Jean-Luc Godard - KUNSTLER.
Publié le 18/06/2013
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Jean-Luc Godard - KUNSTLER. Jean-Luc Godard (*1930), französischer Filmregisseur. Er ist einer der bedeutendsten Vertreter der Nouvelle Vague. Mit seinen autoreflexiven, medienkritischen, oft auch hermetischen Arbeiten zählt er zu den innovativsten und einflussreichsten Filmemachern der Gegenwart. Godard wurde am 3. Dezember 1930 als Sohn eines Arztes in Paris geboren und wuchs in der Schweiz auf, wo sein Vater als Chefarzt einer Klinik arbeitete. 1943 kam er nach Paris zurück und studierte am Lycée Buffon. Nachdem er 1949 an der Sorbonne ein Studium der Ethnologie begonnen hatte, traf er 1950 in der Cinématheque erstmals mit André Bazin, François Truffaut, Jacques Rivette und Éric Rohmer zusammen. Im selben Jahr rief er gemeinsam mit Rohmer und Rivette die Filmzeitschrift La Gazette du cinéma ins Leben, von der fünf Nummern erschienen, und trat als Darsteller in Rohmers Kurzfilm Présentation auf. Für die 1951 gegründete Filmzeitschrift Cahiers du cinéma lieferte Godard, meist unter dem Pseudonym Hans Lucas, ab 1952 einige Beiträge. 1954 drehte er seinen ersten Kurzfilm mit dem Titel Opération Béton, dem bis 1958 vier weitere folgten: Une femme coquette (1955), Tous les garçons s'appellent Patrick (1957), Charlotte et son Jules (1958) und Une histoire d'eau (1958). Ab 1956 schrieb er regelmäßig für Cahiers du cinéma. Sein erster Spielfilm À bout de souffle (Außer Atem), ein ästhetisch innovatives Werk mit einer konventionellen Handlung, entstand 1959 mit Jean-Paul Belmondo und Jean Seberg. Diese Arbeit, zu der Truffaut das Drehbuch schrieb, machte Godard über Nacht bekannt und wies ihn als einen der bedeutendsten Vertreter einer neuen Generation von französischen Filmemachern aus, der so genannten Nouvelle Vague, der auch François Truffaut, Éric Rohmer und Claude Chabrol zugerechnet werden. À bout de souffle, der u. a. durch seine ungekünstelten Dialoge und seine Authentizität vermittelnden Pariser Straßenszenen überzeugt, ist am amerikanischen Gangsterfilm orientiert und weist mit seiner ungewöhnlichen Montagetechnik und der Verwendung der Handkamera eine wegweisende Filmsprache auf. Der Film erzählt die Geschichte eines jungen Mannes, der, nach dem Mord an einem Polizisten auf der Flucht, eine junge amerikanische Journalistin kennen lernt und eine kurze Liebesaffäre mit ihr erlebt. Nachdem er von ihr verraten wurde, stirbt er bei einem Schusswechsel mit der Polizei. Le Petit soldat (1960; Der kleine Soldat), eine Studie über Gewalt und Gewaltdarstellung, enthielt Anspielungen auf den Algerienkrieg und wurde daraufhin in Frankreich für drei Jahre verboten. Die Komödie Une femme est une femme (1961; Eine Frau ist eine Frau), sein erster Film in Cinemascope, Farbe und Direktton, bediente sich lustvoll und ausgiebig der Zitattechnik, fand jedoch wegen seiner Unzugänglichkeit kein positives Echo. Das filmische Essay Vivre sa vie (1962; Die Geschichte der Nana S.), bei dem Bild und Sprache unkonventionell in Beziehung gesetzt werden, erzählt die Geschichte einer jungen Prostituierten und bricht radikal mit den Konventionen des traditionellen Erzählkinos. Les Carabiniers (1962/63; Die Karabinieri) ist eine asketische Reflexion über den Krieg und wendet sich gegen die unzureichende Machart und die ihrem Gegenstand unangemessene Erzählhaltung konventioneller Kriegsfilme. Der Cinemascopefilm Le Mépris (1963; Die Verachtung, nach einem