K. Marx
Publié le 22/02/2012
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K. Marx (1818-1883)
Als Ruge nach dem Verbot der deutschen Jahrbücher nach Paris ging
und dort die »Deutsch-Französischen Jahrbücher« gründete, war vor
allem Marx an dieser Zeitschrift beteiligt. Es erschienen darin von ihm
1844 die Abhandlung über die Judenfrage und die Einleitung zur
Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie sowie ein Briefwechsel zwischen
Marx, Ruge, Bakunin und Feuerbach. Bald danach hat Marx
mit Ruge gebrochen. Die äußerst scharfen Urteile von Ruge über
Marxens Person,264 und die nicht weniger absprechenden von Marx
über jenen, ändern nichts an der Tatsache, daß ihnen das Prinzip
ihrer Hegelkritik durchaus gemeinsam war. Der Unterschied besteht
jedoch darin, daß Marx an wissenschaftlicher Strenge und Stoßkraft
das journalistische Talent von Ruge weit überragte, daß er unter allen
Linkshegelianern nicht nur der radikalste, sondern überhaupt derjenige
war, der es an begrifflicher Schärfe und auch an Gelehrsamkeit
mit Hegel selber aufnehmen konnte. Die rhetorische Phrase, welche
bei Rüge zur Substanz seiner Schriften gehört, ist bei Marx nur ein
Mittel zum Zweck und schwächt nicht die Eindringlichkeit seiner kritischen
Analysen. Wie sehr er an Hegel geschult ist, zeigen aber weniger
seine durch Feuerbach beeinflußten Frühschriften, die sich unmittelbar
auf Hegel beziehen, als vielmehr das »Kapital«, dessen
Analysen, trotz ihrer inhaltlichen Entferntheit von Hegel, nicht denkbar
sind ohne die Einverleibung von Hegels Art, ein Phänomen zum
Begriff zu bringen.
Als der ältere Marx dazu kam, das eigentliche Geschehen der Geschichte
auf die Veränderungen in den materiellen Produktionsverhältnissen
zu fixieren und in den wirtschaftlichen Klassenkämpfen den
alleinigen Beweggrund aller Geschichte zu sehen, da glaubte er zwar
mit seinem »ehemaligen philosophischen Gewissen« abgerechnet zu
haben, aber im Grunde blieb auch nach diesem Übergang zur Kritik
der Ökonomie die ursprüngliche Auseinandersetzung mit Hegel bestehen.
Seine erste und zugleich endgültige Hegelkritik setzt ein mit
einer Antithese zu Hegels Vollendung. Die Frage, die Marx in seiner
Dissertation bewegt, ist die nach der Möglichkeit eines neuen Anfangs
nach jenem Ende.
Die Dissertation von 1840/1 über Epikur und Demokrit enthält eine
indirekte Auseinandersetzung mit der durch Hegel geschaffenen Situation.
Epikur und Demokrit werden im Zusammenhang mit der
durch Plato und Aristoteles vollendeten Philosophie der Griechen be-
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trachtet, und zwar in Analogie zu der Auflösung der Hegelschen Philosophie
durch ihre materialistischen und atheistischen Epigonen. Die
einleitenden Sätze über das Verhältnis der klassischen griechischen
Philosophie zu den späteren Sektenphilosophien enthalten sogleich
eine Anspielung auf Marxens eigenes Verhältnis zu Hegel. »Der griechischen
Philosophie scheint zu begegnen, was einer guten Tragödie
nicht begegnen darf, nämlich ein matter Schluß. Mit Aristoteles, dem
mazedonischen Alexander der griechischen Philosophie, scheint die objektive
Geschichte der Philosophie in Griechenland aufzuhören. . .
Epikureer, Stoiker, Skeptiker werden als ein fast ungehöriger Nachtrag
betrachtet, der in keinem Verhältnis stehe zu seinen gewaltigen Prämissen.
«265 Nun sei es aber ein Irrtum zu meinen, die griechische Philosophie
habe sich einfach ausgelebt, während doch die Geschichte
zeigt, daß die sog. Zersetzungsprodukte der griechischen Philosophie
zu den Urtypen des römischen Geistes wurden, dessen charaktervolle
und intensive Eigenart nicht zu bestreiten ist. Und wenn auch die
klassische Philosophie damit zu Ende ging, so gleicht doch der Tod
eines Helden nicht dem »Zerplatzen eines Froschs, der sich aufgeblasen
hat«, sondern dem Untergang der Sonne, die einen neuen Tag verspricht.
