Johannes Brahms - KUNSTLER. 1 EINLEITUNG Johannes Brahms (1833-1897), deutscher Komponist. Mit seinem breit gefächerten OEuvre, das an die Werke der Wiener Klassik anknüpft und sich bis zur Spätromantik erstreckt, gehört er zu den wichtigsten deutschen Komponisten des 19. Jahrhunderts. 2 JUGEND UND AUSBILDUNG Brahms wurde am 7. Mai 1833 als Sohn eines Musikers in Hamburg geboren. Ersten Violin- und Cellounterricht erhielt er von seinem Vater, ersten Klavierunterricht von Friedrich Willibald Cossel. Im Alter von zehn Jahren wirkte er erstmals in einem Kammermusikkonzert mit. Als Jugendlicher schrieb er unter der Anleitung des renommierten Musiklehrers Eduard Marxsen seine ersten Kompositionen. Musikpraktische Erfahrungen holte er sich bei Auftritten als Klavierspieler in Tanzlokalen, Restaurants und Matrosenkneipen; 1848 gab Brahms sein erstes Solokonzert. 1853 ging er mit dem Geiger Eduard Reményi auf Tournee und lernte dabei den ungarischen Violinvirtuosen Joseph Joachim kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verbinden sollte. Joachim führte Brahms bei Franz Liszt in Weimar ein und machte ihn auch mit Robert Schumann in Düsseldorf bekannt. Schumann war von Brahms' noch nicht publizierten Kompositionen so beeindruckt, dass er im Oktober 1853 einen enthusiastischen Artikel in der Neuen Zeitschrift für Musik veröffentlichte, in dem er den jungen Komponisten als Genie pries. Brahms empfand tiefe Zuneigung zu ihm und seiner Ehefrau Clara Schumann, zu der er nach dem Tod Schumanns 1856 noch lange freundschaftlichen Kontakt hielt. Von 1857 bis 1859 hatte Brahms eine feste Anstellung als Chordirigent und Hofpianist am Detmolder Hoftheater. Danach reiste er mehrere Jahre lang durch Deutschland und die Schweiz. Sein erstes öffentlich aufgeführtes Werk war das Klavierkonzert Nr. 1 d-Moll (Hannover 1859), bei dessen Premiere er selbst den Solopart spielte und Joachim dirigierte. Die Aufführung in Leipzig kurze Zeit später wurde indes ein Misserfolg. Nachdem er die erhoffte Hamburger Dirigentenstelle 1863 nicht erhalten hatte (man bevorzugte Julius Stockhausen), kam er im selben Jahr als Direktor der Singakademie nach Wien - ein Amt, das er bereits ein Jahr später niederlegte. Wieder zurück in Hamburg scheiterte Brahms mit seinen Hoffnungen auf die Leitung der Hamburger Singakademie und des Philharmonischen Orchesters; 1868 übersiedelte Brahms endgültig nach Wien. 3 ERSTE ERFOLGE Schon seit 1857 schrieb Brahms an einem großen Oratorium: Ein deutsches Requiem wurde im April 1868 im Bremer Sankt-Petri-Dom aufgeführt und machte ihn über Nacht berühmt. Die revolutionäre Neuerung war hierbei, dass Brahms statt des sonst üblichen lateinischen Textes die deutsche Bibelübersetzung von Martin Luther als Textgrundlage verwendete und statt des liturgisch festgelegten Textes eine eigene Auswahl traf. Die ersten beiden Bände der Ungarischen Tänze (1869) für Klavier vierhändig machten Brahms in deutschen Hausmusikkreisen außerordentlich populär. 1872 bekam er von der Wiener Gesellschaft der Musikfreunde die Leitung ihrer Konzerte übertragen und zeichnete sich durch sein Engagement für die Aufführung historischer Werke aus wie Georg Friedrich Händels Oratorium Saul. Er gab diese Stelle jedoch 1875 wieder auf, um sich ganz dem Komponieren widmen zu können. 4 HAUPTWERKE Das Jahr 1873 stellte einen entscheidenden Einschnitt in Brahms' Schaffen dar: Schrieb er bis dahin hauptsächlich Kammer-, Klavier- und Chormusik, so entstanden nun die großen Sinfonien, angefangen mit den Variationen über ein Thema von Joseph Haydn (1873). Wie schon bei seinem Klavierkonzert konzentrierte sich Brahms bei der sinfonischen Arbeit auf motivisch-thematische Entwicklung im innermusikalischen Bereich, nicht auf ein universell-poetisches Programm mit unterlegtem Text, wie der Zeitgenosse Liszt es pflegte. Im folgenden Jahrzehnt entstanden die sinfonischen Hauptwerke von Johannes Brahms: Sinfonie Nr. 1 c-Moll (1855-1876), Sinfonie Nr. 2 DDur (1877), Sinfonie Nr. 3 F-Dur (1883) und Sinfonie Nr. 4 e-Moll (1884/85) sowie die Tragische Ouvertüre (1880). Mit seiner Sinfonik knüpfte er an die Tradition der Wiener Klassik an. Brahms zielte auf eine Verdichtung des musikalischen Satzgefüges und verweigerte sich sensationellen oder modischen Effekten. Im Zentrum stand dabei die motivischthematische Entwicklung der Ausgangselemente auf allen Ebenen des musikalischen Satzes. Alle seine vier Sinfonien weisen traditionsgemäß vier Sätze auf mit einem langsamen Satz und einem Scherzo in der Mitte. Im Umgang mit der Form der Sinfonie und in seiner kontrapunktischen Meisterschaft erwies sich Brahms als wahrer Klassiker in der Tradition Ludwig van Beethovens. 