Marx
Publié le 22/02/2012
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Marx bestreitet in seiner Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie
nicht Hegels Prinzip, sondern nur die konkrete Durchführung der von
ihm selbst behaupteten Einheit der Vernunft mit der Wirklichkeit und
des allgemeinen Wesens mit der einzelnen Existenz. Das Wesen der
politischen Existenz ist aber der Polis-Charakter des Gemeinwesens,
die »politische Allgemeinheit«. Hegel ist nicht zu tadeln, weil er das
Wesen des modernen Staates schildert..., sondern weil er das, was
ist, für das Wesen des Staates ausgibt.«438 Indem er die Empirie mystifiziert,
wird der Inhalt seiner idealistischen Ausführungen »krassester
Materialismus«, der das faktisch Bestehende philosophisch rechtfertigt.
Seine Vermittlungen zwischen bürgerlicher Gesellschaft und
Staat heben den Widerspruch zwischen der privat-egoistischen und der
öffentlich-gemeinsamen Existenz nicht wirklich auf, sie zeigen ihn
vielmehr gerade durch die Vermittlung als einen unaufgehobenen auf.
»Das Tiefere bei Hegel liegt darin, daß er die Trennung der bürgerlichen
Gesellschaft und der politischen als einen Widerspruch empfindet.
Aber das Falsche ist, daß er sich mit dem Schein dieser Auflösung
begnügt.«439 In Wirklichkeit ist der »wirkliche Mensch« der
bürgerlichen Gesellschaft der Privatmensch der jetzigen Staatsverfassung,
weil die Abstraktion des Staates als solchen und die des Privatlebens
ein zusammenbestehender Gegensatz sind.440 »Um also als
wirklicher Staatsbürger sich zu verhalten, politische Bedeutsamkeit und
Wirksamkeit zu erhalten, muß er aus seiner bürgerlichen Wirklichkeit
heraustreten, von ihr abstrahieren, von dieser ganzen Organisation in
seine Individualität sich zurückziehen; denn die einzige Existenz, die
er für sein Staatsbürgertum findet, ist seine pure blanke Individualität,
denn die Existenz des Staats als Regierung ist ohne ihn fertig, und
seine Existenz in der bürgerlichen Gesellschaft ist ohne den Staat fertig.
Nur im Widerspruch mit diesen einzig vorhandenen Gemeinschaften,
nur als Individuum kann er Staatsbürger sein. Seine Existenz
als Staatsbürger ist eine Existenz, die außer seinen gemeinschaftlichen
Existenzen liegt, die also rein individuell ist.«441
Als Staatsbürger ist sich der Bourgeois notwendig selber etwas Anderes,
Äußeres, fremd — genau so fremd und äußerlich wie andrerseits dem
Staat sein Privatleben bleibt. Sein Staat ist ein »abstrakter« Staat,
v/eil er als bürokratische Regierungsgewalt vom wirklichen, d. i. pri-
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vaten Leben seiner Bürger abstrahiert, so wie diese als individuelle
Menschen von ihm. Die Bestimmung des Menschen, Mitglied des Staates
zu sein, bleibt notwendig eine abstrakte Bestimmung, solange die
wirklichen Lebensverhältnisse eine Trennung des Privaten und öffentlichen
voraussetzen.442 Als ein von der öffentlichen Allgemeinheit des
Lebens getrennter Privatmensch ist er selbst privativ bestimmt. Im
kommunistischen Gemeinwesen ist es gerade umgekehrt: in ihm nehmen
die Individuen als Individuen am Staat als ihrer res publica
teil. Der Kommunismus, so wie ihn Marx als Hegelianer verstand, ist
die wahre Auflösung von wesenlosen Existenzverhältnissen, die soziale
Identität der wesentlichen Vernunft mit der wirklichen Existenz
der als Gemeinwesen existierenden Menschen. Hegel hat beides nur im
Gedanken versöhnt und in Wirklichkeit den geschichtlich bedingten
Widerspruch zwischen der privat-vereinzelten und der öffentlichgemeinsamen
Existenz zum Inhalt seiner Darstellung genommen.
Diesen modernen Widerspruch hat es weder in der Antike noch im
Mittelalter gegeben. Denn der eigentliche Privatmensch der Antike
war der Sklave, welcher nicht am Gemeinwesen teilhatte und der
darum auch gar nicht im vollen Sinne »Mensch« war.443 Im Mittelalter
bedeutete jede private Lebenssphäre zugleich eine öffentlich-korporative;
Volksleben und Staatsleben waren identisch, wenngleich der
Mensch nicht befreit war. Erst die Französische Revolution hat die
Abstraktion des Privatlebens zugleich mit der des nur politischen
Staates erzeugt und die Freiheit des Bourgeois als negative Freiheit
vom Staat gefaßt. Die wahre Freiheit wäre aber eine solche der höchsten
Gemeinschaft in einer »Gemeinschaft der Freien«. Doch sei der
Sinn für die Freiheit mit den Griechen aus der Welt und der für die
Gleichheit mit dem Christentum in den blauen Dunst des Himmels
verschwunden und nur eine radikale Revolution der bestehenden
Existenzverhältnisse könnte auch eine zur Kosmopolis erweiterte Polis,
die »wahre Demokratie« der klassenlosen Gesellschaft herbeiführen
und Hegels Staatsphilosophie im Element der modernen Gesellschaft
realisieren. Erst in dieser Polis der Zukunft könnte die Welt
in der Tat zu der unsern werden, zum gleichgearteten Anderssein unserer
selbst, wogegen sich der bürgerliche Privatmensch in seiner öffentlichen
Welt notwendig fremd bleibt.
Im äußersten Gegensatz zu diesem philosophischen Kommunismus hat
Kierkegaard den Privatmenschen zum »Einzelnen« radikalisiert und
der Äußerlichkeit der massenhaften Verhältnisse die Innerlichkeit des
Selbstseins entgegengestellt. Die zwei einzigartigen Vorbilder für die
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vereinzelte Existenz sind ihm Sokrates in der athenischen Polis und
Christus gegenüber der ganzen, aus Juden und Heiden bestehenden
Welt.
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