»Ist es ferner nicht ein merkwürdiges Phänomen, daß nach
den platonischen und aristotelischen, zur Totalität sich ausdehnenden
Philosophen neue Systeme auftreten, die nicht an diese reichen Geistesgestalten
sich anlehnen, sondern, weiter rückblickend, zu den einfachsten
Schulen — was die Physik angeht, zu den Naturphilosophen,
was die Ethik betrifft, zu der sokratischen Schule — sich hinwenden?«
Bedarf es also vielleicht auch jetzt, nach dem Ausgang der klassischen
deutschen Philosophie, einer ähnlichen Konzentration und Vereinfachung
der Philosophie wie damals, als sie von Athen nach Rom überging?
Aber wie läßt sich nach Hegel überhaupt noch ein geistiger
Standpunkt gewinnen, der ihn weder kopiert noch der eines bloßen
Beliebens ist? Nur durch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit
der in Hegel total gewordenen Philosophie, durch eine »Aufhebung«,
die zugleich ihre »Verwirklichung« ist. An einem solchen »Knotenpunkt
« befinde sich die Philosophie immer dann, wenn sich ihr abstraktes
Prinzip zu einer totalen Konkretion entfaltet hat, wie bei
Aristoteles und bei Hegel. Dann bricht die Möglichkeit einer geradlinigen
Fortsetzung ab, denn ein ganzer Kreis ist in sich durchlaufen.
Zwei Totalitäten stehen sich nun gegenüber: eine in sich total gewordene
Philosophie, und — ihr entgegen — die wirklich erscheinende Welt
einer vollendeten Unphilosophie. Denn Hegels Versöhnung mit der
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Wirklichkeit war keine in ihr, sondern nur mit ihr, im Element des
Begreifens. Die Philosophie muß sich nun selbst »nach außen kehren«
und mit der Welt praktizieren. Sie wird als Philosophie des Staates
zu einer philosophischen Politik. Die in Hegel zur intelligenten Welt
gewordene Philosophie wendet sich dann unmittelbar an die wirklich
bestehende Welt und gegen die Philosophie. Dieses ihr zweischneidiges
Verhalten ist die Konsequenz aus der Diremption der ganzen Welt
von Theorie und Praxis in zwei auseinanderfallende Totalitäten. Und
weil es zwei Totalitäten sind, welche sich gegenüberstehen, ist auch die
Zerrissenheit der sich neu bestimmenden Philosophie selber eine totale.
Die objektive Allgemeinheit der vollendeten Philosophie zerbricht zunächst
in die bloß subjektiven Bewußtseinsformen einer aus ihr entstehenden
Privatphilosophie. Dieser Sturm, in dem alles wankend
wird, erfolgt mit geschichtlicher Notwendigkeit an solchen Knotenpunkten
der in sich zusammengefaßten Philosophie. Wer diese Notwendigkeit
nicht einsieht, müßte konsequenterweise leugnen, daß nach einer
total gewordenen Philosophie der Mensch noch geistig leben kann.
Nur so läßt sich einsehen, warum nach Aristoteles ein Zeno, Epikur
und Sextus Empiricus, und nach Hegel »die meistenteils bodenlos
dürftigen Versuche neuerer Philosophen ans Tageslicht treten konnten.
«268 Im Unterschied zu den andern Junghegelianern, die Hegel
nur zum Teil reformieren wollten, gewann Marx aus der Geschichte
die Einsicht, daß es um die Philosophie als solche ging. »Die halben
Gemüter«, — und er meint damit Philosophen wie Rüge — »haben in
solchen Zeiten die umgekehrte Ansicht ganzer Feldherren. Sie glauben
durch Verminderung der Streitkräfte den Schaden wiederherstellen zu
können, durch Zersplitterung, durch einen Friedenstraktat mit den
realen Bedürfnissen, während Themistokles« - d. i. Marx selber - »als
Athen« — d. i. der Philosophie — »Verwüstung drohte, die Athener bewog,
es vollends zu verlassen und zur See, auf einem andern Element«
- d. i. auf dem Element der politischen und ökonomischen Praxis, die
es jetzt als das »was ist« zu begreifen gilt — »ein neues Athen« — d. i.