Roman von Alberto Moravia), eine Studie über das Filmemachen, besticht durch seine ungewöhnliche Farbdramaturgie und durch sein raffiniertes Spiel mit Zitaten und narrativen Brechungen bei relativer Handlungsarmut und wurde mit einem Starensemble realisiert. Die weibliche Hauptrolle übernahm Brigitte Bardot, das französische Sexsymbol der fünfziger Jahre; des Weiteren spielten Michel Piccoli, Jack Palance, der österreichische Regisseur Fritz Lang und Godard selbst in einer Nebenrolle. In Une femme mariée (1964; Eine verheiratete Frau) schildert er 24 Stunden im Leben einer jungen Frau und deren Entfremdung in der modernen, von der Werbeästhetik beeinflussten Lebenswelt. In Alphaville, une étrange aventure de Lemmy Caution (1965; Alphaville/Lemmy Caution gegen Alpha 60, mit Eddie Constantine) wandte sich Godard dem Sciencefictiongenre zu. Der Film, der unter Verwendung einer sehr kargen, am Film Noir orientierten Ästhetik inszeniert ist, erzählt die Geschichte des Geheimagenten Lemmy Caution, der in einer utopischen Stadt gegen die Vorherrschaft der Technokraten und den von ihnen installierten Super-Computer für eine lebenswerte Welt kämpft. Trotz der Einfachheit des Plots gelingt es Godard, eine alptraumhaft-klaustrophobische Atmosphäre zu erzeugen. Indem er die fiktive Stadt mit Attributen des Paris der sechziger Jahre ausstattet, deutet der Regisseur an, dass die vermeintlich in der Zukunft liegende Bedrohung in Ansätzen bereits Realität ist. Die Tragikomödie Pierrot le fou (1965; Elf Uhr nachts) knüpft thematisch an den Erstling À bout de souffle an; die Hauptrolle des jungen romantischen Mannes, der aus der bürgerlichen Gesellschaft ausbricht, übernahm erneut Jean-Paul Belmondo. Es folgten Masculin, féminin (1966; Masculin-Feminin oder: Die Kinder von Marx und Coca-Cola), Made in U.S.A. (1966; Made in U.S.A.) und Deux ou trois choses que je sais d'elle (1966; Zwei oder drei Dinge, die ich von ihr weiß). Godard entfernte sich mit seinen Filmen immer weiter von den Konventionen des traditionellen Erzählkinos. Seine Werke wurden zunehmend experimentell-essayistisch, und er begriff Film als Instrument zur politischen Stellungnahme. In der Regel enthalten seine Werke auch eine Reflexion des Mediums. Godard hatte mit seinen innovativen Werken großen Einfluss auf andere Filmemacher. In dem zornigen Film Weekend (1967; Weekend), in dem Godard ein pessimistisches Bild der bürgerlichen Gesellschaft zeichnet, gerät der Wochendausflug eines jungen Paares zur Katastrophe; die Szenen eines enthemmten Straßenverkehrs mit brennenden Autowracks und getöteten Menschen geraten zur Parabel auf die Destruktivität der bürgerlichen Gesellschaft. Diese Arbeit markiert auch einen Wendepunkt in Godards Schaffen. Ende der sechziger Jahre war Godard auch politisch aktiv, und er gründete zusammen mit linken Gesinnungsgenossen die Filmgruppe ,,Dsiga Wertow". Sein Engagement floss in sein Werk ein, in Filmen wie Ciné-tracts (1968), British Sounds (1969), Pravda (1969; Prawda), Le Vent d'Est (1969) und Lotte in Italia (1969; Kämpfe in Italien). One Plus One (1968; Eins plus Eins) entstand gemeinsam mit der britischen Rockband Rolling Stones und dokumentiert die Aufnahmen zu dem bekannten Song Sympathy for the Devil. In den siebziger Jahren vollzog Godard erneut einen Stilwandel, weiterhin entzog er sich der Ästhetik des ,,Mainstream"-Kinos. Dementsprechend war der kommerzielle Erfolg seiner Arbeiten gering, bei der Filmkritik steht Godard jedoch hoch im Kurs; er