spanien hat sich in den letzten Jahren zu einer der wirtschaftlich dynamischsten Regionen in Europa entwickelt. Die Wirtschaftsstruktur wird überwiegend vom produzierenden Gewerbe und dem Dienstleistungssektor geprägt. In der größeren, aber wesentlich dünner besiedelten Extremadura im Südwesten Spaniens dominiert demgegenüber immer noch die Landwirtschaft. In jeder der insgesamt 52 Provinzen gibt es einen ernannten Gouverneur und einen gewählten Rat. Die mehr als 8 000 Gemeinden werden jeweils von einem direkt gewählten Rat regiert, der seinerseits aus seinen Reihen den Bürgermeister wählt. 5.5 Politische Parteien Stärkste Parteien in Spanien sind der konservative Partido Popular (PP, Volkspartei) und der sozialdemokratische Partido Socialista Obrero Español (PSOE, Sozialistische Spanische Arbeiterpartei). Weitere bedeutende Parteien sind die Izquierda Unida (IU, Vereinigte Linke) sowie die nationalistisch orientierten Parteien der Katalanen, Basken und Galicier. 5.6 Verteidigung Für die männlichen Spanier ist seit Januar 1997 ein sechsmonatiger Wehrdienst Pflicht. Bis Ende 1996 betrug die allgemeine Wehrpflicht noch neun Monate. Die spanische Armee umfasst 147 255 Soldaten (2004). Die paramilitärische Guardia Civil hat eine Stärke von 66 000 Mann. In den vergangenen Jahren wurden jeweils etwa 200 000 neue Wehrpflichtige zum Dienst an der Waffe eingezogen. Die Zahl der Wehrdienstverweigerer beläuft sich auf jährlich etwa 100 000. Die neuesten Pläne des spanischen Verteidigungsministeriums zielen auf eine Abschaffung der Wehrpflicht bis zum Jahr 2003 und die Aufstellung einer Berufsarmee von rund 150 000 Soldaten. Spanien wurde 1982 Mitglied der NATO. Diese Mitgliedschaft im westlichen Verteidigungsbündnis wurde 1986 mit einer Volkabstimmung bestätigt. Unter anderem zielte das Referendum auch auf die Reduzierung der in Spanien stationierten Truppen der anderen Mitgliedsstaaten der Allianz. Spanien und die Vereinigten Staaten von Amerika einigten sich im Januar 1988 auf den Abzug amerikanischer Luftstreitkräfte vom Stützpunkt Torrejón. 6 WIRTSCHAFT Spaniens Ökonomie war bis etwa 1961 stark auf die Agrarwirtschaft ausgerichtet. Um das Land den Standards westlicher Industrienationen anzupassen, stellte man in der Folgezeit eine ganze Reihe von Entwicklungsplänen auf, die eine Umstrukturierung des Agrarsektors vorsahen und die Industrialisierung vorantrieben. Der Beitritt Spaniens zur Europäischen Gemeinschaft (EG) am 1. Januar 1986 hatte die Beschleunigung dieser Prozesse zur Folge. Heutzutage wird der überwiegende Teil der Staatseinnahmen in der Industrie und im Dienstleistungssektor erzielt. Das Bruttoinlandsprodukt liegt bei 1 224 676 Millionen US-Dollar (2006). Die Handelsbilanz des Landes ist jedoch negativ; die Ausgaben für Importe übersteigen die Einnahmen aus Exporten. In diesem Zusammenhang kommt der Tourismusbranche große Bedeutung zu. Mit den Einnahmen aus dem Fremdenverkehr lässt sich ein guter Teil des Bilanzdefizits ausgleichen. Von den spanischen Erwerbstätigen arbeiten 65 Prozent im Dienstleistungssektor, 30 Prozent sind im produzierenden Gewerbe tätig, 5 Prozent in der Land- und Forstwirtschaft sowie in der Fischerei (2005). Ein nicht unwesentliches Problem ist die hohe Arbeitslosigkeit. Innerhalb der EU hat Spanien die höchste Arbeitslosenquote, sie liegt bei 11 Prozent (2004). 6.1 Landwirtschaft Die Landwirtschaft ist eine der wesentlichen Stützen der spanischen Wirtschaft. Die wichtigsten landwirtschaftlichen Produkte sind Weizen, Gerste, Zuckerrüben, Mais, Kartoffeln, Roggen, Hafer, Reis, Trauben, Tomaten und Zwiebeln. Spanien verfügt über ausgedehnte Weinanbaugebiete sowie über Citrus- und Olivenhaine. Nur in einem Teil Spaniens, vor allem im Norden des Landes, ist der Trockenfeldbau bei ausreichenden Niederschlägen großflächig verbreitet. Ohne künstliche Bewässerung gedeihen vorwiegend Getreide und Hülsenfrüchte sowie trockenheitsresistente Dauerkulturen wie Weinstöcke, Feigenbäume und Ölbäume. Die klimatischen und topographischen Bedingungen erfordern in weiten Teilen der spanischen Landwirtschaft umfangreiche Bewässerung. In den Provinzen am Mittelmeer, vor allem in Valencia, gibt es Bewässerungssysteme, welche die Arbeit vieler Generationen widerspiegeln. Der früher trockene Küstengürtel ist heute eine der fruchtbarsten Gegenden in Spanien; auf vielen agrarisch genutzten Flächen (Huertas) sind mehrere Ernten im Jahr möglich. Neben Zuckerrohr und Zitrusfrüchten werden hier vor allem Gemüse, Tabak und auch Reis kultiviert. Im Tal des Ebro gibt es kombinierte Bewässerungs- und Wasserkraftprojekte zur Gewinnung von Elektrizität. Weite Gebiete der Extremadura, wie etwa die Region im Umland des Flusses Guadiana, werden mit Hilfe staatlicher Bewässerungsprojekte bewirtschaftet. In kleineren Bauernhöfen wird der Boden häufig über Brunnen bewässert. Andalusien liefert mehr als die Hälfte der gesamten Olivenproduktion des Landes. Ölbäume werden in den trockenen Gebieten Südspaniens auf großen Flächen angebaut. Weitere wichtige Anbauprodukte im Süden sind Baumwolle und Wein. Spanien ist einer der weltweit größten Weinproduzenten. Viehzucht, insbesondere die Haltung von Schafen, Ziegen, Schweinen und Rindern, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle in der Landwirtschaft. Der Viehbestand konnte in den vergangenen Jahrzehnten erheblich gesteigert werden. Entsprechend wuchs auch die Produktion von Fleisch und Milch. Eine Besonderheit in der Viehwirtschaft ist die Zucht von Kampfstieren, die vorwiegend in den nördlichen Regionen (vor allem in Galicien, in Asturien und im Baskenland) erfolgt. Die intensive Entwicklung der Viehwirtschaft ist mittlerweile vor allem in den trockeneren Gebieten Südspaniens problematisch geworden. Zu starke Beweidung führte auf einigen Flächen zu nahezu vollständigem Verlust der Vegetationsdecke und nachfolgenden Erosionsschäden. 6.2 Forstwirtschaft und Fischerei Die Korkeiche gehört zu den wichtigsten Bäumen in Spanien, und die jährliche Korkproduktion wird in Europa nur noch von Portugal übertroffen. Die Erträge der Wälder allein können den Bedarf des Landes an Nutzholz nicht decken. Schon in der Antike wurden auf der Iberischen Halbinsel ausgedehnte Waldbestände gerodet. Wald- und Buschbrände führen dazu, dass trotz gezielter Aufforstung die gesamte Waldfläche jährlich kaum zunimmt. Zur Deckung des Papierbedarfes werden vor allem Pappel- und Eukalyptusarten angebaut. Die Fischfangindustrie spielt in der spanischen Volkswirtschaft eine wichtige Rolle. Seit Beginn der achtziger Jahre sind die Fangquoten jedoch aufgrund der Beschränkung spanischer Fischereirechte von Seiten der Europäischen Union und Marokkos zurückgegangen. Die wichtigsten Fanggründe liegen vor der Atlantikküste Galiciens. Auch im Bereich der Kanarischen Inseln sind die Anlandungen hoch. Besonders hohe Erträge werden mit Thunfischen, Sardinen, Seehechten, Sardellen, Makrelen, Tintenfischen und Muscheln erreicht; letztere werden auch an der galicischen Küste gezüchtet. 6.3 Bergbau Spanien verfügt über beträchtliche Vorkommen an Bodenschätzen. In bedeutenden Mengen werden sie im Norden des Landes, vor allem in den Regionen Galicien, Asturien und Baskenland, sowie im Bereich der Sierra Morena und der Betischen Kordillere gefördert. Die ertragreichsten Kohleminen befinden sich im Nordwesten, in der Nähe von Oviedo. Um Santander und Bilbao gibt es die ergiebigsten Eisenerzvorkommen des Landes. Spanien gehört zu den größten Quecksilberproduzenten der Welt; bedeutende Lagerstätten existieren im Südwesten bei Almadén. In Andalusien werden Kupfer und Blei abgebaut. Weitere Rohstoffe sind u. a. Uran, Erdöl und Erdgas sowie Salz. 6.4 Industrie Neben der Stahlerzeugung (besonders im Norden des Landes) und der Metallindustrie gehören der Maschinenbau und die Fahrzeugmontage zu wichtigen Zweigen der spanischen Industrie. Ebenfalls bedeutende Sektoren sind Leder-, Textil- und Bekleidungsindustrie, die chemische Industrie, die Elektroindustrie (u. a. im Ballungsraum Madrid) sowie die Nahrungsmittelindustrie. Die nördlichen Industriestandorte um Oviedo und Gijón sowie Bilbao und San Sebastian sind Zentren des Maschinenbaus sowie der Eisen- und Stahlindustrie. Im Nordosten - u. a. im Raum Barcelona - sind chemische und Textilindustrie gut entwickelt. Die Fertigung von Kraftfahrzeugen ist auf mehrere Standorte verteilt - z. B. bei Vitoria, Zaragoza, Barcelona, Valladolid, Madrid und Cádiz im Süden des Landes. Auch die Verarbeitung von Nahrungsmitteln erfolgt in vielen Städten. 6.5 Energie 53,25 Prozent des spanischen Strombedarfs werden in konventionellen Wärmekraftwerken produziert. 16,40 Prozent der Energie erzeugen Wasserkraftwerke, 23,77 Prozent werden in Atomkraftwerken gewonnen (2003). Im Süden Spaniens sind einige Solaranlagen in Betrieb. 6.6 Währung und Bankwesen Währungseinheit ist seit dem 1. Januar 2002 der Euro zu 100 Cents, der die Peseta (Pta) zu 100 Céntimos (cts) als Währung ablöste. Zentralbank des Landes ist die Bank von Spanien (gegründet 1829). Eine große Anzahl von Handelsbanken ist im ganzen Land verteilt. Wichtige Börsen befinden sich in Madrid, Barcelona und Bilbao. 6.7 Außenhandel Das Volumen des Außenhandels stieg nach dem Beitritt Spaniens zur EG stark an; Ausfuhr und Einfuhr entwickelten sich gleichermaßen. Die Handelsbilanz Spaniens ist negativ. Zu den wichtigsten Importgütern zählen Rohöl und andere Rohstoffe, Maschinen und Fahrzeuge, elektrotechnische und feinmechanische Instrumente, Nahrungsmittel und chemische Erzeugnisse. Exportiert werden vor allem Eisen und Stahl, Textilien, Kraftfahrzeuge und landwirtschaftliche Produkte (besonders Olivenöl, Zitrusfrüchte und Wein). Die wichtigsten Handelspartner Spaniens sind Frankreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und Portugal. 6.8 Verkehrswesen Das spanische Straßennetz hat eine Gesamtlänge von etwa 666 300 Kilometern (2003). Autobahnen (etwa 3 000 Kilometer) gibt es überwiegend in den nördlichen Gebieten und entlang der Mittelmeerküste. Das Schienennetz mit einer Länge von rund 14 500 Kilometern (2005) wird von staatlichen und privaten Unternehmen unterhalten. Seit 1992 wird ein Hochgeschwindigkeitszug auf der Strecke von Madrid nach Sevilla eingesetzt. Mit der Erweiterung der Strecke nach Barcelona wurde begonnen. Für den Flugverkehr nehmen Madrid und Barcelona die Hauptrolle ein. Für den Fremdenverkehr haben vor allem die Flughäfen von Málaga, Alicante, Palma de Mallorca, Las Palmas de Gran Canaria und Santa Cruz de Tenerife große Bedeutung. Darüber hinaus gibt es Flughäfen bei Santiago de Compostela und Sevilla. Eine bedeutende Rolle für Transport und Verkehr spielt die Hochsee- und Küstenschifffahrt. Zu den wichtigen Häfen zählen u. a. Barcelona, Bilbao, Valencia, Gijón und Palma de Mallorca. 