Japan - geographie. 1 EINLEITUNG Japan (japanisch Nihon Koku: ,,Land der aufgehenden Sonne"), parlamentarische Monarchie in Ostasien. Die japanischen Inseln erstrecken sich in Form eines Doppelbogens auf etwa 3 000 Kilometer Länge (21 Breitengrade) zwischen der zu Russland gehörenden Insel Sachalin im Nordosten und Taiwan im Südwesten. Das Staatsgebiet umfasst folgende vier Hauptinseln: Hokkaido im äußersten Norden, die flächenmäßig größte Insel Honshu sowie die kleineren Inseln Shikoku und Kyushu im Südwesten. Das aus diesen vier Inseln bestehende Gebiet hat eine Fläche von 362 000 Quadratkilometern. Daneben zählt zu Japan der nach Südwesten an Kyushu anschließende Inselbogen der Ryukyu-Inseln einschließlich der Insel Okinawa. Von Japan beansprucht werden außerdem einige weitere, im Nordosten an Hokkaido anschließende Inseln, die zur Gruppe der Kurilen gehören und seit 1945 von Russland besetzt und verwaltet werden. Es handelt sich im Wesentlichen um die Inseln Kunashiri, Iturup und die Habomai-Gruppe. Insgesamt (einschließlich der umstrittenen Süd-Kurilen) umfasst Japan fast 4 000 Inseln mit einer Gesamtfläche von 377 837 Quadratkilometern; ohne die Kurilen beträgt die Fläche 372 769 Quadratkilometer. Im Norden grenzt Japan an das Ochotskische Meer, im Osten an den Pazifischen Ozean, im Süden an den Pazifischen Ozean und das Ostchinesische Meer und im Westen an die Koreastraße und das Japanische Meer (Östliches Meer). Tokyo ist die Hauptstadt Japans und zugleich größte Stadt den Landes. 2 LAND Die Inseln Japans sind die Gipfel einer riesigen Bergkette, die einst zum asiatischen Kontinent gehörte und die sich während des Känozoikums vom asiatischen Festland zu lösen begann. Die lange und schmale Hauptinsel Honshu misst an ihrer breitesten Stelle 241 Kilometer. Die japanische Küste ist im Verhältnis zur Fläche der Inseln ausgesprochen lang und weist mit ihren vielen Buchten und Meeresarmen eine Gesamtlänge von 29 751 Kilometern auf. Die Westküste von Kyushu am Ostchinesischen Meer bildet den unregelmäßigsten Teil der japanischen Küstenlinie. Einige schiffbare Meeresarme befinden sich an der Ostküste nördlich von Tokyo, aber im Süden der Bucht von Tokyo liegen die für die Schifffahrt günstigsten Buchten und natürlichen Häfen Japans. Zwischen Honshu, Shikoku und Kyushu liegt die so genannte Inlandsee mit vielen kleineren Inseln. Sie ist mit dem Pazifischen Ozean und über drei schmale Wasserstraßen, die nur selten von den Stürmen der offenen See erreicht werden, auch mit dem Japanischen Meer verbunden. Die Westküste der japanischen Inseln am beinahe gezeitenlosen Japanischen Meer verläuft relativ geradlinig und misst ungefähr 4 830 Kilometer; die einzigen größeren Einbuchtungen in der Küstenlinie sind die Buchten von Wakasa und Toyama auf der Insel Honshu. Japan ist ein sehr gebirgiges Land; die zahlreichen hohen Bergketten werden von tief eingeschnittenen Tälern getrennt. In einigen Regionen sind ausgedehnte Ebenen entwickelt. Wegen des stark und kleinflächig wechselnden Reliefs sowie des oft flachgründigen, felsigen Bodens werden lediglich 12,9 Prozent (2005) der Landesfläche landwirtschaftlich genutzt. 2.1 Physische Geographie Die japanischen Gebirge prägen die topographische Gestalt des Landes in besonderer Weise. Die Bergzüge erstrecken sich von Norden nach Süden bzw. Nordosten nach Südwesten über die gesamte Inselgruppe, wobei die zentrale Gebirgskette sich häufig in kleinere Nebengebirge verzweigt oder von niedrigeren Gebirgen flankiert wird. Die Berge erstrecken sich dabei häufig bis zur Küste und bilden dort Buchten. Der Norden der Insel Hokkaido wird von einem vulkanischen Gebirge eingenommen, das sich von den Kurilen her erstreckt. Dieses Gebirge verzweigt sich an der Uchiurabucht im Südwesten Hokkaidos in zwei Ketten, die auf der Nachbarinsel Honshu als zwei parallel verlaufende Gebirge ihre Fortsetzung finden. Die niedrigere Gebirgskette verläuft im Nordosten von Nord nach Süd und trennt das Tal des Flusses Kitakami vom Pazifischen Ozean. Das Hauptgebirge durchzieht Honshu von Norden her in Richtung Südwesten. In den zentralen Teilen der Insel trifft es auf andere, quer zur Hauptrichtung verlaufende Gebirgsketten; in den Tälern dieses Gebiets verläuft der Fluss Shinano. Diese höchste Gebirgsregion Japans nimmt einen Großteil Honshus ein und erstreckt sich etwa bis zur Einschnürung der Insel auf der Höhe von Nagoya. Hier befindet sich auch der höchste Gipfel Japans, der 3 776 Meter hohe Fujisan, ein großer Vulkankegel in der Nähe von Yokohama, der wegen seiner Form und seiner außergewöhnlichen Schönheit zu den beliebtesten Motiven japanischer Kunst zählt. Einer der Nebenzweige dieses zentralen Massivs wird wegen seiner landschaftlichen Prägnanz als Japanische Alpen (Hidaka Sanmyaku) bezeichnet; er befindet sich östlich der Stadt Toyama und hat im Yariga mit 3 180 Metern seinen höchsten Punkt. Weiter südlich ragt eine andere Gipfelreihe auf, deren höchster Berg der Shirane (3 192 Meter) ist. Nordöstlich des Fujisan dehnt sich die größte Ebene des Landes aus; in ihr liegen einige der größten Städte Japans, wie z. B. Tokyo und Yokohama. Ein weiteres Tiefland erstreckt sich an der schmalsten Stelle der Insel Honshu, es reicht vom Biwasee im Westen bis zur Bucht von Nagoya im Osten. Nach Süden schließt die Osaka-Ebene mit den Städten Kobe, Kyoto und Osaka an. Auch die Inseln Shikoku und Kyushu sind von verschiedenen Gebirgen durchzogen, obwohl die Gipfel hier weniger hoch sind. So misst etwa auf Shikoku der Ishizuchi als höchster Berg der Insel 1 981 Meter. Die japanischen Berge sind häufig vulkanischer Natur. Insgesamt sind etwa 200 Vulkane bekannt, von denen etwa 50 aktiv sind. In den Vulkanregionen finden sich zahlreiche Thermalquellen sowie Gebiete mit vulkanischen Gasemissionen. Da Japan im Bereich der Ränder zweier Kontinentalplatten - der Eurasiatischen und der Pazifischen - liegt, kommen sowohl Erdbeben als auch Vulkanausbrüche häufig vor. Beobachtungen haben ergeben, dass seismische Beben von geringer Stärke etwa dreimal pro Tag auftreten. Anhand geologischer Untersuchungen wurde festgestellt, dass sich die Westküste der japanischen Inseln vermutlich aufgrund dieser ständigen Belastung senkt, während sich die Pazifikküste hebt. An der Ostküste erstrecken sich die Erdbeben meist über große Flächen und werden häufig von Flutwellen, so genannten Tsunamis, mit verheerenden Folgen für die Küstenzonen begleitet. Diese Tsunamis gehen von untermeerischen Beben aus, deren Herd oft weit vor der Küste liegt. Ein Bebenherd scheint dabei in der Nähe der Ostküste von Honshu zu liegen, wo sich in acht Kilometer Tiefe ein riesiger Krater befindet. Das schwerste Erdbeben in der japanischen Geschichte fand 1923 statt; sein Zentrum lag in der Sagamibucht. Bei diesem Beben wurden die Städte Tokyo und Yokohama schwer beschädigt, und es kamen dabei einschließlich der Nachbeben 150 000 Menschen ums Leben. Bei dem schweren Erdbeben von 1995 wurden 5 000 Menschen getötet. Es erreichte die Stärke 7 auf der Richterskala und führte vor allem im Hafen der Stadt Kobe zu enormen Schäden. Ähnlich heftige Erdstöße wurden bei dem Beben vom Oktober 2000 registriert, dessen Epizentrum nahe Yonago lag. Dieses Erdbeben im Südwesten Japans forderte jedoch keine Todesopfer. 2.2 Flüsse und Seen Obwohl Japan reich an Fließgewässern ist, existieren im Landesinneren keine schiffbaren Ströme. Die größeren japanischen Flüsse haben je nach Jahreszeit eine sehr unterschiedliche Wasserführung. Im Frühling bzw. zur Regenzeit kommt es zu Überschwemmungen, während einige Flüsse in den trockenen Perioden austrocknen können. Dieser periodische Wechsel erfolgt in zum Teil kurzen Abständen, so dass lediglich extrem flache Boote auf den Flüssen fahren können. Der längste Fluss Japans ist der Shinano auf Honshu mit einer Länge von 367 Kilometern; weitere große Flüsse auf Honshu sind Tone, Kitakami, Tenryu und Mongami. Zu den wichtigen Flüssen auf Hokkaido zählen der zweitgrößte Fluss Japans, der Ishikari, sowie der Teshio und der Tokachi. Der Yoshino ist der längste Fluss auf Shikoku. Viele japanische Seen sind wegen ihrer malerischen Lage bekannt. Einige liegen in Flusstälern, aber bei der Mehrzahl handelt es sich um Bergseen. Die Seengebiete sind beliebte Erholungszentren. Der größte See Japans ist der Biwasee auf Honshu, der sich über eine Fläche von 670 Quadratkilometern erstreckt. 2.3 Klima Aufgrund der großen Nord-Süd-Ausdehnung und des gebirgigen Charakters des Landes ist das Klima in Japan sehr uneinheitlich. Die jährlichen Durchschnittstemperaturen reichen von 5 °C in Nemuro (Hokkaido) bis 16 °C auf Okinawa. Kurze Sommer und lange, kalte Winter kennzeichnen das Klima auf Hokkaido und im nördlichen Teil von Honshu. Die strenge Kälte im Winter wird größtenteils durch die aus Sibirien wehenden Nordwestwinde und den kalten Oyashio verursacht, einer aus dem Beringmeer kommenden Meeresströmung. Nach Süden werden die Winter durch den Einfluss des warmen Kuroshio-Stromes gemäßigter. In Shikoku, Kyushu und im südlichen Honshu sind die Sommer heiß und feucht, die klimatischen Bedingungen nehmen subtropische Züge an; die Winter sind hier bei geringen Schneefällen mild. Japan liegt im Einflussbereich der Monsunwinde, weshalb im Sommer vor allem an den pazifischen Küstengebieten hohe Niederschläge verzeichnet werden. Die mittleren Jahresniederschläge nehmen von Norden nach Süden zu; sie reichen von etwa 1 000 Millimetern auf Hokkaido bis rund 4 000 Millimeter in den Bergen des zentralen Honshu. Von Juni bis Oktober ziehen häufig tropische Zyklone, die in diesen Regionen als Taifune bezeichnet werden, über das Land hinweg. Sie können vor allem in den Küstengebieten große Schäden verursachen. 2.4 Flora Die große Vielfalt und Üppigkeit der japanischen Pflanzenwelt ist überwiegend auf die Wärme und Feuchtigkeit im Sommer und die gebietsweise milden Winter zurückzuführen. Ein weiterer Grund ist der Anteil Japans an mehreren Klimazonen aufgrund der großen Längsausdehnung des Gebiets. Mehr als 17 000 Pflanzenarten sind in Japan heimisch. Viele davon werden auch in zahlreichen anderen Ländern als Zierpflanzen kultiviert, darunter Zierkirschen, Zieräpfel, Chrysanthemen (die japanischen Nationalblumen) und Pfingstrosen. Besonders beliebt ist die Zeit der früh blühenden Pflaumen- und Kirschbäume, die den Frühling einläutet. Im April sind die japanischen Hügel mit Rhododendren und Azaleen in leuchtenden Farben übersät. Im August erscheinen die Blüten der Lotosblumen, und im November blühen Chrysanthemen. Weitere erwähnenswerte Wildpflanzen sind Primeln, Glockenblumen, Gladiolen und Lilien. Charakteristisch sind die ausgedehnten, oft waldartigen Bambushaine. Unter den Bäumen sind besonders die Nadelbäume häufig. Eine der bekanntesten Arten ist die japanische Sicheltanne , die Höhen bis 45 Meter erreicht. Ebenfalls heimisch sind hier Lärchen, Fichten und zahlreiche Kiefern-Arten. In Kyushu, Shikoku und im südlichen Honshu finden sich auch subtropische Bäume wie Kampfer- und Banyanbaum. Hier werden außerdem Teesträucher angebaut. Im zentralen und nördlichen Honshu entspricht die Baumvegetation derjenigen der gemäßigten Klimazone; hier gedeihen Buchen, Weiden, Kastanien und viele Nadelbäume. Maulbeerbäume werden in großem Umfang zur Seidenraupenzucht angebaut, ebenfalls die Lackbäume, die den Grundstoff für die berühmten japanischen (und chinesischen) Lackkunstarbeiten liefern. In Hokkaido ist die Vegetation eher borealer Natur und ähnelt derjenigen Südsibiriens. Fichten, Lärchen und bestimmte Kiefern zählen hier zu den häufigsten Bäumen, teilweise finden sich aber auch Erlen, Pappeln und Buchen. Die häufigsten in Japan angebauten Obstsorten sind Pfirsiche, Mandarinen, Birnen und Orangen. In Japan wird eine einzigartige Form der Landschaftsgärtnerei betrieben (siehe Gartengestaltung): In den dortigen Gärten finden sich häufig Miniaturreproduktionen natürlicher japanischer Landschaften. Eine weitere typische Kunst ist die Bonsai-Kultur, bei der durch sorgfältiges Zuschneiden und spezielle Pflanz- und Pflegemethoden Miniaturausgaben von Bäumen entstehen, die der charakteristischen Wuchsform entsprechen. 2.5 Fauna Da Japan zur paläarktischen Faunenregion gehört, ist es von vielen Arten besiedelt, die auch in Mitteleuropa vorkommen. Hier leben u. a. 140 Säugetierarten und 450 Vogelarten. Der Wolf wurde ausgerottet, die Verbreitung des Braunbären ist auf Schutzgebiete beschränkt. Auf der Insel Honshu lebt die Affenart mit der nördlichsten Verbreitung: der Rotgesichtsmakak, der im Winter gern in heißen Quellen badet. Rotfüchse gibt es in ganz Japan, zudem leben hier Dachs, Fischotter, Hermelin, Mauswiesel, Sibirisches Feuerwiesel und der unserem Seehund nahe verwandte Largha-Seehund. Zu den Paarhufern gehören Wildschwein, Sikahirsch und der Goral (eine Ziegenantilope). Kleinsäuger sind u. a. durch Schneehase, Sibirisches Streifenhörnchen, Eichhörnchen, Flughörnchen sowie Zwerg- und Waldmaus repräsentiert. Die Greifvogelfauna umfasst u. a. Seeadler, Fischadler, Mäusebussard, Graugesichtsbussard, Schwarzmilan, Sperber, Habicht, Wanderfalke und Turmfalke. An Gewässern leben Reiher (Grau-, Silber- und Seidenreiher), Kormoran, Kleiner Löffler und die Chinesendommel. Zu den in Japan beheimateten Hühnervögeln gehört die Japanische Wachtel. Aufgrund der langen Küstenlinien ist die Seevogelfauna mit Möwen, Enten und Watvögeln sehr artenreich. Zu den Singvögeln gehören die auch in Mitteleuropa weit verbreiteten Arten Feldsperling, Eichelhäher, Tannenhäher, Rauch- und Mehlschwalbe, Schwanzmeise und Kleiber. Ein bemerkenswerter Lurch ist der in Bergbächen lebende Riesensalamander, der über eine Länge von über einem Meter erreichen kann. Die Küstengewässer Japans bieten vielen Fischen wie Kabeljau, Thunfischen, Lachsen und Kugelfischen (die als Fugu gegessen werden) Lebensraum. 3 BEVÖLKERUNG Die Einwohnerzahl beträgt rund 127,29 Millionen (2008). Die Bevölkerungsdichte liegt bei 340 Einwohnern pro Quadratkilometer. Die Bevölkerung ist überaus homogen zusammengesetzt; mehr als 99 Prozent der Bewohner des Landes sind Japaner. Unter den nahezu eine Million Ausländern stellen Koreaner den größten Anteil, daneben lebt in Japan auch eine jeweils größere Anzahl von Chinesen, US-Amerikanern und Filipinos. Die Ainu, die wie die Japaner ebenfalls sehr früh Teile des Archipels besiedelten, leben heute überwiegend auf Hokkaido. Die traditionelle Kultur der Ainu ist jedoch zunehmend im Verschwinden begriffen. Der Urbanisierungsgrad ist in Japan sehr hoch; 66 Prozent der Bevölkerung leben in Städten (2005). Das Bevölkerungswachstum beträgt durchschnittlich -0,14 Prozent im Jahr (2008). Die mittlere Lebenserwartung liegt für Männer bei 78,7 Jahren und für Frauen bei 85,6 Jahren (2008). 