eine ganz neue Art von Philosophie, die im bisherigen Sinn keine
mehr ist - »zu gründen«. Auch dürfe man nicht vergessen, daß die
Zeit, die solchen Katastrophen folgt, eine eiserne ist, »glücklich, wenn
Titanenkämpfe sie bezeichnen, bejammernswert, wenn sie den nachhinkenden
Jahrhunderten großer Kunstepochen gleicht, denn diese beschäftigen
sich, in ... Gips und Kupfer abzudrucken, was aus karrarischem
Marmor ... hervorsprang. Titanenartig sind aber diese Zeiten,
die einer in sich totalen Philosophie und ihren subjektiven Entwick-
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lungsformen folgten, denn riesenhaft ist der Zwiespalt, der ihre Einheit
ist. So folgte Rom auf die stoische, skeptische und epikureische
Philosophie. Unglücklich und eisern sind sie, denn ihre Götter sind
gestorben und die neue Göttin hat unmittelbar noch die dunkle Gestalt
des Schicksals, des reinen Lichts oder der reinen Finsternis. Die
Farben des Tages fehlen ihr noch. Der Kern des Unglücks aber ist,
daß dann die Seele der Zeit... in sich ersättigt... keine Wirklichkeit,
die ohne sie fertig geworden ist, anerkennen darf. Das Glück in solchem
Unglück ist daher die subjektive Form..., in welcher die Philosophie
als subjektives Bewußtsein sich zur Wirklichkeit verhält. So
war z. B. die epikureische, stoische Philosophie das Glück ihrer Zeit;
so sucht der Nachtschmetterling, wenn die allgemeine Sonne untergegangen,
das Lampenlicht des Privaten.« 267 Der Satz, daß die neue
Göttin die dunkle Gestalt eines Ungewissen Schicksals habe, des reinen
Lichts oder der reinen Finsternis, weist zurück auf Hegels Bild vom
Philosophieren in der grauen Abenddämmerung einer fertig gewordenen
Welt. Das besagt für Marx: jetzt, nach dem Zerfall der in Hegel
fertig gewordenen Philosophie, ist vorerst noch nicht mit Gewißheit
zu sehen, ob diese Dämmerung eine Abenddämmerung vor dem Einbruch
einer finsteren Nacht oder aber eine Morgendämmerung vor
dem Erwachen eines neuen Tages ist.268 Das Altwerden der wirklichen
Welt geht bei Hegel zusammen mit einer letzten Verjüngung der Philosophie,
und bei Marx, der die Zukunft antizipiert, geht die fertig
gemachte Philosophie zusammen mit der Verjüngung der wirklichen
Welt entgegen der alten Philosophie. Durch die Verwirklichung der
Vernunft in der wirklichen Welt hebt sich die Philosophie als solche
auf, geht sie ein in die Praxis der vorhandenen Unphilosophie, d. h.
die Philosophie ist zum Marxismus geworden, zu einer unmittelbar
praktischen Theorie.
Das Philosophischgewordensein der Welt bei Hegel verlangt also ein
ebenso vollständiges Weltlichwerden der Philosophie bei Marx. Hegels
System ist jetzt als die eine, abstrakte Totalität begriffen, die eine
totale Unvernunft zur Kehrseite hat. Seine innere Abrundung und
Selbstgenügsamkeit ist gebrochen, das »innere Licht« in Hegels Philosophie
wird zur »verzehrenden Flamme«, die nach außen schlägt,
und die Freimachung der Welt von der Unphilosophie ist zugleich ihre
eigene Befreiung von der Philosophie. Weil aber diese neue Art von
Philosophie in theoretischer Hinsicht noch nicht über Hegels System
hinaus, sondern in ihm befangen ist, weil Marx selber noch Hegelianer
ist, weiß sich das neue Philosophieren zunächst nur im Widerspruch
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zum fertigen System und versteht es noch nicht, daß seine Auflösung
der Hegelschen Philosophie deren eigenste Verwirklichung ist. Denn
Hegels Prinzip: die Einheit von Vernunft und Wirklichkeit und die
Wirklichkeit selber als Einheit von Wesen und Existenz ist auch das
Prinzip von Marx. Er ist deshalb gezwungen, sich zunächst zweischneidig
gegen die wirkliche Welt und die bestehende Philosophie zu
kehren, gerade weil er beide in einer umfassenden Totalität von
Theorie und Praxis vereinigen will. Praktischwerden kann seine Theorie
aber als Kritik des Bestehenden, als kritische Unterscheidung von
Wirklichkeit und Idee, von Wesen und Existenz. Als eine solche Kritik
bereitet die Theorie den Weg zur praktischen Veränderung vor.
Andrerseits kann aber von der bestimmten Weise des »Umschlagens«
auch wieder zurückgeschlossen werden auf den weltgeschichtlichen
Charakter der Hegelschen Philosophie. »Wir sehen hier gleichsam das
curriculum vitae einer Philosophie aufs Enge, auf die subjektive
Pointe gebracht, wie man aus dem Tod eines Helden auf seine Lebensgeschichte
schließen kann.«
Weil Marx die neue Situation so radikal begriffen hat, daß er aus
einem Kritiker der Hegeischen Rechtsphilosophie zum Verfasser des
Kapitals wurde, konnte er auch Hegels »Akkommodation« an die politische
Wirklichkeit prinzipieller als Rüge verstehen. »Daß ein Philosoph
diese oder jene scheinbare Inkonsequenz aus dieser oder jener
Akkommodation begeht, ist denkbar; er selbst mag dieses in seinem Bewußtsein
haben. Allein was er nicht in seinem Bewußtsein hat, daß
die Möglichkeit dieser scheinbaren Akkommodation in einer Unzulänglichkeit
oder unzulänglichen Fassung seines Prinzips selber ihre innerste
Wurzel hat. Hätte also wirklich ein Philosoph sich akkommodiert, so
haben seine Schüler aus seinem inneren wesentlichen Bewußtsein das
zu erklären, was für ihn selbst die Form eines exoterischen Bewußtseins
hatte.«269 Weil Hegels Philosophie nicht zugleich die Welt der
Theorie und der Praxis, Wesen und Existenz erfaßt, muß sie sich notwendig
dem Bestehenden gleichstellen und mithin akkommodieren,
denn der ganze konkrete Inhalt dessen, was zu begreifen ist, ist ihr
immer schon vorgegeben durch das was - im Sinn des Bestehenden -
»ist«.