6.9 Tourismus Der Fremdenverkehr stellt mitunter die wichtigste Einnahmequelle des Landes dar. 1999 reisten mehr als 60 Millionen Menschen aus anderen Ländern nach Spanien; der überwiegende Teil davon waren Urlauber. Die meisten Besucher des Landes kamen aus Frankreich, Portugal, Deutschland und Großbritannien. Der Tourismus konzentriert sich stark auf die festländischen Küstenregionen am Atlantischen Ozean und am Mittelmeer sowie auf die Balearen und die Kanarischen Inseln. Darüber hinaus verzeichnen auch die kulturell und historisch interessanten Städte Madrid, Barcelona, Valencia, Sevilla, Córdoba und Granada hohe Besucherzahlen. Bau und Betrieb der für die vielen Besucher benötigten Infrastruktur führten vor allem in den Küstenregionen zu intensiven wirtschaftlichen und ökologischen Veränderungen. Während im Tourismussektor kontinuierlich neue Arbeitsplätze geschaffen werden konnten, kam es andererseits durch den Bau von Hotels und Verkehrswegen zu Belastungen. Probleme sind dabei vor allem der hohe Wasserbedarf der Hotelanlagen, Entsorgung und Lärm. 7 GESCHICHTE Die frühesten Zeugnisse einer Besiedlung der Iberischen Halbinsel sind Höhlenzeichnungen aus dem Paläolithikum, die im Umkreis des Kantabrischen Gebirges gefunden wurden. Von der für den Norden charakteristischen Kultur war die spätere neolithische Almeríakultur (etwa 3000 v. Chr.) im Südosten Spaniens grundlegend verschieden. Die Almeríakultur zeigte deutliche nordafrikanische Einflusse, denn hier, im Süden, begann die Besiedlung durch die Iberer, ein ursprünglich nordafrikanisches Volk. Um 1000 v. Chr. hatten sich die Iberer zum bedeutendsten ethnischen Element auf der Halbinsel entwickelt. Ein anderes Volk, das ebenfalls einen bedeutenden Einfluss auf die kulturelle Entwicklung der Halbinsel hatte, waren die Kelten, die etwa im 6. Jahrhundert v. Chr. im Zuge einer Völkerwanderung von Frankreich her eindrangen. Die dann auftretenden Keltiberer waren wahrscheinlich nicht, wie man lange annahm, eine Mischbevölkerung aus Kelten und Iberern, sondern mit diesem Begriff wurden alle oder einzelne keltische Stämme auf der Iberischen Halbinsel bezeichnet. 7.1 Altertum und Mittelalter Vermutlich liefen schon seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. Seefahrer aus dem östlichen Mittelmeer die Iberische Halbinsel an; nachweislich gründeten um 1100 v. Chr. Phöniker (siehe Phönikien) die Kolonie Gadir an der Stelle des heutigen Cádiz als Handelsstützpunkt. Ab dem 7. Jahrhundert v. Chr. errichteten auch Griechen, u. a. von Massalia (Marseille) aus, Kolonien an der iberischen Mittelmeerküste bis in den Süden, in die Gegend des heutigen Málaga, und wagten sich gelegentlich sogar über die ,,Säulen des Herkules", die Straße von Gibraltar, hinaus bis in den Atlantik vor. Ab dem 5. Jahrhundert v. Chr. dehnten die Karthager von Nordafrika aus ihren Einfluss über den Südosten der Iberischen Halbinsel aus und brachten hier die bereits bestehenden Kolonien unter ihren Einfluss. In der zweiten Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr. sicherte und erweiterte Karthago seinen Herrschaftsbereich auf der Iberischen Halbinsel systematisch: Ab 237 v. Chr. brachten die karthagischen Feldherren Hamilkar Barkas, Hasdrubal und Hannibal den Süden und Osten der Halbinsel bis zum Fluss Ebro unter ihre Gewalt und gründeten weitere Kolonien, u. a. Carthago Nova, das heutige Cartagena. Vermutlich 226 v. Chr. schloss Hasdrubal mit den von Gallien her auf die Iberische Halbinsel vordringenden Römern den Ebrovertrag, in dem sich beide Seiten wohl auf den Ebro als Grenze ihrer jeweiligen Herrschaftsbereiche einigten. 219 v. Chr. belagerte und eroberte Hannibal vermutlich unter Bruch des Ebrovertrages Saguntum (heute Sagunto), das unter römischem Schutz stand, und löste damit den 2. Punischen Krieg (218-201 v. Chr.) aus. 209 v. Chr. eroberte der römische Feldherr Scipio Africanus der Ältere Carthago Nova und verdrängte in der Folge die Karthager von der Iberischen Halbinsel. Im Friedensschluss zwischen Rom und Karthago am Ende des 2. Punischen Krieges 201 v. Chr. musste Karthago seinen Besitz auf der Iberischen Halbinsel an Rom abtreten. Vier Jahre später richtete Rom hier die Provinzen Hispania Citerior im Nordosten und Hispania Ulterior im Süden ein. Zwar widersetzte sich die einheimische Bevölkerung, vor allem die Lusitanier und die Keltiberer, in mehreren Aufständen der römischen Herrschaft. Dennoch gelang es den Römern bis 19 v. Chr., als Augustus die Eroberung des Nordwestens abschloss, die gesamte Halbinsel unter ihre Gewalt zu bringen. In der Folgezeit gliederten die Römer die Verwaltung der Halbinsel mehrmals neu, bis sie zuletzt unter Diokletian in sechs Provinzen, zu einer Diözese zusammengeschlossen, eingeteilt wurde. Die Erschließung durch Straßen und die Romanisierung der Halbinsel schritten rasch voran; im Römischen Kaiserreich war die Iberische Halbinsel eine der wirtschaftlich bedeutendsten Regionen: Die iberische Landwirtschaft war einer der größten Getreide-, Öl- und Weinlieferanten Roms, und der Bergbau belieferte das Imperium mit Eisen, Kupfer, Blei und vor allem Gold und Silber. 7.1.1 Spanien zur Zeit der Westgoten 409 n. Chr. drangen Alanen, Wandalen und Sweben über die Pyrenäen auf die Iberische Halbinsel vor. Ihnen folgten wenig später die Westgoten, die Westrom gegen die Eindringlinge zu Hilfe gerufen hatte. Um 419 errichteten die Westgoten als Foederaten Roms in Südfrankreich das Tolosanische Reich und dehnten ihren Herrschaftsbereich in der Folgezeit nach Norden und Süden kontinuierlich aus. Unter König Eurich (Regierungszeit 466-484) erlebte das Tolosanische Reich seine größte territoriale Ausdehnung: Es umfasste die gesamte Iberische Halbinsel mit Ausnahme des von den Sweben beherrschten Nordwestens und reichte im Norden bis zur Loire. Mit dem Untergang des Weströmischen Reiches 476 endete auch die ohnehin nur nominelle Oberhoheit Roms über das Tolosanische Reich. Nach dem Sieg des Frankenkönigs Chlodwig I. über die Westgoten 507 war deren Herrschaftsbereich auf die Iberische Halbinsel beschränkt. Neue Hauptstadt des Westgotenreiches wurde Toledo. 585 besiegten die Westgoten unter König Leowigild (568-586) die Sweben und vereinten damit die ganze Iberische Halbinsel unter einer Herrschaft. Leowigilds Nachfolger Rekkared I. (586-601) trat 587 zusammen mit zahlreichen führenden Persönlichkeiten vom Arianismus zum Katholizismus über, und etwa Mitte des 7. Jahrhunderts wurde schließlich auch ein einheitliches Gesetz für die westgotische und die romanische Bevölkerung erlassen, so dass nun auch die kirchliche und die rechtliche Einheit hergestellt war. 7.1.2 Spanien unter den Mauren 711 wurde Roderich, der letzte Westgotenkönig in Spanien, am Río Barbate bei Jerez de la Frontera von nordafrikanischen Mauren vernichtend geschlagen. Die Mauren waren ursprünglich im westgotischen Thronstreit zu Hilfe gerufen worden; nun aber brachten sie innerhalb weniger Jahre fast die gesamte Iberische Halbinsel unter ihre Herrschaft. 719 stießen die Mauren über die Pyrenäen nach Norden vor, beschränkten sich nach ihrer verheerenden Niederlage gegen die Franken unter Karl Martell in der Schlacht bei Tours und Poitiers 732 aber wieder auf die Iberische Halbinsel. Das maurische Spanien wurde zunächst als abhängige Provinz des Omaijadenkalifats von Damaskus verwaltet; ab 717 stand das Land unter der Herrschaft von Emiren, die von den Kalifen ( siehe Kalifat) ernannt wurden. Die Emire allerdings vernachlässigten oftmals in hohem Maße ihre Pflichten, so dass in den folgenden 40 Jahren aufgrund von Missherrschaft und -wirtschaft insgesamt 20 Emire ernannt bzw. abgesetzt wurden. Nach dem Sturz der Omaijaden durch die Abbasiden in Damaskus 749 kam es auch im maurischen Spanien zu heftigen Auseinandersetzungen um die Macht. 756 gelang es dem Omaijaden Abd ar-Rahman I. (756-788), sich mit Hilfe der Omaijaden-Anhänger durchzusetzen: Er eroberte Córdoba und errichtete das unabhängige Emirat von Córdoba. Der politischen Unabhängigkeit folgte die religiöse, als Abd ar-Rahman III. (912-961) 929 das Emirat zum Kalifat erhob. Im 10. Jahrhundert erlebte das Kalifat von Córdoba eine beispiellose politische, wirtschaftliche und kulturelle Blütezeit. Córdoba selbst hatte sich neben Konstantinopel zur prächtigsten Stadt Europas entwickelt, und die maurische Kultur war dem Rest von Europa weit überlegen. Kunst, Literatur, Philosophie und Wissenschaft hatten einen äußerst hohen Stellenwert. Aristoteles z. B. wurde hier schon lange studiert, bevor sein Name im christlichen Abendland bekannt wurde, und viele der Kalifen waren selbst bedeutende Dichter und Schriftsteller. Für das hohe Niveau der Kunst sind die maurischen Bauten in Córdoba oder die Alhambra in Granada nur einige wenige Beispiele (siehe islamische Kunst und Architektur). Zudem herrschte im Kalifat von Córdoba eine beispiellose Toleranz: Christen (die so genannten Mozaraber) wie Juden genossen volle Duldung und nahmen gleichberechtigt am kulturellen und wirtschaftlichen Leben teil. Voraussetzung für diese kulturelle Blüte und politische Stabilität war eine hoch entwickelte Wirtschaft und ein florierender Handel. Nahezu der gesamte Süden wurde durch effektive Bewässerungssysteme einer ertragreichen Landwirtschaft erschlossen. Nach dem Sturz des letzten Omaijaden in Córdoba 1031 zerfiel das muslimische Spanien in eine Reihe von kleineren Fürstentümern, die nun, zum Teil untereinander verfeindet, zur leichten Beute der christlichen Reconquista wurden. Lediglich das Königreich Granada konnte sich bis 1492 behaupten. 7.1.3 Die christlichen Königreiche Im Norden der Iberischen Halbinsel konnten sich bereits kurz nach der muslimischen Eroberung wieder christliche Staatswesen bilden. Als erstes christliches Herrschaftsgebilde entstand nach 718 das Königreich Asturien, das von westgotischen Adligen unter der Führung von Pelayo errichtet wurde. Pelayos Schwiegersohn Alfons eroberte fast ganz Galicien, brachte große Teile von León unter seine Herrschaft und wurde schließlich als Alfons I. (739-757) zum König von León und Asturien gekrönt. Unter Alfons III. (866-910) gehörte bereits der gesamte Nordwesten bis zum Duero zum Königreich von Léon und Asturien. Zu Beginn des 10. Jahrhunderts dehnten die Könige von León ihr Herrschaftsgebiet Richtung Osten bis Burgos aus. Aufgrund der Kastelle, die hier zum Schutz der neu eroberten Gebiete und der neu angesiedelten Bauern errichtet wurden, wurde diese Region Castilla oder Kastilien genannt. Unter Fernán González löste sich das unterdessen zur Großgrafschaft erhobene Kastilien um 932 weitgehend aus der Oberhoheit Leóns. Navarra, das vollständig unter maurische Herrschaft geraten war, wurde 905 von Sancho I. (905-925) zum Königreich erhoben und territorial nach Norden wie nach Süden erweitert. Sancho III. (um 1000 bis 1035) brachte zudem Aragonien, Asturien, Kastilien und Teile Leóns unter seine Herrschaft und etablierte Navarra vorübergehend als Führungsmacht im christlichen Spanien. Nach dem Tod Sanchos III. zerfiel das Reich wieder in die Einzelstaaten Navarra, Aragonien und Kastilien. In Kastilien übernahm 1035 Sanchos Sohn Ferdinand I. (1035-1065) die Herrschaft und erstmals den Königstitel; 1037 erwarb er via Erbrecht und Krieg das Königreich León, das jedoch erst 1230 endgültig mit Kastilien zum Königreich Kastilien und León vereinigt wurde. Unter Ferdinand erlebte Kastilien einen bedeutenden Machtzuwachs, und 1054 nahm Ferdinand als mächtigster Herrscher im christlichen Spanien den Kaisertitel an. Die Konsolidierung der christlichen Königreiche im Norden auf der einen und der Zerfall des Kalifats von Córdoba auf der anderen Seite leiteten nun die Phase der christlichen Reconquista des muslimischen Spanien ein. 7.1.4 Die Reconquista Ferdinands Sohn, Alfons VI. von León (1065-1109), als Alfons I. auch König von Kastilien (1072-1109), eroberte 1085 das maurische Fürstentum Toledo. Bereits im folgenden Jahr wurde er jedoch von den in Sevilla herrschenden Abbadiden, unterstützt von den Almoraviden aus Nordafrika, besiegt. Nach ihrem Sieg über Alfons brachten die Almoraviden rasch das ganze muslimische Spanien unter ihre Herrschaft und setzten der Reconquista ein vorläufiges Ende. Aber bereits 1147 wurden die Almoraviden von den ebenfalls aus Nordafrika eingedrungenen Almohaden gestürzt. Gegen Ende des 12. Jahrhunderts nahmen die christlichen Könige die Reconquista mit Nachdruck wieder auf: 1212 fügten die vereinigten christlichen Heere unter der Führung von Alfons VIII. von Kastilien bei Las Navas de Tolosa den Mauren eine entscheidende Niederlage zu; 1236 wurde Córdoba erobert, 1238 Valencia, 1246 Jaén, 1248 Sevilla und 1262 Cádiz. Nur das Königreich Granada blieb noch unter muslimischer Herrschaft, war nun allerdings - zumindest nominell - von Kastilien und Léon lehnsabhängig. Im christlichen Spanien dominierten nun die beiden Machtblöcke Kastilien-León und Aragonien. Bereits 1118 hatte Aragonien unter Alfons I. Zaragoza von den Mauren erobert und somit seine Grenze weit nach Süden vorgeschoben; 1137 fiel Katalonien einschließlich der Grafschaft Barcelona auf dem Heiratswege an Aragonien, und in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts erwarb Aragonien zudem weite Teile Südfrankreichs. 