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Nordirland-Konflikt - Geschichte.

Publié le 15/06/2013

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Nordirland-Konflikt - Geschichte. 1 EINLEITUNG Nordirland-Konflikt, teils gewalttätige Auseinandersetzung um den Status bzw. die Zugehörigkeit der britischen Provinz Nordirland zwischen dem katholisch-irischen Bevölkerungsteil und dem protestantisch-englischen bzw. der von ihm repräsentierten britischen Herrschaft über Nordirland. 2 HISTORISCHER HINTERGRUND Nachdem im Jahr 1171 der englische König Heinrich II. mit seiner Armee nach Irland übergesetzt hatte, eroberten anglonormannische Barone die Insel und führten ein Feudal- und Rechtssystem ein. Ab 1300 hatte England seine Herrschaft über zwei Drittel der Insel gesichert. Als Heinrich VII. eine Armee unter dem Befehlshaber Sir Edward Poynings nach Irland entsandte und ihn zum Vizekönig von Irland machte, erließ dieser 1494 ein Gesetz, nach dem alle Gesetzesvorlagen des irischen Parlaments der Billigung des englischen Königs bedurften. 1537 schlug Heinrich VIII. den Aufstand des Grafen von Kildare nieder, und 1541 ernannte das irische Parlament Heinrich VIII. zum König von Irland. Die katholischen Iren widersetzten sich erbittert der Abschaffung der Messe unter Eduard VI., und es kam zu einem Aufstand in der Provinz Munster, den Truppen vom europäischen Festland niederwarfen (1569-1583). Königin Elisabeth I. ersetzte irische Pächter durch englische Siedler. Eine erneute Revolte zwischen 1593 und 1603 wurde unterdrückt und lieferte die Voraussetzungen für eine weitere Anglisierung des Landes unter den Stuarts. 1607 floh der gälische Adel (Flight of the Earls) nach den gescheiterten Aufständen aus Ulster, dem Zentrum des irischen Widerstands. Daraufhin siedelte England circa 100 000 schottische Presbyterianer in sechs Grafschaften der nordirischen Provinz Ulster an (siehe Ulster-Plantation). So schuf sich England eine breite Bevölkerungsbasis im Norden der Insel. Die katholischen Bauern waren nun Pächter und damit abhängig von den neuen protestantischen Grundherren. Den Aufstand der enteigneten katholischen Landbesitzer in Ulster schlug Oliver Cromwell 1649/50 grausam nieder. Er enteignete alle Katholiken in Ulster oder siedelte sie um und gab ihr Land Protestanten. Die Restauration unter Karl II. änderte nichts an der neuen Ordnung. Die Thronbesteigung des katholischen Königs Jakob II. 1685, seine Absetzung und sein gescheiterter Versuch, an der Spitze einer irisch-jakobitischen Armee seinen Thron wiederzuerlangen, führten am 1. Juli 1690 zur Schlacht am Boyne, in der Jakob II. von den protestantischen Streitkräften Wilhelms III. besiegt wurde. Danach erließ das protestantische irische Parlament eine Reihe von Strafgesetzen gegen die Katholiken, die diesen untersagte, die Messe zu besuchen und Land zu kaufen oder zu erben. Damit wurden die wirtschaftlichen Grundlagen der katholischen Bevölkerung zerstört. Erst 1795 bekamen die Katholiken durch William Pitts Catholic Relief Act gleiches aktives Wahlrecht und das passive Wahlrecht für fast alle Ämter. 1798 kam es erneut zu einem Aufstand, diesmal unter der Führung von Wolfe Tone (United Irishmen), der aber von den Briten ebenfalls brutal niedergeschlagen wurde. 1800 konnte Pitt dann den Act of Union (Unionsgesetze) aushandeln: Irland wurde damit Teil des Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Irland; das irische Parlament wurde abgeschafft, und Irland bekam eine volle parlamentarische Vertretung in Westminster. Pitt musste jedoch zurücktreten, als sich Georg III. weigerte, den Katholiken volle Gleichstellung zu gewähren. Erst Daniel O'Connells Catholic Association konnte 1829 das Wahlrecht für Katholiken durchsetzen. Die Versuche der Fenier-Bewegung, die britische Herrschaft mit Gewalt zu stürzen, blieben dagegen vergeblich. Charles Stuart Parnells Home-Rule-Bewegung setzte sich für die politische Autonomie der Insel ein. Die Ideen wurden vom britischen Premierminister William E. Gladstone aufgegriffen, doch er scheiterte zweimal (1886 und 1895) bei dem Versuch, die Gesetzesvorlage zur Home Rule durch das Parlament zu bringen. Die Folge war eine Radikalisierung unter jungen Iren, die sich Arthur Griffiths Sinn Féin oder anderen Organisationen anschlossen, die für ein freies Irland kämpften. Nachdem der Osteraufstand von 1916 gescheitert war, kam es zur erneuten Radikalisierung: Sinn Féin und ihr militärischer Arm, die Irisch-Republikanische Armee (IRA), gewannen tausendfachen Zulauf, und sie führten einen Untergrundkrieg gegen die Briten. Im Juli 1921 war der britische Premierminister Lloyd George schließlich bereit, mit Sinn Féin zu verhandeln. Nach fünfmonatigen Gesprächen wurde am 6. Dezember 1921 ein Unabhängigkeitsvertrag unterzeichnet, der am 7. Januar 1922 ratifiziert wurde. Nach diesem Vertrag erhielten 26 Grafschaften den Status eines Freistaates (Saorstát Éreann) innerhalb Großbritanniens (bzw. des späteren Commonwealth); doch sechs der neun Grafschaften der Nordprovinz Ulster hatten in einer Volksabstimmung für den Beitritt zu Großbritannien gestimmt. Diese Grafschaften in der nördlichsten der vier irischen Provinzen wurden durch den Government of Ireland Act von 1920 als Nordirland eine eigenständige politische Einheit des Vereinigten Königreiches mit eigener Verfassung, eigenem Parlament und eigener Lokalverwaltung. Die Mehrheit betrachtete die Zugehörigkeit zu Großbritannien als Absicherung für ihren protestantischen Glauben und für ihre Vorherrschaft; die Katholiken dagegen sahen in der Schaffung Nordirlands ein Unrecht. Für den irischen Freistaat war die Abspaltung nicht endgültig, die nordirischen Grafschaften lehnten aber eine Wiedervereinigung ab. 3 ENTWICKLUNG NACH DER UNABHÄNGIGKEIT DES FREISTAATES UND DER SPÄTEREN REPUBLIK Seit 1955 kam es zu Terrorübergriffen der verbotenen Irisch-Republikanischen Armee (IRA) mit dem Ziel, eine Vereinigung der Republik mit Nordirland zu erzwingen. Die Anschläge wurden auch in den sechziger Jahren fortgesetzt. Die Regierung der Republik Irland verurteilte den Terrorismus, doch auch extremistische protestantische Kräfte, die sich gegen die Integration der benachteiligten katholischen Minderheit wandten, verschärften die Konfliktsituation. Zur blutigen Eskalation des Konflikts kam es, als angekündigte Reformen ausblieben. Nach dem Regierungsantritt Terence O'Neills 1963 war in die nordirische Politik zunächst Bewegung gekommen. O'Neills Annäherung an die Republik Irland auf wirtschaftlichem Gebiet und zaghafte Reformversuche im Inneren erzeugten auf katholischer Seite eine Erwartungshaltung, die jedoch enttäuscht wurde. 