Sinfonie - Musik. 1 EINLEITUNG Sinfonie, auch Symphonie, (griechisch syn: zusammen; phone?n: klingen; Zusammenklang, Übereinstimmung, Harmonie), im 18. Jahrhundert entstandene, repräsentative Orchesterkomposition, eine der wichtigsten Gattungen der Instrumentalmusik. In der Antike bedeutete der Begriff den Zusammenklang in der Sphärenharmonie und speziell die Intervalle Quarte, Quinte und Oktave. 2 URSPRÜNGE Ihren Ursprung hat die Sinfonie in der Ouvertüre (sinfonia) der neapolitanischen Opera seria. Der Begriff wurde als formaler Terminus 1597 von Giovanni Gabrieli in seinen Symphoniae sacrae eingeführt und im frühen 17. Jahrhundert auch für Konzertstücke verwendet, in denen neben Gesang auch Instrumente eingesetzt wurden. Ab etwa 1730 galt die Bezeichnung allgemein für Instrumentalstücke und wurde für Vorspiele (Ouvertüren) und die instrumentalen Zwischenspiele in Balletten, Kantaten, Opern und Oratorien angewendet. Satztechnisch wurde in der Sinfonie anfangs die dreiteilige Form (schnell-langsam-schnell) der sinfonia angewendet, später wurde häufig vor dem schnellen Finalsatz ein Menuett eingefügt. Der erste Satz stand grundsätzlich in der zyklischen Sonatensatzform. Die bedeutendsten Komponisten des frühen italienischen Sinfonientypus waren Tomaso Albinoni, Giovanni Battista Sammartini und Antonio Vivaldi. Bis etwa 1750 entwickelte sich die Sinfonie zur Hauptgattung der europäischen Orchestermusik, und in Mannheim, Berlin, Wien und London entstanden die wichtigen musikalischen Zentren. Durch die Arbeit des Komponisten und Dirigenten Johann Stamitz (Mannheimer Schule) gelangte das Orchester in Mannheim wegen der neuartigen Spieltechniken und der brillanten Klangfülle, mit der Stamitz' Sinfonien realisiert wurden, zu internationalem Ruhm. Die Komponisten der Berliner Schule, vor allem Johann Gottlieb Graun und Carl Philipp Emanuel Bach, schufen dreisätzige Sinfonien mit scharf kontrastierenden Themen, wobei der Schwerpunkt auf Themenentwicklung und emotionaler Ausdruckskraft lag. Viersätzige Sinfonien mit besonderem Gewicht auf dem ersten Satz waren das vorrangige Genre der Wiener Schule. Zu den wichtigsten Wiener Komponisten zählten Matthias Georg Monn und Georg Christoph Wagenseil. Besonderen Einfluss hatte auch der in Italien ausgebildete und in London lebende Johann Christian Bach, dessen Sinfonien von grazilen italienischen Melodien geprägt sind. 3 HAYDN UND MOZART Der österreichische Komponist Joseph Haydn war der eigentliche Schöpfer der klassischen Sinfonie (er gilt auch als der Begründer des Streichquartetts). Haydn experimentierte mit neuen Mitteln und Techniken der Instrumentierung und Orchesterkomposition und hatte mit seinen 107 Sinfonien großen Anteil an der Erweiterung der sinfonischen Form: Häufig gehen den ersten Sätzen langsame Einleitungen voraus, seine Sonatensätze und die in Sonaten- oder Rondoform stehenden Finalsätze besitzen eine Vitalität und formale Meisterschaft, wie sie bis dahin nicht erreicht waren. Haydns Sinn für Humor und Witz kommt zudem in der so genannten Abschiedssinfonie Hob.I:45 (1772; die Musiker des Orchesters verlassen nacheinander ihre Plätze, bis nur noch zwei gedämpfte Violinen das Werk beenden) und in der Sinfonie mit dem Paukenschlag Hob.I:94 (1791; nach einer langsamen Einleitung im Piano wird