1235 hatte Aragonien die Eroberung der muslimisch beherrschten Balearen abgeschlossen, 1282 eroberte es Sizilien, 1326 Sardinien, und 1442 erwarb Alfons V. das Königreich Neapel. Damit hatte sich Aragonien als Vormacht im westlichen Mittelmeer etabliert; Katalonien, insbesondere Barcelona, stieg zur Wirtschafts- und Handelsmacht von europäischem Rang auf. Politisch war das aragonesische Reich föderalistisch strukturiert mit je eigenen Verfassungen in den Teilreichen; dem König standen starke Cortes gegenüber, die allerdings die Macht des Königs kaum zu beschränken vermochten. Kastilien-León war zentralistisch regiert, und auch hier gab es mächtige Ständevertretungen, die sich einen nahezu ständigen Kampf mit dem Königtum um die Macht lieferten. 7.2 Spanien in der frühen Neuzeit Die Heirat der Erbin von Kastilien und León, Isabella I., mit dem Erben von Aragonien, Ferdinand II., im Jahr 1469 schuf die Grundlagen für die Entstehung des Königreiches Spanien. Ab 1474 herrschten Isabella und Ferdinand gemeinsam als gleichberechtigte Monarchen in Kastilien und León, und als Ferdinand 1479 den aragonesischen Thron übernahm, waren die beiden Reiche in Personalunion verbunden. Eine tatsächliche Vereinigung der beiden Königreiche kam jedoch u. a. aufgrund des Widerstands des Adels in den beiden Reichen vorerst nicht zustande, die unterschiedlichen Strukturen blieben vorläufig erhalten. Innenpolitisch konzentrierten sich Isabella und Ferdinand auf Kastilien: Hier konnten sie, gestützt auf die Städte, die Macht des Adels und der Cortes zurückdrängen und wieder eine zentralistische Herrschaft errichten. Ein wichtiges Instrument dabei war die 1480 eingeführte Inquisition, die zunächst nur für die Kirche gedacht war, sich aber zunehmend zu einem zentralen politischen Mittel entwickelte, vor allem gegen den Adel, aber auch gegen die Juden. In Spanien war die Inquisition eine staatliche, nicht etwa ein kirchliche Institution. In ihrem Bestreben nach staatlicher Einheit der Iberischen Halbinsel nahmen Isabella und Ferdinand die Reconquista wieder auf, die 1492 mit dem Fall Granadas ihren Abschluss fand. Ihre Bemühungen, über Heiraten auch Portugal ihren Reichen anzugliedern, scheiterten jedoch. Der territorialen Einheit sollte die religiöse folgen: 1492 erließen Isabella und Ferdinand ein Edikt, dem zufolge die Juden entweder zum christlichen Glauben zu konvertieren oder das Land zu verlassen hatten. Es setzte eine umfassende Verfolgungswelle ein, in deren Verlauf Zehntausende spanischer Juden, so genannte Sephardim, das Land verließen und in Kultur und Wirtschaft erhebliche Lücken hinterließen. Die in Spanien verbliebenen Mauren genossen zunächst noch einige Toleranz: Die nicht getauften wurden erst zu Beginn des 16. Jahrhunderts vertrieben, und die getauften, die Morisken, mussten 1609 das Land verlassen. 1496 wurde Isabella und Ferdinand vom Papst der Ehrentitel ,,Katholische Könige" (Reyes Católicos) verliehen. Historisch am folgenreichsten war eine zunächst eher unbedeutende Maßnahme: 1492 sicherten Isabella und Ferdinand Christoph Kolumbus die Finanzierung seiner Suche nach einem neuen, kürzeren Seeweg nach Indien zu. Die Suche mündete in der Entdeckung der Neuen Welt durch die Europäer und der Inbesitznahme weiter Teile des amerikanischen Kontinents durch Spanien. 7.2.1 Auf dem Weg zur Weltmacht Die neue Stärke Kastiliens manifestierte sich in der Tatsache, dass dieses Land in der Lage war, sowohl ein riesiges Imperium in Übersee aufzubauen wie auch gleichzeitig die Vorherrschaft in Europa zu übernehmen. Die Reisen des Kolumbus brachten allerdings zunächst lediglich enttäuschende Resultate. Die spektakuläre Expansion Spaniens auf dem amerikanischen Kontinent begann erst im frühen 16. Jahrhundert mit der Zerstörung des Aztekenreiches in Mexiko durch Hernán Cortés 1521 und der Eroberung des Inkareiches in Peru durch Francisco Pizarro 1533. Mitte des 16. Jahrhunderts hatte Spanien nahezu den gesamten südamerikanischen Kontinent, Mittelamerika, Florida sowie die philippinischen Inseln unter seine Herrschaft gebracht. Bereits 1494 hatten Kastilien und Portugal, die zweite bedeutende Seefahrer- und Entdeckernation, im Vertrag von Tordesillas die Neue Welt untereinander aufgeteilt. Die Neue Welt belieferte das Mutterland neben anderen Kolonialwaren vor allem mit großen Mengen an Edelmetallen wie Gold und Silber, die jedoch auf lange Sicht kaum zur Stabilisierung der Staatsfinanzen beitrugen; Spanien trug das Christentum in die Neue Welt. Die zum Teil gewaltsame Missionierung der einheimischen Bevölkerung stand unter königlichem Patronat. Noch vor seinem Aufstieg zur beherrschenden Macht in der Neuen Welt begann Spaniens Aufstieg zur Vormacht in Europa. Den Grundstein dafür legte Ferdinand II. sowohl mit diplomatischen wie auch mit militärischen Mitteln. Hauptgegner war Frankreich, und zwar sowohl an der spanisch-französischen Grenze als auch in Süditalien. 1504 brachte Ferdinand das zeitweise französische Neapel wieder unter spanische Herrschaft und machte es zum spanischen Vizekönigreich, und 1512/15 eroberte er das südliche Navarra. Daneben suchte er über dynastische Heiraten das Bündnis mit anderen antifranzösischen Kräften in Europa: Eine Tochter, Katharina von Aragonien, verheiratete er mit dem englischen Thronfolger Arthur (dem früh verstorbenen älteren Bruder des späteren Heinrichs VIII., der Arthur nicht nur als Thronfolger, sondern auch als Ehemann Katharinas nachfolgte); eine zweite Tochter, Johanna, verheiratete er mit Philipp dem Schönen, dem Sohn Kaiser Maximilians I. aus dem Hause Habsburg. Nach dem Tod Isabellas 1504 erbte Johanna das Königreich Kastilien; und nach dem Tod Philipps des Schönen 1506 übernahm Ferdinand für die unterdessen dem Wahnsinn verfallene Johanna wieder die Regentschaft in Kastilien. Ferdinand starb 1516. Die Königreiche Kastilien und Aragonien fielen nun an Karl I. (1516-1556), den Sohn von Johanna und Philipp; damit waren die beiden Königreiche unter einer Krone vereint. Schon bald bürgerte sich für Karl der Titel ,,König von Spanien" ein, ohne dass jedoch die Einzeltitel ,,König von Kastilien" und ,,König von Aragonien" sogleich aufgegeben worden wären. 7.2.2 Karl V. Bereits 1506 hatte Karl von seinem Vater das habsburgische Burgund mit den Niederlanden geerbt; nach dem Tod Kaiser Maximilians 1519 fielen ihm zudem noch die österreichischen Erblande zu (die er jedoch 1521 seinem Bruder Ferdinand I. überließ). Zudem wurde er 1519 als Karl V. zum König des Heiligen Römischen Reiches gewählt (und 1530 zum Kaiser gekrönt). Karl war der bei weitem mächtigste Monarch seiner Zeit: Sein Reich umfasste Spanien mit seinen Besitzungen in Italien und Amerika, Burgund und die Niederlande sowie die österreichischen Erblande. Karl, in Flandern aufgewachsen und der spanischen Sprache nicht mächtig, stützte sich in Spanien auf eine Reihe burgundischer und niederländischer Berater, die zum Teil maßgeblich die Politik des Königs bestimmten. Gegen diese Ausländer, vor allem aber gegen die absolutistischen, zentralistischen Tendenzen der königlichen Politik, erhoben sich ab 1520 die so genannten Comuneros - vor allem Städte wie Toledo und Segovia und der niedere Adel - in mehreren Aufständen, die bis 1522 u. a. mit Hilfe des Hochadels alle niedergeschlagen waren. Der Widerstand gegen die Zentralgewalt war gebrochen, nach und nach wurden zentrale Institutionen für die spanische Gesamtmonarchie eingerichtet, die Cortes wurden in die Bedeutungslosigkeit abgedrängt. Außenpolitisch dominierte - neben der Eroberung der Neuen Welt - der Konflikt mit Frankreich, der territorial um Italien und Burgund, darüber hinaus um die Vormachtstellung in Europa geführt wurde. Schon nach dem ersten von insgesamt vier Kriegen gegen Frankreich hatte Karl 1525 ganz Italien unter spanische bzw. habsburgische Kontrolle gebracht und Spanien als Vormacht in Europa etabliert. Nach dem zweiten Krieg musste Karl 1529 lediglich das Herzogtum Burgund an Frankreich abtreten (siehe Friede von Cambrai); die weiteren Kriege änderten dann kaum etwas am Status quo. Ein weiterer außenpolitischer Schwerpunkt war der Kampf gegen die ,,ungläubigen" Muslime sowohl auf dem Balkan - hier direkt in Gestalt des Osmanischen Reiches - als auch im westlichen Mittelmeerraum ( siehe Türkenkriege). Im westlichen Mittelmeer sah Karl die spanischen und italienischen Küsten von nordafrikanischen Muslimen bedroht, zudem breitete sich das Osmanische Reich entlang der nordafrikanischen Mittelmeerküste Richtung Osten aus. Karls Unternehmen gegen die Muslime im westlichen Mittelmeerraum zeitigten jedoch kaum mehr als kurzfristige Erfolge: Zwar eroberte er 1535 Tunis, sein Vorstoß gegen Algier 1541 scheiterte jedoch. Obwohl Karl sich die meiste Zeit außerhalb von Spanien aufhielt und trotz der anfänglichen schweren innenpolitischen Konflikte, erfreute er sich in Spanien doch zunehmender Beliebtheit. Dieses Paradoxon lässt sich einerseits mit dem rasch wachsenden Wohlstand Spaniens erklären, der sowohl auf die Silber- und Goldimporte aus Amerika wie auch auf die steigende Produktion und den schwunghaft wachsenden Handel zurückzuführen war, andererseits auch mit dem Stolz der Spanier auf das Kaisertum ihres Königs und die Weltmachtstellung ihres Landes. Die Kaiserwürde dauerhaft mit dem spanischen Königtum zu verbinden, gelang Karl jedoch nicht: Die so genannte ,,Spanische Sukzession", der zufolge sein Sohn die spanische Krone und die Kaiserwürde übernehmen sollte, scheiterte am Veto der deutschen Reichsfürsten. 