Schwarzes Loch - Astronomie. 1 EINLEITUNG Schwarzes Loch, ein Himmelskörper mit einem extrem starken Gravitationsfeld, aus dem sich nicht einmal elektromagnetische Strahlung entfernen kann. Wegen dieser Eigenschaft können Schwarze Löcher nicht direkt beobachtet werden. Sie lassen sich nur anhand ihrer gravitativen Einflüsse auf die nähere Umgebung nachweisen. Die Existenz Schwarzer Löcher sagte die allgemeine Relativitätstheorie voraus. Der Begriff ,,Schwarzes Loch" wurde 1968 von dem amerikanischen Astronomen John Archibald Wheeler eingeführt. 2 MATHEMATISCHE LÖSUNGEN FÜR SCHWARZE LÖCHER Von den Feldgleichungen aus Albert Einsteins allgemeiner Relativitätstheorie ausgehend wurden verschiedene mathematische Lösungen für Schwarze Löcher entwickelt, von denen vier im Mittelpunkt des Interesses stehen. Die erste Lösung fand 1916 der deutsche Astronom Karl Schwarzschild; sie gilt für ein Schwarzes Loch, das nicht rotiert und sich elektrisch neutral verhält (Schwarzschild-Lösung). Die zweite Lösung fanden 1918 die Physiker Hans Jacob Reissner (Deutschland, USA) und Gunnar Nordström (Finnland) für den Fall eines nicht rotierenden, elektrisch geladenen Schwarzen Loches (Reissner-Nordström-Lösung). Die dritte Lösung entwickelte 1963 der aus Neuseeland stammende Mathematiker Roy Patrick Kerr. Die Kerr-Lösung beschreibt ein Schwarzes Loch, das rotiert, aber elektrisch neutral ist. Schließlich erweiterte 1965 der amerikanische Physiker Ezra Ted Newman die Kerr-Lösung für ein rotierendes, elektrisch geladenes Schwarzes Loch (Kerr-Newman-Lösung). In der Astrophysik werden vor allem die elektrisch neutralen Fälle (Schwarzschild-Lösung, Kerr-Lösung) diskutiert. Elektrisch geladene Schwarze Löcher wurden bislang noch nicht entdeckt, wohl aber rotierende Schwarze Löcher. 3 EIGENSCHAFTEN Die Eigenschaften eines Schwarzen Loches hängen u. a. davon ab, ob es rotiert oder nicht. Schwarze Löcher sind von einer Grenze umgeben, die als Ereignishorizont bezeichnet wird. Durch diesen Ereignishorizont kann Licht zwar ein-, aber nicht austreten, so dass er völlig schwarz erscheint. Bei nicht rotierenden Schwarzen Löchern kann man sich die äußere Gestalt des Ereignishorizonts als Kugel vorstellen. Ihr Radius (Schwarzschild-Radius) hängt von der Masse des Himmelskörpers ab, aus dem das Schwarze Loch entstand. Je größer die Masse, desto größer der Radius. Für die Sonne würde sich ein Schwarzschild-Radius von 2,95 Kilometern ergeben, für die Erde wäre es nur knapp ein Zentimeter. Im Gegensatz dazu ähnelt der Ereignishorizont eines rotierenden Schwarzen Loches nicht mehr der Gestalt einer Kugel sondern der eines anderen Rotationskörpers. In diesem Fall bildet sich außerhalb des Ereignishorizonts eine Ergosphäre, in der Materie zur Rotation mit dem Schwarzen Loch gezwungen wird. Aus dieser Ergosphäre kann prinzipiell Energie entweichen. Nach der allgemeinen Relativitätstheorie werden die Struktur des Raumes und die Zeit durch die Gravitation bestimmt, ganz besonders in der Nähe eines Schwarzen Loches. Je stärker die Gravitation ist, desto stärker wird der Raum gekrümmt, so dass z. B. Lichtstrahlen nicht mehr längs Geraden sondern längs gekrümmter Linien verlaufen. Bringt man beispielsweise eine Uhr in die Nähe des Ereignishorizonts, scheint sie für einen weit entfernten Beobachter langsamer zu gehen als dessen Uhr, d. h., hier macht sich die Zeitdilatation bemerkbar. Durchschreitet ein Objekt den Ereignishorizont, stürzt es in das Schwarze Loch und fällt zu einer Singularität zusammen, einem dimensionslosen Objekt unendlicher Dichte. 