Die Dialektik von Theorie und Praxis begründet nicht nur Marxens
Kritik der idealistischen Philosophie des Geistes, sondern auch die der
materialistischen Philosophie von Feuerbach. In den 11 Thesen über
Feuerbach (1845) bezeichnet Marx als den Hauptmangel des bisherigen
Materialismus, daß er die sinnliche Wirklichkeit nur unter der
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Form der »Anschauung« (theoria) und folglich wie ein fertig vorhandenes
»Objekt«, aber nicht als Produkt der menschlich-sinnlichen Tätigkeit
oder Praxis aufgefaßt habe.270 Umgekehrt habe der Idealismus
durch seinen Ausgang vom Subjekt zwar dessen produktive Tätigkeit
zur Geltung gebracht, aber nur abstrakt, als geistige Setzung. Sowohl
dieser Spiritualismus wie jener Materialismus begreifen nicht die »revolutionäre
«, d. i. praktisch-kritische Tätigkeit, welche die Welt des
Menschen allererst schafft. Der historische Grund für Feuerbachs Beschränkung
auf einen bloß anschauenden Materialismus liegt in den
Schranken der spätbürgerlichen Gesellschaft, die als eine Gesellschaft
von bloß genießenden Individuen nicht weiß, daß, was immer sie
konsumiert, das geschichtliche Produkt gemeinsamer menschlicher Tätigkeit
ist, daß selbst ein Apfel das Resultat des Handels und Weltverkehrs,
aber keineswegs unvermittelt zuhanden ist.271 Innerhalb dieser
Beschränktheit hat Feuerbach zwar das große Verdienst, daß er
die religiöse Welt in ihre weltliche Grundlage aufgelöst hat, aber ohne
diese nun selbst theoretisch und praktisch in Frage zu stellen. Auch
Feuerbach hat die dem Menschen entfremdete Welt nur anders, nämlich
human »interpretiert«, es kommt aber darauf an, sie durch theoretische
Kritik und praktische Revolution zu »verändern«.272 Doch
bedeutet das Verändernwollen der Welt bei Marx keine bloß direkte
Aktion, sondern zugleich eine Kritik der bisherigen Weltinterpretation,
eine Veränderung des Seins und Bewußtseins, also z. B. der »politischen
Ökonomie« als tatsächlicher Wirtschaft und Wirtschaftslehre,
weil diese das Bewußtsein von jener ist.273
Diesen dialektischen Zusammenhang der Theorie mit der Praxis hat
der Vulgärmarxismus nach dem Vorgang von Engels274 vereinfacht,
indem er sich auf eine abstrakt-materielle »Basis« versteifte, deren
Verhältnis zum theoretischen »Überbau« sich aber ebenso leicht auch
umkehren läßt, wie M. Weber gezeigt hat.275 Hält man dagegen an
Marxens ursprünglicher Einsicht fest, so läßt sich auch Hegels »Theorie
« noch als praktisch begreifen. Denn der tiefere Grund, warum sich
Hegel den Inhalt seines Begreifens vorgeben läßt, ohne ihn durch
»Kritik« verändern zu wollen, liegt nicht im bloßen »Interpretieren«,
sondern in dem, was es praktisch bezweckt. Hegels Begreifen wollte
sich mit der Wirklichkeit aussöhnen. Versöhnen konnte sich Hegel
aber mit den empirischen Widersprüchen in der bestehenden Welt,
weil er als letzter christlicher Philosoph noch in der Welt war, als
wäre er nicht von der Welt. Andrerseits motiviert sich Marxens radikale
Kritik des Bestehenden auch nicht aus dem bloßen »Verändern-
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wollen«, sondern dieses hat seine Wurzel in einem prometheischen
Aufstand gegen die christliche Schöpfungsordnung. Nur der Atheismus
des an sich selber glaubenden Menschen muß auch für die Schaffung
der Welt sorgen. Dieses atheistische Motiv des »Materialismus« von
Marx kommt schon im Thema seiner Dissertation über zwei antike
Atheisten und Materialisten zum Ausdruck. Epikur gilt ihm als der
größte griechische Aufklärer, der als erster unter den sterblichen Menschen
es wagte, den Göttern des Himmels zu trotzen. Die Philosophie
des menschlichen »Selbstbewußtseins« bekennt sich zu Prometheus als
dem vornehmsten Märtyrer im philosophischen Kalender und gegen
alle himmlischen und irdischen Götter.276 Die Destruktion der christlichen
Religion ist die Voraussetzung für die Konstruktion einer
Welt, in welcher der Mensch Herr seiner selbst ist.