7.2.3 Philipp II. 1556 überließ Karl den spanischen Thron seinem Sohn Philipp II. (1556-1598), der zuvor schon die Regentschaft in Mailand, Neapel und den Niederlanden übernommen hatte. In Spanien selbst war die innenpolitische Situation beim Herrschaftsantritt Philipps relativ stabil; die Sicherung des umfangreichen außerspanischen Besitzes sowie die von Philipp mit Nachdruck betriebene Gegenreformation jedoch beschworen eine Reihe teils langwieriger, immer aber kostspieliger Kriege herauf. Die erschöpfenden Kriege mit Frankreich fanden im Frieden von Cateau-Cambrésis 1559 ein vorläufiges Ende. Die folgenden vier Jahrzehnte wurde Frankreich von den Hugenottenkriegen erschüttert und fiel in dieser Zeit als ernst zu nehmender Gegner Spaniens aus. Allerdings hatte Spanien 1558 mit dem Tod Königin Marias I. Tudor, die seit 1554 mit Philipp verheiratet war und die Rekatholisierung ihres Landes anstrebte, England als Bündnispartner verloren. 1571 übernahm Spanien die Führung der Heiligen Liga, die in der Seeschlacht von Lepanto den Osmanen eine vernichtende Niederlage beibrachte und damit den Niedergang der osmanischen Macht im Mittelmeerraum einleitete. Nach dem Tod König Heinrichs von Portugal 1580 setzte sich Philipp, der über seine Mutter Isabella von Portugal Anspruch auf den portugiesischen Thron erheben konnte, gegen andere Anwärter durch, besetzte Portugal und wurde 1581 von den portugiesischen Cortes als König anerkannt. Durch die Vereinigung mit Portugal und dessen umfangreichem Territorialbesitz in Asien, Afrika und Südamerika erreichte Spanien seine größte territoriale Ausdehnung und wurde zum größten und bedeutendsten Reich seiner Zeit. Die absolutistischen Tendenzen Philipps und seine rigide Rekatholisierungspolitik provozierten in den Niederlanden vor allem von den Protestanten, aber auch von den Ständen getragene Aufstände, die sich rasch zum langwierigen Niederländischen Freiheitskampf (1568-1648) entwickelten. Im Verlauf dieses Krieges sagten sich die sieben nördlichen, vorwiegend calvinistischen Provinzen der Niederlande 1581 von Spanien los, die zehn südlichen, vorwiegend katholischen verblieben als Spanische Niederlande bei Spanien. Der Krieg gegen die aufständischen niederländischen Provinzen beanspruchte nicht nur in hohem Maße die Reserven Spaniens, sondern verschärfte auch den Konflikt mit England, das die aufständischen Niederländer unterstützte. Unter Königin Elisabeth I., die 1558 Maria I. Tudor auf den englischen Thron gefolgt war, etablierte sich England als protestantische Vormacht in Europa. Zugleich begann England seinen Aufstieg als Seemacht. Elisabeth tolerierte wohlwollend die Übergriffe englischer Freibeuter wie Francis Drake auf spanische Schiffe und spanischen Besitz in der Neuen Welt. Sowohl konfessionell wie auch als Seemacht war Spanien in England eine ernst zu nehmende Konkurrenz erwachsen. Seit 1585 führten Spanien und England in den Niederlanden gegeneinander Krieg. 1588 entsandte Philipp die gewaltige Armada Richtung England; sie sollte England erobern und damit sowohl den Protestantismus in England beenden als auch die englische Unterstützung für die Niederlande und somit den Niederländischen Freiheitskampf. Die Armada erlitt jedoch im Ärmelkanal eine schwere Niederlage gegen die englische Flotte; ein Übriges tat ein verheerender Sturm, in den die Armada auf ihrer Flucht geriet und der einen Großteil der noch verbliebenen Schiffe vernichtete oder schwer beschädigte. Das Unternehmen Armada hatte Spanien an den Rand des Bankrotts gebracht und den Niedergang Spaniens als See- und als Hegemonialmacht in Europa eingeleitet. Ebenso wie die Staatsfinanzen war auch die Wirtschaft zerrüttet, die Steuern waren drückend, das Gold und das Silber aus Südamerika reichten bei weitem nicht mehr aus, die wachsenden Staatsschulden zu begleichen. Die Verwaltung hatte Philipp im Lauf der Zeit weiter strukturiert und zentralisiert (1561 verlegte er die Hauptstadt nach Madrid); die Stände waren aber weiter in ihrem Einfluss beschnitten worden, und seine rigide Religionspolitik provozierte auch in Spanien allenthalben Widerspruch und Widerstand. Parallel zum machtpolitischen Niedergang begann für Kunst und Literatur in Spanien ein ,,goldenes Zeitalter". 7.2.4 Krise und Niedergang In Abkehr von der Politik seines Vaters verfolgte Philipp III. (1598-1621) zunächst einen friedlichen Kurs: 1604 schloss er mit England Frieden und 1609 mit den Niederlanden einen Waffenstillstand. Ebenfalls 1609 verwies er die etwa 250 000 noch in Spanien verbliebenen Morisken des Landes, was eine weitere Erschütterung der Wirtschaft zur Folge hatte. Philipp IV. (1621-1665) zog die Kultur der Politik vor. Während seiner Herrschaft erreichte das goldene Zeitalter Spaniens seine höchste Blüte. Die Regierungsgeschäfte überließ er weitgehend seinem Vertrauten Gaspar de Guzmán, Graf von Olivares. 1621 nahm Spanien den Krieg gegen die Niederlande wieder auf, zugleich nahm es auf Seiten der österreichischen Habsburger am Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) teil, was einen Wiederausbruch der offenen Feindseligkeiten zwischen Frankreich und Spanien zur Folge hatte. Die neuerlichen Kriege führten Spanien in den Bankrott, und die zunehmend drückenden Steuern provozierten 1640 Unruhen und Aufstände in Portugal und Katalonien, in deren Verlauf sich Portugal von Spanien loslöste. Guzmáns Versuch, die alte Machtposition Spaniens wiederherzustellen, war innen- wie außenpolitisch gescheitert; 1643 wurde er, der die Kräfte seines Landes deutlich überschätzt hatte, entlassen. Im Westfälischen Frieden musste Spanien 1648 endgültig die Unabhängigkeit der Niederlande anerkennen; im Pyrenäenfrieden, der den seit 1635 andauernden Krieg mit Frankreich beendete, musste Spanien 1659 das Roussillon und die Cerdagne sowie Teile der Spanischen Niederlande an Frankreich abtreten; 1668 musste Spanien zudem offiziell die Unabhängigkeit Portugals anerkennen. Spaniens Vormachtstellung in Europa war nun endgültig gebrochen; zugleich begann der Aufstieg Frankreichs zur Hegemonialmacht. Begleitet wurde der machtpolitische Niedergang von einem wirtschaftlichen Verfall, der durch die allmähliche Erschöpfung der südamerikanischen Silberminen noch beschleunigt wurde. Karl II. (1665-1700), ein schwacher und kränklicher Herrscher, bzw. dessen Günstlinge, die die Regierungsgeschäfte für ihn führten, war nicht in der Lage, den Niedergang Spaniens aufzuhalten; die neuerliche Verwicklung in Kriege gegen Frankreich unter Ludwig XIV. brachten Spanien im Gegenteil weitere territoriale Verluste ein. 7.2.4.1 Spanischer Erbfolgekrieg Mit dem Tod Karls II. erlosch die männliche Linie der spanischen Habsburger. Vor seinem Tod hatte Karl testamentarisch seinen Großneffen Philipp von Anjou, einen Enkel Ludwigs XIV. aus dem Hause Bourbon, zum Nachfolger bestimmt (Karls Schwester Maria Theresie war infolge des Pyrenäenfriedens 1560 mit Ludwig XIV. verheiratet worden). Nach Karls Tod bestieg Philipp als Philipp V. den spanischen Thron, verzichtete allerdings nicht, wie in Karls Testament vorgesehen, auf seinen Anspruch auch auf den französischen Thron. Demgegenüber rief Kaiser Leopold I., der für die österreichischen Habsburger ebenfalls Ansprüche auf den spanischen Thron anmelden konnte, seinen jüngeren Sohn Karl, den späteren Kaiser Karl VI., zum spanischen König aus. Unterstützt wurde er von der Großen Allianz, zu der sich einige europäische Mächte zusammengeschlossen hatten, um eine drohende spanisch-französische Vereinigung und somit eine das europäische Gleichgewicht erschütternde bourbonisch Hegemonie in Europa und in Übersee zu verhindern. Am Ende des nun folgenden Spanischen Erbfolgekrieges (1701-1713/14) wurde Philipp V. im Frieden von Utrecht als spanischer König anerkannt - unter der Bedingung, dass Spanien und Frankreich getrennte Königreiche bleiben. Zudem musste Spanien auf alle europäischen Besitzungen außerhalb Spaniens verzichten; sie gingen zum großen Teil an die österreichischen Habsburger über. 7.2.5 Die ersten Bourbonen Unter Philipp V. (1700-1746) stand zunächst die innere Konsolidierung Spaniens im Vordergrund der Politik. Im Sinne des Absolutismus wurde die Zentralgewalt weiter gestärkt bei gleichzeitigem Abbau überkommener Sonderrechte in den Reichsteilen wie etwa in Katalonien und Aragonien. Umfangreiche Reformen erhöhten die Effizienz der Verwaltung und reduzierten zugleich die Privilegien von Kirche und Adel. Handel und Wirtschaft wurden gefördert und begannen allmählich wieder zu florieren, die amerikanischen Kolonien wurden umstrukturiert und ihre Handelsbeziehungen zum Mutterland ausgebaut. Die Staatsfinanzen blieben jedoch weiterhin zerrüttet. Die Außenpolitik der ersten Bourbonen war durch ein enges, mehrmals (1733, 1743, 1761) durch bourbonische Familienpakte gefestigtes Bündnis mit Frankreich geprägt; Hauptgegner als See- und Kolonialmacht war nach wie vor Großbritannien. Spaniens Eingreifen auf der Seite Frankreichs in den Polnischen Erbfolgekrieg (1733-1735) und den Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748) brachte u. a. Neapel-Sizilien, das 1713 hatte abgetreten werden müssen, wieder in spanischen Besitz. Unter Karl III. (1759-1788) beteiligte sich Spanien ab 1761 - wieder auf der Seite Frankreichs - am Siebenjährigen Krieg (1756-1763) und verlor zwar Florida an Großbritannien, erhielt aber von Frankreich Louisiana westlich des Mississippi. Ab 1779 kämpfte Spanien im Bündnis mit Frankreich im Nordamerikanischen Unabhängigkeitskrieg (1776-1783) erneut gegen Großbritannien, gewann im Frieden von Paris 1783 Florida zurück und war nun auch in Nordamerika machtvoll präsent. Durch eine Reihe von Abkommen mit nordafrikanischen Mächten sowie dem Osmanischen Reich baute Karl III. zudem den Einfluss Spaniens im Mittelmeerraum wieder aus. Insgesamt hatte sich Spanien nun wieder als eine der stärksten Mächte in Europa etabliert und seine alte außenpolitische Größe zumindest teilweise wieder zurückerobert. Parallel zum außenpolitischen Wiederaufstieg schritt die Konsolidierung im Inneren fort: Als aufgeklärt-absolutistischer Herrscher leitete Karl III. eine Reihe von Reformen in Verwaltung und Heer ein und förderte Wirtschaft und Handel. 