1964/65 kam es zu Demonstrationen, die ein gerechtes Wahlsystem und mehr soziale Gerechtigkeit einforderten. Beim Bürgerrechtsmarsch vom 5. Oktober 1968 in Londonderry kam es nach Übergriffen der Polizei zu Unruhen mit Straßenschlachten zwischen Protestanten und Katholiken mit schwerwiegenden Folgen. Beide Seiten radikalisierten sich, und insbesondere die Ulster Protestant Volunteers unter Pfarrer Ian Paisley trugen entschieden zur Eskalation bei, indem sie häufig in das katholische Viertel in Londonderry, die Bogside, eindrangen und Bewohner überfielen. Bei allen wichtigen Veranstaltungen, Feiertagen und Umzügen beider Seiten kam es in der Folgezeit zu blutigen Zusammenstößen. Die IRA war zu diesem Zeitpunkt noch relativ zurückhaltend. Erst als sich die Übergriffe auf katholische Wohngebiete häuften - angeblich suchte man nach versteckten Waffen - und der Terror gegen die Bevölkerung heftiger wurde, trat auch sie erneut mit Sabotageakten und Bombenanschlägen in Erscheinung. Im Sommer 1969 verschärften sich die Auseinandersetzungen, und die britische Armee intervenierte vorerst mit etwa 5 000 Soldaten, die anfänglich auch von der katholischen Bevölkerung als Ordnungsmacht begrüßt wurden. Durch die Gewaltbereitschaft der IRA, die infolge interner Streitigkeiten über ihr Selbstverständnis (Schutztruppe für die katholischen Viertel oder Terrororganisation) gespalten war, bekam der Konflikt im Sommer 1971 eine neue Qualität. Das Schwergewicht verlagerte sich nun auf die Auseinandersetzung zwischen der Armee und den verschiedenen Untergrundorganisationen: Die IRA führte einen Guerillakrieg gegen die britische Armee, die mit willkürlichen Übergriffen auf die katholische Bevölkerung reagierte. Bei Schießereien wurden auch Zivilisten getötet. Darüber hinaus kam es zu groß angelegten Internierungsaktionen und mehreren Verhaftungswellen (Internments), die den Hass unter den Katholiken schürten. Bei Ausschreitungen in Belfast starben über 20 Menschen. Nach dem so genannten Bloody Sunday vom 30. Januar 1972 in Londonderry, als ein Anti-Internment-Protestzug von der britischen Armee mit Gewalt beendet wurde - 13 Menschen fanden dabei den Tod -, verschärfte sich der Konflikt derart, dass London selbst die Initiative ergriff und die Regierung in Belfast am 30. März 1972 absetzte. Einem Nordirlandminister wurde die Regierungsgewalt übertragen und mehr Soldaten wurden nach Ulster geschickt. Den ,,Blutsonntag von Derry" beantwortete die IRA mit einem Rachefeldzug gegen britische Soldaten; der Terror nahm zu. Seit Sommer 1976 wurden von den überkonfessionellen Peace People immer wieder Massendemonstrationen organisiert, die sich gegen den Terror und die Unfähigkeit der Politiker richteten, die Situation zu entschärfen. Ihre beiden Sprecherinnen, Betty Williams und Mairéad Corrigan-Maguire, erhielten 1977 für ihr Engagement den Friedensnobelpreis. Doch die Lage blieb weiterhin explosiv: 1979 ermordete die IRA Lord Mountbatten; am selben Tag lockte sie eine Abteilung britischer Soldaten in einen Hinterhalt und tötete 18 Soldaten. In englischen Internierungslagern einsitzende IRA-Kämpfer wurden zu Märtyrern stilisiert, so z. B. Bobby Sands, der 1981 während seiner Inhaftierung von der katholischen Bevölkerung ins Unterhaus gewählt wurde, aber an den Folgen seines Hungerstreiks für die Anerkennung als politischer Gefangener im Juni 1981 verstarb. Weitere Hungerstreiktote in den Gefängnissen radikalisierten die Katholiken noch mehr: Am 20. Juli 1982 forderten zwei IRA-Bombenanschläge in London acht Todesopfer und 50 Verletzte. Administrative Maßnahmen und politische wie soziale Reformen (z. B. des Wahlrechts) konnten die Situation nicht beruhigen. Wahlen für das nordirische Parlament im Oktober 1982 brachten eine Mehrheit (46 Sitze) für die Protestanten und Unionisten, 14 Mandate für die Social Democratic Labour Party und fünf für die Sinn Féin, die politische Organisation der IRA. Damit majorisierten weiterhin die Protestanten die Katholiken. Doch der Terror nahm zu: Im nordirischen Bellykelly verübte die Irische Nationale Befreiungsarmee (INLA) im Dezember 1982 einen Terroranschlag, bei dem 16 Menschen, unter ihnen ein britischer Soldat, getötet wurden. Im November 1983 wählte die Sinn Féin Gerry Adams, der sich als geschickter Unterhändler bereits einen Namen gemacht hatte und für die Sinn Féin als Abgeordneter im britischen Unterhaus saß, zu ihrem neuen Vorsitzenden. Er sollte in den nächsten Jahren zu einem der wichtigsten Hoffnungsträger für einen Friedensprozess werden. Ein vorläufiger Höhepunkt war am 13. Oktober 1984 der Bombenanschlag auf das Grand Hotel in Brighton, in dem die britische Premierministerin Margaret Thatcher während des Parteitages der konservativen Partei wohnte. Vier Menschen starben, die Premierministerin blieb unverletzt. Die Terrorserie riss auch 1985 nicht ab. Die Gesellschaft Nordirlands blieb gespalten. Im weiteren Verlauf des Konflikts schaltete sich die Regierung in Dublin infolge des Drucks aus der Bevölkerung in den Konflikt ein und kritisierte zunehmend das britische Vorgehen. Dublin stationierte irische Truppen an der Grenze zu Nordirland und richtete Flüchtlingslager ein. Im Abkommen von Hillsborough zwischen Großbritannien und der Republik Irland vom November 1985 erklärte sich Irland bereit, die Zugehörigkeit Nordirlands zu Großbritannien so lange anzuerkennen, wie es die Mehrheit der Nordiren wünsche. Dublin erhielt im Gegenzug Mitwirkungsrechte bei der Vertretung der Interessen der Katholiken in Ulster. Doch weder die protestantische Seite noch die IRA akzeptierten dieses Abkommen: Die IRA forderte den Abzug der britischen Truppen, und die Protestanten befürchteten einen Ausverkauf ihrer Rechte. Im November 1987 kam es wieder zu einem spektakulären Bombenattentat der IRA in Nordirland, als bei einer Gedenkfeier für die Opfer der beiden Weltkriege und des Bürgerkrieges elf Menschen starben. In den nächsten Jahren setzte die IRA ihre Terroranschläge fort. Im November 1989 gestand die britische Regierung ein, dass der Kampf militärisch nicht zu gewinnen sei und schlug deshalb Verhandlungen mit der IRA vor. Der Versuch, zwischen Protestanten und moderaten katholischen Gruppierungen zu vermitteln, scheiterte im Sommer 1991 an der Unvereinbarkeit der Positionen. Die Gespräche hatten mit Beteiligung von Vertretern aus London und Dublin, aber unter Ausschluss von IRA und Sinn Féin stattgefunden. 