3.1 Wichtige Städte Tokyo, das Finanz- und Wirtschaftszentrum des Landes, hat eine Einwohnerzahl von 8,34 Millionen (2007); in der Agglomeration leben rund 35 Millionen Menschen. Weitere große Städte sind Yokohama (3,56 Millionen Einwohner) mit einem bedeutenden Seehafen und Werften, ein Industriezentrum, das sich überwiegend auf chemische Produkte, Maschinenbau, Metall- und Rohölprodukte konzentriert; Osaka (2,51 Millionen Einwohner) mit einem wichtigen Seehafen und Flugplatz ist eines der größten Bankzentren Japans; Nagoya (2,15 Millionen Einwohner) ist ein Produktionszentrum mit Schwerpunkt auf Lackprodukten, Textilien und Tonwaren; Kyoto (1,39 Millionen Einwohner) ist die historische Hauptstadt des Landes, ein Zentrum der Schwerindustrie und berühmt wegen seiner kunsthandwerklichen Produkte, einschließlich Seidenbrokat und Textilien; Kobe (1,50 Millionen Einwohner) ist mit seinen vielen Werften der wichtigste Seehafen und weltweit der zweitgrößte Güterumschlaghafen. Neben diesen wichtigen Städten gibt es 75 weitere Städte mit einer Einwohnerzahl von mehr als 250 000. 3.2 Sprache und Religion Die Amtssprache ist Japanisch. Als internationale Geschäftssprache dient auch Englisch, das viele Japaner beherrschen. Obwohl das gesprochene Japanisch nur entfernt mit dem gesprochenen Chinesisch verwandt ist, gibt es in der japanischen Schrift viele chinesische Zeichen, die schon vor langer Zeit übernommen wurden. Die Japaner verwenden zwei phonetische Alphabete, Hiragana und Katakana, deren Zeichen Vereinfachungen chinesischer Zeichen sind. Ein drittes phonetisches Alphabet, das als R? maji bezeichnet wird, besteht aus lateinischen Buchstaben. Die Glaubensrichtung mit den meisten Anhängern in Japan ist der Shintoismus, eine Religion, die auf Ahnenkult und Verehrung von Naturgottheiten basiert. Sie teilt sich in über 200 verschiedene Richtungen auf. Daneben ist in Japan auch der Buddhismus mit ebenfalls mehr als 200 unterschiedlichen Strömungen stark vertreten, von denen besonders die des Soka-gakkai zu erwähnen ist. Zum Christentum bekennen sich lediglich 4 Prozent der Bevölkerung. Charakteristisch für die Japaner ist, dass sie häufig mehreren Religionen angehören. So bekennt sich etwa die Mehrheit der Shintoisten auch zum Buddhismus. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde der Shintoismus zur Staatsreligion, wobei dem Kaiser als Gott geopfert wurde und die Japaner sich göttlicher Abstammung wähnten. Alle Japaner, unabhängig von ihrer jeweiligen Glaubensrichtung, mussten damals in shintoistischen Schreinen opfern. 1946 schafften die alliierten Besatzungsmächte den Shintoismus in dieser Form ab. Am 1. Januar 1946 musste Kaiser Hirohito öffentlich auf alle Göttlichkeitsansprüche verzichten. Die 1947 verabschiedete Verfassung stellte die absolute Religionsfreiheit wieder her und beendete damit die Funktion des Shintoismus als Staatsreligion. 3.2.1 Feiertage Das japanische Neujahr am 1. Januar wird Ganjitsu genannt. In Japan dauert das Neujahrsfest, Oshogatsu, drei Tage. Der 15. Januar ist der Tag der Mündigkeitserklärung (Seijin no Hi), an dem all jene besonders geehrt werden, die in dem jeweiligen Jahr ihren 20. Geburtstag feiern. Der Staatsgründungstag ( Kenkoku Kinen no Hi) am 11. Februar erinnert an die Gründung Japans im Jahr 660 v. Chr. Zur Frühjahrs-Tagundnachtgleiche ( Shunbun no Hi), um den 21. März, wird die Ankunft des Frühlings gefeiert. An dem Tag des Grüns (Midori no Hi), dem 29. April, widmet man sich der Schönheit der Natur. Der 3. Mai ist der Tag der Verfassung ( Kemp? Kinenbi), der 5. Mai der Tag der Kinder (Kodomo no Hi). Der 15. September ist der Ehrentag der alten Menschen (Keir? no Hi). Zur Herbst-Tagundnachtgleiche (Sh?bun no Hi) um den 23. September feiert man die Ankunft des Herbstes und ehrt die Ahnen der Familie. 1966 wurde der 10. Oktober zum nationalen Tag für Gesundheit und Sport ( Taiiku no Hi) erklärt; er soll auch an die Eröffnung der 18. Olympischen Spiele in Tokyo erinnern. Am 3. November, dem Tag der Kultur ( Bunka no Hi), verleiht die Regierung Medaillen an Personen, die sich besonders um die Künste und Wissenschaften verdient gemacht haben. Der 23. November ist der Tag der Arbeit ( Kinr? Kansha no Hi). Am 23. Dezember wird dem Geburtstag des Kaisers Akihito (Tenn? Tanj?bi) gedacht. 3.3 Soziales Etwa 18 Prozent des jährlichen Staatshaushalts werden für Zwecke der sozialen Sicherung aufgewendet. Ein Krankenversicherungssystem gibt es in Japan seit 1927. Die sozialstaatlichen Leistungen wurden seit dem 2. Weltkrieg deutlich ausgeweitet. Eine Gesetzgebung aus den Nachkriegsjahren sieht eine staatliche Unterstützung für einkommensschwache Personen vor, ferner gibt es soziale Beihilfen für Behinderte, ein Rentenversicherungsgesetz, ein Gesetz zur Fürsorge für altersschwache Personen, ein Mutterschafts- und ein Kinderschutzgesetz. Die gesamte Bevölkerung ist durch verschiedene Versicherungssysteme sozial abgesichert. Die arbeitende Bevölkerung tritt meist im Alter von 55 Jahren in den Ruhestand und erhält dann eine Rente in Höhe von 40 Prozent des Gehalts. Die medizinische Versorgung ist im Allgemeinen hervorragend. Für 497 Einwohner steht ein Arzt zur Verfügung. Die Kindersterblichkeitsrate ist mit 3 Sterbefällen pro 1 000 Lebendgeburten (2008) extrem niedrig. 4 BILDUNG UND KULTUR Die japanische Kultur entwickelte sich mit den ersten Kontakten der Inselbewohner zu den Zivilisationen in China und Korea. Aus China übernahmen die Japaner neue Handwerkstechniken und das anfängliche System der Schriftsprache. Die Übernahme der Schriftzeichen lässt sich nicht genau zurückdatieren, liegt aber vermutlich in der Zeit um 400 n. Chr. Koreanische Schreiber verwendeten damals für ihre Berichte an den japanischen Kaiserhof chinesische Ideogramme. Die Bildung im alten Japan war jedoch viel aristokratischer als das chinesische Ausbildungssystem. In Japan unterhielten die Adelsfamilien ihre eigenen Privatschulen. Während der militärisch-feudalen Periode des Mittelalters erlangten die buddhistischen Tempel eine große Bedeutung im Ausbildungsbereich. Unter dem Tokugawa-Schogunat (1603-1868) blühten die Schulen im ganzen Land auf und schufen ein Bildungsniveau, das in den vormodernen Gesellschaften seinesgleichen sucht. Mit Beginn der Herrschaft von Kaiser Meiji (1868-1912) fanden die so genannten Meiji-Reformen statt, die Japan einer radikalen Umwandlung im gesamten Bildungsbereich sowie in sozialer und wirtschaftlicher Hinsicht unterwarfen. Das erste Erziehungsministerium wurde 1872 gegründet; im selben Jahr verabschiedete man ein umfassendes Bildungsgesetz, das die allgemeine Grundschulausbildung vorsah. Die Regierung sandte pädagogische Delegationen nach Europa und Amerika, um neue erzieherische Ansätze kennen zu lernen; ausländische Pädagogen wurden eingeladen, führten ihre Erziehungsprogramme durch und änderten das japanische Schulsystem. In dieser Periode der Neuorientierung wurde im Jahr 1877 die Universität Tokyo gegründet. Als Ergebnis dieser Reformen etablierte sich Japan als moderne Nation mit einem vollständigen Schulsystem, das in seinen Grundzügen denen der westlichen Nationen entsprach. Die Niederlage Japans im 2. Weltkrieg führte erneut zu Änderungen im Bildungsbereich: Angeregt wurden sie durch eine Gruppe von Pädagogen, die 1946 die USA bereiste. Einige dieser Vorschläge wurden auch nach der Wiederherstellung der japanischen Souveränität 1952 beibehalten. Die Verbreitung nationalistischer Ideologien wurde aus den Schulzimmern verbannt, dagegen wurde das Studium der Sozialwissenschaften betont und im Unterricht die Betonung der individuellen Persönlichkeit gezielt gefördert. 4.1 Bildung und Schulwesen Die japanischen Schulen und Hochschulen unterstehen dem Erziehungsministerium. Das Schulsystem basiert auf einem Grundgesetz zur Bildung aus dem Jahr 1947; dieses Gesetz wurde in den folgenden Legislaturperioden nachgebessert, um allen Studenten eine Ausbildung an einer höheren Schule zu ermöglichen. Zu den immerwährenden Problemen der japanischen Lehrer zählt die Unterrichtung der schwierigen und komplexen japanischen Sprache, die aus einem Zusammenspiel dreier verschiedener Schriften besteht. Der Schulbesuch in Japan ist für die Dauer von 10 Jahren Pflicht und kostenfrei. Vorgesehen sind sechs Jahre Grundschule und drei Jahre Mittelschule. Darüber hinaus ist der Besuch einer Ausbildungseinrichtung freiwillig. Für die Weiterbildung werden geringe Gebühren erhoben; dies gilt auch für die staatlichen Gymnasien und die öffentlichen Hochschulen. Es gibt Technik-, Handels- und Berufsschulen sowie schulische Einrichtungen für körperlich Behinderte. Privatschulen sind weit verbreitet und stellen eine beliebte Ergänzung zu dem stark leistungsorientierten staatlichen Bildungssystem dar. In Japan gibt es etwa 60 staatliche (früher kaiserliche) Universitäten und daneben auch eine große Anzahl privater Hochschulen. Zu den größten Universitäten zählen die Universität Tokyo (gegründet 1877), die private Nihon-Universität ebendort (1899), die ebenfalls private Doshisha-Universität in Kyoto (1875), die Universität Kyoto (gegründet 1897) und die private Fukuoka-Universität in Osaka (1934). Das Bildungssystem in Japan ist hoch entwickelt. Die Analphabetenrate liegt unter 5 Prozent. Das Erlernen der englischen Sprache ist in allen Hauptschulen Pflicht. 4.2 Kultureinrichtungen In Tokyo befinden sich die meisten wichtigen Bibliotheken des Landes. Dazu zählt auch die Nationale Reichstagsbibliothek, die zugleich als internationale Buchbörse und Informationszentrum in Japan dient. Sie ist in sieben Abteilungen gegliedert und umfasst insgesamt 9,4 Millionen Bände. Zu den bedeutenden universitären Bibliotheken in Tokyo gehören diejenige der Universität Tokyo sowie die Bibliotheken der Universitäten Meiji und Nihon. Große Sammlungen sind auch in den Provinzbibliotheken zu finden. Mit Ausnahme einiger moderner Galerien in den Großstädten, befinden sich die Museen in Japan häufig in Tempeln oder Schreinen oder sind in Privat- bzw. Firmenbesitz. Zu den bekanntesten zählt der Myohoin-Tempel in Kyoto. Das größte Kunstmuseum Japans ist das Tokyoter Nationalmuseum. Die wichtigsten Spezialsammlungen Tokyos befinden sich im Kalligraphischen Museum, dem Nationalmuseum für westliche Kunst, dem Meiji-Schrein-Schatzmuseum und dem Museum für Japanische Volkskunst. Darüber hinaus sind in beinahe jeder größeren Stadt Museen mit ständigen oder wechselnden Ausstellungen zu besichtigen. 4.3 Kunst und Musik Wie die japanische Kultur war auch die japanische Kunst vor allem in der Frühzeit maßgeblich von den Hochkulturen in China und Korea geprägt. Erst in der Heian-Periode (794-1185) ließ der chinesische Einfluss deutlich nach, und es bildeten sich spezifisch japanische Elemente aus. Diese Periode wird daher allgemein als klassische Epoche Japans bezeichnet. Einflüsse des alten China finden sich vor allem in der japanischen Sprache, die viele chinesische Zeichen und Lehnwörter verwendet, aber auch in der japanischen Literatur und der japanischen Musik. Die Religion, insbesondere der Buddhismus, hat im kulturellen Leben Japans eine wichtige Rolle gespielt und das frühe japanische Theater wesentlich geprägt. Westliche Einflüsse gewannen erst ab dem 19. Jahrhundert an Bedeutung. Heute gibt es sowohl rein westliche Kulturelemente als auch Vermischungen. Siehe auch japanischer Film; Sumo-Ringen; Geisha 4.4 Medien Es erscheinen 108 Tageszeitungen, deren Gesamtauflage bei etwa 72,70 Millionenliegt (1996) - die japanischen Tageszeitungen haben eine der höchsten Gesamtauflagen der Welt. Die größten Tokyoter Tageszeitungen sind Asahi Shimbun und Yomiuri Shimbun. 5 VERWALTUNG UND POLITIK Japan wird gemäß der Verfassung von 1947 regiert, die letztmals 1994 geändert wurde. Diese Verfassung, die unter der Aufsicht der alliierten Mächte nach dem 2. Weltkrieg entstand, legt als Staatsform eine parlamentarische Monarchie fest, in der der Kaiser nicht mehr Oberhaupt des Staates ist, sondern ihn eher symbolisch vertritt und lediglich repräsentative Funktionen innehat. 5.1 Exekutive Zwischen 1889, als die erste moderne japanische Verfassung verabschiedet wurde, und dem Ende des 2. Weltkrieges im Jahr 1945 befand sich die oberste Exekutivgewalt offiziell in der göttlichen und unantastbaren Person des Kaisers, des so genannten Dai Nippon Teikoku Tenno (,,Kaiser des großen japanischen Reiches"; Tenno bedeutet ,,himmlischer [Herrscher]"). Der Titel ist erblich und wird jeweils an den ersten männlichen Nachfolger der Kaiserfamilie übergeben. Steht kein Nachfolger zur Verfügung, kann der Kaiser auch aus der Mitte der vier Fürstenfamilien gewählt werden, die innerhalb des Kaiserhauses denselben Status innehaben. Kaiser Akihito, der den Thron im Jahr 1989 übernahm, ist der 125. Tenno Japans. Seit In-Kraft-Treten der neuen Verfassung von 1947 liegt die tatsächliche Exekutivgewalt in Händen des Kabinetts, dessen 20 Mitgliedern der Ministerpräsident vorsteht. Er ist Mitglied des Parlaments und wird von diesem gewählt. Zu seinen Aufgaben gehören Ernennung und Entlassung der Minister. 5.2 Legislative Die legislative Gewalt liegt bei einem aus zwei Kammern bestehenden Parlament (Kokkai): dem Oberhaus (Sangi-in) mit 252 Sitzen und dem Unterhaus (Shugi-in) mit ursprünglich 511 Sitzen. Die Minister des Kabinetts sind dem Kaiser gegenüber verantwortlich und werden von diesem offiziell ins Amt berufen. Die Abgeordneten des Unterhauses werden alle vier Jahre neu gewählt (im Januar 1994 wurde das Wahlgesetz für das Unterhaus reformiert und die Anzahl der ursprünglich 511 Mitglieder auf 500 reduziert); im Februar 2000 erfolgte eine weitere Verringerung der Zahl der Mandate auf 480. Die Wahl der Mitglieder des Oberhauses erfolgt im sechsjährigen Turnus, wobei alle drei Jahre jeweils die Hälfte der Mitglieder gewählt werden. Das Unterhaus ist das mächtigere der beiden Häuser des Parlaments. Alle Entscheidungen des Oberhauses müssen vom Unterhaus angenommen werden. Alle japanischen Bürger über 20 Jahre sind wahlberechtigt. 5.3 Judikative Höchste juristische Instanz Japans ist der Oberste Gerichtshof, der von der Verfassung vorgeschrieben ist; er besteht aus einem höchsten Richter, der vom Kaiser auf Empfehlung des Kabinetts ernannt wird, sowie aus 14 weiteren Richtern, die ebenfalls vom Kabinett bestellt werden. Dieser Instanz untergeordnet sind Oberlandesgerichte, Landgerichte, denen mehrere Zweiggerichte untergeordnet sind, Familiengerichte und Amtsgerichte. Der Oberste Gerichtshof ist letzte Instanz für alle zivilen Klagen und Strafrechtsfälle, darüber hinaus hat er die Autorität, über die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen oder Exekutivmaßnahmen zu entscheiden. Die Oberlandesgerichte dienen als Berufungsinstanz für Zivil- und Strafrechtsfälle aus den unteren Gerichtshöfen. Die Familien- und Amtsgerichte entscheiden ausschließlich in erster Instanz. Alle Polizeikräfte in Japan unterliegen der Kontrolle durch die Zentralregierung. Obwohl per Verfassung und Gesetz genaue Rechtsgrundlagen bestehen, ist die japanische Rechtsprechung deutlich flexibler als diejenige westlicher Länder, denn in vielen Fällen sind nach wie vor soziale Sanktionen in der sehr auf Gruppenzugehörigkeit bauenden japanischen Gesellschaft wirkungsvoller als tatsächliche Verurteilungen nach geltendem Recht. 