Pluralismus Pluralismus (von lateinisch plures: mehrere), Gesellschaftsform, in der verschiedene, mehr oder weniger unabhängige gesellschaftliche Gruppen um sozialen und politischen Einfluss im Wettbewerb stehen.
Publié le 16/06/2013
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Pluralismus Pluralismus (von lateinisch plures: mehrere), Gesellschaftsform, in der verschiedene, mehr oder weniger unabhängige gesellschaftliche Gruppen um sozialen und politischen Einfluss im Wettbewerb stehen. Diese gesellschaftlichen Gruppen können politische Parteien, religiöse Gemeinschaften, Interessenvertretungen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern oder Bürgerinitiativen sein. Pluralismus erstreckt sich auf Werte, Interessen, Verhaltensnormen, Weltanschauungen oder Religionen, die teilweise übereinstimmen, sich ergänzen oder auch im Gegensatz zueinander stehen können. Das Ideal des Pluralismus ist eng verknüpft mit dem der Demokratie und besagt, dass alle Beteiligten weitgehend entsprechend ihrer jeweiligen Vorstellung leben können, weil sie in bestimmten Grundprinzipien, insbesondere dem Prinzip des Pluralismus selbst, übereinstimmen; Pluralismus ist insofern eng an Toleranz gebunden. Damit ergibt sich für den Pluralismus als politische Idee eine ähnliche Problematik wie für den Gedanken der Integration: Was soll mit jenen Gruppen geschehen, die das Pluralismusideal ablehnen und auf der Durchsetzung ihrer intoleranten Positionen bestehen (z. B. rechtsextreme Parteien oder fanatische Religionsgruppierungen), dennoch aber den Schutz des pluralistischen Prinzips für sich in Anspruch nehmen? Dieses Dilemma erwächst insbesondere da, wo eine pluralistische Gesellschaft als so genannte multikulturelle (sehr) unterschiedliche Kulturen integrieren muss; von den obersten politischen und juristischen Institutionen wird dann die paradoxe Notwendigkeit verlangt, ,,Grenzen der Toleranz" festzusetzen. Pluralismus ist das Ergebnis einer differenzierten Sozial- und Herrschaftsstruktur und hebt sich damit von traditionellen, sakralen und totalitären Gesellschaftsordnungen ab. Beispiele für solche nicht pluralistischen Herrschaftsstrukturen sind Kastenordnungen, religiös orientierte ,,Gottesstaaten" und Diktaturen. Mit der Entfaltung der modernen Gesellschaft entwickelte sich auch eine fortschreitende Pluralisierung von Lebensstilen. Je unabhängiger das einzelne Individuum von ständischen Regeln, religiösen Vorschriften und sozialer Kontrolle wurde, desto größer wurde sein Spielraum für einen selbst gewählten Lebensstil. Die zunehmende Bildung der Bevölkerung und die Ausweitung kulturübergreifender, internationaler Kontakte verstärkten diese Tendenz, indem sie das ,,Angebot" an Lebensformen bedeutend erweiterten. Die in einer pluralistischen Gesellschaft erreichte Komplexität und Vielgestaltigkeit ist erheblich; das erfordert einen hohen Grad an Planung und Organisation. Daher ist die Tendenz zur Bürokratisierung innerhalb der ganzen Gesellschaft oder zumindest in ihren Teilbereichen wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Medien, Sport, Kunst, Kultur und Erziehung meist ausgeprägt. Ausgerechnet um die für den Pluralismus wichtige Chancengleichheit von Konkurrenten zu gewährleisten, kommt es aber zu der paradoxen Situation, dass die Vielfalt und Vielgestaltigkeit nicht selten auf absurd erscheinende Weise reglementiert wird (so dürfen z. B. einer Verordnung der Europäischen Kommission entsprechend nur Bananen mit bestimmten Maßen in die EU eingeführt werden). Jeder der Teilbereiche und ihre wichtigen Einflussgruppen sind im Pluralismus insofern unabhängig, als ein Teilbereich einen anderen nicht völlig beherrschen kann, da alle Teilbereiche voneinander abhängig sind. Durch diese gegenseitige Abhängigkeit und partielle Unabhängigkeit entsteht im Pluralismus eine ständige Kontrolle aller gesellschaftlichen Einflussgruppen und die andauernde Suche nach gesellschaftlich tragfähigen Kompromissen und Konsensen. Die Bewegung zum Pluralismus und die zum Individualismus gehen in der modernen Gesellschaft miteinander einher. Dabei kann es infolge der Übernahme sehr verschiedener sozialer Rollen, welche die pluralisierte Gesellschaft von ihren Mitgliedern verlangt, zum Gefühl der ,,Heimatlosigkeit" in der Moderne kommen: Aufgrund von Entfremdungserscheinungen erlebt der Einzelne die eigentlich positive Vielfalt als Unbehagen auslösende Fragmentierung der Welt. Pluralismus bewirkt für den Einzelnen in der Gesellschaft mehr Freiheit, indem er das Individuum vor einseitiger Beeinflussung und Willkür des Systems schützt. Aber auch innerhalb einer pluralistischen Gesellschaftsordnung können Blockbildung oder die Oligarchisierung innerhalb von Organisationen, Institutionen oder gesellschaftlichen Gruppen die persönliche Freiheit Einzelner einschränken. Eine generelle Einschränkung der Freiheiten von Individuen und Gruppen kann sich zudem aus der ausgeprägten Bürokratisierung und Reglementierung des gesellschaftlichen Lebens ergeben. Insbesondere kritische Sozial- und Politikwissenschaftler bemängeln am Pluralismus-Begriff, er verschleiere auf ideologische Weise, dass trotz aller politischen Pluralität die eigentliche Macht der modernen Gesellschaft in der Wirtschaft verortet ist. Die Idee des Pluralismus spiegele vor, dass die Politik ein offenes Spiel verschiedener politischer Parteien und Richtungen sei (politikwissenschaftlich: checks and balances) und dass der Staat die Wirtschaft reguliere, während es in Wirklichkeit doch gerade umgekehrt vonstatten gehe. Pluralismus sei die vorherrschende Ideologie kapitalistischer Gesellschaften, welche die Funktion erfülle, die Macht des Kapitals zu verschleiern. Pluralismus, insbesondere in der freien Verwendung von Stilen, ist zudem ein konstitutives Merkmal der postmodernen Kunst und Architektur. Bearbeitet von: Friedhelm Lövenich Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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