1992/93 verübten die IRA-Terroristen wiederum verschiedene Anschläge in Nordirland und auch in London, z. B. auf das U-Bahn-Netz. In Nordirland kam es nach einem Attentat in Warrington am 20. März 1993, bei dem zwei Kinder starben, zu größeren Demonstrationen gegen den Terror. Im April verwüstete ein weiterer Anschlag einige Häuser in der Londoner City. Inzwischen wieder aufgenommene Verhandlungen wurden abgebrochen. Gerry Adams und John Hume, der Vorsitzende der gemäßigten nationalistisch-katholischen Social Democratic and Labour Party (SDLP), einigten sich im September 1993 auf eine gemeinsame Friedensstrategie. Am 18. November nahmen in 16 Städten Nordirlands über 50 000 Menschen an Friedenskundgebungen teil und forderten ein Ende der Gewalt in Ulster. Inzwischen hatte es seit Monaten über inoffizielle Mittelsmänner geheime Kontakte zwischen der britischen Regierung und der IRA gegeben. Der britische Premierminister John Major, seit 1990 im Amt, und der irische Ministerpräsident Albert Reynolds vereinbarten am 15. Dezember 1993 in London ein gemeinsames Vorgehen im Friedensprozess für Nordirland. Diese so genannte Nordirland-Erklärung akzeptierte die Beteiligung der IRA an Friedensgesprächen und stellte eine Volksabstimmung über die Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland in Aussicht. Die protestantischen Parteien lehnten die Vereinbarungen ab. Die Sinn Féin kritisierte das in der Erklärung vorgesehene Vetorecht für die protestantischen Parteien bei der Änderung der nordirischen Verfassung und forderte darüber hinaus eine Garantieerklärung für den Abzug der in Nordirland stationierten britischen Soldaten. Doch gab es in Nordirland weiterhin zahlreiche politische Morde und Bombenattentate, für die die protestantischen Untergrundorganisationen bzw. auf katholischer Seite die IRA verantwortlich waren. 4 DER FRIEDENSPROZESS Doch trotz des immer wieder aufflackernden Terrors bahnte sich ein allmählicher Friedensprozess an. Zwar lehnte die Sinn Féin auf einer Sonderkonferenz am 24. Juli 1994 die britisch-irische Friedensinitiative ab - kritisiert wurde vor allem ein mögliches Vetorecht der Mehrheit der nordirischen Bevölkerung in einem vereinten Irland - und forderte die IRA auch nicht zu einem Gewaltverzicht auf, doch verkündete die IRA am 31. August in Dublin einen uneingeschränkten Waffenstillstand. Am 14. Oktober sicherten auch die protestantischen Untergrundorganisationen zu, den bewaffneten Kampf einzustellen. Am 9. Dezember 1994 begannen die ersten offiziellen Gespräche zwischen Vertretern der britischen Regierung und der Sinn Féin. Bis dahin waren seit 1969 durch Terroranschläge von Extremisten beider Seiten 3 171 Menschen ums Leben gekommen. Die tagsüber in Belfast durchgeführten Armeepatrouillen wurden im Januar 1995 eingestellt. Im Juli 1995 kam es in Belfast wieder zu größeren Krawallen, die sich an der vorzeitigen Haftentlassung eines britischen Soldaten entzündet hatten, der 1991 wegen Mordes an einer Katholikin in Belfast zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Im Februar 1996 erklärte die IRA den Waffenstillstand für beendet und verübte eine Serie von Anschlägen. Im Juli 1997 verkündete die IRA erneut einen Waffenstillstand. Im September 1997 erzielte die Nordirland-Friedenskonferenz in Belfast einen wichtigen Durchbruch auf dem Weg zu grundlegenden Allparteiengesprächen über Nordirland. Nach 76 Jahren, im Oktober 1997, kam es in Belfast zu ersten Friedensgesprächen zwischen einem britischen Premierminister, Tony Blair, und einem Sinn-Féin-Führer, Gerry Adams. Nach langen Verhandlungen einigten sich Vertreter der nordirischen Parteien am 10. April 1998 auf ein Abkommen, das den seit Jahrzehnten andauernden Nordirland-Konflikt beenden sollte, das so genannte Stormont-Abkommen. Das Abkommen wurde möglich, weil sich auch der Vorsitzende der Ulster Unionist Party (UUP), David Trimble, kompromissbereit zeigte. Die geschlossene Vereinbarung zur Lösung des Nordirland-Konflikts wurde in beiden Teilen der Insel in einem Referendum im Mai 1998 mit großer Mehrheit angenommen. Im Juni 1998 wurde die im Stormont-Abkommen vorgesehene nordirische Regionalversammlung gewählt, die wiederum David Trimble zum Ersten Minister der ebenfalls neu geschaffenen nordirischen Regionalregierung wählte. Im Oktober 1998 wurden David Trimble und John Hume mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. Beide waren entscheidend an dem Friedensabkommen vom April 1998 beteiligt. Bei einem Brandanschlag in der nordirischen Stadt Ballymoney kamen am 12. Juli 1998 drei katholische Kinder ums Leben. Zu den neuerlichen Gewalttätigkeiten war es gekommen, nachdem die Regierung in London einen Marsch von Protestanten durch das katholische Viertel von Portadown verboten hatte. Der so genannte Oranierorden will durch diesen alljährlichen Marsch am Tag der Schlacht am Boyne (1. Juli 1690) an den Sieg der protestantischen Truppen Wilhelms von Oranien (Wilhelm III.) über die Armee des zum Katholizismus konvertierten König Jakobs II. erinnern. Seit Jahren war es bei dieser protestantischen Manifestation zu Gewalttätigkeiten in den katholischen Wohngebieten gekommen, durch die die traditionelle Marschroute führt. In der Folgezeit stagnierte der Friedensprozess erneut; vor allem die im Stormont-Abkommen vorgesehene nordirische Regionalregierung war auch ein Jahr nach Abschluss des Abkommens noch nicht zustande gekommen. Denn Trimble und seine UUP weigerten sich, dem Proporz der Sitzverteilung in der Regionalversammlung entsprechend auch zwei Vertreter der Sinn Féin in die Regierung aufzunehmen, solange die IRA noch nicht mit ihrer Entwaffnung begonnen habe. Zwar war die Entwaffnung sowohl der katholischen als auch der protestantischen paramilitärischen Untergrundverbände im Stormont-Abkommen festgeschrieben worden, allerdings nur äußerst vage, und als Termin war der Mai 2000 genannt worden. Sowohl die Sinn Féin wie auch die IRA selbst lehnten eine Entwaffnung der IRA als Vorbedingung für die Beteiligung der Sinn Féin an der Regierung ab. Im Mai 1999 setzte Tony Blair eine ,,letzte" Frist bis 30. Juni 1999 für die Bildung der nordirischen Regionalregierung. Um endlich einen Durchbruch in den stagnierenden Verhandlungen zu erzielen, sagte er der Sinn Féin zwei Ministerposten in der nun zu bildenden Regionalregierung zu - unter der Voraussetzung, dass die IRA zusage, bis Mai 2000 ihre Waffen abzuliefern. Die Regierungsbildung scheiterte erneut an der Weigerung der Unionisten, die Sinn Féin an der Regierung zu beteiligen, bevor die IRA mit konkreten Entwaffnungsschritten begonnen habe. Ein neuer, Anfang Juli von Blair und dem irischen Ministerpräsidenten Bertie Ahern vorgelegter Kompromiss sah eine Regierungsbildung bis zum 15. Juli 1999 vor und anschließend den Beginn der IRA-Entwaffnung ,,binnen Wochen"; außerdem wurde in dem in aller Eile im britischen Parlament eingebrachten Gesetzentwurf, der die Rechtsgrundlage für die nordirische Regierung bilden sollte, festgeschrieben, dass eine Nichteinhaltung der Entwaffnungsvereinbarungen zu einer Suspension der Regionalregierung führen würde und dass die vertragsbrüchige Partei in der dann neu zu bildenden Regierung nicht mehr vertreten sein dürfe; d. h., verweigerte die IRA weiterhin die Entwaffnung, könnte die Sinn Féin von der Regierung ausgeschlossen werden. Die Unionisten lehnten auch dies ab; die