4 ENTSTEHUNG Schwarze Löcher lassen sich nach ihrer Entstehung und ihrer Masse unterscheiden. Stellare Schwarze Löcher entstehen im Verlauf einer Sternentwicklung. Durch die Verschmelzung von Atomkernen (siehe Kernfusion) bilden sich im Inneren der Sterne immer schwerere Elemente. Wenn die nuklearen Brennstoffe erschöpft sind, ist der Stern so schwer und heiß, dass er unter seinem eigenen Gewicht zusammenbricht (kollabiert). Beträgt die Masse des kollabierenden Sterns weniger als das 1,7fache der Sonnenmasse, wirkt der so genannte Elektronendruck der Gravitation entgegen, und es entsteht ein Weißer Zwerg. Liegt die Masse zwischen dem 1,7fachen und dem etwa Dreifachen der Sonnenmasse, reicht der Elektronendruck nicht mehr aus, und der Stern kollabiert weiter. In diesem Fall wirkt der so genannte Neutronendruck der Gravitation entgegen, und es entsteht ein Neutronenstern. Bei Sternen mit über dem Dreifachen der Sonnenmasse reicht selbst der Neutronendruck nicht mehr aus, und der Stern kollabiert zu einem stellaren Schwarzen Loch. Eine besondere Form stellen die supermassereichen Schwarzen Löcher dar, die die Masse von Millionen oder Milliarden Sonnen und Durchmesser von mehreren astronomischen Einheiten besitzen können. Diese gigantischen Objekte werden in Zentren von Galaxien vermutet. Im Gegensatz dazu sind die primordialen Schwarzen Löcher (primordial von lateinisch prim ordium: Uranfang, Ursprung) mit Massen von 1011 Kilogramm - die Sonne hat 1,99 × 1030 Kilogramm - und Durchmessern von billionstel Zentimetern winzig. Primordiale Schwarze Löcher entstanden nicht durch den Kollaps eines Sterns, sondern kurz nach dem Urknall, in Bereichen des frühen Universums, in denen die lokalen Masse- und Energiedichten genügend groß waren. Der britische Physiker Stephen William Hawking stellte hierzu eine bislang nicht bestätigte Hypothese auf, nach der von Schwarzen Löchern immer eine diffuse Strahlung (Hawking-Strahlung) ausgehen soll. Dieser stetige Strahlungsverlust hätte schließlich dazu geführt, dass viele der primordialen Schwarzen Löcher im Lauf der Zeit verschwanden. In der letzten Phase, so die Hypothese weiter, explodierten sie als Gammastrahlenblitze, so dass primordiale Schwarze Löcher Spuren im Muster der kosmischen Hintergrundstrahlung hinterlassen haben müssten. 5 HINWEISE AUF SCHWARZE LÖCHER Astronomen und Astrophysiker haben zahlreiche Hinweise für die Existenz von Schwarzen Löchern gefunden. Einen Hinweis fand man z. B. beim Doppelsternsystem Cygnus X-1 im Sternbild Schwan, einer der stärksten Röntgenquellen am Himmel. Immer dann, wenn Materie in ein Schwarzes Loch stürzt, wird Röntgenstrahlung freigesetzt. Der größere der beiden Sterne in Cygnus X-1 ist ein normaler Stern mit ungefähr der 30fachen Sonnenmasse. Doppler-Verschiebungen in seinem Spektrum zeigen, dass es in seiner Umlaufbahn einen Begleiter mit zehn bis 15 Sonnenmassen geben muss. Es gibt Beweise, dass die Röntgenstrahlung in der Nähe des Begleiters entsteht. Normalerweise werden solche Röntgenstrahlen von einer so genannten Zuwachsscheibe (Akkretionsscheibe) erzeugt. Das ist eine dichte, heiße Scheibe aus Gas, die sich bildet, wenn sich das Gas eines normalen Sternes spiralförmig zu einem dichten Körper zusammenzieht. Der Begleiter in Cygnus X-1 ist wegen seiner hohen Dichte vermutlich eher ein Schwarzes Loch als ein Weißer Zwerg oder ein Neutronenstern. Weitere mögliche Hinweise auf Schwarze Löcher sind z. B. die Röntgen- und Radioquellen im Zentrum der Seyfert-Galaxie NGC 4258 (M 106) im Sternbild Jagdhunde sowie im Zentrum der elliptischen Galaxie NGC 4486 (M 87) im Sternbild Jungfrau. 6 JÜNGERE ENTDECKUNGEN 2002 gelang es einem internationalen Forschungsteam an der Europäischen Südsternwarte ESO, den Umlauf eines Sterns um das Schwarze Loch im Zentrum der Milchstraße (Sagittarius A im Sternbild Schütze) zu beobachten. Der Stern, etwa 15-mal so schwer und siebenmal so groß wie die Sonne, nähert sich dem Zentrum der Milchstraße auf 17 Lichtstunden und umrundet es in nur 15 Jahren. Aus der Umlaufbahn des Sterns und der Umlaufzeit konnten die Forscher Rückschlüsse auf die Masse des zentralen Objekts ziehen. Demzufolge besitzt das Objekt eine Masse von gut 2,6 Millionen Sonnenmassen. Auch im Zentrum des Andromedanebels bzw. der Andromedagalaxie (NGC 224 oder M 31) befindet sich ein Schwarzes Loch. Erste Hinweise wurden bereits 1995 mit dem Hubble-Weltraumteleskop entdeckt. Spektroskopische Folgeuntersuchungen bestätigten 2005, dass im Galaxiezentrum ein Schwarzes Loch mit einer Masse von 140 Millionen Sonnen sitzt. Bearbeitet von: Maurice Wiederhold Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.