Peter Handke (Sprache & Litteratur).
Publié le 12/06/2013
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Peter Handke (Sprache & Litteratur). 1 EINLEITUNG Peter Handke (*1942), österreichischer Schriftsteller. Er ist einer der herausragenden Autoren der österreichischen Literatur nach 1945. Handke wurde am 6. Dezember 1942 in Griffen (Kärnten) geboren und verbrachte einen Teil seiner entbehrungsreichen Kindheit (1944-1948) in Berlin. Von 1961 bis 1965 studierte er Jura in Graz, wo er mit den avantgardistischen Schriftstellern um das Forum Stadtpark und die Zeitschrift manuskripte in Kontakt kam. 1966 attestierte er der inzwischen zur Kritikervereinigung gewordenen Gruppe 47 auf deren Tagung in Princeton ,,Beschreibungsimpotenz", ein Urteil, das die Auflösung der Gruppe beschleunigte und Handke auch einem größeren Lesepublikum bekannt werden ließ. Danach begab sich der Autor auf zahlreiche Reisen (Erfahrungen seines längeren USA-Aufenthalts spiegelt der Reiseroman Der kurze Brief zum langen Abschied von 1972) und ließ sich nach ausgiebigen Auslandsaufenthalten zunächst in Berlin und Kronberg (Taunus), dann in Paris und von 1979 bis 1988 in Salzburg nieder. Heute lebt Handke als freier Schriftsteller wieder in der Nähe von Paris. 1973 erhielt er den Georg-Büchner-Preis, 1979 den Kafka-Preis. Nach Ausbruch des Kosovo-Krieges 1999 trat Handke wegen der Einschätzung des Geschehens als ,,Bruderkrieg" durch den Papst aus der katholischen Kirche aus und gab aus Protest gegen ,,das Zuschlagen der NATO im Herzen von Belgrad" den Büchner-Preis zurück. Auch reiste er nach Belgrad und Novi Sad, eine symbolische Fahrt ohne Medienbegleitung: ,,So wie die NATO Jugoslawien bombardiert, um, nach eigenen Angaben, nicht die Glaubwürdigkeit zu verlieren, so wollte ich während der Bombardements in Jugoslawien sein, um meinerseits die Glaubwürdigkeit nicht zu verlieren." 2006 wurde Handke der Heinrich-Heine-Preis der Stadt Düsseldorf zugesprochen; diese Entscheidung der unabhängigen Jury löste einen Eklat aus, da die Mehrheit des Düsseldorfer Stadtrates sie aufgrund Handkes umstrittener Haltung zum Jugoslawienkrieg und zu Serbenführer Slobodan Milosevi? (an dessen Begräbnis er teilgenommen hatte) sowie zum Kosovo-Konflikt nicht mittragen und die Verleihung verweigern wollte. Im Verlauf der unter großer medialer Aufmerksamkeit geführten Auseinandersetzung traten zwei Jurymitglieder aus Protest zurück; schließlich lehnte Handke die Annahme des Preises ab. Daraufhin gründete sich eine Initiative (getragen vor allem von Mitgliedern des Berliner Ensembles), die das Preisgeld von 50 000 Euro mit Spenden aufbrachte und Handke den eigens ins Leben gerufenen ,,Berliner Heinrich-Heine-Preis" verleihen wollte; Handke lehnte 2007 auch diesen Preis ab und gab das Geld an eine serbische Enklave im Kosovo. 2 WERK In Handkes Romanerstling Die Hornissen (1966) steht die kritische Hinterfragung einer Konstitution von Welt durch Sprache nur bedingt im Mittelpunkt. Aber bereits in den nachfolgenden Sprechstücken Selbstbezichtigung (1966), Weissagung (1966) und Hilferufe (1967) gerät diese Intention zum zentralen Thema. Auch in Handkes provokativem und von Claus Peymann uraufgeführtem Theaterdebüt Publikumsbeschimpfung (1966), einem ,,Schauspiel ohne Bilder" und Handlung, wird dieser Aspekt bestimmend. Gleiches kann