Marxens Kritik des preußischen Staats und der Hegelschen Staatsphilosophie
beginnt daher mit der Feststellung, daß die Kritik der Religion
- diese »Voraussetzung aller Kritik«, nämlich der Welt - im
Wesentlichen beendigt sei. »Es ist also die Aufgabe der Geschichte,
nachdem das Jenseits der Wahrheit verschwunden ist, die Wahrheit
des Diesseits zu etablieren. Es ist zunächst die Aufgabe der Philosophie,
die im Dienste der Geschichte steht, nachdem die Heiligengestalt
der menschlichen Selbstentfremdung entlarvt ist, die Selbstentfremdung
in ihren unheiligen Gestalten zu entlarven. Die Kritik des Himmels
verwandelt sich damit in die Kritik der Erde, die Kritik der Religion
in die Kritik des Rechts, die Kritik der Theologie in die Kritik
der Politik.«277 Zugleich mit der Philosophie steht auch die Kritik der
Ökonomie im Dienst der Geschichte, und daraus ist auch die Eigenart
von Marxens Materialismus als eines »historischen« zu verstehen.
Seine historischen Arbeiten über die Klassenkämpfe in Frankreich, den
französischen Bürgerkrieg, den 18. Brumaire und die deutsche Bourgeoisie
sind kein bloßes Beiwerk zu den politisch-ökonomischen Analysen,
sondern ein wesentlicher Bestandteil seiner grundsätzlichen
Auffassung von der Geschichtlichkeit der menschlichen Welt überhaupt.
Trotz der Voraussetzung, daß die philosophische Theorie im Dienst
der geschichtlichen Praxis steht, richtet sich Marxens Kritik aber nicht,
wie zu erwarten wäre, unmittelbar auf die politische Wirklichkeit,
sondern auf die Hegelsche Staatsphilosophie, statt auf das »Original«
auf eine »Kopie«. Der Grund für diese scheinbar »idealistische« Wendung
liegt aber wiederum in der geschichtlichen Wirklichkeit, denn die
deutsche politische Existenz der 40er Jahre ist ein »Anachronismus«
113
innerhalb der seit der Französischen Revolution datierenden modernen
europäischen Welt. Die deutsche Geschichte hatte damals noch
nicht einmal nachgeholt, was schon seit 1789 in Frankreich vor sich
ging. »Wir haben nämlich die Restauration der modernen Völker geteilt,
ohne ihre Revolutionen zu teilen. Wir wurden restauriert, erstens,
weil andere Völker eine Revolution wagten, und zweitens, weil andere
Völker eine Contrerevolution litten, das eine Mal, weil unsere
Herren Furcht hatten, und das andere Mal, weil unsere Herren keine
Furcht hatten. Wir, unsere Hirten an der Spitze, befanden uns immer
nur einmal in der Gesellschaft der Freiheit, am Tag ihrer Beerdigung.
«278 Deutschland hat nur eine radikale Tat der Befreiung erlebt,
den Bauernkrieg,279 und dieser scheiterte an der Reformation, in der
sich Deutschlands revolutionäre Vergangenheit »theoretisch«, d. i. religiös,
manifestierte. Heute aber, »wo die Theologie selbst gescheitert
ist«, wird »die unfreieste Tatsache der deutschen Geschichte, unser Status
quo, an der Philosophie scheitern«, d. s. h.: an Marxens geschichtlicher
Praxis der philosophischen Theorie. - Im Gedanken jedoch haben
die Deutschen ihre Nachgeschichte schon im voraus gehabt, nämlich
in Hegels Rechtsphilosophie, deren Prinzip über den bestehenden
deutschen Zustand hinausgeht. »Wir sind philosophische Zeitgenossen
der Gegenwart, ohne ihre historischen Zeitgenossen zu sein. Die
deutsche Philosophie ist die ideale Verlängerung der deutschen Geschichte
... Was bei den fortgeschrittenen Völkern praktischer Zerfall
mit den modernen Staatszuständen ist, das ist in Deutschland, wo
diese Zustände selbst noch nicht einmal existieren, zunächst kritischer
Zerfall mit der philosophischen Spiegelung dieser Zustände. Die
deutsche Rechts- und Staatsphilosophie ist die einzige mit der offiziellen
modernen Gegenwart al pari stehende deutsche Geschichte. Das
deutsche Volk muß daher diese seine Traumgeschichte mit zu seinen
bestehenden Zuständen schlagen und nicht nur diese bestehenden Zustände,
sondern zugleich ihre abstrakte Fortsetzung der Kritik unterwerfen.