das Publikum mit einem plötzlichen Fortissimo-Akkord aufgeschreckt) zum Ausdruck. Den absoluten Höhepunkt der Gattung im 18. Jahrhundert stellt das sinfonische Schaffen Wolfgang Amadeus Mozarts dar. Seine 41, anfangs von Johann Christian Bach beeinflussten und - vor allem in den späten Werken - Haydns satztechnische Meisterschaft übertreffenden Sinfonien zeugen von bis dahin unerreichter Fülle an Einfallsreichtum. Zu Mozarts bedeutendsten Sinfonien zählen die Pariser KV 297 (1778), die Haffner KV 385 (1782), die Linzer KV 425 (1783) sowie seine letzten vier Sinfonien, die Prager KV 504 (1786), die Sinfonie Es-Dur KV 543, g-Moll KV 550 und die Jupiter-Sinfonie KV 551 (alle 1788). 4 BEETHOVEN Eine völlig neue Dimension in der Gattung Sinfonie erreichte im Übergang zum 19. Jahrhundert Ludwig van Beethoven. Er schuf neun Sinfonien, mit denen (in jeweils individueller Ausprägung) die sinfonische Form nochmals erheblich erweitert und (vor allem in den letzten Werken) sowohl mit programmatischen Bezügen als auch ethischideellen Konzeptionen aufgefüllt wurde. Die besondere Dynamik der Beethovenschen Musiksprache ist bereits in den ersten beiden Sinfonien präsent, doch wird sie insbesondere in seiner 3. Sinfonie, der Eroica (1803), die den Beginn seiner Hauptschaffenszeit darstellt, deutlich. Das Werk zeichnet sich durch einen großartigen, von kreativer Energie erfüllten ersten Satz aus, sowie einen zutiefst empfundenen langsamen Satz in Form eines Trauermarsches, worauf ein aufrüttelndes Scherzo folgt (Beethoven ersetzte im dritten Satz das traditionelle Menuett durch ein Scherzo), bevor die Sinfonie durch einen Finalsatz mit Variationen endet. Beethovens bekannteste Sinfonien sind darüber hinaus die 5. Sinfonie c-Moll (1808), die 6. Sinfonie F-Dur Pastorale (1808) und die 9. Sinfonie d-Moll (1824, mit dem Schlusschor aus Friedrich Schillers Ode an die Freude). 5 19. JAHRHUNDERT In der Sinfonik des 19. Jahrhunderts standen sich romantisches Weltgefühl und Klangerlebnis (unter Einbeziehung programmatischer Elemente) auf der einen Seite und die formalen Ideale der Klassik auf der anderen Seite gegenüber. Die ersten Beispiele romantischer Sinfonik lieferten Hector Berlioz (Symphonie fantastique, 1830) und Franz Liszt, deren Werke literarische Programme und Strukturähnlichkeiten zur sinfonischen Dichtung aufwiesen. Franz Schubert dagegen vertrat hinsichtlich der sinfonischen Form einen grundsätzlich klassischen Ansatz, in Bezug auf Melodien und Harmonien sind seine Werke jedoch eindeutig der Romantik zuzurechnen. Seine berühmtesten Sinfonien sind die Unvollendete, h-Moll (1822) und die Große C-Dur (1828). Die Sinfonien von Felix Mendelssohn Bartholdy und Robert Schumann leben von der für die Musik der Romantik charakteristischen reichen harmonischen Gestaltung und der poetischen Grundhaltung. Mendelssohns berühmteste Sinfonien - die Schottische (Nr. 3, 1829-1932, Abschluss 1842), die Italienische (Nr. 4, 1833) und die Reformationssymphonie (Nr. 5, 1842) - enthalten Elemente der Programm-Musik, die durch die Titel vorgegeben sind. Schumanns Sinfonien, darunter die Frühlingssymphonie (Nr. 1, 1841) und die Rheinische (Nr. 3, 1850) sind formal locker und sehr melodisch gestaltet. Die gelungenste Synthese der klassischen sinfonischen Form und des romantischen