5.4 Kommunalverwaltung Japan ist in 47 Präfekturen gegliedert, wobei Hokkaido eine eigene Präfektur bildet und Tokyo, Osaka und Kyoto Stadtpräfekturen darstellen. Jede Präfektur wird von einem gewählten Gouverneur regiert und verfügt über ein eigenes Parlament. Jede Gemeinde innerhalb einer Präfektur verfügt ebenfalls über ein vom Volk gewähltes Parlament. Die Gemeinden haben relativ weit reichende Befugnisse. Sie sind u. a. für die öffentlichen Erziehungseinrichtungen und die Steuererhebungen zuständig. 5.5 Politische Parteien Die wichtigsten politischen Parteien in Japan sind die Liberaldemokratische Partei (LDP), die Neue Fortschrittspartei (NFP), die Sozialdemokratische Partei Japans (SDP, vor 1991 Sozialistische Partei Japans), die Demokratische Partei (DPJ), die Liberale Partei (LP), die Partei der Buddhisten (Komeito) und die Kommunistische Partei (KPJ). 5.6 Verteidigung Die Nationale Polizeireserve wurde unter der Besatzung der Alliierten 1950 gegründet und bildet den Kern der japanischen ,,Selbstverteidigungsstreitkräfte". Diese wurden nach Wiedererhalt der japanischen Souveränität weiter ausgebaut. Armee, Marine und Luftwaffe umfassen zusammen etwa 239 900 Soldaten (2004). Die Streitkräfte rekrutieren sich aus Freiwilligen - es herrscht keine Wehrpflicht. Das Land verfügt darüber hinaus über eine eigene Küstenwache. 6 WIRTSCHAFT Vor dem 2. Weltkrieg lag die japanische Wirtschaft in den Händen einiger weniger wohlhabender Familien, die als Zaibatsu bezeichnet wurden. Die bedeutendsten dieser Familien waren die Mitsui, Iwasaki (sie agierten unter dem heute noch bestehenden Firmennamen Mitsubishi), Sumitomo und Yasuda. Diese Familien kontrollierten den größten Teil der Kohle-, Eisen-, Zellstoff- und Aluminiumindustrie. In den Jahren 1945 und 1946 wurde das Familieneigentum dieser riesigen Gesellschaften während der alliierten Besatzung aufgelöst. Die Firmen blieben jedoch intakt und haben seitdem eine noch größere Wirtschaftsmacht gewonnen, denn die Geschäftsbereiche wurden auch auf die Sektoren Schiffbau, Banken und andere Industrien ausgedehnt. Besonders in den achtziger Jahren ist die japanische Wirtschaft enorm expandiert. Das industrielle Hauptaugenmerk Japans hat sich dabei von der Leichtindustrie auf die Schwerindustrie, die chemische und die Elektronikindustrie verlagert, die zusammen etwa zwei Drittel des jährlichen Gesamtexports produzieren. Ebenfalls bedeutend sind die japanische Automobilindustrie sowie der Schiffbau. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) beträgt 4 368 Milliarden US-Dollar (2006), woraus sich ein BIP pro Kopf von 34 193,60 US-Dollar ergibt (Dienstleistungen 68,1 Prozent, Industrie 30,2 Prozent, Landwirtschaft 1,7 Prozent). 66 Prozent der Erwerbstätigen sind im Dienstleistungssektor beschäftigt, 28 Prozent in der Industrie und 4 Prozent in der Landwirtschaft. Die Inflationsrate liegt bei -0,90 Prozent (2006), die Wachstumsrate bei 2,20 Prozent (2006). Von 1987 bis 1991 boomte Japans Wirtschaft, das Land galt als der Motor der weltwirtschaftlichen Konjunkturentwicklung. Etwa 1991/92 setzte jedoch eine Rezession ein, die Mitte der neunziger Jahre leicht abgeschwächt werden konnte, aber schließlich 1997 in den schwersten Konjunktureinbruch seit der Ölpreiskrise (1974/75) mündete. Durch die so genannte Asienkrise wurde Japans Wirtschaft zusätzlich belastet. 6.1 Landwirtschaft Die Anbaugebiete Japans sind relativ sind klein. Dafür weist Japan einen der höchsten Ernteerträge pro bewirtschaftetem Land in der Welt auf. Etwa 70 Prozent des eigenen Nahrungsmittelbedarfs werden im Land erzeugt. Der Anteil der ländlichen Bevölkerung ist in den letzten Jahren stark zurückgegangen; dennoch hat sich die Bedeutung der Landwirtschaft nicht verändert. Etwa 40 Prozent der Landwirtschaftsfläche werden für den Reisanbau verwendet, der über ein Drittel der Gesamternte beträgt. Reis bildet nach wie vor den Grundstock der japanischen Ernährung; Änderungen in den Ernährungsgewohnheiten und die Entwicklung besserer Anbauverfahren haben jedoch zu einer unübersehbaren Überproduktion geführt. Weizen, Gerste und Sojabohnen zählen ebenfalls zu den wichtigsten Ernteerzeugnissen. Weitere Anbauprodukte sind Kartoffeln, Zuckerrüben, Zuckerrohr, Rettich, Kohl, Süßkartoffeln, Chinakohl, Zwiebeln, Tomaten und Gurken sowie Mandarinen und andere Zitrusfrüchte, Melonen, Äpfel und außerdem Tabak. Von großer Bedeutung ist der Anbau von Tee, der vorwiegend für den innerjapanischen Gebrauch produziert wird. Da die Landfläche für die Bewirtschaftung begrenzt und entsprechend wertvoll ist, steht für die Viehzucht nur wenig Fläche zur Verfügung. Dennoch werden etwa 9 620 000 Schweine, 4 391 000 Rinder und 306 000 000 Stück Geflügel gehalten. Die landwirtschaftlich genutzten Gebiete sind in kleinere Gehöfte aufgeteilt, wovon 70 Prozent nur etwa einen Hektar Fläche oder noch weniger umfassen. Die meisten Bauern sind zumindest zeitweise auch noch in der Industrie beschäftigt. Das Land wird intensiv genutzt, und der größte Teil der Höfe ist mit Elektrizität und modernsten Geräten ausgestattet. Ernten sind durch den Einsatz von Kunstdünger und verbesserte Anbauverfahren zwei- oder dreimal jährlich möglich, obwohl dies die Böden stark beansprucht. Insgesamt zählt die japanische Landwirtschaft zu den effektivsten der Welt. 6.2 Forstwirtschaft und Fischerei Etwa 65,8 Prozent der Gesamtfläche Japans sind bewaldet; davon nehmen die Nadelholzbestände etwa zwei Fünftel ein. Ungefähr zwei Drittel der Waldgebiete sind in Privatbesitz. Obwohl Japan bei der Gewinnung von Nutzhölzern zu den ersten Nationen der Welt zählt, zwingt der ständig wachsende Bedarf im Inland auch zum Import von großen Holzmengen. Fisch ist ein Grundnahrungsmittel in Japan und lässt sich in seiner Bedeutung beinahe mit dem Reis vergleichen. Daher gehört der Fischfang und die Fischverarbeitung zu einem der wichtigsten Wirtschaftsbereiche im Land. Beliefert wird sowohl das Inland als auch das Ausland. Die japanische Fischereiflotte gehört zu den größten der Welt. Die Fischereiindustrie lässt sich in drei Kategorien unterteilen: die Binnen-, die Küsten- und die Hochseefischerei. Die Binnenfischerei wird mit Booten mittlerer Größe durchgeführt und sorgt für einen wesentlichen Anteil am gesamten Fang, der sich auf etwa ein Viertel der Gesamtproduktion beläuft. Die Hochseefischerei wird mit großen Fangschiffen vorgenommen, die in den Fischgründen der internationalen Gewässer tätig sind. In diesem Bereich wird ebenfalls ungefähr ein Viertel des Gesamtertrags erbracht. Die Küstenfischerei, von kleineren Booten mit Hilfe von Netzen oder mittels Zuchttechniken betrieben, erbringt die Hälfte des gesamten japanischen Fischfangs; die Erträge sind allerdings insbesondere wegen der Verschmutzung der Küstengewässer rückläufig. Zu den am häufigsten gefangenen Meerestieren zählen Sardinen, Thunfische, Seehechte, Lachse, Pollack, Makrelen, Eidechsenfische, Meerbrassen, Krabben, Garnelen, Tintenfische, Venusmuscheln und Austern. Daneben zählt Japan zu den wenigen noch aktiven Walfangnationen der Welt. Außerdem werden große Mengen an Tang und anderen Meeresalgen geerntet, die auch als Nahrungsmittel dienen. 6.3 Bergbau Japan verfügt zwar über eine Vielzahl an mineralischen Bodenschätzen, jedoch reichen die Abbaumengen kaum zur Deckung des inländischen Bedarfs aus. Daher muss das Land zahlreiche Rohstoffe - vor allem Erdöl zur Energieversorgung - importieren. In Japan werden in kleinen Mengen Kohle, Kupfer-, Blei-, Zink- und Eisenerz sowie Quarz und Kalkstein gefördert. 6.4 Industrie Nachdem die japanische Industrie durch die Angriffe im 2. Weltkrieg schweren Schaden erlitten hatte, erfolgte in der Zeit des Wiederaufbaus eine komplette Modernisierung der Produktionsanlagen, weshalb Japan schon damals über einen modernen Grundstock bei den Industrieanlagen verfügte - ein mitentscheidender Faktor für den folgenden Wirtschaftsboom. Beim Wiederaufbau wurde vor allem der chemischen und petrochemischen Industrie und dem Maschinenbau Vorrang eingeräumt. Mitte der fünfziger Jahre hatte die industrielle Produktion das Vorkriegsniveau bereits überholt; die jährlichen Zuwachsraten im Produktionssektor betrugen in der Zeit zwischen 1965 und 1980 etwa 9,5 Prozent und in der Periode von 1980 bis 1988 immer noch beachtliche 6,7 Prozent. Bis Mitte der neunziger Jahre war Japan zur führenden Schiffbaunation in der Welt aufgestiegen und zählte auch in den Bereichen der Produktion elektrischer und elektronischer Geräte - darunter vor allem Uhren, Videorecorder, Fernsehgeräte, Kameras, Mikrowellengeräte, Kühlschränke, Faxgeräte, Computer und Kopiergeräte - sowie in der Stahlverarbeitung und Automobilherstellung zu den führenden Ländern. Unterstützt durch den starken Yen konnten japanische Gesellschaften zunehmend in Industrieanlagen im Ausland investieren. Mitte der neunziger Jahre zählte Japan außerdem zu den führenden Produzenten chemischer Grundstoffe. Auch in der Textilindustrie rangiert Japan an vorderster Stelle und nimmt bei der Herstellung von synthetischen Fasern weltweit den dritten Platz ein. Seide und Baumwolle nahmen in dieser Periode jedoch an wirtschaftlicher Bedeutung ab. 6.5 Währung und Bankwesen Die 1882 gegründete Bank of Japan ist die Zentralbank und fungiert als Steuerregulierungs-Instrument für die Regierung; daneben gibt sie als einzige Institution die Währung aus. Das Herz des Bank- und Finanzwesens bilden weitere 85 Handelsbanken. Die Tokyoter Börse zählt zu den zentralen Finanzmärkten der Welt. Währungseinheit ist der Yen, der aus 100 Sen besteht. Vor allem im Zuge der Konjunktur- und der so genannten Asienkrise kam es gegen Ende des 20. Jahrhunderts zu einer ganzen Serie von Insolvenzen im Finanzwesen. Besonders im Bereich Bankwesen mussten einige Unternehmen 1997 Konkurs anmelden. 6.6 Außenhandel Vor dem 2. Weltkrieg lag Japan im Welthandel an fünfter Stelle. 1939 beliefen sich die japanischen Exporte auf 928 Millionen US-Dollar und die Importe auf 757 Millionen US-Dollar. Die meisten Exporte gingen an Länder, die der Kontrolle des japanischen Kaiserreiches unterstanden, z. B. die Mandschurei und die besetzten Gebiete in China. Der Außenhandel mit anderen Ländern, etwa den Vereinigten Staaten und Großbritannien, war damals gering. Die Handelsbilanz mit den Vereinigten Staaten war zu jener Zeit negativ, die Importe lagen um 70 Millionen US-Dollar höher als die Exporte in die USA. Obwohl die Wirtschaft in den vergangenen Jahren stagnierte, ist die Handelsbilanz deutlich positiv. Japan belegt den dritten Platz unter den Exportnationen. Die im Land produzierten Waren wurden zu 90 Prozent für den Export hergestellt. Der Import von Rohöl und Erdölerzeugnissen nimmt 13 Prozent des Gesamtimports ein. Weitere wichtige Importgüter sind Maschinen und Ausrüstungen, Nahrungsmittel und Tiere, Grundstoffe für die Produktion (wie Textilstoffe, Eisen und Stahl, chemische Produkte) sowie Rohmaterialien (z. B. Holz). Bis 1993 waren Reisimporte verboten, aber die karge Ernte in den Jahren 1993 bis 1994 zwang Japan zu Reisimporten in Höhe von einer Million Tonnen aus Thailand, Australien und den Vereinigten Staaten. Die Abschlüsse der Uruguay-Runde im Jahr 1993 und die Gespräche der GATT-Runde erwirkten eine teilweise Zurücknahme der Importbeschränkungen. Die asiatischen Länder liefern 42 Prozent der japanischen Importe und übernehmen 33 Prozent der japanischen Exporte. Zu den führenden Handelspartnern Japans im asiatischen Raum zählen Südkorea, China (mit Hongkong), Indonesien, Singapur sowie Saudi-Arabien. Aus Ländern der Europäischen Union - insbesondere Deutschland, Frankreich und Großbritannien - kommen 13 Prozent der japanischen Importe, während dorthin 17 Prozent der japanischen Exporte geliefert werden. Die Vereinigten Staaten übernehmen 28 Prozent der japanischen Exporte und liefern 22 Prozent der Importe. Weitere wichtige Handelspartner für Japan sind Australien, Kanada und Russland. 6.7 Gewerkschaften Nach dem 2. Weltkrieg wuchs die Anzahl der Mitglieder in den japanischen Gewerkschaften sprunghaft an. 1946 wiesen die 12 000 verschiedenen Gewerkschaften insgesamt 3,7 Millionen Mitglieder auf. Bis Ende der siebziger Jahre hatte sich die Anzahl der Gewerkschaften auf 70 000 erhöht, deren Mitgliederzahl mehr als 12,5 Millionen und damit 30 Prozent der gesamten beschäftigten Bevölkerung beträgt. 1987 schlossen sich die wichtigsten Gewerkschaftsverbände aus der Privatindustrie zu einem Dachverband zusammen, der die Bezeichnung ,,Nationale Föderation der Gewerkschaften in der Privatindustrie" trägt und auch als Rengo bekannt ist. 6.8 Verkehrswesen Japan verfügt über eine gut ausgebaute Infrastruktur, obwohl die ausgeprägte Topographie die verkehrstechnische Erschließung des Landes stark erschweren. Die wichtigsten Eisenbahnstrecken wurden 1907 verstaatlicht, 1987 reorganisiert und in den privaten Besitz zurückgeführt. Mit dem Bau des berühmten Hochgeschwindigkeitszuges Shinkansen wurde Anfang der sechziger Jahre begonnen; er verbindet die Stadtregionen Osaka und Tokyo miteinander, wurde 1964 in Betrieb genommen und ist tägliches Beförderungsmittel vieler Menschen zwischen Arbeit und Wohnstätte. Später wurden die Hochgeschwindigkeitstrassen auf eine Gesamtlänge von nunmehr 7 000 Kilometer ausgebaut. Das japanische Straßennetz ist zu zwei Dritteln asphaltiert. Die japanische Handelsflotte zählt zu den größten der Welt und umfasst 6 519 Schiffe (2007), die ein Fassungsvermögen von 12 787 968 Bruttoregistertonnen Fracht aufbringen. Die ersten japanischen Fluggesellschaften wurden 1951 gegründet; die Fluglinien verbinden Tokyo und Osaka vor allem mit Europa, den Vereinigten Staaten, Kanada, Mexiko, dem Mittleren Osten und Südostasien. Japan Air Lines (JAL, seit 1987 in privater Hand) und Japan Asia Airways sind die größten Fluggesellschaften und bieten vor allem internationale Flüge an; die All Nippon Airways, bisher vor allem für die Inlandsflüge zuständig, hat ihre internationalen Aktivitäten in den letzten Jahren ausgeweitet. 6.9 Tourismus Jährlich besuchen etwa 7,33 Millionen Auslandsgäste Japan, während umgekehrt etwa zwölf Millionen Japaner nach Übersee reisen. Die jährlichen Einnahmen aus dem Tourismus belaufen sich insgesamt auf umgerechnet 3,4 Milliarden US-Dollar. 