Karl Ditters von Dittersdorf: Lebensbeschreibung - Texte.
Publié le 22/06/2013
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Karl Ditters von Dittersdorf: Lebensbeschreibung - Texte. Der österreichische Komponist Karl Ditters von Dittersdorf zählt vor allem mit seinen Opern und Singspielen zu den wichtigsten Vertretern der Vorklassik. In der nachfolgend zitierten Textpassage aus seiner Autobiographie, die 1801 in Leipzig unter dem Titel Lebensbeschreibung veröffentlicht wurde, schildert er seine ersten Kompositionsversuche. Karl Ditters von Dittersdorf: Lebensbeschreibung Meine französischen und italienischen Lehrstunden hörten auf, weil ich bereits beides fertig sprach; aber meine Lektionen auf der Violine dauerten noch immer fort, und Trani, der weitab wohnte, ward täglich mit einem prinzlichen Wagen zur Stunde geholt. Eines Tages sagte er zu Bonno, er glaube bei mir eine Anlage zur Komposition zu verspüren, denn meine Kadenzen verrieten Schöpfungskraft, weil ich sie selber und gut erfände. Dieser, den mein kleines Talent ebenfalls interessierte, bot mir darauf freien Unterricht in der musikalischen Komposition an, und ich erhielt von ihm die gewünschte Erlaubnis, dreimal in der Woche zu ihm gehen zu dürfen. Mit Entzücken küßte ich ihm die Hand dafür und fühlte mich bei dieser Aussicht höchst glücklich. Als ich das erstemal zu ihm kam, schenkte er mir Furens Einleitung zur Komposition. Dieses Werk war damals eins der besten dieser Art. Es ist in lateinischer Sprache geschrieben und besteht durchaus in Gesprächen zwischen Lehrer und Lehrlingen. Ich habe dieses Buch nach der Hand ins Deutsche übersetzt zu Gesichte bekommen. Indem mir Bonno das Buch gab, sagte er: ,,Sie verstehen doch Lateinisch?" Ich blätterte hin und wider, durchlief hier und da ein paar Stellen und antwortete: ,,Das ist ja so ein Küchenlatein, daß es ein Schüler in Sekunde verstehen muß." ,,Ei!" versetzte er mit seinem gewöhnlichen Korrektionston: ,,Man muß hier nicht auf die Zierlichkeit, sondern auf die gründlichen Lehren, die das Buch enthält, sehen." - Nun ja doch! Als ich einige Wochen Unterricht genommen hatte, befahl mir Bonno, eine Sonate für mich zu komponieren. Ich tat es und brachte sie ihm. Er verbesserte einige Noten im Baß und verlangte, ich sollte versuchen, ein Konzert zu setzen. Ich ging daran, und nach einem Zeitraum von vierzehn Tagen überreichte ich es ihm. Allein mit dem vollstimmigen Akkompagnement haperte es gewaltig; denn ich hatte nicht nur manchen Schnitzer wider die Regeln des Generalbasses, sondern auch wider die goldene Regel: daß man mit der Begleitung die Singstimmen nicht verdecken oder übertäuben müsse, gemacht. Mein Lehrer zeigte mir alle Fehler, explizierte mir den Grund davon und sagte mir die Vorteile, wie ich diese Fehler verbessern könne. Ich brachte vier Lektionsstunden zu, ehe ich alles ins Reine bekam. Als das geschehen war, sagte er: ,,Nun studieren Sie die Prinzipalstimme unter der Aufsicht des Herrn Trani gut ein, schreiben Sie die Stimmen aus der Partitur, und wenn Sie alles in Richtigkeit haben, dann lassen Sie sich vor dem Prinzen damit hören." Ich spielte mein Konzert. Aber wie vermöchte ich die Wonne zu beschreiben, die mein Innerstes durchdrang, als ich mein Machwerk zum ersten Male in meinem Leben von einem zahlreichen und vortrefflichen Orchester begleiten hörte! Ich schwamm in lauter Entzücken. Jeder, der je in meinem Falle war, wird aber auch wissen, was das auf sich hat, und sich mit Lächeln des hohen selbsteigenen Eindrucks seiner ersten genialen Emanzipationen erinnern. - Mit dem Stolze des Dichters, dem sein erstes Carmen gelungen ist, das er auf einem silberbebrämten Bande Wunder bewirken sieht, trat ich von dem Platze ab, wo ich das erste Produkt meines damals noch sehr wirrigen Hirnkastens dem Urteile so vieler Kenner, Liebhaber und Kritiker preisgegeben hatte. Um einige Zoll kam ich mir größer vor. Dieser nicht mißlungene Versuch munterte mich auf, mir wirklich alle ersinnliche Mühe um Erlernung der Regeln des reinen Satzes zu geben. Allein je größer meine Anstrengung war, je mehr wuchsen die Schwierigkeiten, die ich dabei fand. Doch ich ließ mich nicht abschrecken. So jung ich damals war, so sah ich doch bald genug ein, daß einem Komponisten nebst dem, daß er die Grundregeln dieser Wissenschaft inne habe, nichts nötiger sei als Geschmack und Einbildungskraft, überhaupt daß er ein schöpferisches Genie besitze. Dies letztere, obschon es ein Naturgeschenk ist und wenigen zuteil wird, muß dennoch durch beharrlichen Fleiß kultiviert werden, sonst schießt es wie eine wilde Pflanze auf, und man hat keinen Segen davon. Ich nahm mir daher vor, nicht nur alles, was mir Neues vorkam, con tanto d'orecchio (durch welchen Ausdruck der Italiener die höchste Aufmerksamkeit bezeichnet) zu hören, sondern auch nachzuspüren, warum ein schöner Gedanke wirklich schön wäre. Oh, wie oft entdeckte ich da nicht, daß er bloß darum schön war, weil er gerade am rechten Orte stand und außer diesem Platz nicht bemerkt worden wäre, ja selbst anderwärts das ganze Werk verhunzt haben würde. Karl Ditters von Dittersdorf: Lebensbeschreibung. Seinem Sohne in die Feder diktiert. Nach dem Erstdruck von 1801 neu herausgegeben von Bruno Loets. Leipzig 1940. S. 70ff. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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