Seine Zukunft kann sich weder auf die unmittelbare Verneinung
seiner reellen, noch auf die unmittelbare Vollziehung seiner
ideellen Staats- und Rechtszustände beschränken, denn die unmittelbare
Verneinung seiner reellen Zustände besitzt es in seinen ideellen
Zuständen, und die unmittelbare Vollziehung seiner ideellen Zustände'
hat es in der Anschauung der Nachbarvölker beinahe schon wieder
überlebt.« 280
Wie sehr Marx mit dieser Kritik Hegelianer oder Hegel »Marxist«
ist, zeigen Hegels Darlegungen über das verschiedene Verhältnis der
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Philosophie zur Wirklichkeit in Frankreich und Deutschland: auch er
behauptet, daß in Deutschland das Prinzip der Freiheit nur als Begriff
vorhanden sei, während es in Frankreich zur politischen Existenz
kam. »Was in Deutschland von Wirklichkeit hervorgetreten, erscheint
als eine Gewaltsamkeit äußerer Umstände und Reaktion dagegen.«281
Die Franzosen haben den »Sinn der Wirklichkeit, des Handelns, Fertigwerdens
— wir haben allerhand Rumor im Kopfe ..., dabei läßt
der deutsche Kopf eher seine Schlafmütze ganz ruhig sitzen und operiert
innerhalb seiner.«282
Die Folgerung, die Hegel aus diesem Unterschied zog, war: diese beiden,
je einseitigen Formen der theoretischen und, praktischen Freiheit
konkret aus der »Einheit des Denkens und Seins« als der Grundidee
der Philosophie zu begreifen. Faktisch hat er sich mit diesem spekulativen
Übergriff aber doch nicht über die bestimmte Wirklichkeit, sondern
auf die Seite der deutschen Theorie gestellt.
Marx nimmt in bezug auf das Verhältnis der Philosophie zur Wirklichkeit
eine doppelte Frontstellung ein: gegen die praktische Forderung
einer einfachen Negation der Philosophie und zugleich gegen die
bloß theoretische Kritik der politischen Partei. Die einen glauben, die
deutsche Philosophie gehöre nicht mit zur Wirklichkeit und möchten
die Philosophie aufheben, ohne sie zu verwirklichen; die andern meinen,
man könne die Philosophie verwirklichen, ohne sie aufzuheben.
Die wahre Kritik muß beides leisten. Sie ist eine kritische Analyse des
modernen Staates und zugleich eine Auflösung des bisherigen politischen
Bewußtseins, dessen universellster und letzter Ausdruck Hegels
Philosophie des Rechts ist. »War nur in Deutschland die spekulative
Rechtsphilosophie möglich, dies abstrakte überschwängliche Denken
des modernen Staats, dessen Wirklichkeit ein Jenseits bleibt..., so
war ebensosehr umgekehrt das deutsche, vom wirklichen Menschen abstrahierende
Gedankenbild des modernen Staates nur möglich, weil
und insofern der moderene Staat selbst vom wirklichen Menschen abstrahiert
oder den ganzen Menschen auf eine nur imaginäre Weise befriedigt.
Die Deutschen haben in der Politik gedacht, was die anderen
Völker getan haben. Deutschland war ihr theoretisches Gewissen. Die
Abstraktion und Uberhebung seines Denkens hielt immer gleichen
Schritt mit der Einseitigkeit und Untersetztheit ihrer Wirklichkeit.
Wenn also der Status quo des deutschen Staatswesens die Vollendung
des ancien regime ausdrückt..., so drückt der Status quo des deutschen
Staatswissens die Unvollendung des modernen Staats aus.«283
Aus dieser praktischen Bedeutung der Hegelschen Theorie für die deutsche
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Geschichte begründet sich Marxens vorzügliches Interesse an einer
theoretischen Kritik der Rechtsphilosophie.284
Die dialektische Einheit in Marxens Beurteilung der deutschen Philosophie
und Wirklichkeit unterscheidet ihn sowohl vom alten wie jungen
Hegelianismus, dem der praktische oder materielle Gesichtspunkt
für das Begreifen der wirklichen Weltgeschichte noch fehlte. In dem
Entwurf zu einer Vorrede zur »Deutschen Ideologie« moquiert sich
Marx über die »unschuldigen Phantasien« der Junghegelianer, deren
revolutionäre Phrasen das deutsche Publikum mit Ehrfurcht und Entsetzen
empfange. »Diese Schafe, die sich für Wölfe halten« und auch
dafür gehalten wurden, zu entlarven und zu zeigen, wie die Prahlereien
dieser letzten Philosophen nur die Erbärmlichkeit der deutschen
Zustände spiegeln, war der Zweck der »Deutschen Ideologie«.