Regierungsbildung war gescheitert, der Friedensprozess stagnierte erneut. Im September 1999 wurden unter Vermittlung des ehemaligen US-amerikanischen Senators George Mitchell die Nordirland-Gespräche wieder aufgenommen. Aber erst im November kam es zu einem Durchbruch, als sich sowohl die protestantische wie die katholische Seite zur vollständigen Umsetzung des Stormont-Abkommens und zu Kompromissen bereit erklärten und vor allem auch die IRA ihre Bereitschaft bekundete, nach einer Regierungsbildung unter Einschluss der Sinn Féin unverzüglich Verhandlungen mit der Unabhängigen Internationalen Entwaffnungskommission unter dem kanadischen General John de Chastelain aufzunehmen. Am 27. November 1999 stimmte der UUP-Parteitag der Regierungsbildung mit der Sinn Féin noch vor Beginn der Entwaffnung der IRA zu - allerdings unter dem Vorbehalt, im Februar 2000 ihre Zusammenarbeit mit der Sinn Féin erneut überprüfen zu wollen. Das bedeutete, dass die IRA bis Ende Januar mit der Abgabe ihrer Waffen beginnen musste. Am 29. November 1999 konstituierte sich die nordirische Regionalregierung entsprechend dem Proporz der im Regionalparlament vertretenen Parteien, also unter Einschluss der Sinn Féin und mit David Trimble als Erstem Minister, und am 1. Dezember 1999 übertrug die britische Regierung durch das unmittelbar zuvor verabschiedete Autonomiegesetz der nordirischen Regionalregierung weit reichende Machtbefugnisse. Damit verfügte Nordirland zum ersten Mal seit 25 Jahren wieder über eine eigene Regierung sowie über umfangreiche Autonomierechte; zugleich verzichtete die Republik Irland auf ihre Gebietsansprüche auf Nordirland. Wenige Tage später nahm die IRA formell Verhandlungen mit der Entwaffnungskommission auf, und Mitte Dezember konstituierten sich mit dem Britisch-Irischen Rat und der Britisch-Irischen Regierungskonferenz noch die letzten beiden, im Stormont-Abkommen vorgesehenen Institutionen. Anfang Februar 2000 geriet der Friedensprozess erneut in eine schwere Krise, nachdem der von den Unionisten im November für den Beginn der Entwaffnung gesetzte Termin verstrichen war, die IRA sich aber nach wie vor weigerte, ihre Waffen abzugeben. Damit verstieß sie jedoch nicht gegen den Wortlaut des Stormont-Abkommens, in dem eine Abrüstung der protestantischen und katholischen paramilitärischen Gruppen relativ vage auf den Mai 2000 terminiert worden war; zudem hatten bisher auch die protestantischen Untergrundorganisationen kaum konkrete Schritte zu ihrer Entwaffnung eingeleitet. Angesichts der starren Haltung der IRA drohte der Erste Minister David Trimble seinen Rücktritt an für den Fall, dass die IRA bis zum UUP-Parteitag am 12. Februar 2000 keine klaren Zusagen hinsichtlich ihrer Entwaffnung mache; die britische Regierung kam dem Rücktritt Trimbles jedoch zuvor, suspendierte am 11. Februar 2000 Regionalregierung und -parlament und unterstellte Nordirland wieder direkt der britischen Herrschaft. Wenige Tage später brach die IRA ihre Verhandlungen mit der Entwaffnungskommission ab; die Schuld an der Krise schrieb sie den Unionisten zu, die den politischen Prozess einseitig von der Beseitigung der IRA-Waffen abhängig machten - während diese Waffen ohnehin schwiegen. Unmittelbar anschließende Krisengespräche Blairs und Aherns mit den Vertretern der nordirischen Parteien brachten zunächst keinerlei Ergebnis. Erst Anfang Mai 2000 kam wieder Bewegung in den Friedensprozess, als die IRA überraschend ihre Bereitschaft erklärte, ihre Waffen ,,vollständig und nachweislich" abrüsten und ihre Waffenlager regelmäßig durch unabhängige Beobachter inspizieren lassen zu wollen. Hintergrund des Einlenkens der IRA war die Vorlage eines revidierten Friedensplanes durch die britische und die irische Regierung. Dieser neue Plan sah im Wesentlichen die rasche Wiedereinsetzung der Regionalregierung sowie die vollständige Umsetzung des Stormont-Abkommens bis Juni 2001 vor und verlängerte die Entwaffnungsfrist für beide Lager von Mai 2000 auf Juni 2001. Die britische Regierung stellte zudem den Abzug weiterer britischer Truppen aus Nordirland in Aussicht. Die Zusage der IRA in der Entwaffnungsfrage sowie die - wenn auch knappe - Zustimmung der UUP zu einer Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der Sinn Féin wenig später machten den Weg frei für die Wiedereinsetzung der nordirischen Regionalregierung und das neuerliche Ende der britischen Direktherrschaft am 30. Mai 2000. Wenige Tage später nahm auch das Regionalparlament seine Arbeit wieder auf; zugleich begann Großbritannien mit der angekündigten Räumung einiger Armeeposten in Nordirland. Befriedet war damit die Region allerdings nicht: Bei den alljährlichen Oranier-Märschen kam es auch im Juli 2000 wieder zu schweren Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten. Für Irritationen im Friedensprozess sorgte auch die stagnierende Umsetzung eines weiteren, für die Befriedung Nordirlands wesentlichen Punktes aus dem StormontAbkommen: der Reform der nordirischen Polizei, der protestantisch dominierten Royal Ulster Constabulary (RUC). Allerdings enthielt das Stormont-Abkommen keine konkreten Vorschläge zur Polizeireform; der gesamte Polizeikomplex war damals als zu konfliktträchtig aus den Verhandlungen ausgeklammert und einer eigenen Kommission unter der Leitung von Chris Patten übertragen worden. Diese Kommission arbeitete weitreichende Empfehlungen zur Neustrukturierung der nordirischen Polizei aus; das im November 2000 vom britischen Parlament verabschiedete Polizeigesetz trug den Vorschlägen der Patten-Kommission jedoch nur in sehr abgeschwächter Form Rechnung und wurde folgerichtig von den Konfliktparteien in Nordirland als zu weit gehend bzw. als nicht ausreichend abgelehnt. Die völlige Umsetzung des StormontAbkommens und die Lösung der Entwaffnungsfrage ließen weiter auf sich warten; verschiedentliche Verhandlungen im ersten Halbjahr 2001 brachten keine Ergebnisse. Anfang Juli 2001 stellte die Internationale Entwaffnungskommission für Nordirland fest, dass bis zum Ablauf der Entwaffnungsfrist am 30. Juni 2001 keine der nordirischen Untergrundorganisationen mit der Abgabe ihrer Waffen begonnen habe. Am 1. Juli 2001 trat David Trimble als Erster Minister zurück; er hatte schon einige Wochen zuvor seinen Rücktritt angekündigt, falls die IRA bis zu diesem Termin noch keine konkreten Abrüstungsschritte unternommen habe. Laut dem Stormont-Abkommen musste nun innerhalb von sechs Wochen eine Lösung gefunden werden, d. h. entweder Trimble in sein Amt zurückkehren oder ein neuer Erster Minister bzw. eine neue Regionalregierung eingesetzt werden; andernfalls drohte die Wiedereinführung der britischen Direktregierung über Nordirland oder die Neuwahl der Regionalversammlung. Erste intensive Verhandlungen zwischen den nordirischen Konfliktparteien, an denen zeitweise auch der britische