6.10 Energie Im Bereich der Stromproduktion gehört Japan zu den führenden Nationen der Welt. 2003 wurden 63,7 Prozent der Elektrizität mit Hilfe von Wärmekraftwerken erzeugt (insbesondere durch Verbrennung von Erdöl oder Kohle). Die Stromerzeugung durch Wasserkraft ist in Japan ausgesprochen weit entwickelt und liefert immerhin 10,2 Prozent der Stromproduktion; erwähnenswert ist ebenfalls die Nutzung geothermischer Quellen. Da die Energiegewinnung aus Erdöl oder Kohle für Japan sehr kostenintensiv ist - Japan muss Erdöl importieren - deckt das Land 23,3 Prozent seines Strombedarfs durch Kernenergie. Ein weiterer Ausbau dieses Potentials ist geplant. Gegenwärtig sind 55 Kernreaktoren in Betrieb. 7 GESCHICHTE 7.1 Vor- und Frühgeschichte (bis 3. Jahrhundert n. Chr.) Die frühesten Aufzeichnungen zur japanischen Geschichte finden sich in einigen chinesischen Quellen, vor allem aber in zwei halbmythischen japanischen Chroniken: im Kojiki (,,Bericht über alte Begebenheiten" entstanden 712) und im Nihon-Shoki oder Nihongi (,,Japanische Annalen", um 720). Sie berichten über Ereignisse aus den vorausgegangenen knapp eineinhalb Jahrtausenden und stellen zusammen mit anderen Legendensammlungen die Grundlage der älteren Geschichtsüberlieferung in Japan dar. Das Nihon-Shoki gibt 660 v. Chr. als das Jahr an, in dem Jimmu, Abkömmling der Shinto-Sonnengöttin Amaterasu und erster Kaiser ( siehe Tenno) Japans, den Thron bestieg und das japanische Kaiserreich begründete. Alle Kaiser sahen sich als direkte Nachfahren der Sonnengöttin und beriefen sich auf ein göttliches Mandat. 7.1.1 Erste Besiedlung Vermutlich erreichten aus dem ostasiatisch-sibirischen Kernland stammende Siedler das japanische Archipel bereits im Paläolithikum, um 30000 v. Chr. Linguistische Untersuchungen legen aber auch nahe, dass eine Kolonisierung von den polynesischen Inseln ausgegangen sein könnte. Man geht heute davon aus, dass die Urjapaner, die der mongoliden Rassengruppe angehörten, seit frühester Zeit auf den Inseln dominierten, auch wenn die Ainu vielleicht ebenfalls schon sehr früh den Archipel besiedelt haben. Die These, die Ainu seien die ersten Besiedler der japanischen Inseln gewesen, gilt inzwischen als widerlegt. 7.1.2 Die Jomon- und die Yayoi-Periode (10000 v. Chr. bis 300 n. Chr.) Die paläolithischen Kulturen des prähistorischen Japan und ihre Nachfolger im Mesolithikum wurden um 10000 v. Chr. von neolithischen Kulturen abgelöst. Zu diesen zählt die Jomon-Kultur, aus der einige der frühesten Tonwaren überliefert sind. Reste der häufig üppig verzierten und bei niedrigen Temperaturen gebrannten Tontöpfe finden sich in ganz Japan; seltener sind Zeugnisse für Steingebäude oder Hütten aus dieser Zeit. Die Menschen der Jomon-Kultur lebten vor allem als Sammler, Jäger und Fischer. Unklar ist, inwieweit frühe Formen der Landwirtschaft verbreitet waren. Die Gesellschaftsstruktur dieser Zeit scheint relativ egalitär gewesen zu sein und nur geringe Statusunterschiede gekannt zu haben. Auf die Jomon-Kultur folgte um 300 v. Chr. die Yayoi-Kultur, die wahrscheinlich von Einwanderern vom asiatischen Festland auf Kyushu geschaffen wurde und sich langsam nach Osten ausbreitete. Sie hinterließ deutlichere Spuren; es gab Nassfeld-Reisanpflanzungen, Webereien, einfache Tonwaren, die bei hohen Temperaturen gebrannt wurden, und Eisenwerkzeuge. Die meisten Errungenschaften dieser Zeit, insbesondere die Eisen- und Bronzestücke, wurden seit 100 v. Chr. vermutlich über Korea aus China eingeführt - ein erstes Zeugnis für den über Jahrhunderte hinweg andauernden chinesischen Einfluss auf Japan. Auch die unterschiedlichen und verfeinerten Grabriten zeugen davon, dass die Gesellschaft der Yayoi-Kultur bereits komplexer zusammengesetzt und effizienter organisiert war als die Jäger-und Sammlergesellschaft der Jomon- Zeit. Die Träger der Jomon- und der Yayoi-Kultur gelten als die Ahnenvölker Japans. Erstmals in offiziellen chinesischen Chroniken erwähnt wurde Japan während der späten Han-Dynastie. So findet sich die Aufzeichnung, dass im Jahr 57 n. Chr. ,,der Staat der Nu in Wo" Gesandte zum chinesischen kaiserlichen Hof geschickt und ein Goldsiegel erhalten habe (das 1748 in Japan gefunden wurde). Nu war offensichtlich eines der zahlreichen kleinen Reiche auf dem japanischen Archipel, die in den chinesischen Chroniken in ihrer Gesamtheit als Wo bezeichnet wurden. Beschrieben wird eine relativ hoch entwickelte Gesellschaft mit hierarchischer Struktur, Märkten für den Tauschhandel und professionellen Schreibern, die der chinesischen Schrift mächtig waren. Es wird auch über eine Königin namens Himiko berichtet. Sie übte ihre Herrschaft in einer Stadt namens Yamatai aus und hatte um 200 n. Chr. die Oberherrschaft über zahlreiche Staaten inne. Dies legt die Vermutung nahe, dass die Yayoi in Japan über eine gewisse Zeitspanne in einer matriarchalischen Gesellschaft lebten, in der priesterliche Königinnen über beträchtliche Macht verfügten. 7.2 Das frühe Kaiserreich (um 300 bis 1192) 7.2.1 Der Tenso-Clan und das Yamato-Reich Die Yayoi-Periode ging im 3. Jahrhundert in die Konfun-Periode über, benannt nach dem konfun (japanisch für Hügelgrab), der sich über den Gräbern der damaligen japanischen Großkönige und Adligen (uji) erhob und deren Macht dokumentierte. In der Verbindung von Ahnenkult und animistischer Naturverehrung sah sich jedes Clanoberhaupt in strikter Erbfolge durch seine Abstammung von der jeweiligen Ahngottheit legitimiert und war daher in seinem Herrschaftsbereich sowohl weltliches wie priesterliches Oberhaupt. Mit der Herausbildung des Shintoismus zur allgemeinen Religion entstand eine ideell-politische Grundlage, die Oberherrschaft in dem durch feudalistische Strukturen gekennzeichneten Gesellschaftssystem zu beanspruchen. Eine solche Legitimation machte der Tenso-Clan (,,Sonnenlinie") für sich geltend, der von Kyushu aus durch Bündnisse und Kriege die Hegemonie über Yamato, eine Provinz im Zentrum von Honshu, erringen konnte, der Legende nach unter Führung des Herrschers Jimmu, der seine Abstammung auf die Sonnengöttin Amaterasu zurückführte, die zur obersten Gottheit des Landes erhoben wurde. Das Herrschaftsgebiet Yamato verlieh dem Kaiserhaus und wahrscheinlich auch dem Japan der damaligen Zeit seinen Namen. Gegen Ende des 4. Jahrhunderts hatte das Yamato-Reich anscheinend soweit an Ressourcen und Kraft gewonnen, dass es auf das asiatische Festland übergreifen konnte und, wie chinesische Inschriften aus dem frühen 5. Jahrhundert berichten, im Jahr 391 den Stützpunkt Mimana im Süden Koreas errichtete. Das Königreich Paekche im Südwesten Koreas wurde ein abhängiger Verbündeter des Yamato-Hofes. Zu dieser Zeit hatte die koreanische Kultur unter starkem chinesischem Einfluss bereits ein hohes Niveau erreicht. Während der folgenden Jahrhunderte beeinflussten die japanisch-koreanischen Kontakte und vermittelt durch sie auch die chinesische Kultur die Entwicklung Japans in grundlegender Weise. Literatur und Philosophie aus China sowie die chinesische Schrift wurden vom Yamato-Reich bereitwillig aufgenommen. Etwa seit Mitte des 6. Jahrhunderts gewann der Buddhismus durch koreanische Vermittlung in Japan an Bedeutung. 552 entsandte der König von Paekche buddhistische Priester nach Japan, die religiöse Bilder und Schriften sowie den Mondkalender mitbrachten. Die importierte Kultur verwurzelte sich schnell im Yamato-Reich, jedoch nicht ohne heftigen Widerstand, der in bürgerkriegsähnliche Auseinandersetzungen zwischen zwei Adelsparteien überging. Das Yamato-Reich verlor in diesem Prozess seine Vorherrschaft, beschleunigt auch durch die Vertreibung aus Korea im Jahr 562; der Buddhismus setzte sich allmählich durch. 7.2.2 Asuka-Zeit (593-710) 7.2.2.1 Die Shotoku-Reformen 593 beendete der Clan der Soga den Machtkampf zu seinen Gunsten durch einen Staatsstreich und die Inthronisation von Suiko als Kaiserin, die von 593 bis 628 regierte. Eigentlicher Machthaber war jedoch ihr zum Regenten bestimmter Neffe, Kronprinz Shotoku-taishi. Durch ein Reformprogramm versuchte er, die Schwierigkeiten zu überwinden, in die das Reich nach dem Verlust der koreanischen Gebiete und durch innere Unruhen geraten war. Der unterdessen weitgehend vollzogenen machtpolitischen Durchsetzung des Buddhismus trug er Rechnung, indem er ihn 594 zur Staatsreligion erhob, auf den die Staatsführung und das Beamtentum verpflichtet wurde. Der Ahnenglauben behielt jedoch seinen Stellenwert beim einfachen Volk, indem die Ahnengötter unter den Schutz Buddhas gestellt, diesem aber damit auch unterstellt wurden. 604 erließ Shotoku-taishi die erste Verfassung Japans - einen Kodex, der aus 17 Artikeln bestand und ein einfaches Regelwerk enthielt, welches das soziale und sittliche Leben der Bevölkerung bestimmte und die göttliche Legitimation des Kaisers begründete. Mit seinen Reformen folgte Shotoku-taishi chinesischen Vorbildern: Er teilte das Reichsgebiet in Verwaltungsgebiete auf - Provinzen, Distrikte und dörfliche Einheiten, die sich wiederum aus Gruppen von jeweils fünf Bauernfamilien als den kleinsten staatlichen Einheiten zusammensetzten. Der Adel, der in einer Beamtenordnung neben speziell geschulten Beamten zur Verwaltung herangezogen wurde, wurde zunächst in zwölf, später in acht hierarchische Stufen gegliedert. Durch den neuen einheitlichen Staatsaufbau brach Shotoku-taishi weitgehend die überlieferte Macht der uji, des Adels, und etablierte einen Lehensstaat, der ganz auf den mit großer Machtfülle augestatteten Kaiser ausgerichtet war. Der absolute Herrschaftsanspruch des Tennos (,,Erhabener des Himmels") legitimierte sich durch seinen göttlichen Status. 7.2.2.2 Taikareform Durch den Widerstand der uji verzögerte sich die Umsetzung des Reformwerks nach Shotoku-taishis Tod, sie wurde jedoch nach dem Staatsstreich von Nakatomi no Kamatari, dem Begründer der Fujiwara-Dynastie, unter den Kaisern Kotoku (645-654) und Tenji (668-672) weitergeführt. Mit der Taikareform ging der gesamte Besitz an Boden auf den Kaiser über, der ihn, dem chinesischen Vorbild folgend, wieder als Lehen an seine Vasallen weitergab, die als Gouverneure in die 66 Provinzen entsandt wurden, die wiederum in 592 Distrikte aufgeteilt waren. Die Gouverneure hatten die Beschlüsse der Regierung vor Ort umzusetzen; sie standen, geleitet von einem Großkanzler an der Spitze von acht Ministerien, an der Spitze einer zentralisierten Verwaltung, deren höchste Funktionsträger der Kaiser einsetzte. Ein System gestaffelter Steuern sorgte für regelmäßige und kontrollierte Staatseinkünfte. Ihren schriftlichen Ausdruck fand die über ein halbes Jahrhundert währende Reformepoche unter Kaiser Mommu (697-707) im Taihocodex, der sowohl das Straf- wie das Verwaltungsrecht umfasste. Ab 708 begann mit der Einführung der ersten japanischen Münzen die Ausbreitung der Geldwirtschaft. 7.2.3 Die Nara-Zeit (710-794) Traditionell wurde die kaiserliche Residenz verlegt, wenn ein Herrscher gestorben war. Kaiserin Gemmei (707-715) verlegte sie 710 von Asuka nach Nara, das nun für sieben Kaiser zur ersten ständigen Hauptstadt Japans wurde (bis 784). Der inneren Konsolidierung folgte eine verstärkte Kontaktaufnahme nach außen. Beziehungen zur chinesischen Tang-Dynastie wurden aufgenommen, der japanische Handelsverkehr erschloss sich über die Seidenstraße das Innere Asiens. Erneute Reformen im Jahr 743 ließen privaten Bodenbesitz wieder zu mit dem Ziel einer schnelleren Erschließung neuen Ackerlandes. Diese Reform eröffnete den großen Familien der Oberschicht wieder die Möglichkeit, durch Landbesitz und Reichtum eine stärkere Unabhängigkeit von der kaiserlichen Macht zu erlangen. Die seit Mitte des 7. Jahrhunderts durchgeführten Reformen, die auf eine Stärkung der staatlichen Zentralmacht ausgerichtet waren, wurden damit im Kern in Frage gestellt. Wie in feudalistischen Herrschaftssystemen regelmäßig der Fall, wie z. B. in China und in Europa, bildeten sich auch in Japan trotz der institutionellen Sicherungen wieder autonome Machtpositionen heraus, samt erneuter Erblichkeit von Führungspositionen und der damit verbundenen Lehen. Unter den Kaisern der Nara-Periode, insbesondere Shomu (724-749) und Shotoku (764-770), erlebte Japan eine Ära der kulturellen Hochblüte. Sie brachte u. a. einige der wichtigsten Werke der frühjapanischen Literatur hervor, darunter die beiden großen nationalen Geschichtschroniken Kojiki (712) und Nihon-shoki (720) sowie die erste große Gedichtsammlung Manyoshu. Kaiser Shomu baute die Rolle des Buddhismus als Staatsreligion weiter aus. Ausdruck für den Stellenwert des Buddhismus wurde der Große Buddha (752 fertig gestellt), der seinen Platz im Tempel Todaiji fand, dem noch heute größten Holzbauwerk der Welt. Macht und Einfluss der buddhistischen Mönche, ausgehend von den großen Klöstern, nahmen zu; Kaiserin Shotoku z. B. übertrug dem buddhistischen Priester Dokyo das Amt des Großkanzlers (765-770). 784 entschloss sich Kaiser Kammu (781-806) schließlich, den Einfluss der mächtigen Klöster in Nara einzudämmen, indem er die kaiserliche Hauptstadt zunächst nach Nagaoka, später nach Uda verlegte. Dort ließ er die Hauptstadt Heiankyo (,,Hauptstadt des Friedens"), das spätere Kyoto, errichten, das bis 1868 offizielle Hauptstadt blieb. 7.2.4 Die Heianzeit (794-1185) Die Heianzeit, benannt nach der Hauptstadt während dieser Zeit, brachte Japan 350 Jahre lang relativen Frieden und Wachstum. Bis zum 9. Jahrhundert war es dem Yamato-Reich gelungen, alle Hauptinseln Japans mit Ausnahme von Hokkaido unter seine Herrschaft zu bringen. Während des 9. Jahrhunderts zogen sich die Kaiser immer mehr aus den aktuellen Regierungsgeschäften zurück, delegierten alle politischen Aufgaben an Untergebene und lebten in Abgeschiedenheit. Ihre Herrschaft nahm einen eher formalen und symbolischen Charakter an. Hintergrund dieser Veränderungen war die zunehmende Belastung des Kaisers durch die rituellen Pflichten, die ihm als Oberhaupt des shintoistischen Staatskultus oblagen. 7.2.4.1 Die Fujiwara-Zeit Machtaneignung und Herrschaft der Fujiwara Der Rückzug der Kaiser ging einher mit dem Aufstieg der kaiserlichen Beamten zum erblichen Hofadel (kuge), der die Macht des Kaisers weiter einschränkte. In den Machtkämpfen unter den Familien des Hofadels setzten sich, nicht zuletzt durch eine geschickte Heiratspolitik, die Fujiwara durch. Fujiwara no Yoshifusa, seit 857 Großkanzler, usurpierte 858 die Regentschaft für den unmündigen Kaiser, übte sie auch während dessen Volljährigkeit aus und etablierte das Regentenamt als Privileg der Fujiwara. Über die Vormundschaft für den Tenno, der als Schattenkaiser ganz auf das Zeremonielle beschränkt wurde, bestimmten sie fast drei Jahrhunderte lang die kaiserliche Politik. Ihre Position sicherten sie u. a. durch die regelmäßige Vermählung von Fujiwara-Töchtern mit den Kaisern. Diese wiederum wurden meist zu einem frühen Rückzug zugunsten neuer Kindkaiser gedrängt, für die dann wiederum Fujiwara-Regenten die Vormundschaft übernahmen. 