1878 entstand auch das berühmte Violinkonzert D-Dur, das 1879 in Leipzig von Joseph Joachim, dem es auch gewidmet ist, uraufgeführt wurde. Bis heute gehört dieses Konzert in das Kernrepertoire eines jeden Geigers. Nahezu zeitgleich schrieb Brahms sein Klavierkonzert Nr. 2 B-Dur (18781881) und einige Jahre später das Doppelkonzert für Violine und Cello a-Moll (1887). Neben der Sinfonik bildete die Kammermusik den zweiten zentralen Bereich in Brahms Schaffen. Seine Streichquartette in c-Moll (1865-1873), a-Moll (1869-1873) und BDur (1875), die Streichquintette in F-Dur (1882) und G-Dur (1890) sowie die Streichsextette in B-Dur (1860) und G-Dur (1864/65) zählen ebenso wie die drei Klaviertrios in H-Dur (1853/54), C-Dur (1880-1882) und c-Moll (1886), die Klavierquartette in g-Moll (1861), A-Dur (1861) und c-Moll (1855/56), das Klavierquintett in f-Moll (1865) und das Klarinettenquintett in h-Moll (1891) zu den Hauptwerken ihrer Gattung. Daneben sind seine zahlreichen Lieder ebenso wie seine Klavierwerke bis heute wesentliche Bestandteile des Konzertrepertoires. Als sich der musikalische Erfolg eingestellt hatte, wurde er mit zahlreichen Ehrungen bedacht. Brahms starb am 3. April 1897 in Wien. 5 MUSIKÄSTHETISCHE GEGENSÄTZE Im Gegensatz zu Brahms vertraten die Komponisten der Neudeutschen Schule wie Liszt und Wagner die Auffassung, die absolut-musikalische Sinfonik gehöre längst der Vergangenheit an. Sie setzten auf die Kombination von Musik und Text, d. h., sie gaben ihren Kompositionen programmatische Konzeptionen bei. Die sinfonische Dichtung war die bevorzugte Form dieser Künstler, die sich als ,,Zukunftsmusiker" bezeichneten. Brahms" Werke kritisierten sie als akademisch und formalistisch. Dagegen vertrat Brahms die Position der alten Schule, d. h., er arbeitete mit den traditionellen Formen und Gattungen. Das strophisch gebaute Lied war für Brahms die Keimzelle sinfonischer Musik. Hierin liegt seine Sammelleidenschaft für Volkslieder und die Entstehung von mehr als 200 Liedkompositionen begründet. Auch seine Vorliebe für kammermusikalische Formen wurzelt hier. Brahms' neue und wesentlich dichtere Gestaltung der alten Formen führte ihn zum Studium der alten Meister, nicht nur der Wiener Klassik wie Joseph Haydn, Wolfgang Amadeus Mozart und Ludwig van Beethoven, sondern auch der Barockkomponisten Johann Sebastian Bach, Georg Friedrich Händel und Antonio Vivaldi. 1860 gipfelte dieser Konflikt in einem von Brahms mitverfassten Manifest gegen die Neudeutschen, das eine klare Gegnerschaft zu Liszt und Wagner formulierte. Mit diesem Gegensatz korrespondieren auch die unterschiedlichen Zielsetzungen: Wagner war vorrangig Opernkomponist, während Brahms nie Werke für die Opernbühne schrieb. 6 WIRKUNGSGESCHICHTE Seit Ende der sechziger Jahre stand Brahms im Zentrum des deutschen Musiklebens, nach Wagners Tod 1883 galt Brahms dann als der führende deutsche Komponist. In den Jahren nach seinem Tod nahm die Wertschätzung seiner Kompositionen jedoch stark ab, bedingt auch durch den Wagnerismus um 1900. Die Kritik der Neudeutschen am angeblich veralteten, ,,blutleeren Akademismus" seiner Werke wirkte lange nach. Zugleich wurden seine kompositorischen Errungenschaften jedoch von Max Reger, Antonín Dvo? ák, Gustav Mahler und anderen Komponisten weitergeführt. Spätestens mit dem Urteil Arnold Schönbergs, der Brahms 1933 als den eigentlich modernen Komponisten des 19. Jahrhunderts apostrophierte, änderte sich die Einschätzung seiner Werke. Seine handwerkliche Meisterschaft und das kompromisslose Durchdenken kompositorischer Probleme ließen Brahms auch für die Komponisten des späteren 20. Jahrhunderts zu einem wichtigen Wegbereiter und Bezugspunkt werden. Die Werke von Johannes Brahms sind heute fest im internationalen Repertoire verankert. Verfasst von: Krämer, Jörg und Theilacker, Jörg Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.