und der irische Regierungschef, Blair und Ahern, teilnahmen, endeten am 15. Juli 2001 ergebnislos: In den zentralen Verhandlungspunkten - Entwaffnung der paramilitärischen Gruppen, Reduzierung der britischen Militärpräsenz, Neuordnung der nordirischen Polizei - zeigte sich keine Seite zu Kompromissen bereit. Am 1. August 2001 legten Blair und Ahern einen neuen Kompromissvorschlag vor, auf dessen Grundlage sie die Regionalregierung und den Friedensprozess insgesamt zu retten hofften. In diesem neuen Plan sagte Großbritannien die Reduzierung seiner Truppen und den Abbau des größten Teils seiner Militärposten in Nordirland sowie die Reform der nordirischen Polizei zu, forderte im Gegenzug aber die Entwaffnung aller paramilitärischen Gruppen (in erster Linie der IRA) als unabdingbare Voraussetzung für die Fortsetzung des Friedensprozesses. Konkrete Fristen für die Entwaffnung nannte der Plan jedoch nicht - ein Zugeständnis an die IRA, zugleich eine Missachtung der unionistischen, auf einen konkreten Zeitplan und eine zügige Entwaffnung dringende Position. In Reaktion auf diesen Plan unterbreitete die IRA ein Konzept, wie sie ihre Waffen vollständig und nachweisbar unbrauchbar machen könne - ein Konzept, das von der Internationalen Entwaffnungskommission für Nordirland als überzeugend eingeschätzt wurde. Trimble bestand jedoch weiterhin auf einer zügigen und erkennbaren Entwaffnung anstelle von Ankündigungen seitens der IRA und lehnte den Kompromissvorschlag ab. Am 11. August 2001 suspendierte die britische Regierung folgerichtig die nordirische Regionalregierung, allerdings nur für 24 Stunden, um so eine neuerliche Sechswochenfrist für weitere Verhandlungen zu gewinnen und eine Neuwahl der Regionalversammlung zu vermeiden, aus der vermutlich die Radikalen beider Seiten deutlich gestärkt hervorgegangen wären. Wenig später zog die IRA ihr Entwaffnungsangebot wieder zurück und begründete dies zum einen mit der unnachgiebigen Haltung der Unionisten, zum anderen mit dem Argument, dass auch die britische Regierung ihre Pflichten aus dem Stormont-Abkommen nicht erfülle. In der Folgezeit konzentrierten sich die Verhandlungen auf die Reform der nordirischen Polizei. Die Vorschläge, die die britische Regierung jetzt zur Polizeireform unterbreitete, orientierten sich nun in weiten Teilen an den Empfehlungen der Patten-Kommission und fanden zumindest die Zustimmung der gemäßigten Parteien, der Sozialdemokraten John Humes und der Ulster-Unionisten David Trimbles. Im September 2001, zum Ablauf der zweiten Sechswochenfrist, wiederholten sich die Vorgänge vom August: Die IRA signalisierte neuerlich Verhandlungsbereitschaft, die Unionisten kamen diesmal in der Polizeireform entgegen, am 22. September suspendierte Großbritannien für 24 Stunden die Regionalregierung, um eine weitere Sechswochenfrist zu gewinnen; aber diesmal waren es die Unionisten, die den Friedensprozess an den Rand des Scheiterns brachten. Denn nun verlangte Trimble den Rücktritt der beiden Sinn-Féin-Minister aus der Regionalregierung, scheiterte aber mit diesem Antrag am 8. Oktober 2001 in der Regionalversammlung. Wie zuvor schon angedroht, zog er daraufhin mit Wirkung vom 19. Oktober die drei Minister seiner Partei aus der Regionalregierung zurück; die zwei Minister der zweiten großen, im nordirischen Parlament vertretenen Partei, der Democratic Unionist Party (DUP) Ian Paisleys, schlossen sich dem Rücktritt an. Mit diesen Rücktritten hatte die Regionalregierung ihre Handlungsfähigkeit verloren, da ihr nun kein Vertreter der protestantischen Bevölkerungsmehrheit mehr angehörte. Laut dem Stormont-Abkommen kam nun sowohl den Zurückgetretenen bzw. ihren Parteien eine Siebentagefrist zu, die Rücktritte zu überdenken und gegebenenfalls zu revidieren, als auch der britischen Regierung, um über das weitere Verfahren zu entscheiden: Neuwahlen der Regionalregierung oder Suspendierung der nordirischen Selbstverwaltung auf unbestimmte Zeit. Zwei Tage vor Ablauf der Siebentagefrist erklärte sich jedoch die IRA zur Entwaffnung bereit und leitete sogleich entsprechende konkrete Schritte ein - womit der Friedensprozess fast im letzten Moment gerettet und die Gefahr einer Suspendierung der Selbstverwaltung und der Wiedereinführung der Direktregierung Großbritanniens in Nordirland abgewendet schien. Denn die fünf protestantischen Minister kehrten in die Regionalregierung zurück, die nun wieder handlungsfähig war, und Trimble stellte sich erneut als Kandidat für die nun notwendige Neuwahl des Ersten Ministers zur Verfügung. Zugleich kam auch die britische Regierung einer Reihe von Verpflichtungen nach; u. a. begann sie unverzüglich mit der Demontage einiger Militäranlagen in Nordirland und kündigte die Forcierung der Umstrukturierung der nordirischen Polizeikräfte an, womit sie zwei der zentralen Forderungen der katholischen Seite nachkam. Über Art, Umfang und Ort der Entwaffnung ließ allerdings weder die IRA noch die Internationale Entwaffnungskommission unter John de Chastelain Näheres verlauten; es war seitens der Entwaffnungskommission lediglich von ,,bedeutenden" Mengen an Waffen, Munition und Sprengstoff die Rede, die de Chastelain ein letztes Mal inspizierte, bevor sie in ihren Verstecken dauerhaft unzugänglich gemacht wurden. Weitgehend unberührt vom Wiederaufleben des Friedensprozesses dagegen zeigten sich Teile der protestantischen Bevölkerung bzw. protestantisch-unionistische paramilitärische Gruppen (deren Entwaffnung nun auch immer nachdrücklicher gefordert wurde): Auch nachdem die IRA mit ihrer Entwaffnung begonnen hatte, kam es immer wieder zu teils blutigen Auseinandersetzungen zwischen Protestanten auf der einen, Katholiken und Sicherheitskräften auf der anderen Seite. Diese neue Welle der Gewalt hatte im September 2001 ihren Anfang genommen, als militante Protestanten katholische Kinder angriffen, die auf dem Weg zu ihrer Grundschule einen protestantischen Straßenzug passieren mussten. Am 6. November 2001 wählte das Regionalparlament im zweiten Wahlgang Trimble wieder zum Ersten Minister; im ersten Wahlgang wenige Tage zuvor hatte ihm die eigene Partei die notwendige Mehrheit verweigert, da ihr offensichtlich die Bereitschaft der IRA zur Entwaffnung und die bereits vollzogene Unbrauchbarmachung einiger Waffen nicht weit genug gingen, während die katholischen Abgeordneten praktisch geschlossen für Trimble gestimmt hatten. Anfang Oktober 2002 wurde aufgedeckt, dass Mitarbeiter der Sinn Féin das britische Nordirland-Ministerium ausspioniert hatten und dabei an ,,Information von möglichem terroristischem Nutzen" gekommen waren. Trimble forderte daraufhin die britische Regierung ultimativ auf, die Sinn Féin aus der Regierung auszuschließen, andernfalls würde er zurücktreten bzw. die Regierung auseinanderbrechen lassen. Um ein Scheitern der Regierung zu