884 wurde der Fujiwara Mototsune erster offizieller bürgerlicher Herrscher (kampaku). Als bedeutendster Machthaber der Fujiwara-Ära gilt Fujiwara no Michinaga, der sämtliche Regierungsgeschäfte von seiner Hauskanzlei aus leitete und dessen vier Töchter jeweils aufeinander folgende Kaiser ehelichten; er dominierte den kaiserlichen Hof von 995 bis zu seinem Tod im Jahr 1028. Der Charakter der staatlichen Herrschaft änderte sich mit dem Aufstieg der Fujiwara. Zwar existierte die Zentralverwaltung weiter, doch wurde ihre Autorität durch eine umfassende Refeudalisierung untergraben. Diese ergab sich mit der Zunahme des privaten steuerfreien Großgrundbesitzes. Die Steuerfreiheit wurde gewährt, weil diese Besitzungen als abgabenfreie Lehen für die Ausübung staatlicher Ämter überlassen worden waren, weil sie zu den großen buddhistischen Klöstern gehörten oder weil sie durch Rodungen neu gewonnenes Land waren. Die durch die großen Reformen geschaffene staatliche Ordnung wich zunehmend einem System feudaler Land- und Machtaufteilung, in dem die großen Familien des Hofadels die dominierende Rolle spielten. Literatur und Kunst Die Periode der Herrschaft der Fujiwara war eine Zeit kultureller Blüte, in der sich Japan von den chinesischen Vorbildern löste. Die Kokinshu (eine Anthologie mit 1 111 Gedichten), die erste offizielle Poesiesammlung aus der Kaiserzeit, wurde 905 zusammengestellt; ihr folgten bis 914 weitere 20 Anthologien. Unter Michinaga entfaltete sich die klassische japanische Literatur. Er selbst war ein enger Vertrauter der beiden Hofdamen Murasaki Shikibu und Sei Shonagon, den beiden großen Schriftstellerinnen dieses Zeitalters. Erstere schrieb 1010 das Genji-monogatari (,,Die Abenteuer des Prinzen Genji", siehe Minamoto), das als Höhepunkt der Prosaliteratur der Heianzeit gilt; Letztere veröffentlichte um 1000 ihr berühmtes Makura no soshi (,,Kopfkissenbuch"), in dem sie den Hofstaat der damaligen Zeit kritisch beleuchtete. Die großen Schulen des Mahayana-Buddhismus, Tendai und Shingon-shu, erlangten in dieser Zeit großen Reichtum und übten starken und vielfältigen Einfluss auf die Kunst dieser Periode aus. 7.2.4.2 Vom Hofadel zum Schwertadel Aufkommen der Samurai Nach dem Tod Fujiwara no Michinagas im Jahr 1028 verfiel die Macht der Fujiwara. 1068 verloren sie ihr ,,Monopol" bei der Stellung der kaiserlichen Bräute, zudem entzogen sich die Kaiser der Bevormundung durch die Fujiwara durch das System der ,,klösterlichen Regierung". Hierbei übernahmen die abgedankten Kaiser, die das buddhistische Gelöbnis abgelegt hatten, im Auftrag der regierenden Kaiser die Amtsgeschäfte. Diese Entwicklung ging im 12. Jahrhundert einher mit der Herausbildung der Samurai. In den Provinzen, die sich angesichts der schwachen kaiserlichen Zentralgewalt vielfach zu gesetzlosen Gebieten entwickelt hatten, gewannen die Krieger (bushi) an Bedeutung. Mit ihren militärischen Verbänden verdingten sie sich als Samurai beim Adel (Daimyo), sicherten dessen Grundbesitz und lokale oder regionale Herrschaft, machten sie damit aber schließlich auch von sich abhängig. Kämpfe der Taira und Minamoto Die bedeutendsten Familien des Schwertadels gelangten bald selbst zu großer Macht, an vorderster Stelle die Taira und Minamoto, die beide von kaiserlichen Prinzen abstammten. Die Taira herrschten im Südwesten, die Minamoto im Osten. Im 12. Jahrhundert rivalisierten beide Familien um die Vorherrschaft in ganz Japan. 1156 eskalierten Konflikte zwischen Kaiser Go-Shirakawa (1155-1158) und seinem Vorgänger Kaiser Sutoko (1123-1142) zum Heijikrieg, in dem sie sich jeweils der Unterstützung der verfeindeten Taira bzw. Minamoto versicherten. Nach ihrem Sieg (1159/60) etablierten sich die Taira als stärkste Adelspartei in der Nachfolge der Fujiwara und übernahmen deren dynastische Politik. Großkanzler Taira Kiyomori besetzte die Ämter bei Hof mit Familienangehörigen, verheiratete seine Tochter mit einem kaiserlichen Prinzen und machte schließlich seinen zweijährigen Enkel Antoku zum Kaiser (1180-1185). Gegen den Aufstieg der Taira formierte sich jedoch eine Adelsopposition, an deren Spitze sich Minamoto no Yoritomo und sein Halbbruder Minamoto no Yoshitsune stellten. Der Bürgerkrieg zwischen den Minamoto und den Taira, Gempeikrieg genannt (1180-1185), endete mit einer vernichtenden Niederlage der Taira. 7.3 Die Schogunherrschaft bis zum Zerfall des Landes (1192-1573) 7.3.1 Die Kamakura-Zeit (1192-1333) 7.3.1.1 Gründung des Schogunats Minamoto no Yoritomo hatte während des Gempeikrieges sein Hauptquartier bei Kamakura im Osten Japans eingerichtet und nutzte auch nach seinem Sieg sein militärisches Hauptquartier, das bakufu (ursprünglich japanisch für ,,Zeltregierung", später gleichbedeutend mit Schogunat), als Mittelpunkt seiner neuen Verwaltung. 1192 ließ er sich vom Kaiser zum Seiitaischogun (,,oberster Feldherr"), auch kurz Schogun genannt, ernennen und mit umfassenden Vollmachten ausstatten. Minamoto no Yoritomo machte das Schogunat zum Zentrum der weltlichen Herrschaft, das Japan während der folgenden fast sieben Jahrhunderte regieren sollte. Der Kaiser und sein Hofstaat waren gegenüber dem Schogun weitgehend machtlos, Kamakura wurde zum Sitz der tatsächlichen Herrschaft, während in Kyoto der kaiserliche Hof residierte. 7.3.1.2 Schogune und Shikken unter der Herrschaft der Hojo 1219 übernahm die mit dem Geschlecht der Taira verbundene Hojo-Familie die Machtstellung der Minamoto, nicht zuletzt mit Hilfe von Verschwörungen und Morden. Zwar übernahm ein Hojo niemals das Amt des Schoguns, die Familie verfügte aber aus der regelmäßig und schließlich in Erbfolge von ihr besetzten Position des Militärregenten (Shikken) über die tatsächliche Macht nach dem System der dreifachen Stellvertretung - der Shikken war Stellvertreter des Schoguns, der wiederum den Tenno vertrat, der sich aufgrund seiner göttlichen Herkunft mit den Staatsgeschäften nicht befasste. Die Hojo befanden schließlich auch über die Besetzung des Schogunats und ernannten, ähnlich dem früheren Umgang mit dem Kaisertitel, vielfach Kinder zum Schogun, damit ein Hojo als Shikken oder Regent des Schattenschoguns unumschränkt walten konnte. Die Hojo behielten ihre Herrschaft über mehr als 100 Jahre; sie verstanden es, ihre Macht durch die Vergabe von Lehen und durch ein System von Abhängigkeiten auf lange Sicht zu festigen. 7.3.1.3 Niedergang der Hojo Die Kontrolle über das Reich entglitt den Hojo-Shikken schließlich jedoch in dem Maße, in dem sich die Abhängigkeiten aufgrund des zunehmenden Selbstbewusstseins des Militäradels lockerten, so dass sich der unmittelbare Einflussbereich der Zentralmacht zuletzt nur noch auf die ursprünglichen Kernprovinzen des Reiches beschränkte. Der neue Ritterstand der Daimyo erreichte eine weitgehend unabhängige Stellung und untergrub die Autorität des Schogunats und seines Shikken. Von der Bedeutung des Kriegsadels jener Zeit legt die Sammlung des ritterlichen Rechts im Joei-Kodex von 1232 Zeugnis ab. 1274 und erneut 1281 versuchten die Mongolen unter Kubilai Khan, der zu dieser Zeit bereits China und Korea beherrschte, auch Japan zu erobern. Sie unternahmen zwei Landungsversuche, doch beide scheiterten am Widerstand der japanischen Heere, denen 1281 noch ein Taifun zu Hilfe kam, der so genannte ,,göttliche Wind" (kamikaze). Trotz dieses zweifachen Sieges unter dem sechsten Hojo-Shikken Tokimune stürzten die hohen Kosten des Verteidigungskrieges die Regierung in eine Krise, die schließlich zum Untergang der Shikken-Herrschaft der Hojo führte. Einige Daimyo, die sich für die geleisteten Kriegsdienste nicht angemessen entschädigt sahen, wandten sich gegen die Hojo und verbündeten sich mit Kaiser Godaigo (1318-1339) mit dem Ziel, die Macht des Schogunats zurückzudrängen und die direkte kaiserliche Herrschaft wieder herzustellen. An der Spitze einer Daimyo-Rebellion eroberte Ashikaga Takauji, ein abtrünniger Lehnsherr der Hojo, 1333 Kyoto und Kamakura, zwang den letzten HojoRegenten zum Selbstmord und brachte das Schogunat in seinen Besitz. 7.3.1.4 Kultur der Kamakura-Zeit Auch die Kamakura-Ära brachte große Werke hervor. Der Niedergang der Taira wurde in einem Kriegsepos, dem Heike monogatari (,,Geschichte des Hauses Taira", 1220), verewigt, und die klassische dichterische Tradition erfuhr mit der Fertigstellung der Lyrikanthologie Shinkokinshu im Jahr 1205 durch Fujiwara no Sadaie, genannt Teika, unter Kaiser Go-Toba ihren historischen Höhepunkt. Neue Formen des Buddhismus, insbesondere die Schulrichtungen Reines Land und Zen, verbreiteten sich. Leben und Taten des Kriegeradels sowie der Zen-Buddhismus inspirierten auch die zeitgenössischen bildenden Künstler, etwa den Bildhauer Unkei und seine Nachfolger. 7.3.2 Die Muromachi-Zeit (1338-1573) 7.3.2.1 Die Spaltung des Reiches Nach dem Sturz der Hojo-Herrschaft vereitelte Ashikaga Takauji den Versuch Kaiser Godaigos, in der so genannten Kemmu-Restauration die kaiserliche Direktherrschaft wieder durchzusetzen. Er setzte Godaigo 1338 ab, verbannte ihn aus Kyoto und erhob Kyomo zum Gegenkaiser, der ihn im Gegenzug zum Schogun ernannte. Godaigo und seine Anhänger flohen mit den kaiserlichen Insignien nach Yoshino (südlich von Nara auf Honshu), wo sie sich dauerhaft festsetzen konnten. Ashikaga Takauji dagegen richtete seinen Herrschaftssitz im Muromachi-Bezirk in Kyoto ein - daher die Bezeichnung Muromachi-Schogunat für die Periode der Ashikaga-Herrschaft. Für mehr als 60 Jahre zerfiel das Reich nun in einen Nord- und einen Südhof. 1392 beendete der Ashikaga-Schogun Yoshimitsu die Spaltung des Reiches durch einen Kompromiss: Er bewegte den rechtmäßigen Kaiser in Yoshino zum Verzicht auf die geheiligten kaiserlichen Insignien, die nun an den sechsten Nordkaiser Gokomatsu (1382-1412) gingen. Die Ashikaga-Kaiser waren damit legitime Herrscher Japans. 7.3.2.2 Die ,,Zeit der Streitenden Provinzen" Yoshimitsu erwies sich als kraftvoller politischer Führer, doch unter seinen Nachfolgern verlor die Zentralgewalt zusehends an Macht. Diese verlagerte sich wieder auf die Herrscher in den Regionen außerhalb der Kernprovinzen, auf die als Lehnsherren fungierenden Familien des Provinzadels (Daimyo) und die Angehörigen des Schwertadels (Samurai). Darüber hinaus hatten sich die buddhistischen Klöster durch den Aufschwung des Buddhismus als starke politische Kraft etabliert; sie waren zu beträchtlichem Wohlstand und Einfluss gelangt und beteiligten sich sogar mit eigenen Truppen an den Machtkämpfen. Die Machtkämpfe um das Erbe der Ashikaga führten zu einem politischen Chaos, das mit dem Oninkrieg (1467-1477) auf Kyoto übergriff und Japan für die folgenden rund 100 Jahre in einen erbitterten Bürgerkrieg stürzte. Die Phase wird als ,,Zeit der Streitenden Provinzen" (sengoku jidai) bezeichnet, angelehnt an die ,,Zeit der Streitenden Reiche" in China. Unter den Provinzfürsten gewann schließlich der Feldherr Oda Nobunaga, der von den Taira abstammende Daimyo von Owari, die Oberhand. Nachdem er zentrale Provinzen unter seine Kontrolle gebracht und 1568 Kyoto erobert hatte, konnte er auch die Macht der buddhistischen Klöster und ihrer Mönchsheere zurückdrängen. 1573 setzte er den letzten Ashikaga-Schogun ab. 7.3.2.3 Kulturelle Entwicklung Trotz der politischen Wirren und der blutigen Kämpfe war es unter der Herrschaft der Ashikaga-Schogune, insbesondere in der Hauptstadt, zu einer erneuten kulturellen Blütezeit gekommen; einige Schogune profilierten sich mehr als große Kunstmäzene denn als politische und militärische Führer. Mit dem Machtverlust der Schogune in den Provinzen entfaltete sich dort eine selbständigere Politik, die mit einem Aufblühen der höfischen Kultur an den Residenzen der Daimyos und einem wirtschaftlichen Aufschwung einherging. Neue Handelsstädte, Residenzen und Häfen entstanden. Im Bereich der Kunst und Literatur sind die Tuschemalereien Sesshus und die Renga-Kettengedichte von S?gi herauszuheben. Zeitweise genoss das No-Theater intensive Förderung. 7.3.2.4 Öffnung nach Europa Während der Muromachi-Zeit nahm auch der europäische Einfluss auf Japan seinen Anfang. 1542 landeten portugiesische Händler als erste Europäer auf einer Insel vor Kyushu. Ihre Feuerwaffen (Musketen) wurden von den einheimischen Handwerkern nachgebaut, was in der Folge die japanische Kriegsführung durchgreifend revolutionierte. Aber auch in Handel und Kultur entwickelten sich seit der Mitte des 16. Jahrhunderts Beziehungen mit Europa. Die christliche Missionierung setzte 1549 ein, als der Jesuit Francisco de Xavier (der heilige Franz Xaver) Japan erreichte. Einige mächtige Lehnsherren förderten zeitweise das Christentum nachdrücklich, weil sie sich davon eine politische Schwächung der verschiedenen buddhistischen Sekten versprachen. 7.4 Von der Reichseinigung bis zum Eingriff der imperialistischen Mächte (1573-1868) 7.4.1 Azuchi-Momoyama-Zeit (1573-1603) 7.4.1.1 Erneute Reichseinigung Während der Azuchi-Momoyama-Periode, benannt nach den Burgen der beiden bedeutendsten politischen Führer der Zeit, Oda Nobunaga und Toyotomi Hideyoshi, wurde Japan durch kriegerische Unterwerfung der 250 Daimyate wieder unter einer Zentralmacht vereinigt. Der Ruhm Nobunagas und Toyotomis, dargestellt in den prachtvollen Gemälden von Kano Eitoku, steht stellvertretend für die schillernde Kraft dieser Periode. Oda festigte nach dem Sturz des Ashikaga-Schoguns durch geschickte Verwaltung und scharfe Verfolgung seiner Gegenspieler seine Macht, nahm jedoch nicht die Schogunwürde an. Als er 1582 von einem Vasallen ermordet wurde, gelangte Toyotomi Hideyoshi, der unter Oda vom einfachen Bauern zum Feldherrn aufgestiegen war, als Großkanzler und Regent im vakanten Schogunamt an die Macht. Bis 1590 hatte er Japan vereint. 7.4.1.2 Reformen Hideyoshis Hideyoshi stützte seine Herrschaft auf eine systematische Verwaltung. Das Land wurde vermessen und die Besteuerung auf der Basis des Reisertrags festgelegt. Eine strenge Ständeordnung verteilte die gesellschaftlichen Rollen und unterband die soziale Mobilität zwischen den Hauptgruppen, insbesondere den Waffenfähigen (Samurai) und den Nichtwaffenfähigen (Kaufleute, Bauern, Handwerker, Mönche - diese waren zuvor entwaffnet worden). Eine wirkliche Kontrolle über die Daimyos erreichte aber auch Hideyoshi nicht, obwohl er sie 1590 in ein neues Lehnsverhältnis zwang. 1592 musste Hideyoshi seinen Versuch, Korea zu erobern und China anzugreifen, noch in Korea aufgeben: Er scheiterte am Widerstand der Koreaner und wurde schließlich von den Chinesen zum Rückzug von der koreanischen Halbinsel gezwungen. Ein zweiter Kriegszug gegen Korea wurde 1598 vorzeitig beendet, als Hideyoshi starb. 