Martin Walser (Sprache & Litteratur).
Publié le 12/06/2013
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Martin Walser (Sprache & Litteratur). 1 EINLEITUNG Martin Walser (*1927), deutscher Schriftsteller. Mit Ehen in Philippsburg (1957) und Halbzeit (1960) schuf er die Gattung des bundesrepublikanischen Gesellschaftsromans. Ein fliehendes Pferd (1978) gehört zu den gelungensten Novellen der deutschen Literatur nach 1945. Walser wurde am 24. März 1927 als Sohn eines Kohlenhändlers und Gastwirts in Wasserburg am Bodensee geboren. Mit elf Jahren musste er das Geschäft des verstorbenen Vaters weiterführen. 1943 wurde Walser zum Kriegsdienst eingezogen; erst nach dem 2. Weltkrieg konnte er sein Abitur nachholen. Nach einem Studium der Literaturwissenschaft, Philosophie und Geschichte in Regensburg und Tübingen, während dessen er sich auch als Texter fürs Kabarett und als Schauspieler betätigte, promovierte er 1951 bei Friedrich Beissner mit einer Arbeit über Franz Kafka. Danach arbeitete er als Reporter und Hörspielregisseur beim Süddeutschen Rundfunk (SDR). 1953 stieß Walser zur Gruppe 47 und musste sich dort zunächst den Vorwurf des Kafka-Epigonentums gefallen lassen. Zwei Jahre später allerdings wurde er für die Erzählung Templones Ende aus dem Band Ein Flugzeug über dem Haus und andere Geschichten (1955) mit dem Preis der Gruppe ausgezeichnet. In der Folgezeit führten ihn Vorlesungsreihen zur Poetik u. a. in die USA, eine Erfahrung, die sich vor allem im Roman Brandung (1985) widerspiegelt. Zu den zahlreichen Literaturpreisen Walsers gehören der Hermann-Hesse-Preis (1957), der Hauptmann-Preis (1962), der Schiller-Gedächtnis-Förderpreis des Landes BadenWürttemberg (1965), der Schiller-Gedächtnis-Preis des Landes Baden-Württemberg (1980) und die Heine-Plakette der Heinrich-Heine-Gesellschaft (1980). 1981 erhielt der Autor den Georg-Büchner-Preis, 1987 das Große Bundesverdienstkreuz. 1990 folgten die Carl-Zuckmayer-Medaille, der Ricarda-Huch-Preis und der Große Literaturpreis der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. 1998 erhielt Walser den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Die in diesem Rahmen gehaltene Preisrede führte zu einer heftigen Kontroverse in der deutschen Öffentlichkeit, da er darin die verschiedenen Ansätze zur Vergangenheitsbewältigung in Deutschland kritisch bewertete: Der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, warf Walser vor, ein ,,geistiger Brandstifter" zu sein (,,Walser-Bubis-Debatte"). Walser ist Mitglied des PEN-Clubs und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung in Darmstadt. 2 WERK Bereits seine frühen Romane Ehen in Philippsburg (1960) und Halbzeit (1960), der mit Das Einhorn (1966) und Der Sturz (1973) zur so genannten Kristlein-Trilogie erweitert wurde (benannt nach ihrem Protagonisten Anselm Kristlein), begründeten Walsers Ruf als eines der wichtigsten Autoren der Nachkriegszeit und genauen Chronisten der Epoche des Wirtschaftswunders. Dabei stellte er zumeist Antihelden in den Mittelpunkt seiner in der Ich-Form erzählten Romane, die vor allem auch die sprachliche Hohlheit ihrer Zeit registrieren (,,so Redensarten streuen alle umher, die einem im Magen liegen"). Durch perfekte Anpassungsfähigkeit und in fortwährenden Rede- und Anbiederungsstrategien versuchen sich Walsers Figuren immer wieder eine Stellung in der kapitalistischen Gesellschaft zu erkämpfen, treten dabei aber nur als Gefangene von (sprachlichen) Konventionen und sozialer Normierung in Erscheinung. Wie Walsers spätere Romane Seelenarbeit (1979) und Das Schwanenhaus (1980), so zeichnen sich auch diese Bücher durch einen differenzierten psychologischen Realismus aus. Auch in den folgenden Werken setzte sich Walser teils spöttisch, teils bissigsarkastisch mit der bundesrepublikanischen Gesellschaft auseinander. Wie bereits das Frühwerk, so wurden auch Walsers Novelle Ein fliehendes Pferd (1978) und die neueren Romane - so Verteidigung der Kindheit (1991) - von Kritik und Publikum begeistert aufgenommen. Ein fliehendes Pferd, dessen Konstellation bis in die Namensgebung der Figuren hinein an Johann Wolfgang von Goethes Wahlverwandtschaften erinnert, beschreibt ein zufälliges Ferientreffen zweier ungleicher Paare, das verborgene Aggressionen zutage fördert. Der scheinbar erfolgreiche Frauenheld erscheint als komplexbeladen, die angeblich glückliche Ehe wird als ungleicher Machtkampf bloßgestellt (,,Und dann hat er mich auf seine Interessen dressiert"). In Verteidigung der Kindheit verweigert sich der Protagonist Alfred Dorn dem Rollendenken der Erwachsenenwelt: ,,Leben - das war eine Zusammenstellung von Aufgaben, die ihm nicht lagen." 