verhindern, griff die britische Regierung zu dem schon mehrmals ausgeübten Mittel der Suspension und übernahm am 15. Oktober 2002 wieder direkt die Regierungsgewalt in Nordirland. Zugleich machte der britische Premierminister Blair die IRA für die ständigen Krisen bei der Verwirklichung des Friedensprozesses verantwortlich und betonte, dass kleine Schritte und symbolische Gesten nicht mehr ausreichten, um Vertrauen und Glaubwürdigkeit herzustellen; er verlangte ,,abschließende Taten", d. h. eine Friedenserklärung, die Waffenbeseitigung und schließlich die Auflösung der IRA. Als Gegenleistung sagte er die rasche und vollumfängliche Umsetzung der Verpflichtungen der britischen Regierung aus dem Stormont-Abkommen zu. Im Vorfeld der am 1. Mai 2003 fälligen Neuwahlen der Regionalversammlung wurden Anfang März die Verhandlungen über eine Neubelebung des Friedensprozesses intensiviert. Ergebnis der Verhandlungen war ein Einigungsvorschlag des britischen und des irischen Ministerpräsidenten, demzufolge die Demilitarisierung Nordirlands vorangetrieben sowie die Reform von Polizei und Justiz vertieft werden sollte; des Weiteren enthielt der Vorschlag Einzelheiten zur Kontrolle der Entwaffnung der paramilitärischen Gruppen in Nordirland. Zudem wurden die Wahlen um vier Wochen auf den 29. Mai verschoben, was den Konfliktparteien Zeit gab, den Einigungsvorschlag in den jeweils eigenen Reihen durchzusetzen und ihn anzunehmen, und insbesondere der IRA die Gelegenheit bot für die von Blair geforderten ,,abschließenden Taten". Für Trimble blieb weiterhin die öffentliche, erkennbare Entwaffnung der IRA die Vorbedingung für eine Zustimmung seiner Unionisten zu dem Einigungsvorschlag bzw. für eine Wiederaufnahme der Zusammenarbeit mit der Sinn Féin. Ende April 2003 wurde die Regionalversammlung termingerecht aufgelöst. Unmittelbar darauf scheiterten die Verhandlungen über die konkrete Ausgestaltung des britischirischen Einigungsvorschlags, und zwar erneut an der Haltung von IRA und Sinn Féin bzw. der Tatsache, dass Unionisten und Briten die Zugeständnisse der IRA für unzureichend erachteten. Die IRA hatte sich zwar - über die Sinn Féin - zur vollständigen Abrüstung bereit erklärt; in Bezug auf andere paramilitärische Aktivitäten wie Spionage, Waffenkäufe, Rekrutierung und Ausbildung hatte sie sich jedoch weniger eindeutig geäußert. In der Folge verschob die britische Regierung die Neuwahlen der Regionalversammlung auf unbestimmte Zeit, da ihrer Meinung nach unter diesen Voraussetzungen keine Aussicht bestand, dass nach den Wahlen eine funktionsfähige Regierung gebildet werden könnte. Außer Trimbles Unionisten kritisierten die meisten nordirischen Parteien die neuerliche Verschiebung der Wahlen scharf. Nordirland blieb unter britische Direktregierung. Ein weiterer Versuch, einen Konsens zwischen den Parteien herzustellen und damit die Rückkehr zur Selbstverwaltung unter einer Konkordanzregierung zu ermöglichen, scheiterte im Oktober 2003 im letzten Moment: Trimble und Adams hatten sich in direkten Verhandlungen auf eine ganze Reihe vertrauensbildender Maßnahmen geeinigt, Adams bekräftigte öffentlich den Willen seiner Partei zur Lösung der Probleme mit friedlichen und demokratischen Mitteln, und die IRA machte eine weitere (inzwischen die dritte) Tranche ihrer Waffen unbrauchbar. Zwar war dies die bis dahin größte Menge an Waffen und Sprengstoffen, die die IRA nun aus dem Verkehr zog, aber weder die IRA noch der Leiter der Entwaffnungskommission, de Chastelain, konkretisierten Mengen und Art des zerstörten Materials. Trimble jedoch hatte aufgrund entsprechender Zusagen detailliertere Angaben erwartet und zog sich nun unter Hinweis auf die mangelnde Transparenz der Entwaffnung einseitig aus allen Vereinbarungen zurück. Ungeachtet des Scheiterns der Einigungsbemühungen beraumte die britische Regierung ihrem Zeitplan gemäß die Neuwahlen der Regionalversammlung für den 26. November 2003 an. Die Wahlen erbrachten eine Stärkung der radikalen Parteien auf beiden Seiten: Bei den Unionisten wurde Paisleys DUP mit 30 Mandaten stärkste Kraft und bei den Republikanern die Sinn Féin mit 24 Mandaten. Dieser Wahlausgang ließ den Friedensprozess weiter stagnieren, insbesondere da sich die DUP weigerte, mit der Sinn Féin in einer Regierung zusammenzuarbeiten, solange die IRA nicht entwaffnet sei. Eine Regierung kam also nicht zustande; Nordirland wurde weiterhin von London aus regiert. Bewegung in die festgefahrene Situation kam erst wieder, als die IRA im Juli 2005 erklärte, in Zukunft auf Gewalt zu verzichten und ihre Ziele ausschließlich mit politischen Mitteln erreichen zu wollen. Im Gegenzug zu diesem ,,Schritt von beispielloser Bedeutung", als den Blair die Gewaltverzichtserklärung bezeichnete, sagte Großbritannien den Abzug von etwa der Hälfte der in Nordirland stationierten 10 500 Soldaten zu sowie den Abbau eines großen Teils der militärischen Einrichtungen innerhalb von zwei Jahren. Einen weiteren Schritt in Richtung Entspannung hätte die vollständige Entwaffnung der IRA, die der Leiter der Entwaffnungskommission im September 2005 vermeldete, bedeuten können, jedoch ließ sich die DUP dadurch vorerst nicht zu einer Abkehr von ihrer Verweigerungshaltung veranlassen. 2006 gab es zwei weitere Versuche, eine Regierung zu bilden, die jedoch beide scheiterten, woraufhin die Regionalversammlung aufgelöst und Neuwahlen für den 7. März 2007 ausgeschrieben wurden. Aus diesen Wahlen ging erneut die DUP als stärkste Kraft hervor, und zwar mit 36 Mandaten, zweitstärkste Kraft wurde die Sinn Féin mit 28 Mandaten. Die UUP, die bisher mit 27 Sitzen die zweitstärkste Fraktion gestellt hatte, gewann nur noch 18 Mandate, und die SDLP kam auf 16 Mandate, d. h., die gemäßigten Parteien beider Seiten hatten Verluste hinzunehmen. Zwar gelang es den beiden größten Parteien DUP und Sinn Féin nicht, bis zu dem von der britischen Regierung vorgegebenen Termin am 26. März eine Regierung zu bilden, aber immerhin hatten sie sich im Rahmen eines historischen ersten Treffens zwischen den Parteiführern Paisley und Adams auf die Bildung einer gemeinsamen Regierung geeinigt. Am 8. Mai 2007 wurde die neue überkonfessionelle Regionalregierung mit Paisley als Erstem Minister und Martin McGuinness von der Sinn Féin als seinem Stellvertreter vereidigt, womit Nordirland nach fast fünf Jahren britischer Direktherrschaft wieder eine eigene Regierung hatte. Zum 31. Juli 2007 beendete die britische Armee nach 38 Jahren offiziell ihren von den Katholiken zumeist als Besatzung wahrgenommenen Militäreinsatz in Nordirland; für die Sicherheit der Bevölkerung war nun wie im gesamten Königreich ausschließlich die Polizei zuständig - ein weiterer wichtiger Schritt in Richtung auf eine Normalisierung der Verhältnisse in Nordirland. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