»Wie deutsche Ideologen melden«, beginnt der Abschnitt über Feuerbach,
»hat Deutschland in den letzten Jahren eine Umwälzung ohnegleichen
durchgemacht. Der Verwesungsprozeß des Hegelschen Systems,
der mit Strauß begann, hat sich zu einer Weltgärung entwikkelt,
in welche alle »Mächte der Vergangenheit hineingerissen sind. In
dem allgemeinen Chaos haben sich gewaltige Reiche gebildet, um alsbald
wieder unterzugehen, sind Heroen momentan aufgetaucht, um
von kühneren und mächtigeren Nebenbuhlern wieder in die Finsternis
zurückgeschleudert zu werden. Es war eine Revolution, wogegen die
französische ein Kinderspiel ist, ein Weltkampf, vor dem die Kämpfe
der Diadochen kleinlich erscheinen. Die Prinzipien verdrängten, die
Gedankenhelden überstürzten einander mit unerhörter Hast, und in
den drei Jahren 1842—45 wurde in Deutschland mehr aufgeräumt als
sonst in drei Jahrhunderten.« 285 In Wahrheit handelt es sich aber um
keine Revolution, sondern nur um den »Verfaulungsprozeß des absoluten
Geistes«. Die verschiedenen philosophischen »Unternehmer«, die
bisher von der Ausbreitung des Hegelschen Geistes lebten, warfen sich
auf neue Verbindungen; sie verschleuderten den ihnen zugefallenen
Erbteil in gegenseitiger Konkurrenz. »Sie wurde anfangs ziemlich bürgerlich
und solide geführt. Später, als der deutsche Markt überführt
war und die Ware trotz aller Mühe auf dem Weltmarkt keinen Anklang
fand, wurde das Geschäft nach gewöhnlicher deutscher Manier
verdorben durch fabrikmäßige und Scheinproduktion, Verschlechterung
der Qualität, Sophistikation des Rohstoffs, Verfälschung der
Etiketten, Scheinkäufe, Wechselreiterei und ein aller reeller Grundlage
entbehrendes Kreditsystem. Die Konkurrenz lief in einen erbitterten
Kampf aus, der uns jetzt als welthistorischer Umschwung, als Erzeu-
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ger der gewaltigsten Resultate und Errungenschaften angepriesen und
konstruiert wird. Um diese philosophische Marktschreierei, die selbst
in der Brust des ehrsamen deutschen Bürgers ein wohltätiges Nationalgefühl
erweckt, richtig zu würdigen, um die Kleinlichkeit, die
lokale Borniertheit dieser ganzen junghegelschen Bewegung, um namentlich
den tragikomischen Kontrast zwischen den wirklichen Leistungen
dieser Helden und den Illusionen über diese Leistungen anschaulich
zu machen, ist es nötig, sich den ganzen Spektakel einmal von
einem Standpunkte anzusehen, der außerhalb Deutschlands liegt.«286
Im Unterschied zur französischen Kritik hat die deutsche auch noch in
ihren radikalsten Bemühungen den Boden der Philosophie nie verlassen.
»Weit davon entfernt, ihre allgemein-philosophischen Voraussetzungen
zu untersuchen, sind ihre sämtlichen Fragen sogar auf dem
Boden eines bestimmten philosophischen Systems, des Hegelschen, gewachsen.
Nicht nur in ihren Antworten, schon in den Fragen selbst lag
eine Mystifikation. Diese Abhängigkeit von Hegel ist der Grund, warum
keiner dieser neueren Kritiker eine umfassende Kritik des Hegelschen
Systems auch nur versuchte, so sehr jeder von ihnen behauptet,
über Hegel hinaus zu sein. Ihre Polemik gegen Hegel und gegeneinander
beschränkt sich darauf, daß jeder eine Seite des Hegelschen Systems
herausnimmt und diese sowohl gegen das ganze System, wie
gegen die von den andern herausgenommenen Seiten wendet. Im Anfange
nahm man reine, unverfälschte Hegeische Kategorien heraus,
wie Substanz und Selbstbewußtsein, später profanierte man diese Kategorien
durch weltlichere Namen, wie Gattung, der Einzige, der
Mensch usw.« 287
Die wirkliche Leistung der deutschen Kritik beschränkt sich auf die
Kritik der Theologie und Religion, der auch die moralischen, rechtlichen
und politischen Vorstellungen subsumiert wurden. Während die
Junghegelianer alles »kritisierten«, indem sie es einfach für »theologisch
« erklärten, haben die Althegelianer alles »begriffen«, sobald es
sich auf Hegeische Kategorie zurückführen ließ. Beide Parteien stimmen
überein im Glauben an die Herrschaft allgemeiner Begriffe, nur
bekämpfen die einen diese Herrschaft als Usurpation, wogegen sie die
andern als legitim erklären. Die Althegelianer wollen das alte Bewußtsein
konservieren, die Junghegelianer wollen es revolutionieren,
beide in gleicher Entfernung vom wirklichen geschichtlichen Sein -
mögen sie auf einem »menschlichen« (Feuerbach), »kritischen« (Bauer)
oder auch »egoistischen« (Stirner) Bewußtsein bestehen. »Diese Forderung,
das Bewußtsein zu verändern, läuft auf die Forderung hinaus,
117
das Bestehende anders zu interpretieren, d. h. es vermittelst einer andern
Interpretation anzuerkennen. Die junghegelschen Ideologen sind
trotz ihrer angeblich >welterschütternden< Phrasen die größten Konservativen.
