Devoir de Philosophie

Johann Friedrich Agricola: Anleitung zur Singkunst - Texte.

Publié le 22/06/2013

Extrait du document

Johann Friedrich Agricola: Anleitung zur Singkunst - Texte. Der deutsche Komponist und Musiktheoretiker übersetzte 1757 das Werk von Pier Francesco Tosi von der italienischen Singschule. Agricola fügte dem Werk eigene Marginalien und Ergänzungen hinzu. Das sechste Hauptstück liefert Anmerkungen für Musikstudierende. Hier ein Ausschnitt. Johann Friedrich Agricola: Anleitung zur Singkunst Anmerkungen für den Musikstudierenden insbesondere. Ehe man die so weitläufrige und schwere Bemühung, so auf den feinern und künstlichen Gesang gewendet werden muß, unternimmt; ist nöthig, daß man zuvor seinen eigenen Beruf wohl untersuche, ohne welchen aller Fleiß vergeblich seyn würde. Es ist nicht möglich der hartnäckigen Widersetzung unserer natürlichen Neigung zu widerstehen, wenn sie uns, durch eine verborgene Kraft, anders wohin zieht. Wo sie aber ihre Schmeicheleyen anwendet, da überredet sie unmittelbar, und ersparet dem Anfänger die Hälfte der Mühe. Ich setze also voraus, daß der Scholar ängstlich begierig sey, sich eine so schöne Wissenschaft zu erwerben; und schon in den bisher gelehreten mühsamen Anfangsgründen, wovon vielleicht noch einige meinem schwachen Gedächtnisse entgangen seyn mögen, hinlänglichen Unterricht erhalten habe. Nun muß er sich vornehmlich nach dem Besitze sittlicher Tugenden bestreben; das übrige seines Fleißes aber auf die Kunst gut zu singen wenden: damit er durch einen guten Fortgang in beyden, zu der Glückseligkeit gelangen möge, die edelsten Gemüthseigenschaften mit den sonderbaresten Gaben des Genies in sich vereiniget zu haben. Wenn ein Lernender das Singen zu seinem Hauptwerke macht; so bedenke er, daß von seiner Stimme sein Glück oder Unglück unumgänglich abhänge. Er muß also, um dieselbe nicht zu verlieren, sich in keine Ausschweifungen, und in keine heftigen und gewaltsamen Ergetzlichkeiten einlassen. Er lerne recht vollkommen lesen, um nicht die Schande zu haben, daß er die Worte erbetteln muß; und um nicht in die Ungereimtheiten zu verfallen, welche aus der schändlichsten Unwissenheit entspringen. O wie viele hätten noch nöthig das ABC-Buch in die Hand zu nehmen! Hätte sein Meister etwan die Fehler der Aussprache nicht zu verbessern gewußt: so bemühe er sich selbst vor sich die beste zu erlernen: denn die Entschuldigung, daß man nicht in Toscana gebohren ist, reichet nicht zu, die Unwissenheit damit zu bedecken. Er suche auch mit eben so emsigen Fleiße sich von allen den andern Fehlern zu reinigen, welche die Nachläßigkeit des Meisters noch übersehen haben könnte. Nebst der Musik lerne er zum wenigsten noch etwas von der lateinischen Sprache, damit er die Worte verstehen könne, welche er in der Kirche zu singen hat; und damit er ihnen diejenige Kraft geben könne, welche in der einen und der andern Sprache nöthig ist. Bey nahe möchte ich glauben, daß verschiedene Sänger nicht einmal ihre Muttersprache, geschweige denn das Latein verstünden. Er übe die Stimme vor sich selbst unermüdet in der Geschwindigkeit der Bewegung; damit er sie bey allen Vorfällen gehorsam finde; wofern er anders mehr Gebieter als Sclave derselben seyn, und nicht den Namen eines pathetischen Sängers führen will. Er unterlasse nicht von Zeit zu Zeit lange schwellende Aushaltungen mit der Stimme zu machen; damit dieselbe immer zu dem einem und dem andern geschickt bleibe. Er wiederhole seine Lection zu Hause so lange, bis er sie recht sicher weis, und präge sie dem Gedächtnisse wohl ein; damit er dem Meister den Verdruß, sie wieder vorzunehmen, und sich die Mühe, sie von Neuem zu lernen, ersparen möge. Das Singen verlangt die Anwendung eines so großen Fleißes, daß man so gar in Gedanken studiren muß, wenn man mit der Stimme nicht kann. Eine unermüdete Bemühung junger Leute hat den gewissen Nutzen, daß sie alle Hindernisse, die sich ihnen entgegen setzen, überwindet, und wenn es auch gleichsam mit der Muttermilch eingesogene Fehler wären. Diese meine Gedanken zwar sind starken Einwürfen ausgesetzet: doch wird die Erfahrung, wenn sie nur mit der folgenden Bedingung verbunden wird, daß man sich bey Zeiten recht zu bessern wisse, für mich reden. Denn wenn die Ausrottung der Fehler immer aufgeschoben wird; so wachsen sie mit den Jahren, und werden um so viel häßlicher, ie tiefer sie einwurzeln. Ein junger Anfänger in der Singkunst suche, so oft als es ihm möglich ist, die berühmtesten Sänger, und auch die besten Instrumentisten zu hören. Denn aus der Aufmerksamkeit auf ihren Vortrag kann man mehr Nutzen ziehen, als aus irgend einer Unterweisung. Johann Friedrich Agricola: Anleitung zur Singkunst. Neu herausgegeben von Erwin R. Jacobi. Celle o. J., S. 165-167. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

Liens utiles