für Kaspar (1967) gelten: Nicht von ungefähr wählte der Autor die Gestalt des Findlings Kaspar Hauser als Hauptfigur eines Stücks, das ,,zeigt, wie jemand durch Sprechen zum Sprechen gebracht werden kann. Es könnte auch ,Sprechfolterung' heißen". Mit der 1972 von Wim Wenders verfilmten Erzählung Die Angst des Tormanns beim Elfmeter (1970) lieferte Handke ein Beispiel für die mit Hugo von Hofmannsthal beginnende österreichische Sprachskepsis-Tradition (,,Die Worte haben sich vor die Dinge gestellt", heißt es in Hofmannsthals Ein Brief von 1900); hier wird ein Gedanke ausgeführt, der sich im Spiel mit literarischen Genres, namentlich mit dem des Kriminalromans, in Der Hausierer (1967) bereits angekündigt hatte. Tatsächlich schildert der Tormann jenen passiven Zustand seines Protagonisten Bloch, in welchem sich ,,die Gegenstände, die er wahrnimmt, immer mehr versprachlichen und, indem die Bilder versprachlicht werden, auch zu Geboten und Verboten werden". Die nicht zuletzt in Die Angst des Tormanns beim Elfmeter zutage tretende kritische Auffassung von der Allgegenwart der Zeichensysteme und der Ohnmacht derer, die sie benutzen müssen, wird im Verlauf der siebziger Jahre zugunsten eines nachgerade pathetischen ,,hohen Tons" wieder aufgegeben, nicht selten mit Anklängen an die Neue Subjektivität der deutschsprachigen Literatur dieser Zeit (Wunschloses Unglück, 1972, über den Selbstmord seiner Mutter; Die Stunde der wahren Empfindung, 1975; Langsame Heimkehr, 1979). Literatur wird zum Garant neuer Ordnung in einer unbehausten Welt. Ein lyrischer Hermetismus (Die Innenwelt der Außenwelt der Innenwelt, 1969) geht mit einer dezidiert apolitischen Haltung einher (Ich bin ein Bewohner des Elfenbeinturms, 1972). 1980 erschien Handkes poetologische Essayerzählung Die Lehre der Sainte-Victoire, welche anhand der Malerei Paul Cézannes eine quasi nachromantische, dem ,,Freiphantasieren" verpflichtete Universalpoesie entwirft - und in dem Kunstmärchen Die Abwesenheit (1987) einen Nachhall findet. Das Konzept einer Harmonisierung der Natur durch die Schöpferkraft des Künstlers allerdings ist ebenso durch die Dichtungstheorie Adalbert Stifters geprägt, der neben Karl Philipp Moritz und Gottfried Keller zu einem der großen Vorbilder Handkes avanciert. Weitere Modelle einer durch ordnendes Zurückrufen gewonnenen Poesie des Ursprünglichen entwickeln Der Chinese des Schmerzes (1983) und Die Wiederholung (1986): ,,Wenn ich mich erinnerte, erfuhr ich: So war das Erlebnis, genau so!, und damit wurde mir dies erst benennbar, stimmhaft und spruchreif." In den neunziger Jahren entstanden Handkes detailverliebt-hymnische Prosastudien Versuch über die Jukebox (1990) und Versuch über den geglückten Tag. Ein Wintertagtraum (1991), die den Versuch über die Müdigkeit von 1989 fortdichteten, das nur schwer zugängliche Pantomimedrama Die Stunde da wir nichts voneinander wußten (1992) sowie der voluminöse, epische Totalität anstrebende Roman Mein Jahr in der Niemandsbucht (1994). Mit seiner Miniaturensammlung Noch einmal Thukydides (1990) verschrieb sich der Dichter einmal mehr nicht der mit dem Namen Thukydides verbundenen großen Geschichtsschreibung, sondern der Epiphanie der Einzelheit. Für Aufsehen sorgte 1996 Handkes zunächst in der Süddeutschen Zeitung abgedruckter Text Eine winterliche Reise zu den Flüssen