7.2.6 Auswirkungen der Französischen Revolution Karl IV. (1788-1808) setzte die Reformpolitik seines Vaters Karl III. fort; aber sein Günstling Manuel de Godoy, der ab 1792 als Erster Minister die Regierungsgeschäfte führte, vernichtete durch seinen wechselhaften außenpolitischen Kurs sowie durch Günstlingswirtschaft, Korruption und Intrigen im Inneren einen Großteil der außen- und innenpolitischen Errungenschaften der vorangegangenen Jahrzehnte. Nach Ausbruch der Französischen Revolution führte Godoy Spanien auf der Seite der antifranzösischen Mächte 1793 in den 1. Koalitionskrieg (1792-1797) gegen Frankreich; nach dem Basler Frieden von 1795 wechselte er jedoch auf die Seite Frankreichs gegen die Koalition, in der Hoffnung, mit Unterstützung Frankreichs die spanische Position auf Kosten Großbritanniens und Portugals ausbauen zu können. Diese Entscheidung erwies sich als verhängnisvoll: Der britischen Übermacht zur See war Spanien nicht gewachsen; Spanien war nun weitgehend von seinen Kolonien in Amerika abgeschnitten - mit katastrophalen Folgen für die Wirtschaft. Zudem wuchs die Abhängigkeit von Frankreich, dem 1800 Louisiana wieder abgetreten wurde. Und in der Seeschlacht von Trafalgar 1805 gegen Großbritannien verlor Spanien schließlich seine gesamte Flotte und wurde nun vollends zur Marionette Frankreichs. Im März 1808 nutzte Napoleon die Aufstände gegen Godoy und sein korruptes Regiment und griff in die inneren Angelegenheiten Spaniens ein: Er veranlasste Karl IV. zur Abdankung zugunsten von dessen Sohn Ferdinand VII., bereits im Mai 1808 zwang er auch Ferdinand zum Verzicht auf die Krone und setzte wenig später seinen Bruder Joseph Bonaparte als spanischen König ein. 7.2.7 Unabhängigkeitskrieg Bereits am 2. Mai 1808 eskalierte in Madrid der Widerstand der Spanier gegen die französische Fremdherrschaft in einem Aufstand, der sich rasch zum Spanischen Unabhängigkeitskrieg ausweitete. Den napoleonischen Truppen hatte das spanische Heer wenig entgegenzusetzen; aber dank ihrer neuen Strategie des Kleinkrieges (Guerilla) und mit Unterstützung durch britische Truppen unter Arthur Wellesley, dem späteren Herzog von Wellington, gelangen den Spaniern 1812/13 einige Siege über die französischen Truppen, und Ende 1813 waren die Franzosen aus Spanien vertrieben. Unterdessen waren 1810 in Cádiz die Cortes wieder zusammengetreten. 1812 verabschiedeten sie eine liberale Verfassung, die als Staatsform eine konstitutionelle Monarchie mit alleiniger Gesetzgebungskompetenz der Cortes vorsah und die Abschaffung der Inquisition festschrieb. Diese Verfassung war für ihre Zeit überaus fortschrittlich und wurde zur Grundlage der nachfolgenden Verfassungsentwicklung in Spanien. Der Unabhängigkeitskrieg in Spanien griff auch auf die spanischen Kolonien in Süd- und Zentralamerika über; allerdings kämpfte man hier nicht gegen die Fremdherrschaft seitens eines Drittlandes, sondern für die Unabhängigkeit vom Mutterland Spanien. Ab 1814 entsandte Spanien verstärkt Truppen in die Kolonien, die sich jedoch nicht gegen die Unabhängigkeitsbewegungen durchsetzen konnten. Bis 1825 hatten sich alle spanischen Kolonien auf dem süd- und zentralamerikanischen Festland die Unabhängigkeit erkämpft, 1819 wurde zudem Florida an die USA verkauft. Vom spanischen Kolonialreich in Amerika waren nur noch die Inseln Kuba und Puerto Rico übrig geblieben. Mit den Kolonien hatte Spanien auch deren Ressourcen verloren. 7.3 Die Krise der Monarchie 1814 kehrte Ferdinand VII. (1814-1833) auf den spanischen Thron zurück. Er widerrief die Verfassung von 1812, führte die absolute Monarchie wieder ein und leitete, gestützt vor allem auf den Klerus, einen reaktionär-restaurativen Kurs ein. 1820 zwang ihn jedoch eine von den Liberalen angeführte Revolution, die Verfassung von 1812 anzunehmen, die Inquisition, die er wieder eingeführt hatte, abzuschaffen und zumindest einen Teil des Kirchengutes einzuziehen. Allerdings spalteten sich die Liberalen bald in eine gemäßigte und eine radikale Fraktion, so dass die Heilige Allianz, die zugunsten der Monarchie in Spanien einzugreifen beschlossen hatte, 1823 leichtes Spiel hatte, die Liberalen zu überwinden und das absolute Königtum wiederherzustellen. 7.3.1 Beginn der Karlistenkriege Ferdinand, der ohne männlichen Erben geblieben war, bestimmte 1830 in der Pragmatischen Sanktion seine Tochter Isabella zu seiner Nachfolgerin. 1833 bestieg die erst Dreijährige als Isabella II. (1833-1868) den Thron; die Regentschaft übernahm ihre Mutter Maria Christina. Gegen diese Regelung erhob jedoch der jüngere Bruder Ferdinands, Don Carlos, Widerspruch, unterstützt von klerikalen, restaurativen Kräften, den so genannten Karlisten, und ließ sich selbst zum König ausrufen. Der Konflikt zwischen Karlisten und liberalen Cristinos, den Anhängern der Regentin Maria Christina, eskalierte 1834 in einem langwierigen, blutigen Bürgerkrieg, dem 1. Karlistenkrieg, der erst 1839 mit Hilfe der Quadrupelallianz zugunsten Isabellas und Maria Christinas entschieden werden konnte. In der Auseinandersetzung konnten sich die Karlisten auf die teils konservativ-katholischen, nach wie vor die Zentralregierung ablehnenden Randregionen wie die baskischen Provinzen, Katalonien, Navarra und Aragonien stützen. Um die Unterstützung der gemäßigten Liberalen, der Moderados, nicht zu verlieren, hatte Maria Christina 1834 eine relativ liberale Verfassung erlassen. 1837 musste sie jedoch die weiter gehende Verfassung von 1812 wiederherstellen, nachdem im Jahr zuvor die radikalen Liberalen, die Progressisten, durch einen Aufstand an die Macht gekommen waren. 1840 zwangen die Progressisten unter Joaquín Baldomero Espartero Maria Christina zur Abdankung; Espartero übernahm selbst die Regentschaft für Isabella, wurde jedoch 1843 von den Gemäßigten gestürzt. Ebenfalls 1843 wurde Isabella für mündig erklärt. 7.3.2 Krise und Revolution Die Regierungszeit Isabellas war von hoher innenpolitischer Instabilität geprägt, von häufigen Regierungswechseln und permanenten Auseinandersetzungen zwischen den Parteien: den Progressisten, den Moderados, die einen zunehmend konservativen Kurs verfolgten, und der neu formierten Unión Liberal (Unionisten), die sich zwischen den beiden Parteien ansiedelte. Die Regierung führte zumeist Ramón María de Narváez von den Moderados; lediglich von 1854 bis 1856 waren nach einem erfolgreichen Aufstand liberaler Militärs die Progressisten an der Macht und von 1858 bis 1863 die Unionisten. Narváez und die zunehmend klerikal-absolutistisch eingestellte Königin trugen erheblich zur innenpolitischen Polarisierung bei, die auch von den Progressisten und den Unionisten während ihrer kurzen Regierungszeiten nicht abgebaut werden konnten. 1868 schließlich zwangen die Progressisten unter General Juan Prim y Prats im Bündnis mit den Unionisten unter Franciso Serrano y Domínguez durch eine Militärrevolte, die ,,glorreiche Revolution", Isabella zur Abdankung. Gegen den Widerstand der Republikaner setzten die Führer der Revolution, Prim und Serrano, per Verfassung eine konstitutionelle Monarchie durch und trugen die spanische Krone Leopold von Hohenzollern-Sigmaringen an (siehe spanische Thronkandidatur). Nach dessen Verzicht wählten die Cortes Prinz Amadeus, den Sohn König Viktor Emmanuels II. von Italien, zum König. Der nahm die Krone zwar an, konnte sich jedoch nicht durchsetzen und trat 1873 - vor dem Hintergrund eines weiteren (des dritten) Karlistenkrieges und des andauernden, blutigen Kubanisch-Spanischen Krieges (1868-1878) um die Unabhängigkeit Kubas - wieder zurück. Die Cortes riefen nun die Republik aus - woraufhin Spanien in nahezu anarchische Zustände versank: Den untereinander zerstrittenen Republikanern gelang es nicht, eine funktionsfähige, starke Regierung zu bilden, die den zahlreichen, sozialistisch geprägten Aufständen in zahlreichen Städten wie den erstarkenden Karlisten ausreichenden Widerstand hätte entgegensetzen können. Schließlich gewannen die Anhänger des bourbonischen Königtums die Oberhand und brachten mit Isabellas Sohn Alfons XII. (1874-1885), zu dessen Gunsten Isabella 1870 offiziell abgedankt hatte, die Bourbonen auf den spanischen Thron zurück. 7.3.3 Restauration der Monarchie Die Regierungszeit Alfons' XII. (1874-1885) war von innerer Konsolidierung gekennzeichnet. 1876 wurde der 3. Karlistenkrieg beendet, und im selben Jahr wurde auch eine neue Verfassung verabschiedet, die ein Zweikammerparlament etablierte und bis 1931 in Kraft blieb. Nach englischem Vorbild wurde auch ein Zweiparteiensystem geschaffen, das ein hohes Maß an politischer Stabilität garantieren sollte. Die beiden großen Parteien, die Konservativen und die Liberalen (die sich inhaltlich nicht wesentlich unterschieden) bestimmten nun, abwechselnd regierend, die spanische Politik; alle anderen Kräfte, wie Karlisten auf der rechten, Radikale, Sozialisten und Anarchisten auf der linken Seite, wurden in diesem System politisch an den Rand gedrängt, gewerkschaftliche Organisationen waren verboten - neuerliche Unruhen waren vorprogrammiert. Vorerst jedoch erlebte Spanien ein Phase großer politischer Stabilität, begleitet von hoher wirtschaftlicher Prosperität. Nach dem Tod Alfons' XII. wurde 1886 dessen nachgeborener Sohn als Alfons XIII. (1886-1931) zum König proklamiert; bis zu seiner Volljährigkeit 1902 führte seine Mutter Maria Christina von Österreich die Regentschaft. In dieser Phase verlor Spanien die letzten Reste seines ehemaligen Weltreiches: Ein neuerlicher Aufstand auf Kuba 1895 löste den Spanisch-Amerikanischen Krieg aus, in dessen Folge Spanien auf Kuba, Puerto Rico und die Philippinen verzichten musste. Ersatz für die verlorenen Kolonien suchte Spanien nun in Nordafrika, in Marokko. 7.3.4 Niedergang der Monarchie Das anfangs stabile Zweiparteiensystem offenbarte seit den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts zunehmend seine Schwächen. Die Arbeiterschaft begann, sich in starken Gewerkschaftsverbänden zu organisieren, so etwa in der marxistisch orientierten Unión General de Trabajadores (UGT), die insbesondere in den Bergbaugebieten im Norden sowie in Madrid vertreten war, während sich vor allem in der industriell führenden Region Katalonien anarchistische und syndikalistische Verbände durchsetzten. 1910 vereinten sich die anarchistischen Organisationen in der Confederación Nacional del Trabajo (CNT). Daneben traten nun auch wieder regionale Sonderinteressen in den Vordergrund, wie z. B. in Katalonien, das auch aufgrund seiner wirtschaftlichen Macht Autonomie forderte. Den liberalen und konservativen Regierungen gelang es nicht, ausgleichende Lösungen zu finden. Die innenpolitische Lage wurde zusätzlich durch Spaniens Engagement in Marokko verschärft. Zur Durchsetzung seiner Herrschaft in Marokko unternahm Spanien eine Reihe von kostspieligen, blutigen Feldzügen, die in Spanien auf große Ablehnung stießen. 1909 entlud sich diese Ablehnung in Katalonien in einem von den anarchistischen Arbeiterorganisationen initiierten Generalstreik, der von Regierungstruppen blutig niedergeschlagen wurde. Die Folge war eine weitere Vertiefung sowohl des politischen wie des regionalen Antagonismus in Spanien. Ungeachtet des Druckes von außen, in den 1. Weltkrieg einzugreifen, blieb Spanien neutral. Als Lieferant für die Krieg führenden Staaten erlebte Spanien einen markanten wirtschaftlichen Aufschwung: Industrie, Bergbau und Landwirtschaft setzten Rekordmengen zu Rekordpreisen ins Ausland ab. Zugleich nahm die Inflation zu, und die Arbeiter verstärkten ihre Forderungen nach Lohnerhöhungen und besseren Arbeitsbedingungen. Das Militär klagte über schlechte Entlohnung und andere Missstände und bildete Juntas, um seinen Forderungen Nachdruck zu verleihen. Schließlich entlud sich das soziale Konfliktpotential, das sich seit Jahren angestaut hatte, 1917 in Generalstreiks und anderen Aktionen, die den Staat in eine tiefe Krise stürzten. In Katalonien wurden die Konflikte noch durch die Autonomieforderungen verschärft und arteten hier zu bürgerkriegsähnliche Unruhen aus. Reformbemühungen scheiterten; die Krise spitzte sich im Gegenteil noch zu, als nach dem Ende des 1. Weltkrieges infolge des drastisch gesunkenen Exportaufkommens eine schwere Depression einsetzte, Spanien zudem in Marokko schwere Rückschläge hinnehmen musste und hier den äußerst unpopulären Krieg nun wieder intensivierte. 