Die jüngsten von ihnen haben den richtigen Ausdruck für
ihre Tätigkeit gefunden, wenn sie behaupten, nur gegen >Phrasen< zu
kämpfen. Sie vergessen nur, daß sie diesen Phrasen selbst nichts als
Phrasen entgegensetzen, und daß sie die wirkliche bestehende Welt
keineswegs bekämpfen, wenn sie nur die Phrasen dieser Welt bekämpfen.
Die einzigen Resultate, wozu diese philosophische Kritik es bringen
konnte, waren einige und noch dazu einseitige, religionsgeschichtliche
Aufklärungen über das Christentum; ihre sämtlichen sonstigen
Behauptungen sind nur weitere Ausschmückungen ihres Anspruchs,
mit diesen unbedeutenden Aufklärungen welthistorische Entdeckungen
geliefert zu haben. Keinem von diesen Philosophen ist es eingefallen,
nach dem Zusammenhange der deutschen Philosophie mit der deutschen
Wirklichkeit, nach dem Zusammenhange ihrer Kritik mit ihrer
eignen materiellen Umgebung zu fragen.«288 Die Grenze ihrer Theorie
war die geschichtliche Praxis, innerhalb dieser Beschränktheit gingen
sie aber so weit, als es möglich ist, ohne aufzuhören im philosophischen
Selbstbewußtsein zu existieren.
Dieser ganzen deutschen Ideologie gegenüber entwickelte Marx seine
materialistische Geschichtsanschauung, welche seitdem auch die Denkweise
der Nicht- und Antimarxisten, mehr als sie es selber wissen
wollen, bestimmt. Es macht im Verhältnis zu Hegels geistiger Welt
keinen prinzipiellen Unterschied aus, ob man die »Geistesgeschichte«
post Hegel vorzüglich an den wirtschaftlichen Produktionsverhältnissen
oder allgemein soziologisch oder an der »gesellschaftlich-geschichtlichen
Wirklichkeit«, und ob man die Geschichte am Leitfaden von
Klassen oder von Rassen zu einer materiellen Auslegung bringt. Sie
alle möchten wie Marx den »wirklichen Lebensprozeß« und die »bestimmte
Lebensweise« begreifen, die nicht voraussetzungslos, sondern
im Gegenteil die Voraussetzung auch der Denkweise ist. »Die Betrachtungsweise
ist nicht voraussetzungslos. Sie geht von den wirklichen
Voraussetzungen aus, sie verläßt sie keinen Augenblick. Ihre
Voraussetzungen sind die Menschen nicht in irgendeiner phantastischen
Abgeschlossenheit und Fixierung, sondern in ihrem wirklichen ...
Entwicklungsprozeß unter bestimmten Bedingungen. Sobald dieser
tätige Lebensprozeß dargestellt wird, hört die Geschichte auf, eine
Sammlung toter Fakta zu sein, wie bei den selbst noch abstrakten
Empirikern, oder eine eingebildete Aktion eingebildeter Subjekte, wie
118
bei den Idealisten.«289 Gerade diese Bedingtheit jeder geschichtlichen
Existenz wird von Marx zum einzig Unbedingten erklärt. Damit ist
Hegels Metaphysik der Geschichte des Geistes so extrem wie nur möglich
verendlicht und im Dienst der Geschichte verzeitlicht.
Von diesem geschichtlichen Standpunkt aus rückt für Marx die ganze
bisherige Geschichte in die Rolle der bloßen »Vorgeschichte« vor einer
totalen Veränderung der bestehenden Produktionsverhältnisse als der
Art und Weise, wie die Menschen ihr Leben physisch und geistig hervorbringen.
Dem »Knotenpunkt« in der Geschichte der Philosophie
entspricht ein Schnittpunkt in der Geschichte der Welt zwischen dem
Künftig und dem Bisher. In der Radikalität dieses Anspruchs kann
sich mit Marx nur noch das umgekehrte Programm von Stirner messen,
dessen Buch die ganze Geschichte der Welt in zwei Abschnitte
teilt, betitelt: »Der Mensch« und »Ich«.
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