zählt mit seiner Innovationskraft unbestritten zu den bedeutendsten Filmemachern des europäischen Kinos. Nachdem sich der Regisseur von einem schweren Autounfall erholt hatte, realisierte er mit politischem Engagement den formal konventionellen Spielfilm Tout va bien (1972; Alles in Butter) mit den Stars Yves Montand und Jane Fonda, die für ihre links gerichtete politische Gesinnung bekannt waren. Letter to Jane (1972) ist die Analyse der politischen Implikationen eines im L'Express erschienenen Fotos von Jane Fonda in Vietnam im Zusammenhang mit den Protesten gegen den Vietnamkrieg. In Numéro deux (1975; Numéro 2), entstanden in Zusammenarbeit mit seiner Lebensgefährten Anne-Marie Miéville, schilderte er den Alltag einer Arbeiterfamilie mit Hinblick auf die Unterordnung der Frau. Dabei bediente er sich der Parallelmontage von Videobildern, einer Technik, mit der er in den vorangegangenen Jahren experimentiert hatte. Sauve qui peut (la vie) (1980; Rette sich, wer kann [das Leben]) leitete eine Phase ein, in der Godard tendenziell zugänglichere Arbeiten in die Kinos brachte. Passion (1982) schildert die Probleme eines Regisseurs, der mit seinem Filmprojekt nicht zu Rande kommt. Für die ungewöhnliche Mérimée-Adaption Prénom Carmen (1983; Vorname Carmen) mit Maruschka Detmers wurde Godard bei den Filmfestspielen von Venedig mit dem Goldenen Löwen ausgezeichnet. Der neomystische Film Je vous salue, Marie (1984; Maria und Joseph), eine moderne Mariengeschichte, stieß weitgehend auf Unverständnis und brachte dem Autor den Vorwurf der Blasphemie ein. Détective (1985; Detektive) ist ein leichthändig inszenierter Film über die zufällige Begegnung sehr verschiedener Menschen in einem Pariser Nobelhotel. In den neunziger Jahren entstanden Nouvelle Vague (1990; Nouvelle Vague), ein intellektuelles Spiel in virtuos gehandhabter Collagetechnik, Allemagne neuf zero (1991; Deutschland Neu[n] Null), eine filmische Reflexion über Deutschland unmittelbar nach der Wiedervereinigung, und Hélas pour moi (1993; Weh mir). 1980 veröffentlichte er das Buch Introduction à une véritable histoire du cinéma (Einführung in eine wahre Geschichte des Kinos, dt. 1981), in vier Büchern mit CDs erschien seine Histoire(s) du Cinéma (2000), eine ,,Filmgeschichte zum Hören". Beim 48. Filmfestival von Locarno wurde Jean-Luc Godard 1995 mit einem Ehren-Leoparden für sein Lebenswerk ausgezeichnet. Mit seinen gewohnt sperrigen Arbeiten Forever Mozart (1996), Éloge de l'amour (2001) und Notre musique (2004) verfolgte Godard weiterhin eine Ästhetik, die sich den Konventionen des Erzählkinos verweigert. Forever Mozart, eine intellektuelle Studie in suggestiv-poetischen Bildern, die mit dem berühmten österreichischen Komponisten nicht das Geringste zu tun hat, erzählt in vier Handlungssträngen von den Versuchen eines Regisseurs, einen Film über den Bosnienkrieg zu drehen und bietet eine anspruchsvolle Reflexion über die Rolle des Kinos zwischen Kunst und Politik. Éloge de l'amour, ein facettenreiches Mosaik, in dem die Liebe nur am Rande thematisiert wird, stellt die Selbstverständlichkeit in Frage, mit der gemeinhin die Wirklichkeit und ihre Abbilder in Beziehung gesetzt werden - ein Grundthema von Godards OEuvre. Das von Dantes Divina Commedia inspirierte Triptychon Notre musique bestätigt den singulären Rang Godards als eines kühnen, originellen Philosophen des Kinos. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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