7.3.5 Die Diktatur Primo de Rivera Vor dem Hintergrund der anhaltenden Staatskrise unternahm General Miguel Primo de Rivera im September 1923 mit Billigung des Königs einen Militärputsch, löste das parlamentarische System auf und errichtete eine Militärdiktatur; 1925 wandelte er seine Militärregierung in eine zivile um und übernahm das Amt des Premierministers. Die oppositionellen Parteien wurden ebenso unterdrückt wie die anarchistischen Bewegungen; stattdessen suchte Primo de Rivera die breite Masse in seiner neu gegründeten Partei Unión Patriótica zu versammeln, allerdings mit wenig Erfolg. Auch regionalistische Bestrebungen wurden radikal unterdrückt; Katalonien etwa wurden die wenigen Autonomierechte, die sich das Land hatte erkämpfen können, wieder aberkannt. Die Versuche Primo de Riveras, die innenpolitische Lage zu beruhigen, schlugen fehl, obwohl er 1926 mit französischer Hilfe den Marokkokrieg beendete und obwohl er mit einer Fülle von öffentlichen Bauprogrammen, die insbesondere der Infrastruktur zugutekamen, der hohen Arbeitslosigkeit entgegenwirkte. Die politische und soziale Spaltung des Landes blieb bestehen, die Opposition - von Anarchisten über Sozialisten und Republikaner bis hin zu Regionalisten und teilweise auch Monarchisten - gewann zunehmend an Stärke. Im Februar 1930 sah sich Alfons XIII. auf öffentlichen Druck hin gezwungen, Primo de Rivera zu entlassen. Unter dessen Nachfolger, General Dámaso Berenguer, eskalierten die Spannungen wieder in Streiks und Unruhen; im Februar 1931 trat auch Berenguer wieder zurück. Und als wenig später die Republikaner als klare Sieger aus den Kommunalwahlen hervorgingen, verließ Alfons XIII. das Land; am selben Tag, dem 14. April 1931, wurde in Spanien die Republik ausgerufen. 7.3.6 Zweite Spanische Republik Die neue Republik fand eine breitere Unterstützung als ihre Vorgängerin von 1873. Als problematisch erwies sich jedoch, dass die neue Republik genau in einer Phase entstand, die nicht nur von der Weltwirtschaftskrise gekennzeichnet war, sondern auch von tiefen, ganz Europa ergreifenden ideologischen Konflikten. Im Juni 1931 wurden die Cortes neu gewählt, und im Oktober bildeten Linksrepublikaner und Sozialisten, die über eine große Mehrheit in den Cortes verfügten, eine Regierung mit Manuel Azaña y Díaz als Ministerpräsidenten. Die im Dezember 1931 verabschiedete Verfassung sah u. a. die Trennung von Kirche und Staat vor - einschließlich der Enteignung kirchlichen Grundbesitzes. 1932 erhielt Katalonien autonomen Status, und auch den baskischen Provinzen wurden Autonomierechte zugestanden. Außerdem wurden grundlegende Sozialreformen eingeleitet, und ein Agrargesetz sah die Enteignung des Großgrundbesitzes und dessen Verteilung an Bauern vor. All diese Reformen trafen auf heftigen Widerstand, vor allem auf den der Kirche, der Großgrundbesitzer, des Großbürgertums und von Teilen der Armee; aber auch bei den republikanischen Kräften selbst waren Tempo und Umfang der Reformen umstritten. Bei den Wahlen vom November 1933 gewannen die Parteien der Rechten und der Mitte die Mehrheit. Die neue rechtsgerichtete Regierung machte einen Großteil der Reformen wieder rückgängig, darunter die Agrarreform und eine Reihe antiklerikaler Gesetze. Die Folge war eine erneute Verschärfung der innenpolitischen Situation: 1934 riefen die Bergarbeiter in Asturien einen Generalstreik aus, der sich rasch zu einem Aufstand entwickelte; Katalonien proklamierte seine Unabhängigkeit. Der Aufstand wurde blutig niedergeschlagen, das Autonomiestatut für Katalonien aufgehoben. Aus den Wahlen vom Februar 1936 ging der Frente Popular (Volksfront), ein Bündnis aus Kommunisten, Sozialisten und Linksrepublikanern, als Sieger hervor. Die neue linksgerichtete Regierung unter Ministerpräsident Azaña nahm den Reformkurs der ersten Regierung Azaña mit Nachdruck wieder auf; die Spannungen zwischen linksgerichteten und republikanischen Kräften auf der einen, Klerikalen, Nationalisten und Konservativen auf der anderen Seite nahmen weiter zu, entluden sich immer häufiger auch in handgreiflichen Auseinandersetzungen und eskalierten schließlich im Spanischen Bürgerkrieg. 7.3.7 Bürgerkrieg Der Bürgerkrieg begann am 17. Juli 1936 mit der von Francisco Franco in Marokko initiierten Militärrevolte gegen die Volksfrontregierung und erfasste rasch ganz Spanien. Dank ihrer militärischen Überlegenheit konnten die Aufständischen innerhalb kurzer Zeit große Teile Spaniens unter ihre Kontrolle bringen, und bereits im Oktober 1936 errichteten sie in Burgos eine von Franco geführte Junta-Regierung. Wenig später erkannten die faschistischen Staaten Italien und Deutschland die Franco-Regierung an; schon seit Beginn des Krieges hatten sie die Aufständischen militärisch, wirtschaftlich und politisch unterstützt. Die republikanische Regierung dagegen erhielt Unterstützung lediglich aus der Sowjetunion sowie von den Internationalen Brigaden; befreundete Mächte wie Frankreich und Großbritannien hielten sich an die Politik der ,,Nichteinmischung". Die Republikaner kontrollierten vor allem die Hauptstadt Madrid sowie Katalonien, das inzwischen wieder autonomen Status erhalten hatte, und die ebenfalls wieder mit Autonomierechten ausgestatteten baskischen Provinzen. Ihre Zentren Madrid und Barcelona konnten sie zwar bis Anfang 1939 behaupten; ansonsten aber verloren sie besonders ab etwa Mitte 1937 gegenüber den Aufständischen rasch an Boden. Ursache hierfür war - neben der mangelnden Unterstützung aus dem Ausland - die politische Zerrissenheit des republikanischen Lagers, in dem praktisch alle Kräfte links von der Mitte vertreten waren, einschließlich der Gewerkschaften UGT und CNT, die zu Beginn die Hauptlast des Krieges trugen. Insbesondere der Konflikt zwischen Kommunisten und Anarchisten stand einer politischen und militärischen Geschlossenheit der Republikaner hemmend im Wege. Am 26. Januar 1939 nahmen die Aufständischen Barcelona, und am 28. März zogen sie in der Hauptstadt Madrid ein. Am 2. April erklärte Franco den Bürgerkrieg für beendet. Der Krieg hatte über ein halbe Million Opfer gefordert, weite Teile des Landes waren verwüstet, die Wirtschaft lag am Boden. 7.4 Das Franco-Regime Gestützt auf die Falange, die Kirche, die Armee und das Großbürgertum errichtete Franco ein ständischen Prinzipien verpflichtetes diktatorisches Regime. Jede Art von demokratischer Opposition wurde unterdrückt und mit Hilfe von Armee und Guardia Civil verfolgt, die mächtigen Gewerkschaften wurden verboten und die Arbeiter und Unternehmer in einer Einheitsgewerkschaft zwangsvereint; die autonomen Rechte Kataloniens und der baskischen Provinzen wurden zugunsten eines rigiden Zentralismus aufgehoben, jede Art von nicht kastilischer Sprache und Kultur wurde unterdrückt; die Sozial- und Agrarreformen der republikanischen Regierungen wurden größtenteils wieder revidiert, die Trennung von Staat und Kirche wurde rückgängig gemacht. Während des 2. Weltkrieges blieb Spanien neutral, trotz der eindeutigen Sympathien der Franco-Regierung für die Achsenmächte und trotz Hitlers Werben für eine Kriegsteilnahme Spaniens. Als sich ab 1943 immer deutlicher eine Niederlage der Achsenmächte abzeichnete, wandte sich Franco vorsichtig den Westalliierten zu; allerdings hatten sowohl sein diktatorisches Regime als auch seine Sympathie für die faschistischen Achsenmächte Spanien schon zu Beginn der Franco-Ära international in die Isolation getrieben, die auch nach Ende des 2. Weltkrieges sowohl politisch als auch wirtschaftlich aufrechterhalten wurde. So wurde Spanien z. B. nicht in die Vereinten Nationen (UN) aufgenommen, 1946 im Gegenteil von den UN offiziell als Diktatur geächtet, und es wurde nicht in den Marshallplan einbezogen; zahlreiche Staaten brachen zudem ihre diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Spanien ab. Sowohl als außenpolitisches Zugeständnis als auch zur Besänftigung des eigenen Landes garantierte Franco 1945 der Bevölkerung die staatsbürgerlichen Grundrechte, und 1947 führte er mit dem Nachfolgegesetz, dem zufolge ihm ein Bourbone als König in der Staatsführung nachfolgen sollte, offiziell die Monarchie wieder ein. Wirtschaftlich erlebte Spanien aufgrund der Bürgerkriegsfolgen und der internationalen Isolierung einen Tiefpunkt - die Löhne waren Ende der vierziger Jahre nur noch halb so hoch wie vor dem Bürgerkrieg. Dazu kamen Dürreperioden, die die angespannte Situation in der Landwirtschaft noch weiter verschärften und Hungersnöte nach sich zogen. 7.4.1 Ende der Isolierung Nach Ausbruch des Koreakrieges 1950 betrieben insbesondere die USA die Aufhebung der internationalen Isolierung, da sie dem Land vor dem Hintergrund des Ost-WestKonfliktes hohe strategische Bedeutung zumaßen. Noch 1950 hoben die UN ihre Ächtungserklärung von 1946 auf, amerikanische Banken gewährten Spanien Anleihen, und der Vatikan erkannte offiziell das Franco-Regime an. 1953 schlossen Spanien und die USA den Madrider Vertrag, in dem Spanien den USA eine Reihe von Luftwaffen- und Marinestützpunkten verpachtete und im Gegenzug umfangreiche militärische und wirtschaftliche Hilfe erhielt. Im Dezember 1955 wurde Spanien schließlich in die UN aufgenommen; die Mitgliedschaft in der NATO blieb dem Land jedoch bis zum Ende der Franco-Diktatur verwehrt. Trotz des Endes der internationalen Isolierung schritt die wirtschaftliche Entwicklung in den fünfziger Jahren zunächst nur zögerlich voran. Daneben formierte sich nun zunehmend wieder politisch-sozialer Widerstand, der sich u. a. in großen Streiks in Katalonien und im Baskenland artikulierte; und auch regionalistische Bewegungen nahmen den Kampf gegen die Zentralregierung wieder auf, wie z. B. die 1959 gegründete ETA. Die Arbeiterstreiks zeitigten insofern Erfolge, als sich nun Arbeiterkommissionen konstituierten, die sich im Rahmen der gesetzlichen Möglichkeiten für die Wahrung und Erweiterung der Rechte der Arbeiter sowie Lohnerhöhungen einsetzten, und das Regime schließlich den Arbeitnehmern das Recht zugestand, Löhne und Arbeitsbedingungen direkt mit den Arbeitgebern auszuhandeln. Um die innenpolitische Situation nicht durch neuerliches Engagement außerhalb Spaniens weiter zu destabilisieren, verzichtete Spanien ab 1956 sukzessive auf seinen letzten noch verbliebenen Kolonialbesitz in Nord- und Westafrika. 7.4.2 Wirtschaftliche Konsolidierung Einen grundlegenden wirtschaftlichen Aufschwung erlebte Spanien erst ab Ende der fünfziger Jahre. Mit Hilfe von Internationalem Währungsfonds und OECD, der Spanien 1960 beitrat, wurden umfangreiche Entwicklungsprogramme aufgelegt, die zusammen mit einem liberaleren wirtschaftspolitischen Kurs der gesamten Wirtschaft zu einem markanten Wachstum verhalfen. Ausländische Investitionen und der allmählich einsetzende Massentourismus kurbelten die Wirtschaft zusätzlich an. Während die Wirtschaft boomte und Löhne und Wohlstand ständig stiegen, blieben der Liberalisierung und Demokratisierung von Staat und Gesellschaft enge Grenzen gesetzt. Vor allem mit Rücksicht auf das Ausland, aber auch als Konzession an die oppositionellen Kräfte im eigenen Land wurden in den sechziger Jahren einige Gesetze verabschiedet, die u. a. die Pressefreiheit erhöhten und den Cortes repräsentativeren Charakter sowie mehr Kompetenzen verliehen. 