7.4.2 Tokugawa-Zeit (1603-1867) Hideyoshis Tod löste heftige Nachfolgekämpfe aus, aus denen 1600 sein Vasall Tokugawa Ieyasu siegreich hervorging. Er verlegte die Hauptstadt nach Edo, dem heutigen Tokyo, und ließ sich 1603 vom Kaiser das seit 1573 verwaiste Amt des Schoguns übertragen. 1605 übergab er das Amt offiziell an seinen Sohn Hidetada, blieb jedoch weiterhin der eigentliche Herrscher des Landes. Mit der Eroberung der Burg von Osaka im Jahr 1615, dem Sitz der Familie Toyotomi, um die sich die verbliebene Opposition geschart hatte, vollendete er die Alleinherrschaft des Tokugawa-Schogunats (auch Edo-Schogunat genannt). 7.4.2.1 Feudalordnung Ab 1615 leitete Ieyasu einen Reformprozess ein, der im Wesentlichen vom dritten Edo-Schogun, Tokugawa Iemitsu, vollendet wurde und zu einer tief greifenden sozialen Umwälzung in Japan führte. Die Feudalgesellschaft wurde auf eine neue Grundlage gestellt, und Japan erlebte eine 250 Jahre andauernde Friedensperiode. Japan wurde als zentraler Verwaltungsstaat strukturiert, in dem die Tokugawa-Familie über eine außerordentliche Machtfülle verfügte. Im Zuge der Landkonfiszierungen nach ihrem Sieg im Bürgerkrieg hatten sich die Tokugawa in den Besitz von knapp einem Viertel der Landfläche Japans gebracht. Die Daimyos wurden entsprechend ihrem Verwandtschaftsgrad zum Tokugawa-Clan und ihrer Loyalität im Bürgerkrieg in drei Kategorien eingeteilt und dementsprechend unterschiedlich mit Lehen bedacht. Eine der wichtigsten Reformen stellte die Einführung des so genannten bakuhan-Systems dar. Es unterstellte die Lehen (han) und die Lehnsherren, selbst den Kaiser und seinen Hofstaat, einer strengen Kontrolle durch den Schogun. Die Lehnsherren mussten dem Tokugawa-Schogun die Treue schwören, ihre Familien quasi als Geiseln für ihr Wohlverhalten in der Hauptstadt Edo ansiedeln und sich selbst jedes zweite Jahr am Regierungssitz aufhalten. Dadurch wurden die großen Lehnsherren eng an den Schogun gebunden, eine effektive Opposition nahezu unmöglich gemacht. Die Rolle des Kaisers blieb auf Repräsentation und Kultus beschränkt. Die Gesellschaft war in vier streng abgegrenzte Stände eingeteilt: den Schwertadel, der sich aus den Daimyos und den Samurai zusammensetzte und dem der Staats- und Kriegdienst sowie Priestertum, Wissenschaft und Kunst zugeordnet waren, die vom Schwertadel abhängige Bauernschaft, die Handwerker und die Kaufleute. Ein Aufstieg aus den drei nichtadligen Ständen in den Adelsstand war nicht möglich. Bushido, der Ehrenkodex der feudalen Krieger, wurde zum Standard für die Daimyo und die Klasse der Samurai. Während der nachfolgenden beiden Jahrhunderte veränderten sich die Feudalordnung und das Ständesystem kaum. Während des 18. Jahrhunderts zeigte sich allmählich, dass die Feudalordnung über kurz oder lang in die Krise führen musste. In den langen Zeiten des Friedens verloren die Samurai mit ihrer militärischen Funktion auch ihre wirtschaftliche Basis und verarmten. Zugleich geriet die politisch herrschende Klasse der Daimyos, die auf dem Land verankert war, ins wirtschaftliche Hintertreffen und in finanzielle Abhängigkeit gegenüber dem ökonomisch mächtiger gewordenen Stand der Kaufleute, der in den aufstrebenden Städten eine selbstbewusste Bürgerschicht (chonin) bildete. Im 18. Jahrhundert war Edo mit einer Million Einwohnern die größte Stadt der Welt und blühendes Zentrum einer vorindustriellen Wirtschaft. 7.4.2.2 Selbstisolation und kulturelles Leben In der Tokugawa-Ära schloss sich Japan mit der Sakoku-Politik hermetisch von der übrigen Welt ab. Portugiesische, spanische und niederländische Händler hatten Japan im 16. Jahrhundert zwar relativ häufig besucht, doch ihr ökonomischer Einfluss war gering geblieben. Ab 1624 durften die Spanier in Japan nicht mehr Handel treiben, und in der Folgezeit wurden auch alle anderen Europäer ausgewiesen. Umgekehrt verboten Gesetze von 1636 und 1639 Japanern sowohl die Reise ins Ausland als auch die Rückkehr nach Japan, und der Bau größerer Schiffe wurde untersagt. Nur einige wenige holländische Kaufleute durften als einzige Europäer weiterhin im Land bleiben, jedoch ausschließlich auf der künstlichen Insel Dejima im Hafen von Nagasaki. Der Handel mit China wurde fortgeführt, unterlag aber detaillierten Beschränkungen. Trotz der Abschirmung nach außen blühten Kunst, Literatur und Wissenschaft. Das Kabukitheater erlebte seine Hochphase, die Malerei war maßgeblich von der durch Koetsu Honami begründeten Schule und dem Ukiyo-e-Stil geprägt. Später folgten die romantischen Landschaftsdarstellungen von Hokusai und Hiroshige. In der Literatur gehörten Ihara Saikaku, Chikamatsu Monzaemon und Bash? zu den bekanntesten Autoren. Der Konfuzianismus entwickelte sich zur offiziellen Weltanschauung. Im Gegenzug entstand jedoch wieder ein stärkeres Interesse an den ursprünglichen japanischen Traditionen, insbesondere am Shintoismus. Diese Tendenzen verkörperte besonders die Ideologie von Motoori Norinaga, der eine neue Welle des prokaiserlichen Nationalismus auslöste. Dagegen unterdrückten die Tokugawa-Schogune das Christentum, das sich durch eine relativ erfolgreiche Missionierung verbreitet hatte, als subversive Kraft. 1614 verbot Ieyasu die Konversion von Adligen zum Christentum und verwies die Missionare des Landes. Nach einem Aufstand, mit dem - vorwiegend christliche - Bauern 1637/38 gegen ihre hohe Abgabenlast gegenüber den Grundherren aufbegehrten, fand die Verfolgung japanischer Christen ihren Höhepunkt. Das Christentum wurde verboten. 7.4.2.3 Imperialistische Zwangsöffnung Eine erste Tendenz zur Öffnung Japans gegenüber der Welt zeigte sich 1720, als der Schogun Yoshimune die Ächtung europäischer Bücher aufhob (ausgeschlossen blieben christliche Texte). Anfang des 19. Jahrhunderts mehrten sich die Besuche von Europäern, meist Händlern oder Forschern, obwohl der Bann für die Ausländer nach wie vor in Kraft war. Die chonin, vor allem die großen Kaufleute, stellten die rigiden Sakoku-Regelungen zwar zunehmend in Frage, doch offizielle Änderungen blieben aus. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts hatten die Bemühungen Russlands, der USA und der Niederlande um eine erneute Öffnung japanischer Häfen keinen Erfolg. 1854 erzwangen die USA mit Hilfe eines Geschwaders von zehn Kriegsschiffen, das sie in die Bucht vor Edo entsandt hatten, den Abschluss des ,,Freundschaftsvertrags" von Kanagawa und die Öffnung der japanischen Häfen. Bis 1861 erreichten Großbritannien, Russland, Frankreich, Preußen und die Niederlande ähnliche ,,Ungleiche Verträge", die ihnen beträchtliche Privilegien einschließlich der Exterritorialität zusicherten und mit denen sie sich Japan für den Handel erschlossen. 7.4.2.4 Fremdenfeindliche Opposition und Zusammenbruch des Schogunats Die japanischen Kriegsherren, die nur über veraltete Waffen verfügten, waren von der militärischen Ausrüstung der Ausländer beeindruckt und wagten zunächst keinen Widerspruch. Dennoch entwickelte sich bald eine militante ausländerfeindliche Fraktion; ihre Basis bildeten einige mächtige konservative Daimyos, die sich aus der Vormacht der Tokugawa lösen zu können hofften. Da der Kaiser die ,,Ungleichen Verträge" nicht sanktioniert hatte, sammelte sich der antiwestliche Patriotismus unter dem Motto ,,Verehrt den Kaiser, vertreibt die Barbaren" am kaiserlichen Hof und verband sich mit der Forderung nach einer Rückkehr zur direkten Kaiserherrschaft und der Abschaffung des Schogunats. Antiwestliche Ausschreitungen und Angriffe auf ausländische Schiffe in den japanischen Häfen in den Jahren 1863/64 beantworteten westliche Kriegsschiffe mit der Beschießung von Kagoshima und der Forts von Shimonoseki. Nach bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen, in denen die Macht des Schogunats weiter zerfiel, erklärte der letzte Tokugawa-Schogun, Yoshinobu, im November 1867 seinen Rücktritt. Unter dem Einfluss der Daimyos der Anti-Tokugawa-Fraktion erklärte der erst 15-jährige Tenno Mutsuhito (1867-1912) am 3. Januar 1868 das Schogunat für abgeschafft und ernannte eine ihm unterstellte Regierung mit einem Angehörigen der kaiserlichen Familie als Regierungschef. Zugleich verfügte er die Enteignung des umfangreichen Landbesitzes seines bisherigen Schoguns; allerdings konnte er die Enteignung erst in einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg durchsetzen, den die Lehnsherren von Satsuma, Choshu und Tosa mit ihren Streitkräften in seinem Namen gegen die Tokugawa-Armee führten. 7.5 Aufstieg zur Großmacht: Die Meiji-Zeit (1868-1912) 7.5.1 Restauration der Tennomacht und Erneuerung Mutsuhito, der nach einem Jahrtausend der politischen Bedeutungslosigkeit des Tennos die Macht des Kaisertums erneuerte, stellte seine Regierungszeit unter das Motto Meiji (,,Erleuchtete Regierung") und nahm als Tenno den Namen Meiji an. Die kaiserliche Residenz wurde dauerhaft nach Edo verlegt, das zugleich Regierungssitz wurde und den neuen Namen Tokyo (,,östliche Hauptstadt") erhielt. Am 6. April 1868 verkündete Mutsuhito in der so genannten Eidescharta der Fünf Artikel die Prinzipien, nach denen Japan den Weg in die neue Zeit beschreiten sollte. Als Ausdruck der Restauration des Kaisertums wurde der Shintoismus, in dem der Tenno als Gott verehrt wird, 1868 zur Staatsreligion erklärt. Die in den folgenden Jahren durchgeführten so genannten Meiji-Reformen unter dem Motto ,,Reiches Land, starke Armee" waren darauf angelegt, Japan in den Kreis der Weltmächte einzureihen. Dabei folgte die kaiserliche Regierung dem Vorbild der USA und der unterdessen industrialisierten europäischen Staaten, insbesondere im Verfassungssystem, in Verwaltung und Militär (Vorbild: Preußen), im Justizwesen (Frankreich) und im Bildungswesen (USA). Hierfür zog sie westliche Experten heran und ließ ihre eigenen hohen Beamten im Ausland schulen. Das große Meiji-Reformwerk bildete die Grundlage für den modernen japanischen Staat und seine wirtschaftliche Modernisierung. 7.5.1.1 Gesellschaftliche Veränderungen, wirtschaftlicher Aufbruch 1871 wurde das Lehenssystem formell aufgelöst, der besitzende Adel damit entmachtet. Präfekturen traten an die Stelle der bisherigen Territorialherrschaften. Die bisherigen Lehnsherren, die Daimyos, wurden jedoch teilweise dadurch entschädigt, dass sie wichtige Positionen in der neuen, zentral organisierten staatlichen Verwaltung erhielten. Die starren Klassenschranken und die Privilegien der Stände wurden aufgehoben, u. a. durch ein neues Steuersystem (1873) sowie die Einführung der Schulpflicht (1872) und der allgemeinen Wehrpflicht (1873). Den Widerstand der Samurai gegen die Abschaffung ihres Standes brachen die kaiserlichen Truppen 1877 mit Gewalt. Zu den weiteren Neuerungen gehörten die Einführung des gregorianischen Kalenders (1873) und einer neuen Währung. Mit der Modernisierung des Postwesens und dem Bau der Eisenbahn (die erste Strecke von Yokohama nach Tokyo wurde 1872 fertig gestellt) vollzog sich, staatlich gelenkt, eine rasante Industrialisierung. 7.5.1.2 Modernisierung von oben Die Änderungen im politischen System Japans und alle anderen Modernisierungen waren Ergebnis einer ,,Revolution" von oben, an der die breite Masse und ihre politischen Bewegungen nicht beteiligt waren. Treibende Kräfte waren vielmehr die Oligarchen aus den Provinzen Choshu und Satsuma, die den Sturz des Tokunawa-Schogunats herbeigeführt hatten und nun eine führende Rolle in der Regierung und am kaiserlichen Hof spielten. Zu ihnen gehörten die ,,Drei Helden" der Meiji-Reformen, Okubo Toshimichi, Saigo Takamori und Kido Takayoshi. Die Lage der Bauern als größter Bevölkerungsgruppe verbesserte sich durch die Reformen zunächst kaum. Nach wie vor hatten sie die größte Steuerlast zu tragen, und die so genannten Reisaufstände dauerten bis in das 20. Jahrhundert hinein an. Als ersten Ministerpräsidenten setzte der Tenno 1885 Ito Hirobumi ein, der als einer der Gründungsväter des modernen Japan gilt. Bei der Ausarbeitung der 1889 in Kraft getretenen Verfassung orientierte er sich im Wesentlichen am preußisch-deutschen Vorbild. Nach dieser Verfassung verblieb dem Tenno, der in seinem gottähnlichen Status über dem Gesetz stand, im Rahmen der konstitionellen erblichen Monarchie eine große Machtfülle: Er war militärischer Oberbefehlshaber, erließ in Abstimmung mit dem Parlament die Gesetze und regierte mit Hilfe des Ministerpräsidenten, der den Ministern vorstand. Ähnlich wie nach der Verfassung des Deutschen Reiches war das Kabinett nicht dem Zweikammerparlament, sondern dem Monarchen verantwortlich. Das Zensuswahlrecht begrenzte den Anteil der Wahlberechtigten auf nur etwa 1 Prozent der Bürger. 1881 hatte sich die Liberale Partei (Jiyuto), 1889 die Konstitutionelle Reformpartei (Kaishinto) gegründet. Die neue japanische Verfassung bot größere individuelle Freiheiten als das Tokugawa-System und sicherte erstmals das Privateigentum. Die Grenzen der Exekutivgewalten waren jedoch unklar, und das Militär behielt durch sein Vetorecht bei der Kabinettsbildung eine einflussreiche politische Stellung. Bei den ersten Unterhauswahlen im Juli 1890 errangen die Liberale Partei und die Reformpartei gemeinsam die absolute Mehrheit, blieben jedoch von der Regierungsbildung ausgeschlossen. Der vom Kaiser ernannte Regierungschef Fürst Yamagata Aritomo arbeitete stattdessen mit den Abgeordneten der Gesellschaft für große Errungenschaften (Taiseikai) und solchen anderer Parteien zusammen. 7.5.2 Japanischer Imperialimus Im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts folgte Japan dem Vorbild des Imperialismus der westlichen Großmächte und zielte auf eine Ausweitung seines Machtbereichs. Wirtschaftliches Motiv war dabei vor allem die Rohstoffarmut des Landes. 1879 annektierte es die Ryukyu-Inseln, die seit 1609 unter japanischem Protektorat standen. Der Konflikt um die Kontrolle über Korea löste 1894 den 1. Chinesisch-Japanischen Krieg aus, den Japan dank seiner modernisierten Streitkräfte rasch für sich entschied. Im Frieden von Shimonoseki vom April 1895 musste China die Unabhängigkeit Koreas anerkennen, das Japan jedoch schnell unter seine Vorherrschaft brachte; zudem musste China Taiwan (Formosa) sowie die Pescadores-Inseln an Japan abtreten und darüber hinaus Reparationszahlungen leisten. Die zunächst ebenfalls vereinbarte Übergabe der Liaodong-Halbinsel an Japan verhinderten Russland, Frankreich und Deutschland, die damit Japan erstmals als imperialistischen Konkurrenten in seine Schranken verwiesen. 