1996 erschien Walsers Roman Finks Krieg, eine Politposse um Aufstiegsstreben und den besessenen Widerstand einer Regionalgröße gegen seine Entlassung (,,Er, der Beamte Fink, war für die doch kein Mensch, sondern ein Hindernis, das man aus dem Weg kickt"), die im bundesdeutschen Feuilleton einen kleinen Skandal heraufbeschwor, da der Schlüsselroman sich auf ähnliche Vorkommnisse in der hessischen Landesregierung 1989 bezog. Seine Dramen stehen deutlich in der ambitionierten Tradition eines politischen Theaters in der Nachfolge Bertolt Brechts, auch wenn sie ihr Thema, die Darstellung sozialer Gegebenheiten, oftmals bis ins Absurde überspitzen. Zum erfolgreichsten Stück Walsers wurde Die Zimmerschlacht (1967), worin der Autor die Verhaltenskodizes von Mann und Frau in der Ehe persifliert. In der Folge rückte dann immer mehr die Beschreibung der (männlichen) Midlife-Crisis und des ,,Tugendterrors der Political Correctness" ins Zentrum des Autoreninteresses. 1997 fand die Karlsruher Uraufführung von Walsers Theaterstück Kaschmir in Parching statt. Hier thematisierte der Autor zum dritten Mal (nach Eiche und Angora, 1962, und Der schwarze Schwan, 1964) die so genannte ,,Bewältigung" der Zeit des Nationalsozialismus auf der Bühne. Im Mittelpunkt steht eine Bürgermeisterwahl in der bayerischen Provinz, bei der keiner der Kandidaten gewählt wird: Hat doch der eine eine Ausstellung über den Ort während der zwölf Jahre ,,NaziHerrschaft" organisiert; der andere will das ,,Nazi-Zeug" nicht bedauern, an dem sein Großvater beteiligt war. Zu seinem 70. Geburtstag 1997 erschien eine Gesamtausgabe von Walsers Werken. Weitere Titel seines umfangreichen Schaffens sind u. a.: die Prosatexte Lügengeschichten (1964), Walsers Beitrag zur Lügendichtung, Fiction (1970), Die Gallistl'sche Krankheit (1972), Jenseits der Liebe (1976), Gesammelte Geschichten (1985), Dorle und Wolf (1987), Jagd (1988), der Gedichtband Zauber und Gegenzauber (1995), der Essayband Ich vertraue. Querfeldein (2000), die Dramen Überlebensgroß Herr Krott (1964), Der Abstecher (1967), Ein Kinderspiel (1970), In Goethes Hand (1982) und Die Ohrfeige (1986), der autobiographisch getönte Roman Ein springender Brunnen (1998) sowie die Romane Der Lebenslauf der Liebe (2001), Der Augenblick der Liebe (2004) und Angstblüte (2006), die bei der Literaturkritik geteiltes Echo auslösten. Für Diskussionen sorgte das zornige, ressentimentgeladene Werk Tod eines Kritikers (2002) mit seiner unverhohlenen kritisch-karikierenden Darstellung des deutschen ,,Literaturpapstes" Marcel Reich-Ranicki. In Anknüpfung an Meßmers Gedanken (1985) erschien der aphoristisch geprägte Roman Meßmers Reisen (2003) mit altersweisen Sentenzen von Walsers Alter Ego. Mit Leben und Schreiben. Tagebücher 1951-1962 (2005) erschienen Walsers viel beachtete Tagebücher aus den Jahren vor und während seiner ersten literarischen Veröffentlichungen, die der Literaturkritik u. a. Aufschluss über die zuvor oftmals vermuteten, aber nicht nachweisbaren autobiographischen Bezüge seines Werkes gaben. Daneben verfasste Walser Hörspiele und Drehbücher für Fernseh- und Spielfilme, so zu dem Dokumentarfilm Ausweglos (1970, Regie Reinhard Hauff), zu Das Unheil (1972, Regie Peter Fleischmann) und zu Der dritte Grad (1974, Regie Peter Fleischmann, mit Michel Piccoli, Ugo Tognazzi und Mario Adorf). Auch zur Tatort-Krimifolge Armer Nanosh (Regie abermals Reinhard Hauff) lieferte er 1989 das Buch. Außerdem schrieb er zahlreiche Essays zu literaturtheoretischen und politischen Fragen, darunter Erfahrungen und Leseerfahrungen (1968), Wie und wovon handelt Literatur? (1973), Selbstbewußtsein und Ironie (1981), Über Deutschland reden (1990) und Die Verwaltung des Nichts (2004). Zahlreiche Werke Walsers wurden verfilmt, darunter Eiche und Angora (1964, Regie Rainer Wolffhardt), Das Einhorn (1977, Regie Peter Patzak), Der Sturz (1978, Regie Alf Brustellin) und Ein fliehendes Pferd (1986, Regie Peter Beauvais, mit Rosel Zech und Vadim Glowna). Verfasst von: Thomas Köster Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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