1969 bestimmte Franco offiziell, von den Cortes bestätigt, den bourbonischen Prinzen Juan Carlos, einen Enkel Alfons' XIII., zu seinem Nachfolger. Die mäßige Liberalisierung und der zunehmende Wohlstand reichten jedoch bei weitem nicht hin, die nach wie vor bestehenden tiefen sozialen und politischen Spannungen abzubauen. Vielmehr entluden sich die Spannungen nun wieder vermehrt in Streiks und Unruhen. 7.5 Das demokratische Spanien Zwei Tage nach Francos Tod am 20. November 1975 wurde Juan Carlos als Juan Carlos I. zum König proklamiert und wenig später inthronisiert. Gegen den Widerstand des alten Regimes und gegen Francos Pläne leitete Juan Carlos sogleich einen Demokratisierungsprozess ein, der sich zunächst - noch im November 1975 - in der offiziellen Wiederzulassung der nicht kastilischen spanischen Sprachen als Amtssprachen manifestierte. 1976 entließ er den drei Jahre zuvor von Franco eingesetzten Ministerpräsidenten Carlos Arias Navarro und ernannte Adolfo Suárez González zum neuen Ministerpräsidenten, mit dem zusammen er die Demokratisierung Spaniens umsetzte. Im Dezember 1976 nahm die Bevölkerung in einem Referendum mit großer Mehrheit das so genannte Reform-Gesetz an, in dem sich die Regierung zu einer grundlegenden Reform der politischen Institutionen verpflichtete. Aus den ersten freien Cortes-Wahlen seit dem Bürgerkrieg ging im Juni 1977 die in der politischen Mitte anzusiedelnde Unión de Centro Democrático (UCD) des Ministerpräsidenten Suárez González als stärkste Kraft hervor; Suárez González wurde im Amt bestätigt. Mit den anderen großen Parteien - in erster Linie Sozialisten und Kommunisten - einigte sich die UCD auf eine Zusammenarbeit im Demokratisierungsprozess sowie bei der Ausarbeitung einer neuen Verfassung. Die neue Verfassung wurde im Dezember 1978 in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit angenommen. Sie wandelte Spanien in eine konstitutionelle Erbmonarchie mit parlamentarisch-demokratischem Regierungssystem um. Des Weiteren gestand sie den Regionen das Recht auf Autonomie zu; bereits 1979 erhielten Katalonien und das Baskenland Autonomiestatute, und bis 1986 erhielten 15 weitere Regionen autonomen Status. Aus den auf der Basis der neuen Verfassung erfolgten Neuwahlen im März 1979 ging erneut die UCD als stärkste Kraft hervor, gefolgt vom sozialistischen Partido Socialista Obrero Español (PSOE) und den Kommunisten. Die UCD mit Suárez González blieb in der Regierungsverantwortung. Die Kommunalwahlen im folgenden Monat erbrachten zumindest in den großen Städten eine Mehrheit für die Linke, den PSOE und die Kommunisten. Nach mehreren Regierungsumbildungen infolge von parteiinternen Auseinandersetzungen um seinen Integrationskurs trat Suárez González im Januar 1981 als Ministerpräsident und Parteivorsitzender zurück; zu seinem Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten nominierte die UCD den bisherigen stellvertretenden Ministerpräsidenten Leopoldo Calvo Sotelo. Bevor Calvo Sotelo von den Cortes offiziell gewählt werden konnte, unternahmen Mitglieder der Guardia Civil einen rechtsgerichteten Putschversuch: Am 23. Februar 1981 stürmten sie den Parlamentssaal, nahmen einige Abgeordnete als Geiseln und forderten die Errichtung einer Militärdiktatur. Als sich Juan Carlos jedoch wider Erwarten der Putschisten öffentlich gegen die Putschisten erklärte und zur Demokratie bekannte, brach der Putschversuch zusammen. Zwei Tage später wurde Calvo Sotelo zum Ministerpräsidenten gewählt. 1982 setzte die Regierung Calvo Sotelo nach langwierigen innenpolitischen Auseinandersetzungen den Beitritt Spaniens zur NATO durch; die Einbindung der spanischen Armee in das Verteidigungsbündnis sollte auch ihre Demokratisierung vorantreiben. 7.5.1 Die Ära González Bei den Cortes-Wahlen im Oktober 1982 erreichte der PSOE die absolute Mehrheit; Ministerpräsident wurde Felipe González Márquez. Seinen Wahlsieg verdankte der PSOE u. a. dem Zerfall der von Beginn an breit gefächerten UCD, die sich 1983 vollends auflöste. 1984/85 kam es zu einer Welle von Protesten und Demonstrationen gegen die Regierung González: Die Rechte protestierte gegen deren Schul- und Bildungspolitik, die Linke gegen die Wirtschafts- und Sozialpolitik sowie gegen die Mitgliedschaft Spaniens in der NATO. Letztere wurde 1986 durch ein Referendum bestätigt. Ebenfalls 1986 wurde Spanien nach langwierigen Verhandlungen, die 1977 eingeleitet worden waren, in die Europäische Gemeinschaft (EG) aufgenommen. Der Beitritt Spaniens zur EG hatte eine nachhaltige positive Wirkung sowohl auf die spanische Wirtschaft als auch die Rolle Spaniens in der internationalen Politik zur Folge. 1988 erneuerten Spanien und die USA ihr bilaterales Abkommen, das den USA die weitere Nutzung einiger Militärstützpunkte in Spanien zusicherte. Obwohl der PSOE und González 1986 mit absoluter und 1989 mit relativer Mehrheit in der Regierungsverantwortung bestätigt wurden, mehrte sich gerade bei der traditionellen Klientel, der Arbeiterschaft, die Kritik an und die Unzufriedenheit mit der Regierung González, die der stagnierenden Wirtschaft, den sinkenden Reallöhnen und der wachsenden Arbeitslosigkeit nicht wirksam zu begegnen wusste. Das Jahr 1992 brachte einen Aufschwung sowohl der Stimmung in der Bevölkerung als auch der Wirtschaft: In Barcelona fanden die Olympischen Sommerspiele statt und in Sevilla anlässlich des 500. Jahrestages der Entdeckung Amerikas durch Kolumbus die Weltausstellung. Bei den Wahlen von 1993 musste der PSOE gegenüber 1989 weitere Stimmeneinbußen hinnehmen, blieb aber stärkste Kraft im Parlament und stellte mit González weiterhin den Ministerpräsidenten. 7.5.2 Machtwechsel - die Regierung Aznar Mehrere Niederlagen seiner Regierung im Parlament veranlassten González Ende 1995, für März 1996 vorgezogene Neuwahlen auszuschreiben. Aus den Wahlen ging der konservative Partido Popular (PP) als stärkste Kraft hervor; Ministerpräsident einer von den nationalistischen Regionalparteien gestützten Minderheitsregierung wurde José María Aznar. Neben der wirtschaftlichen Stagnation war vor allem eine Reihe von Korruptions- und Betrugsaffären, in die führende PSOE-Politiker verwickelt waren, für die Wahlniederlage des PSOE verantwortlich. Insbesondere die so genannte Staatsterrorismusaffäre - die Affäre um die Billigung oder gar Beteiligung führender Regierungsmitglieder an den illegalen Aktivitäten einer gegen die ETA operierenden Antiterrororganisation - kosteten den PSOE ein hohes Maß an Glaubwürdigkeit und Vertrauen. Aznar leitete ein umfangreiches Sparprogramm ein, damit Spanien die Beitrittskriterien zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion erfüllen konnte. Die Sparmaßnahmen erstreckten sich vor allem auf die Bereiche Sozialleistungen und Subventionen, zudem wurden einige Steuern erhöht; dies provozierte - zusammen mit der sehr hohen Arbeitslosenquote von über 20 Prozent - eine Reihe von Großdemonstrationen gegen die Regierungspolitik. Dennoch gelang es der Regierung Aznar, den Haushalt so weit zu konsolidieren, dass Spanien ab dem 1. Januar 1999 an der Einführung des Euro teilnehmen konnte, der seit dem 1. Januar 2002 Währungseinheit ist. Im Oktober 1998 stellte Spanien einen internationalen Haftbefehl gegen den ehemaligen chilenischen Staatschef Augusto Pinochet Ugarte aus, der daraufhin in Großbritannien, wo er sich gerade aufhielt, unter Hausarrest gestellt wurde. Wenig später stellte Spanien einen Auslieferungsantrag und erhob offiziell Anklage gegen Pinochet wegen Entführung, Folter und Mord, begangen in den Jahren 1973 bis 1990 an spanischen Staatsbürgern. Haftbefehl und Anklage gegen Pinochet seitens der spanischen Justiz zogen auch Auslieferungsanträge anderer Länder nach sich, beschworen internationale diplomatische Verwicklungen herauf, warfen problematische juristische Fragestellungen auf und führten vor allem in Spanien, Chile und Großbritannien zu Demonstrationen und Auseinandersetzungen zwischen Anhängern und Gegnern Pinochets. Ihr Vorläufiges Ende fand die Pinochet-Affäre im März 2000 mit der Entlassung Pinochets aus Großbritannien nach Chile. Bei den Wahlen im März 2000 gewann der PP mit 183 der insgesamt 350 Sitze in den Cortes die absolute Mehrheit; Aznar wurde im Amt des Ministerpräsidenten bestätigt. Seinen Wahlerfolg verdankte der PP vor allem der erfolgreichen Wirtschaftspolitik der Regierung Aznar, der es u. a. gelungen war, die Arbeitslosenquote entscheidend zu senken. Der PSOE unter seinem neuen Vorsitzenden Joaquín Almunia dagegen hatte sich inhaltlich und personell wenig homogen präsentiert, litt zudem noch an den verschiedenen Korruptions- und Betrugsaffären, in deren Rahmen unterdessen auch einige führende PSOE-Politiker verurteilt und inhaftiert worden waren. Beherrschendes innenpolitisches Thema der neunziger Jahre war der anhaltende Terror der ETA, dem bislang bereits über 800 Personen zum Opfer gefallen waren. Die Aktionen der ETA, die sich nun vor allem auch gegen konservative Lokalpolitiker im Baskenland richteten, riefen zunehmend den Protest der Bevölkerung in ganz Spanien hervor; Massendemonstrationen gegen den ETA-Terror waren an der Tagesordnung. Im Vorfeld der Regionalwahlen im Baskenland verkündete die ETA im September 1998 eine unbefristete Waffenruhe und forderte die spanische Regierung zu Verhandlungen über einen unabhängigen baskischen Staat auf. Einen unabhängigen Baskenstaat lehnte die Regierung Aznar jedoch prinzipiell ab, nahm aber dennoch erstmals offizielle Gesprächskontakte zur ETA auf. Die Wahlen im Baskenland im Oktober 1998 erbrachten eine Kräftekonstellation, die die parlamentarische Unterstützung der gemäßigt nationalistischen Regionalregierung durch die Herri Batasuna (HB), den politischen Arm der ETA, erforderlich machte; somit war die HB erstmals seit der Wiederherstellung der Demokratie in Spanien zumindest indirekt an der baskischen Regierung beteiligt. Im November 1999 kündigte die ETA den Waffenstillstand wegen, wie sie erklärte, anhaltender Repressionen seitens der spanischen und der französischen Regierung wieder auf. Damit endeten auch die Verhandlungen zwischen der Regierung Aznar und der ETA. Im Januar 2000 verübte die ETA ein erstes Attentat seit Aufkündigung des Waffenstillstandes, zahlreiche weitere folgten. Die Protestdemonstrationen der spanischen Bevölkerung gegen den ETA-Terror nahmen nun nie da gewesene Ausmaße an. Nach einer Reihe von Attentaten gegen baskische Regionalpolitiker im Sommer 2000 leitete die Regierung Aznar eine schärfere Gesetzgebung gegen den ETA-Terrorismus in die Wege. Zwar setzte die ETA ihre Anschläge vor allem gegen Politiker, die Sicherheitskräfte und andere staatliche Einrichtungen fort. Aber der spanischen Polizei gelangen - oft in Zusammenarbeit mit den französischen Behörden - einige große Fahndungserfolge gegen die ETA; einige ETA-Organisationen konnten zerschlagen, führende ETA-Mitglieder verhaftet und eine Reihe von Attentaten verhindert werden. Im Zuge ihres Kampfes gegen die ETA leitete die Regierung Aznar auch ein Verbot der Batasuna ein: Im Juni 2002 trat ein neues Parteiengesetz in Kraft, dem zufolge nun Parteien, die in irgendeiner Art und Weise terroristische