1899 erreichte Japan die Aufhebung der letzten aus den ,,Ungleichen Verträgen" stammenden Exterritorialrechte der ausländischen Mächte. Durch seine Interessen in Korea und Nordostasien geriet Japan unweigerlich in Konflikt mit Russland. Im Zuge der Niederschlagung des Boxeraufstands in China 1900 besetzte Russland die Mandschurei. Nachdem Japan sich 1902 durch einem Defensivbündnis mit Großbritannien abgesichert hatte und Verhandlungen mit Russland über Korea und die Mandschurei erfolglos geblieben waren, griff es im Februar 1904 den von Russland gepachteten Hafen Port Arthur ( siehe Dalian) auf der Liaodong-Halbinsel an und löste damit den Russisch-Japanischen Krieg aus. In weniger als eineinhalb Jahren besiegte Japan die etablierte Großmacht Russland. In dem 1905 von US-Präsident Theodore Roosevelt vermittelten Friedensvertrag von Portsmouth (USA) erhielt Japan von Russland die Rechte an der südmandschurischen Eisenbahn, die Pachtrechte an der Liaodong-Halbinsel und an Guangdong sowie die Südhälfte von Sachalin. Darüber hinaus anerkannte Russland die Kontrolle Japans über Korea. Fünf Jahre später (1910) unterwarf Japan Korea durch Annexion vollständig; Anlass hierfür war die Ermordung von Ito Hirobumi kurz nach seinem Rücktritt als Generalgouverneur in Korea durch einen koreanischen Nationalisten. 7.6 Vom 1. zum 2. Weltkrieg (1914-1945) 7.6.1 Die Taisho-Zeit (1912-1926) Nach dem Tod von Tenno Meiji 1912 übernahm sein Sohn Yoshihito als Tenno Taisho (,,Große Gerechtigkeit") die Nachfolge. Seine Amtszeit, in der er, körperlich und geistig erkrankt, die Regentschaft 1921 Kronprinz Hirohito überlassen musste, war vom Übergang der autoritären Regierungsform der Meiji-Ära zum krisengeschüttelten parlamentarischen System sowie von großen sozialen Spannungen gekennzeichnet, die nach dem verheerenden Erdbeben in Tokyo 1923 eskalierten. 7.6.1.1 1. Weltkrieg Aufgrund seines Bündnisvertrags mit Großbritannien von 1902 beteiligte sich Japan am 1. Weltkrieg auf alliierter Seite und erklärte dem Deutschen Reich am 23. August 1914 den Krieg. Bis Ende 1914 eroberten japanische Truppen die deutsche Niederlassung Tsingtau und besetzten die deutschen Kolonien Marshall-, Karolinen- und Marianen-Inseln im Pazifischen Ozean. Im Januar 1915 legte Japan der chinesischen Regierung 21 Forderungen vor, in denen es sehr weitgehende wirtschaftliche und politische Vorrechte in China für sich reklamierte. Obwohl diese Forderungen die Umwandlung Chinas in ein halbkoloniales Land unter japanischer Herrschaft bedeuteten, sah sich die chinesische Regierung zu diesem Zeitpunkt gezwungen, die 21 Forderungen weitestgehend zu akzeptieren. Erstmals traten hier die japanischen Hegemonialansprüche gegenüber China und dem gesamten ostasiatischen Raum in aller Deutlichkeit zu Tage. Ein Jahr später, 1916, überließ China Japan seine Handelsrechte in der Inneren Mongolei und der südlichen Mandschurei. 7.6.1.2 Nachkriegszeit: Vom Sieg zur Krise Durch den Versailler Vertrag erhielt Japan nach dem Ende des 1. Weltkrieges vom Völkerbund die ehemals deutschen Marshall-, Karolinen- und Marianen-Inseln (mit Ausnahme von Guam, das an die USA fiel) als Mandatsgebiete. Das von Deutschland gepachtete chinesische Kiautschou fiel ebenfalls an Japan, musste aber aufgrund des Shandong-Vertrags, der 1922 auf der Washingtoner Konferenz unterzeichnet wurde, noch im selben Jahr an China zurückgegeben werden. Durch seine Zustimmung zu den Ergebnissen dieser Konferenz, die neben der Übergabe von Shandong die Rücknahme der 21 Forderungen durch Japan und die Anerkennung der territorialen Integrität und Souveränität Chinas einschlossen, demonstrierte Japan zwar eine versöhnliche Haltung gegenüber China. Dennoch empfand vor allem die Sowjetunion die ökonomische Interessenpolitik Japans in China weiterhin als bedrohlich und sah sich darin durch die innenpolitische Entwicklung Japans bestärkt. Im Flottenabkommen der Washingtoner Konferenz ließ sich Japan auf eine Begrenzung seiner Flottenstärke im Verhältnis 3:5:5 (Japan:USA:Großbritannien) festlegen. Im September 1918 übernahm erstmals der Vertreter einer Partei die Regierungsgeschäfte, die über eine Mehrheit in dem unterdessen etablierten Zweiparteiensystem verfügte: Hara Takashi, Mitbegründer und Vorsitzender der Konstitutionellen Partei (Seiyukai), leitete als erster bürgerlicher Premierminister das erste echte Parteienkabinett. Dem starken Einfluss des nationalistischen Militärs setzte er jedoch wenig entgegen. Das Militär kontrollierte die Politik durch seine starke Präsenz im Geheimen Staatsrat und im Militärsenat, der 1903 als Beratungsgremium des Kaisers eingerichtet worden war. Während schwerer innerer Unruhen fiel Hara Takashi 1921 einem Attentat zum Opfer. In Stufen wurde bis 1925 das allgemeine Wahlrecht für Männer über 25 Jahren eingeführt; die Zahl der Wahlberechtigten stieg damit auf 14 Millionen an. 7.6.2 Faschismus und Krieg: Die frühe Showa-Ära (1926-1945) 7.6.2.1 Expansionismus, Rassismus, Militarismus Nach dem Tod seines Vaters bestieg Hirohito 1926 den Thron; er stellt seine Regierung unter die Losung Showa (,,Glänzende Harmonie"). Verschiedene innere Entwicklungen drängten zunehmend auf eine erneute aggressive Politik gegenüber China. Wichtigste treibende Kraft in dieser Richtung war die japanische Industrie, deren Kapazitäten seit Beginn des 1. Weltkrieges in großem Stil ausgebaut worden waren. Der Ideologie der militärischen Sicherung von Absatzmärkten folgend forderte sie eine offensive Außenpolitik. Auch die Verdoppelung der japanischen Bevölkerungszahl seit 1868 schien die Forderung nach Expansion zu rechtfertigen. Ähnlich wie von den Nationalsozialisten in Deutschland wurde die Expansionsforderung von den Faschisten in Japan mit einer rassistischen ,,Lebensraum"-Ideologie verknüpft, die den Japanern als vermeintlich höherstehender Rasse die Sendung zuschrieb, sich als ,,Herrenvolk" in Asien auszubreiten. Siehe auch Lebensraum (Ideologie) Im Zuge der Weltwirtschaftskrise, die den Exportmarkt Japans weitgehend ruinierte und sich vor allem in der Landwirtschaft katastrophal auswirkte, erhöhte sich der innenpolitische Druck weiter. Vor diesem Hintergrund wirkte die Unterzeichnung des Londoner Flottenabkommens, in dem sich die USA, Großbritannien, Frankreich, Italien und Japan auf weitere Rüstungsbeschränkung einigten, durch Premierminister Hamaguchi Osachi im April 1930 auf die politische Rechte als Provokation. Das Attentat auf Hamaguchi im November 1930 (er starb 1931 an den Folgen des Attentats) gab den Auftakt für eine Serie von Politikermorden. Die Besetzung der Mandschurei 1931 und ein - gescheiterter - Putschversuch jüngerer Offiziere zur Errichtung einer Militärdiktatur im Mai 1932 beschleunigten den Niedergang des parlamentarischen Parteiensystems. Die Macht verlagerte sich auf die Seite der Generäle, die, gefördert von großen Industriellenfamilien und mit Billigung des Kaisers, auf die Errichtung eines militärfaschistischen Regimes zusteuerten, das sich am Vorbild des nationalsozialistischen Deutschland orientieren sollte. 1936 erreichten sie den Abschluss des Antikominternpakts mit Deutschland; 1937 trat auch das faschistische Italien dem Pakt bei. 7.6.2.2 Besetzung der Mandschurei Obwohl die Expansionspolitik gegenüber China in den zwanziger Jahren offiziell beendet worden war, hatten die dort stationierten japanischen Militäreinheiten den Einfluss Japans in Verwaltung und Wirtschaft zielstrebig ausgebaut. Als der chinesische Widerstand gegen diese Entwicklung immer stärker wurde, nahm die japanische Armee 1931 einen von ihr inszenierten Vorfall, den so genannten Mandschurischen oder Mukden-Zwischenfall, zum Anlass, ohne offiziellen Befehl der japanischen Regierung die gesamte Mandschurei zu besetzen. Unter dem Namen Mandschukuo errichtete sie hier 1932 einen nominell unabhängigen Marionettenstaat und setzte Pu Yi, der als Xuantong der letzte chinesische Kaiser gewesen war (1908-1912), als Regenten ein; 1934 wurde Pu Yi zum Kaiser des international nicht anerkannten Staates erhoben. 1933 griffen japanische Truppen Shanghai an und stießen auch im Norden von der Mandschurei her auf chinesisches Territorium vor. Als der Völkerbund Japan zur Einstellung seiner Aggression aufforderte, trat Japan aus der Organisation aus. Auch ein chinesisch-japanischer Waffenstillstand vom Mai 1933 konnte der japanischen Expansion in China kein Ende setzen. 7.6.2.3 Krieg gegen China Ein Zusammenstoß zwischen chinesischen und japanischen Truppen in Peking, wo aufgrund der nach dem Boxeraufstand vereinbarten Boxer-Protokolle von 1901 immer noch japanische Militäreinheiten stationiert waren, diente Japan im Juli 1937 als Vorwand zur Eröffnung des - formell nicht erklärten - 2. Chinesisch-Japanischen Krieges. Das schnelle Vorrücken der japanischen Truppen war begleitet von Kriegsverbrechen und schweren Übergriffen gegen die chinesische Zivilbevölkerung, unter der es zu hohen Verlusten kam. Der Widerstand der Chinesen, die ihren Bürgerkrieg zugunsten einer Volksfront zur nationalen Verteidigung zurückgestellt hatten, brachte den Vormarsch Japans 1938 vorerst zum Stillstand. Die zivile japanische Führung beraubte sich selbst ihrer Einflussmöglichkeiten auf die Kriegsführung, als Ministerpräsident Fürst Konoe Fumimaro 1937 die Verantwortung für die gesamte Kriegsführung direkt an die Streitkräfte abtrat. Mit dem Ende 1937 vorgelegten expansionistischen Konzept ,,Neue Ordnung Ostasiens", dem sie 1938 die Generalmobilmachung folgen ließ, bekräftigte die japanische Führung formell den Anspruch auf eine Hegemonie über Ostasien. Mit dem Beginn des Krieges gegen China waren alle sozialen Bewegungen verboten oder für den Krieg funktionalisiert worden, und im September 1940 wurden auf Betreiben Konoes auch alle politischen Parteien aufgelöst und durch den Bund zur Förderung der Kaiserherrschaft ersetzt. In der Art einer faschistischen Einheitspartei sollte der Bund den politischen Willen von oben nach unten durchsetzen und das ,,neue System" des japanischen Faschismus vollenden. 7.6.3 2. Weltkrieg 7.6.3.1 Erste Phase Der Ausbruch des 2. Weltkrieges in Europa im September 1939 bot Japan weitere Möglichkeiten aggressiver Expansionspolitik. Die entsprechenden Militäraktionen wurden durch verschiedene diplomatische Schritte eingeleitet: Im September 1940 schloss Japan mit Deutschland und Italien den Dreimächtepakt. Um die Nordgrenze der Mandschurei zu sichern, vereinbarte Japan im April 1941 - ungeachtet des Antikominternpaktes - mit der UdSSR einen Nichtangriffspakt. In der Zwischenzeit hatten die japanischen Streitkräfte mit Zustimmung der von Deutschland abhängigen Vichy-Regierung die französischen Kolonien in Indochina besetzt und drangen auch in die niederländisch-ostindischen Gebiete ein. Die USA reagierten hierauf mit der Verhängung eines Wirtschaftsembargos. Als sich abzeichnete, dass es das japanische Militär auf eine Konfrontation mit den USA anlegte, überließ Ministerpräsident Konoe dem Führer der Ultranationalisten, General Tojo Hideki, im Oktober 1941 die Regierungsverantwortung. 7.6.3.2 Pearl Harbor und Pazifischer Krieg Am 7. Dezember 1941 griffen japanische Bomber Pearl Harbor auf Hawaii an, den wichtigsten Stützpunkt der US-Flotte im Pazifik. Gleichzeitig eröffneten die japanischen Streitkräfte den Angriff auf weitere amerikanische Stützpunkte sowie die britischen Kolonien im gesamten südostasiatischen Raum ( siehe Pazifikfeldzüge). Am 8. Dezember 1941 erklärten die USA ebenso wie alle anderen Alliierten - mit Ausnahme der UdSSR - Japan den Krieg. Zur ideologischen Ummantelung seiner großjapanischen Hegemonialansprüche propagierte Japan für den von ihm beherrschten Raum Pläne unter den Bezeichnungen ,,Großer Ostasiatischer Zusammenschluss" und ,,Ostasiatische Wohlstandssphäre". Unter dem Schlagwort ,,Asien den Asiaten" suchte sich Japan in den von ihm besetzten Gebieten die antikolonialistischen Strömungen dienstbar zu machen, doch provozierte es mit seinem brutalen Vorgehen in den besetzten Ländern selbst immer heftigeren Widerstand. Zwischen Dezember 1941 und März 1942 besetzten japanische Truppen nahezu ganz Indochina und Niederländisch-Indien; Thailand wurde im Dezember 1941 zu einem Bündnis mit Japan gezwungen. Seit der Landung auf Neuguinea und den Salomonen-Inseln lagen zudem ab März 1942 Australien und Neuseeland in unmittelbarer Nähe des japanischen Machtbereichs, in dem zum Zeitpunkt seiner größten Ausdehnung rund 450 Millionen Menschen lebten. 7.6.3.3 Niederlage und Kapitulation 1942 erzwangen die USA durch Siege in großen Seeschlachten, vor allem in der Schlacht von Midway (1942), und die Eroberung von Guadalcanal (1942/43) die militärische Wende. Durch Großoffensiven wurden die Japaner 1943 im Südpazifik und 1944 im mittleren Pazifik zurückgedrängt. Zwischen Oktober 1944 und Februar 1945 erfolgte die Rückeroberung der Philippinen. Als sich immer deutlicher herauskristallisierte, dass Japan den Krieg verlieren würde, trat das von General Tojo geführte Kabinett im Juni 1944 zurück. Neuer Premierminister wurde der ehemalige General Kuniaka Koiso. Anfang 1945 eroberten die USA Okinawa und flogen Bombenangriffe auf japanische Städte, bei denen hunderttausende Zivilisten ums Leben kamen. Auf die Zurückweisung ihrer Aufforderung zur bedingungslosen Kapitulation antworteten die USA mit dem erstmaligen Einsatz von Atomwaffen. Aus militärischen Gründen keineswegs erforderlich, sollte der Einsatz von Atomwaffen das schnelle Ende des Krieges erzwingen, damit suchte man zu verhindern, dass sich die Sowjetunion an einer Besetzung Japans beteiligen konnte, wie dies auf der Jalta-Konferenz im Februar 1945 verabredet worden war. Am 6. August 1945 zerstörte die erste Atombombe Hiroshima, am 9. August die zweite Atombombe Nagasaki. Mehr als 200 000 Menschen starben, die Verwüstungen erreichten ein bisher nicht gekanntes Ausmaß. Am 8. August 1945 erklärte die Sowjetunion Japan den Krieg und drang in die Mandschurei ein. Nachdem die Alliierten die Beibehaltung des Kaisertums zugestanden hatten - zunächst hatten sie neben der bedingungslosen Kapitulation auch die Abdankung des Tennos gefordert -, verkündete der Kaiser Hirohito am 15. August 1945 die Bereitschaft zur Kapitulation. Am 2. September 1945 wurde an Bord des amerikanischen Schlachtschiffs Missouri die Kapitulationsurkunde unterzeichnet. Damit endete der 2. Weltkrieg. Am 9. September 1945 kapitulierten auch die japanischen Armeen in China. Nach der Kapitulation wurde Japan von US-amerikanischen Truppen besetzt. Die Innere Mongolei, die Mandschurei, Taiwan und Hainan wurden an China zurückgegeben. Die UdSSR behielt ganz Sachalin, übernahm die Kontrolle über die Äußere Mongolei und besetzte die Kurilen. Port Arthur und die südmandschurische Eisenbahn kamen unter die gemeinsame Kontrolle der UdSSR und Chinas. Korea wurde selbständig. Alle ehemals japanischen Südseemandate wurden von den USA übernommen und den Vereinten Nationen (UN) unterstellt, alle nach 1868 erfolgten Erweiterungen des japanischen Staatsgebiets rückgängig gemacht. 