Stiles stellen die vier Sinfonien von Johannes Brahms dar. Der russische Komponist Pjotr Tschaikowsky schrieb sechs Sinfonien mit programmatischer Anlage, die eine Verbindung zwischen russisch-musikalischer Nationalsprache und stilistischen und kompositionstechnischen Mitteln der europäischen Romantik darstellen. Die zwei großen Sinfoniker der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, Anton Bruckner und Gustav Mahler, stehen sowohl in der Nachfolge von Beethoven und Schubert als auch unter dem unmittelbaren Einfluss der Musikdramen Richard Wagners. Bruckners neun Sinfonien, die aus der katholischen Tradition heraus von naiver Frömmigkeit geprägt sind, leben von monumentaler orchestraler Klangfülle und erzielen ihre Einheit durch die von einem prägnanten Motiv ausgehende Themenverarbeitung. Mahler knüpfte teilweise an Bruckner an und versuchte in seinen umfangreichen zehn Sinfonien (die 10. Sinfonie blieb Fragment) eine Synthese aller bisher vorhandener sinfonischer Vorbilder. In seiner verfeinerten Orchestersprache bezog er vokale Elemente ebenso ein wie volkstümliche Zitate und dokumentierte (ebenso wie in seinen Liedern) sein Leiden an der Bitterkeit des Lebens und den Schmerz über die seiner Meinung nach unüberbrückbare Kluft zwischen der Utopie des Künstlers und der bürgerlichen Realität. Zu den bedeutendsten Sinfonikern in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehören außerdem Bed? ich Smetana, Antonín Dvo?ák (z. B. 9. Sinfonie Aus der neuen Welt, 1893), Camille Saint-Saëns, Aleksandr Borodin, Alexandr Glasunow, Nikolai Rimskij-Korsakow, Edvard Grieg, Georges Bizet, Jean Sibelius und César Franck. 6 20. JAHRHUNDERT Seit Beginn des 20. Jahrhunderts ist in allen Bereichen der Kunst die Auflösung traditioneller Formen und die Suche nach neuen künstlerischen Äußerungsmöglichkeiten festzustellen. Trotzdem haben viele Komponisten Annäherungsversuche an die orchestrale Großform des 18. und 19. Jahrhunderts unternommen. Im Bereich der Sinfonie stehen sich verschiedene stilistische Richtungen (z. B. Expressionismus, Neoklassizismus) bzw. Kompositionsverfahren (Zwölftontechnik) und jeweils individuelle Versuche gegenüber. Während sich zahlreiche Komponisten wie Charles Ives, Carl Nielsen, Jean Sibelius, Ralph Vaughan Williams, Sergej Prokofjew und Dmitrij Schostakowitsch noch relativ stark an der traditionellen Form orientierten, näherten sich andere mit impressionistischem Gestus (Albert Roussel), in komprimierten Formen (Max Reger, Darius Milhaud, Paul Hindemith, Anton Webern) oder durch Pflege eines linear polyphonen Stiles (Arnold Schönberg, Karl Amadeus Hartmann) der Gattung an. Die russischen Sinfoniker (Sergej Rachmaninow, Dmitrij Schostakowitsch) orientierten sich an programmatischen Elementen und machten (in der Nachfolge Mahlers) die Sinfonie zum Ausdrucksmittel der Innenwelt des Komponisten. Nach 1950 trat die Sinfonie als repräsentative Gattung deutlich zurück; dennoch haben noch zahlreiche Komponisten Versuche zu dieser Gattung beigesteuert, u. a. Bohuslav Martin? , Hanns Eisler, Hans Werner Henze, Michael Tipett, Olivier Messiaen, Luciano Berio, Krzysztof Penderecki, Peter Maxwell Davies, Wolfgang Rihm, Siegfried Matthus, Manfred Trojahn und Henryk Górecki. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.