Aktivitäten oder Personen unterstützten, verboten werden konnten. Auf der Grundlage dieses Gesetzes verbot der Oberste Gerichtshof die Batasuna. Im November 2002 ereignete sich vor der Küste Galiciens ein schweres Tankerunglück. Am 13. November havarierte der griechische Öltanker Prestige mit 77 000 Tonnen Schweröl an Bord, brach sechs Tage später auseinander und sank. Infolge des Unglücks gelangten insgesamt schätzungsweise 63 000 Tonnen Öl ins Meer, etwa 1 000 Kilometer vor allem der nordspanischen, aber auch der französischen Küste wurden verseucht. Es war dies die schwerste Umweltkatastrophe in der Geschichte Spaniens. In Bezug auf die Einschätzung und die Bewältigung der Katastrophe wurden der Regierung Aznar schwere Vorwürfe gemacht: Die Regierung habe das Ausmaß der Katastrophe falsch eingeschätzt bzw. später dann heruntergespielt; sie habe zu den falschen Mitteln gegriffen; sie habe technische und personelle Hilfe erst spät bereitgestellt; und sie habe am Ende eine parlamentarische Untersuchung der Katastrophe verhindert. Die Spanier demonstrierten zu Zehntausenden gegen den als unzureichend eingeschätzten Umgang der Regierung mit der Umweltkatastrophe. Unmittelbar nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 auf Ziele in den USA sicherte Spanien den USA seine rückhaltlose Unterstützung zu. So stellte Spanien u. a. den USA während des Krieges gegen Afghanistan Luftwaffenstützpunkte zur Verfügung und forcierte im eigenen Land den Kampf gegen den Terrorismus, insbesondere gegen die ETA; aber es wurden in Spanien auch mehr als zwei Dutzend mutmaßliche Mitglieder des islamistischen Terrornetzwerkes al-Qaida festgenommen. Im Vorfeld des Irak-Krieges stellte sich die Regierung Aznar bedingungslos auf die Seite der USA und befürwortete einen Krieg gegen den Irak zum Sturz des Regimes Saddam Husseins auch ohne Mandat der Vereinten Nationen. In Europa fand sich die Regierung Aznar mit dieser Haltung im Einklang vor allem mit Großbritannien bzw. der Regierung Tony Blairs, und sie war maßgeblich beteiligt an einem am 30. Januar 2003 veröffentlichten ,,Offenen Brief", in dem acht europäische Staats- und Regierungschefs (darunter neben dem spanischen und dem britischen auch der italienische, der portugiesische und der polnische Regierungschef) das irakische Regime zu einer ,,Bedrohung des Weltfriedens" erklärten und Europa zur Zusammenarbeit mit den USA aufforderten. Im eigenen Land stieß die Regierung Aznar jedoch mit ihrem an die USA angelehnten Kriegskurs auf schärfsten Widerspruch: Die Spanier lehnten mit übergroßer Mehrheit - laut Umfragen 90 Prozent - die Haltung der Regierung Aznar ab und machten ihrem Unmut immer wieder in landesweiten Massendemonstrationen und zahlreichen Streiks Luft. Ihr unbedingtes Einverständnis mit der Politik der USA manifestierte die Regierung Aznar u. a. in der Zusage, sich in allen Entscheidungen im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen (Spanien war seit Anfang 2003 nichtständiges Mitglied) nach den USA zu richten. Ein weiteres offensichtliches Zeichen des Einverständnisses war ein Treffen Aznars mit dem US-Präsidenten George W. Bush, Tony Blair sowie dem portugiesischen Ministerpräsidenten José Manuel Durão Barroso auf den Azoren im März 2003, nur wenige Tage vor dem Ausbruch des Irak-Krieges. Am Krieg selbst beteiligte sich Spanien lediglich in Form von logistischer Unterstützung; aber im Sommer 2003, nach dem Ende der Hauptkampfhandlungen, entsandte die spanische Regierung 1 300 Soldaten als Teil der internationalen Stabilisierungstruppe in den Irak. Schon Anfang 2002 hatte Aznar angekündigt, nach zwei Amtszeiten als Ministerpräsident abtreten zu wollen; als seinen Nachfolger an der Spitze von Regierung und Partei empfahl er seinen langjährigen Innenminister Mariano Rajoy. Im Januar 2004 löste Aznar das Parlament auf und beraumte für den 14. März Neuwahlen an. Trotz des Versagens der Regierung im Zusammenhang mit der Ölkatastrophe und ihrer vom größten Teil der Bevölkerung abgelehnten Haltung im Irak-Konflikt deutete alles darauf hin, dass der PP die Wahlen erneut mit einem deutlichen Vorsprung gewinnen würde. Denn auf der Habenseite der Regierung standen der erfolgreiche Kampf gegen den ETA-Terrorismus, ein überdurchschnittliches Wirtschaftswachstum (dessen Grundlagen jedoch schon von der Regierung González gelegt worden waren und das zu einem nicht geringen Teil von der EU finanziert wurde) sowie die Senkung der Arbeitslosenquote auf etwa 11 Prozent (wenn auch mit der Arbeitsmarktreform erhebliche Einschnitte in die Rechte der Arbeiter verbunden waren). Am 11. März 2004, genau zweieinhalb Jahre nach den Terrorattacken vom 11. September 2001 und drei Tage vor den Parlamentswahlen, erschütterte ein schwerer Anschlag Spanien: Am Morgen, während des Berufsverkehrs, explodierten nahezu zeitgleich zehn Bomben in vier vollbesetzten Nahverkehrszügen in Madrid und rissen über 190 Menschen in den Tod, Hunderte Reisende wurden verletzt. Nur wenige Stunden nach den Anschlägen machte die Regierung Aznar die ETA für die Anschläge verantwortlich, wenngleich die Art der Anschläge nicht auf eine Urheberschaft der ETA hinwies; und auch in den folgenden zwei Tagen galt der Regierung weiterhin die ETA als Hauptverdächtige, auch wenn die Ermittlungen inzwischen zu einem anderen, nämlich islamistischen Täterkreis führten. Die weiteren Untersuchungen bestätigten den islamistischen Hintergrund der Anschläge. Dass islamistische Terroristen gerade Spanien als Ziel eines Anschlags ausgewählt hatten, war offensichtlich eine Reaktion der Terroristen auf die bedingungslose Zusammenarbeit der Regierung Aznar mit den USA im Irak-Krieg. Das Festhalten der Regierung Aznar in den ersten Tagen nach dem Attentat an der ETA als der mutmaßlichen Urheberin des Anschlags wurde von vielen Seiten als wahltaktisches Manöver interpretiert. 7.5.3 Die neue sozialistische Regierung unter Zapatero Die Parlamentswahlen am 14. März 2004 gewann mit deutlichem Vorsprung der bisher oppositionelle PSOE unter der Führung von José Luis Rodríguez Zapatero: Er gewann 42,6 Prozent der Stimmen und 164 Mandate (39 mehr als vier Jahre zuvor), während der PP auf 37,6 Prozent und 148 Mandate kam (35 weniger als 2000). Die Wahlbeteiligung betrug 77 Prozent und war damit so hoch wie lange nicht mehr. Die unerwartete Niederlage des PP wurde auf die allem Anschein nach verfälschende Informationspolitik der Regierung nach den Anschlägen vom 11. März zurückgeführt; zudem machten weite Teile der Bevölkerung die Regierung Aznar indirekt selbst für die Anschläge verantwortlich, denn die Anschläge waren ja offensichtlich die Antwort islamistischer Terroristen auf die bedingungslose Unterstützung der USA durch die Regierung Aznar. Dem PSOE fehlten zwölf Mandate zur absoluten Mehrheit; dennoch lehnte es Zapatero ab, eine Koalition mit einer oder mehreren der im Parlament vertretenen kleineren Parteien zu bilden, entschied sich vielmehr für eine PSOE-Minderheitsregierung. Am 16. April 2004 wählte das spanische Parlament mit klarer Mehrheit (183 Stimmen) Zapatero zum neuen Ministerpräsidenten; zwei Tage später wurden er und seine Regierung - bestehend aus je acht Ministerinnen und Ministern - vereidigt. Unmittelbar nach seinem Amtsantritt zog Zapatero - wie schon vor den Wahlen angekündigt - die etwa 1 300 spanischen Soldaten aus dem Irak ab und begründete diesen Schritt u. a. damit, dass in absehbarer Zeit kein UN-Mandat für die Besatzungstruppen zu erwarten sei, das ihre Anwesenheit im Irak legitimierte. Die Regierung Zapatero leitete eine Reihe von teils tief greifenden Reformen ein. Vor allem die gesellschaftspolitischen Reformen, wie etwa die Einführung der Zivilehe für gleichgeschlechtliche Partnerschaften, die Liberalisierung des Scheidungsrechtes, ein neues Schulgesetz zur Verbesserung der Chancengleichheit oder die Legalisierung Hunderttausender illegal im Land lebender Immigranten, stießen allerdings auf großen Widerstand von PP und der mächtigen katholischen Kirche; auch das 2007 verabschiedete Gesetz zur Ächtung der Franco-Diktatur, eines der vordringlichen Projekte der Regierung Zapatero, lehnten PP und Kirche lange Zeit ab. Die Arbeitsmarkt-, Sozial- und Wirtschaftsreformen erbrachten u. a. zahlreiche neue Arbeitsplätze, was die Arbeitslosenquote spürbar sinken ließ, sowie finanzielle Entlastungen für sozial Schwache; gestützt wurden diese Reformen durch das anhaltende Wirtschaftswachstum. Als schwieriger erwies sich die geplante Reform der Autonomiestatuten der 17 Autonomen Regionen, mit der die Regierung Zapatero einerseits den Autonomiebestrebungen in den Regionen Rechnung tragen wollte; andererseits sollte trotz möglicherweise ausgeweiteter Autonomie die Einheit der Nation nicht in Frage gestellt werden. Die Reform des katalonischen Autonomiestatuts etwa gelang nur mit einer Reihe von Kompromissen sowohl der Region als auch der Zentralregierung. Zu einem der größten Probleme entwickelte sich jedoch der wachsende Strom illegaler Migranten aus Afrika - 2006 etwa waren es mehr als 30 000 -, die entweder direkt von Marokko aus oder über die Kanarischen Inseln auf das spanische Festland zu gelangen suchten. Verschiedene Maßnahmen wie stärkere Seekontrollen, eine Reihe von Abkommen und Vereinbarungen mit afrikanischen Ländern u. a. über bessere Grenzkontrollen und die Rückführung und Reintegration der Flüchtlinge sowie eine offizielle Kontingentierung und natürlich auch Abschiebungen in großer Zahl kanalisierten das Problem und dämmten es ein. Wie ihre Vorgängerinnen sah sich auch die Regierung Zapatero dauerhaft mit dem Problem ETA konfrontiert. Im Mai 2005 regte Zapatero gegen den heftigen Widerstand des oppositionellen PP einen Dialog mit der ETA an, vorausgesetzt, die ETA wende sich endgültig von der Gewalt ab und stelle keine Bedingungen. Nach einigen Verlautbarungen, in denen sie für einen Gewaltverzicht noch Zugeständnisse von der Regierung forderte, verkündete die ETA im März 2006 schließlich einen ,,permanenten Waffenstillstand", mit dem Ziel, einen ,,demokratischen Prozess" in Gang zu bringen, an dessen Ende die Basken selbst über ihre Zukunft entscheiden sollten. In der Folge leitete die Regierung Gespräche mit der ETA ein, die jedoch nach kurzen Sondierungen im Januar 2007 wieder abgebrochen wurden, nachdem die ETA einen Bombenanschlag auf den Madrider Flughafen verübt hatte. Im Juni 2007 kündigte die ETA ihren ,,permanenten Waffenstillstand" auf, um ihren ,,Kampf zur Verteidigung des Baskenlandes an allen Fronten" wieder aufzunehmen; begründet wurde dies u. a. mit dem Rückfall Zapateros in einen ,,faschistischen Regierungsstil". Damit war eines der vordringlichen Ziele der Regierung Zapatero, nämlich die Überwindung des ETA-Terrorismus, in weite Ferne gerückt. Trotz der sich abschwächenden Konjunktur und der anhaltenden Kontroverse um die gesellschaftspolitischen Reformen wurde die Regierung Zapatero in den Parlamentswahlen vom 9. März 2008 bestätigt, und zwar mit leichten Zugewinnen gegenüber 2004 (169 Mandate), aber auch der PP verbesserte sich (154 Mandate). Gestützt auf die Linken und Regionalparteien führte Zapatero seine PSOE-Minderheitsregierung fort. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.