Donau, Save, Morawa und Drina oder Gerechtigkeit für Serbien, der versuchte, den journalistischen Bildern und vorgefassten Meinungen über den Balkankrieg eine persönliche - und stark ästhetisierende - Position entgegenzustellen. (Zuvor hatte Handke sich bereits 1991 in Abschied des Träumers vom Neunten Land. Erinnerung an Slowenien mit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien und dem Aufkeimen nationalistischer Tendenzen beschäftigt.) Eine Lesereise des Autors wurde von aufgebrachten Demonstranten begleitet, der Text in Feuilletondebatten zum Politikum hochstilisiert. 1996 ließ Handke seinem Serbien-Essay eine Nachbemerkung folgen (Sommerlicher Nachtrag zu einer winterlichen Reise), die allerdings vonseiten der Literaturkritik nur mehr auf geringes Interesse stieß. Die Eindrücke weiterer Reisen ins Krisengebiet im Frühjahr 1999 führten zur Veröffentlichung des Bandes Unter Tränen fragend (2000). 1997 erschien Handkes Roman In einer dunklen Nacht ging ich aus meinem stillen Haus, der von einem Apotheker berichtet, welcher in einen Ort ,,jenseits der Grenze" reist und sich dort, drohender Gefahr entgegentretend, in eine Abenteuer- und Liebesgeschichte verstrickt. 1999 kam mit dem Drama Die Fahrt im Einbaum oder Das Stück zum Film vom Krieg eine weitere Auseinandersetzung mit den Ereignissen auf dem Balkan heraus. Nach Der Bildverlust oder Durch die Sierra de Gredos (2002), einem hochartifiziellen Roman an der Grenze zwischen Traum und Wirklichkeit, und Don Juan (erzählt von ihm selbst) (2004), einer originellen Meditation über Liebe und Vergänglichkeit in Form einer Neuinterpretation der großen Verführergestalt der Weltliteratur, kehrte Handke mit Die morawische Nacht (2007) zum Topos Balkan zurück, zu dem er aber nicht politisch Stellung nimmt, sondern der hier als Kulisse einer nostalgisch-selbstreflexiven Bootsfahrt dient. Weitere bedeutende Werke Handkes sind die Erzählungen Begrüßung des Aufsichtsrats (1967), Kindergeschichte (1981) und Kali (2007), der von ihm selbst 1977 mit Edith Clever und Gérard Depardieu verfilmte Roman Die linkshändige Frau (1976), das Hörspiel Wind und Meer (1970), das dramatische Gedicht Über die Dörfer (1981), die Theaterstücke Das Mündel will Vormund sein (1967), Die Unvernünftigen sterben aus (1973) und Spuren der Verirrten (2006; uraufgeführt 2007 am Berliner Ensemble unter Claus Peymann) sowie die Aufzeichnungen Das Gewicht der Welt. Ein Journal (1977), Die Geschichte des Bleistifts (1982), Phantasien der Wiederholung (1983) und Gestern unterwegs (2005). Gemeinsam mit Wim Wenders verfasste Handke 1987 das Filmbuch zu Der Himmel über Berlin; eine amerikanische Neuverfilmung durch Brad Silberling unter dem Titel City of Angels mit Nicolas Cage und Meg Ryan in den Hauptrollen kam 1998 in die Kinos. Als Regisseur nach eigenem Drehbuch arbeitete er bei Chronik der laufenden Ereignisse (1970) und bei L'Absence (1993; mit Bruno Ganz und Jeanne Moreau). Darüber hinaus trat er mit Übersetzungen hervor, u. a. von Walker Percys Der Kinogeher (1980), Francis Ponges Das Notizbuch vom Kiefernwald (1982), Emmanuel Boves Meine Freunde (1988), Julien Greens Der andere Schlaf (1988) und Sophokles' Ödipus in Kolonos (2003). Verfasst von: Thomas Köster Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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