« (Internments), die den Hass unter den Katholiken schürten.

Bei Ausschreitungen in Belfast starben über 20 Menschen. Nach dem so genannten Bloody Sunday vom 30.

Januar 1972 in Londonderry, als ein Anti-Internment-Protestzug von der britischen Armee mit Gewalt beendet wurde –13 Menschen fanden dabei den Tod –, verschärfte sich der Konflikt derart, dass London selbst die Initiative ergriff und die Regierung in Belfast am 30.

März 1972 absetzte.Einem Nordirlandminister wurde die Regierungsgewalt übertragen und mehr Soldaten wurden nach Ulster geschickt.

Den „Blutsonntag von Derry” beantwortete die IRA miteinem Rachefeldzug gegen britische Soldaten; der Terror nahm zu. Seit Sommer 1976 wurden von den überkonfessionellen Peace People immer wieder Massendemonstrationen organisiert, die sich gegen den Terror und die Unfähigkeit der Politiker richteten, die Situation zu entschärfen.

Ihre beiden Sprecherinnen, Betty Williams und Mairéad Corrigan-Maguire, erhielten 1977 für ihr Engagement denFriedensnobelpreis. Doch die Lage blieb weiterhin explosiv: 1979 ermordete die IRA Lord Mountbatten; am selben Tag lockte sie eine Abteilung britischer Soldaten in einen Hinterhalt und tötete 18 Soldaten.

In englischen Internierungslagern einsitzende IRA-Kämpfer wurden zu Märtyrern stilisiert, so z.

B.

Bobby Sands, der 1981 während seiner Inhaftierung von derkatholischen Bevölkerung ins Unterhaus gewählt wurde, aber an den Folgen seines Hungerstreiks für die Anerkennung als politischer Gefangener im Juni 1981 verstarb.Weitere Hungerstreiktote in den Gefängnissen radikalisierten die Katholiken noch mehr: Am 20.

Juli 1982 forderten zwei IRA-Bombenanschläge in London acht Todesopferund 50 Verletzte.

Administrative Maßnahmen und politische wie soziale Reformen (z.

B.

des Wahlrechts) konnten die Situation nicht beruhigen.

Wahlen für das nordirischeParlament im Oktober 1982 brachten eine Mehrheit (46 Sitze) für die Protestanten und Unionisten, 14 Mandate für die Social Democratic Labour Party und fünf für die Sinn Féin , die politische Organisation der IRA.

Damit majorisierten weiterhin die Protestanten die Katholiken. Doch der Terror nahm zu: Im nordirischen Bellykelly verübte die Irische Nationale Befreiungsarmee (INLA) im Dezember 1982 einen Terroranschlag, bei dem 16 Menschen, unter ihnen ein britischer Soldat, getötet wurden. Im November 1983 wählte die Sinn Féin Gerry Adams, der sich als geschickter Unterhändler bereits einen Namen gemacht hatte und für die Sinn Féin als Abgeordneter im britischen Unterhaus saß, zu ihrem neuen Vorsitzenden.

Er sollte in den nächsten Jahren zu einem der wichtigsten Hoffnungsträger für einen Friedensprozess werden. Ein vorläufiger Höhepunkt war am 13.

Oktober 1984 der Bombenanschlag auf das Grand Hotel in Brighton, in dem die britische Premierministerin Margaret Thatcherwährend des Parteitages der konservativen Partei wohnte.

Vier Menschen starben, die Premierministerin blieb unverletzt.

Die Terrorserie riss auch 1985 nicht ab. Die Gesellschaft Nordirlands blieb gespalten.

Im weiteren Verlauf des Konflikts schaltete sich die Regierung in Dublin infolge des Drucks aus der Bevölkerung in den Konfliktein und kritisierte zunehmend das britische Vorgehen.

Dublin stationierte irische Truppen an der Grenze zu Nordirland und richtete Flüchtlingslager ein. Im Abkommen von Hillsborough zwischen Großbritannien und der Republik Irland vom November 1985 erklärte sich Irland bereit, die Zugehörigkeit Nordirlands zuGroßbritannien so lange anzuerkennen, wie es die Mehrheit der Nordiren wünsche.

Dublin erhielt im Gegenzug Mitwirkungsrechte bei der Vertretung der Interessen derKatholiken in Ulster.

Doch weder die protestantische Seite noch die IRA akzeptierten dieses Abkommen: Die IRA forderte den Abzug der britischen Truppen, und dieProtestanten befürchteten einen Ausverkauf ihrer Rechte. Im November 1987 kam es wieder zu einem spektakulären Bombenattentat der IRA in Nordirland, als bei einer Gedenkfeier für die Opfer der beiden Weltkriege und desBürgerkrieges elf Menschen starben.

In den nächsten Jahren setzte die IRA ihre Terroranschläge fort. Im November 1989 gestand die britische Regierung ein, dass der Kampf militärisch nicht zu gewinnen sei und schlug deshalb Verhandlungen mit der IRA vor. Der Versuch, zwischen Protestanten und moderaten katholischen Gruppierungen zu vermitteln, scheiterte im Sommer 1991 an der Unvereinbarkeit der Positionen.

DieGespräche hatten mit Beteiligung von Vertretern aus London und Dublin, aber unter Ausschluss von IRA und Sinn Féin stattgefunden. 1992/93 verübten die IRA-Terroristen wiederum verschiedene Anschläge in Nordirland und auch in London, z.

B.

auf das U-Bahn-Netz.

In Nordirland kam es nach einemAttentat in Warrington am 20.

März 1993, bei dem zwei Kinder starben, zu größeren Demonstrationen gegen den Terror.

Im April verwüstete ein weiterer Anschlag einigeHäuser in der Londoner City.

Inzwischen wieder aufgenommene Verhandlungen wurden abgebrochen. Gerry Adams und John Hume, der Vorsitzende der gemäßigten nationalistisch-katholischen Social Democratic and Labour Party (SDLP), einigten sich im September 1993 auf eine gemeinsame Friedensstrategie.

Am 18.

November nahmen in 16 Städten Nordirlands über 50 000 Menschen an Friedenskundgebungen teil und forderten ein Ende derGewalt in Ulster. Inzwischen hatte es seit Monaten über inoffizielle Mittelsmänner geheime Kontakte zwischen der britischen Regierung und der IRA gegeben.

Der britische PremierministerJohn Major, seit 1990 im Amt, und der irische Ministerpräsident Albert Reynolds vereinbarten am 15.

Dezember 1993 in London ein gemeinsames Vorgehen imFriedensprozess für Nordirland.

Diese so genannte Nordirland-Erklärung akzeptierte die Beteiligung der IRA an Friedensgesprächen und stellte eine Volksabstimmung überdie Vereinigung Nordirlands mit der Republik Irland in Aussicht.

Die protestantischen Parteien lehnten die Vereinbarungen ab.

Die Sinn Féin kritisierte das in der Erklärungvorgesehene Vetorecht für die protestantischen Parteien bei der Änderung der nordirischen Verfassung und forderte darüber hinaus eine Garantieerklärung für den Abzugder in Nordirland stationierten britischen Soldaten.

Doch gab es in Nordirland weiterhin zahlreiche politische Morde und Bombenattentate, für die die protestantischenUntergrundorganisationen bzw.

auf katholischer Seite die IRA verantwortlich waren. 4 DER FRIEDENSPROZESS Doch trotz des immer wieder aufflackernden Terrors bahnte sich ein allmählicher Friedensprozess an.

Zwar lehnte die Sinn Féin auf einer Sonderkonferenz am 24.

Juli 1994 die britisch-irische Friedensinitiative ab – kritisiert wurde vor allem ein mögliches Vetorecht der Mehrheit der nordirischen Bevölkerung in einem vereinten Irland – undforderte die IRA auch nicht zu einem Gewaltverzicht auf, doch verkündete die IRA am 31.

August in Dublin einen uneingeschränkten Waffenstillstand.

Am 14.

Oktobersicherten auch die protestantischen Untergrundorganisationen zu, den bewaffneten Kampf einzustellen. Am 9.

Dezember 1994 begannen die ersten offiziellen Gespräche zwischen Vertretern der britischen Regierung und der Sinn Féin.

Bis dahin waren seit 1969 durchTerroranschläge von Extremisten beider Seiten 3 171 Menschen ums Leben gekommen.

Die tagsüber in Belfast durchgeführten Armeepatrouillen wurden im Januar 1995eingestellt.

Im Juli 1995 kam es in Belfast wieder zu größeren Krawallen, die sich an der vorzeitigen Haftentlassung eines britischen Soldaten entzündet hatten, der 1991wegen Mordes an einer Katholikin in Belfast zu lebenslanger Haft verurteilt worden war. Im Februar 1996 erklärte die IRA den Waffenstillstand für beendet und verübte eine Serie von Anschlägen.

Im Juli 1997 verkündete die IRA erneut einen Waffenstillstand.Im September 1997 erzielte die Nordirland-Friedenskonferenz in Belfast einen wichtigen Durchbruch auf dem Weg zu grundlegenden Allparteiengesprächen über Nordirland.Nach 76 Jahren, im Oktober 1997, kam es in Belfast zu ersten Friedensgesprächen zwischen einem britischen Premierminister, Tony Blair, und einem Sinn-Féin-Führer,Gerry Adams.

Nach langen Verhandlungen einigten sich Vertreter der nordirischen Parteien am 10.

April 1998 auf ein Abkommen, das den seit Jahrzehnten andauerndenNordirland-Konflikt beenden sollte, das so genannte Stormont-Abkommen. Das Abkommen wurde möglich, weil sich auch der Vorsitzende der Ulster Unionist Party (UUP), David Trimble, kompromissbereit zeigte.

Die geschlossene Vereinbarung zur Lösung des Nordirland-Konflikts wurde in beiden Teilen der Insel in einem Referendum im Mai 1998 mit großer Mehrheit angenommen.

Im Juni 1998 wurde die imStormont-Abkommen vorgesehene nordirische Regionalversammlung gewählt, die wiederum David Trimble zum Ersten Minister der ebenfalls neu geschaffenen nordirischenRegionalregierung wählte.

Im Oktober 1998 wurden David Trimble und John Hume mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet.

Beide waren entscheidend an dem. »

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