7.7 Aufstieg zur Wirtschaftsweltmacht: Die späte Showa-Ära (1945-1989) 7.7.1 Unter amerikanischem Besatzungsregime 7.7.1.1 Neuordnung Am 11. August 1945, also noch vor der japanischen Kapitulation, wurde General Douglas MacArthur zum Oberbefehlshaber der Alliierten (SCAP, Supreme Commander for the Allied Powers) im besetzten Japan ernannt. Die meisten Fragen zur Besatzungspolitik wurden von der Ostasienkommission (Far Eastern Commission) mit Sitz in Washington behandelt, in der neben den USA Großbritannien, die UdSSR, Australien, China, Frankreich, Indien, Kanada, Neuseeland, die Niederlande und die Philippinen vertreten waren. Gegenüber dem SCAP hatte die Kommission in den meisten Angelegenheiten jedoch nur beratende Funktion. Ziele der amerikanischen Besatzungspolitik waren die Demokratisierung des politischen Systems Japans, die Entfernung aller für die militaristische Politik Japans Verantwortlichen aus ihren Positionen und eine Neuordnung der Wirtschaft, die die Zerschlagung der Großunternehmen einschließen sollte. Mit all diesen Maßnahmen sollte zugleich gewährleistet werden, ,,dass Japan nicht wieder eine Bedrohung für Amerika wird ... und die Ziele Amerikas unterstützt", wie es in der Proklamation der ,,Grundlegenden Maßnahmen der Vereinigten Staaten für die erste Zeit der Besatzung" vom 22. September 1945 hieß. Entsprechend diesen Prioritäten gestalteten die USA in den ersten Nachkriegsjahren ihre Besatzungspolitik. Im Dezember 1945 gestattete die Besatzungsmacht die Gründung von Gewerkschaften und politischen Parteien. Das neue Parteienspektrum umfasste Liberale, Fortschrittspartei, Gemeinschaftspartei, Sozialisten und Kommunisten. Bei den Parlamentswahlen vom 10. April 1946 gewannen Liberale und Fortschrittspartei die Mehrheit und bildeten unter Führung des Liberalen Yoshida Shigeru die erste Nachkriegsregierung. Am 3. November 1946 verkündete Kaiser Hirohito, der bereits im Januar 1946 den Status seiner Göttlichkeit hatte aufgeben müssen, die neue Verfassung; sie trat am 3. Mai 1947 in Kraft. Nach amerikanischen Vorgaben gestaltet, definierte sie Japan als parlamentarische Demokratie und garantierte die bürgerlichen Grundrechte. Der Kaiser repräsentierte nun nur noch die Nation und nahm keinerlei Regierungsfunktionen mehr wahr. Die Regierung, an ihrer Spitze der vom Parlament gewählte Ministerpräsident, wurde dem Parlament verantwortlich. Das Parlament selbst setzte sich aus zwei direkt gewählten Kammern zusammen. Wahlberechtigt waren nun auch Frauen. Der in der Verfassung verankerte Verzicht auf eigene Streitkräfte wurde nach dem Koreakrieg dahin gehend modifiziert, dass Japan ,,Selbstverteidigungsstreitkräfte" aufbauen konnte. Zur Bestrafung von Kriegsverbrechern wurde ein internationaler Gerichtshof gebildet, dem Vertreter von elf Nationen angehörten; er nahm am 3. Mai 1946 in Tokyo seine Verhandlungen auf und tagte bis zum 12. November 1948 (siehe Kriegsverbrecherprozesse). Der ehemalige Premierminister Tojo als Hauptbeschuldigter und sieben weitere Angeklagte wurden wegen Kriegsverbrechen zum Tod verurteilt und hingerichtet, gegen 19 andere verhängte das Gericht lebenslängliche Freiheitsstrafen. Fürst Konoe, Mitschöpfer des japanischen Kriegsprogramms, nahm sich vor Prozessbeginn das Leben. Ähnlich wie im besetzten Deutschland führte der sich seit Anfang 1947 deutlich abzeichnende Kalte Krieg zu einer Änderung der Politik der Besatzungsmacht gegenüber dem früheren Kriegsgegner. Um den Wiederaufbau der japanischen Wirtschaft schneller vorantreiben zu können, hob General MacArthur die politischen Säuberungsmaßnahmen, von denen ursprünglich rund 180 000 Personen betroffen gewesen waren, wieder auf, zahlreiche Fachkräfte kehrten in ihre früheren Tätigkeitsbereiche zurück. Auch die Entflechtungsmaßnahmen, mit denen die Macht der Großkonzerne hatte beschnitten werden sollen, wurden rückgängig gemacht. Nachdem die USA gleich nach Kriegsende mit umfangreichen Lebensmittellieferungen die Hungersnot in Japan bekämpft hatten, förderten sie nun den Wiederaufbau der Wirtschaft. 7.7.1.2 Friedensvertrag und Souveränität Mit dem Ausbruch des Koreakrieges im Juni 1950 wuchs Japan unter der Federführung MacArthurs in der Auseinandersetzung mit dem ,,Weltkommunismus" in die Rolle eines Verbündeten, ähnlich wie die Bundesrepublik Deutschland. Zum Wiedereintritt in die Weltpolitik gehörte jedoch die Wiedererlangung der Souveränität. Am 8. September 1951 unterzeichneten die Vertreter von 49 Staaten, unter ihnen die westlichen Großmächte und fast alle weiteren früheren Kriegsgegner Japans, den Frieden von San Francisco, der den Kriegszustand offiziell beendete. Die Sowjetunion und in ihrem Gefolge die Tschechoslowakei und Polen lehnten eine Unterzeichnung ab, weil der Vertrag Japan die Rolle eines Militärstützpunktes der USA zuschrieb. Außerdem argumentierten sie, dass eine Friedensregelung ohne Beteiligung der Volksrepublik China, die - wie auch Nationalchina (Taiwan) - zur Friedenskonferenz nicht eingeladen worden war, keinen Bestand haben könnte. In dem Friedensvertrag verzichtete Japan auf alle territorialen Ansprüche außerhalb seiner Grenzen von 1868 und akzeptierte damit auch alle Verluste des 2. Weltkrieges. Nur der Streit um die Kurilen, die 1945 von sowjetischen Truppen besetzt wurden und von Japan zurückverlangt wurden, konnte nicht beigelegt werden. Zugleich verpflichtete sich Japan zu Reparationsleistungen, über die es später Vereinbarungen mit den Philippinen, Indonesien, Burma und Vietnam schloss. Zugestanden erhielt Japan das Recht auf Selbstverteidigung und auf den Eintritt in Verteidigungspakte. Dieses nahm es sogleich wahr, indem es ein bilaterales Verteidigungsabkommen (Sicherheitsvertrag) mit den USA schloss. In diesem Abkommen räumte Japan den USA das Recht zur Stationierung von Streitkräften ein. In der Folge blieben Okinawa, die Bonin-Inseln und Chisima unter Kontrolle der US-Armee. Am 28. April 1952 endete die Besatzungsherrschaft und war die volle Souveränität Japans wieder hergestellt. 7.7.2 Vom ,,Wirtschaftswunder" zur Exportnation Amerikanische Hilfe zum Wiederaufbau der durch die schweren Bombenangriffe weitgehend zerstörten Industrie und die Versorgung der US-Truppen im Koreakrieg stießen das japanische ,,Wirtschaftswunder" an. Binnen weniger Jahre stieg Japan in den Kreis der führenden Industrie- und Exportnationen auf: 1955 erreichte das Bruttoinlandsprodukt fast das doppelte Volumen der Vorkriegszeit, 1960 war Japan schon die viertstärkste Wirtschaftsnation. Der Export stieg sprunghaft an: Betrug sein Wert 1960 noch rund vier Milliarden US-Dollar, so verfünffachte er sich bis 1970 auf 20 Milliarden und machte Japan 1980 mit einem Volumen von 130 Milliarden US-Dollar zur zweitstärksten Wirtschaftsmacht der Welt. Einen ersten Einschnitt bedeutete die erste Rezession im Gefolge der von den arabischen Ölproduzenten verursachten Ölkrise (1973), die Japan als rohstoffarme Industrienation empfindlich traf. Seitdem verlangsamte sich das wirtschaftliche Wachstum. 7.7.3 Innenpolitik unter der Regie der Liberaldemokraten Die Auseinandersetzungen um die Beziehungen zu den Vereinigten Staaten, über Fragen der Wiederbewaffnung und über den Kurs im Ost-West-Konflikt führten bis Mitte der fünfziger Jahre zu einer Klärung der Kräfteverhältnisse zwischen den innenpolitischen Lagern Japans. Die von Ministerpräsident Yoshida Shigeru seit 1949 betriebene Politik der engen Zusammenarbeit mit den USA stieß innerhalb der Liberalen Partei auf zunehmenden Widerstand. Ende November 1954 spalteten sich die konservativen Kritiker unter dem Namen Demokratische Partei von den Liberalen ab, und Yoshida musste zurücktreten. Mit Hilfe der Sozialisten wurde Hatoyama Ichiro, der Führer der Demokratischen Partei, zum Ministerpräsidenten gewählt (1954-1956). Neuwahlen 1955 brachten weder der Demokratischen Partei noch den Sozialisten die Regierungsmehrheit. Im politischen Patt unterstützten nun die Liberalen Hatoyama, verbanden sich dann mit den Demokraten zur Liberaldemokratischen Partei (LDP) und verfügten damit über die absolute Mehrheit, die sie für Jahrzehnte behaupten sollten. Bis Anfang der neunziger Jahre blieb die LDP die dominierende Regierungspartei. Einzige größere Oppositionspartei während dieser Zeit waren die Sozialisten, die sich - neben den radikaleren, aber nur in Teilen der Arbeiterschaft und Gewerkschaften einflussreichen Kommunisten - zum Wortführer des Widerstands gegen die restaurative Entwicklung der Gesellschaft machten. Durch einen Generalstreik von vier Millionen Arbeitern wurde 1958 ein Gesetzesvorhaben der Regierung verhindert, das eine erhebliche Ausdehnung polizeilicher Befugnisse vorsah. Auch die fortgesetzte enge außenpolitische Anlehnung Japans an die USA sorgte für politische Unruhe. Im November 1959 wurden bei antiamerikanischen Demonstrationen, die sich gegen einen neuen Sicherheitsvertrag mit den Vereinigten Staaten (siehe unten) richteten, mehr als 500 Menschen verletzt. Im Januar 1960 scheiterte die Linksopposition unter Führung der Sozialisten mit dem Versuch, die Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags zu verhindern. In der schweren inneren Krise wurde der Führer der Sozialisten, Asanuma Inejiro, Opfer eines Attentats. Angesichts der gewalttätigen Unruhen wurde ein geplanter Staatsbesuch des amerikanischen Präsidenten Dwight D. Eisenhower in Japan abgesagt und der seit 1957 amtierende Ministerpräsident Kishi Nobusuke zum Rücktritt gezwungen. Sein Nachfolger wurde Ikeda Hayato, der die Regierung bis 1964 führte. Vor dem Hintergrund politischer Verunsicherung verbuchte die konservative buddhistische Laienorganisation Soka-gakkai ab den fünfziger Jahren großen Zulauf und zählte Anfang der sechziger Jahre zehn Millionen Mitglieder. Mit der Komeito (,,Partei der Sauberkeit") als ihrem politischen Arm nahm sie seit 1964 mit einigem Erfolg auch an Parlamentswahlen teil, ihre Nachfolgeorganisation Neue Komeito trat 1999 in die Regierung ein. Das immense Wirtschaftswachstum während der Regierungszeit von Ministerpräsident Sato Eisaku (1964-1972), mit dem sich auch der Lebensstandard der Bevölkerung deutlich erhöhte, bewirkte eine gewisse politische Beruhigung. Die wirtschaftliche Entwicklung und die Durchsetzung der Konsumgesellschaft warfen allerdings neue politische Fragen auf. Ministerpräsident Tanaka Kakuei (1972-1974) skizzierte mit seinem ,,Plan für die Neugestaltung des japanischen Archipels" die Ziele für den notwendig gewordenen strukturellen Umbau Japans. Umweltverschmutzung rückte als politische Aufgabe erstmals in den Vordergrund. Das Problem der Bodenspekulation in den städtischen Ballungsräumen fand in einem entsprechenden Gesetz vom Mai 1974 eine erste Regelung (nach einer Preissteigerung von über 30 Prozent innerhalb von zwei Jahren). Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten im Zuge der internationalen Energiekrise und der Lockheed-Korruptionsskandal, über den Tanaka 1974 stürzte, destabilisierten erneut die innenpolitischen Verhältnisse. 1976 wurde Tanaka verhaftet und wegen Bestechung angeklagt. Unter dem LDP-Vorsitzenden und Ministerpräsidenten Nakasone Yasuhiro (1982-1987) verlor die LDP weiter an Vertrauen und an Stimmen, doch behauptete sie ihre Mehrheit im Parlament und blieb - bis 1993 - die führende Regierungspartei. Im April 1989 musste mit Ministerpräsident Takeshita Noboru erneut ein LDP-Vorsitzender nach nur 18-monatiger Amtszeit zurücktreten, weil er Bestechungsgelder angenommen hatte. 7.7.4 Außenpolitik Nach dem Friedensvertrag von San Francisco von 1951 und der Aufnahme in die UNO 1956 war Japan wieder gleichberechtigtes Mitglied in der Völkergemeinschaft. Gleichwohl blieb sein politisches Gewicht auf dem internationalen Parkett für Jahrzehnte hinter seinem wirtschaftlichen Einfluss zurück. Dazu trugen nicht zuletzt die ungelösten Probleme im Verhältnis zu vielen Staaten im asiatischen Raum bei, das durch die Hypothek des Pazifischen Krieges weiterhin belastet war. Prägend für Japans Rolle in der Weltpolitik blieb das Verhältnis zu den USA. 7.7.4.1 Beziehungen zu den USA Angesichts des Koreakrieges und der weiteren Verschärfung des Kalten Krieges drängte die US-Regierung seit Beginn der fünfziger Jahre auf eine japanische Wiederaufrüstung, die schließlich ab 1954 erfolgte. 1960 setzte Ministerpräsident Kishi (LDP) den Abschluss des Sicherheitsvertrags mit den USA durch (19. Januar, ratifiziert am 22. Juni), der an die Stelle des Abkommens von 1951 trat. Die USA verpflichteten sich, im Falle eines Angriffs auf Japan militärische Hilfe zu leisten und nahmen es unter den Schutz ihres ,,Atomschirms". Im Gegenzug erhielten die USA das Recht auf die weitere Stationierung von Truppen und auf den Ausbau von Stützpunkten. Die Unterzeichnung und Ratifizierung des Vertrags löste die schwerste innenpolitische Krise in Japan seit Kriegsende aus. 1968 gaben die USA die von ihnen besetzten Bonin-Inseln zurück, 1972 kam Okinawa wieder unter japanische Souveränität. Zuvor war 1970 der Sicherheitsvertrag verlängert worden, der den USA die weitere Nutzung ihrer Stützpunkte auf Okinawa sicherte. Trotz dieser einvernehmlichen Regelungen kühlten sich die Beziehungen zwischen den beiden Staaten in der Folge ab. Durch die Neuorientierung der amerikanischen Außenpolitik gegenüber der Volksrepublik China seit 1971 sah Japan seine Monopolstellung als Hauptadressat amerikanischer Interessen im ostasiatischen Raum gefährdet; gleichermaßen beeinträchtigte die wirtschaftliche Konkurrenz das politische Klima: Die drohende Überschwemmung des amerikanischen Marktes mit japanischen Produkten beantwortete die US-Regierung mit Importbeschränkungen und der Forderung nach Öffnung des japanischen Marktes für US-Exporte. Trotz japanischem Entgegenkommen blieben die amerikanisch-japanischen Handelsbeziehungen jedoch durch ein deutliches Ungleichgewicht zu Gunsten Japans geprägt. Verhandlungen über eine Änderung der Verhältnisse zwischen Ministerpräsident Kaifu Toshiki und US-Präsident George Bush im März 1990 führten zu keinen Ergebnissen. 7.7.4.2 Distanziertes Verhältnis zur Sowjetunion Da die Sowjetunion den Friedensvertrag von San Francisco 1951 nicht unterzeichnet hatte, bestand der seit August 1945 geltende Kriegszustand mit Japan fort. 1956 änderten beide Staaten diesen Zustand durch eine Vereinbarung, die die Wiederherstellung normaler diplomatischer Beziehungen, die Rückführung japanischer Kriegsgefangener, den Abschluss eines Fischereiabkommens und die Unterstützung seitens der UdSSR für den Beitritt Japans zur UNO vorsah. Auch die Rückgabe der Südkurilen an Japan war vorgesehen, wurde jedoch bis zur Unterzeichnung eines Friedensvertrags ausgesetzt. Eine generelle Verbesserung der Beziehungen zu Staaten des Ostblocks zeigte sich auch in den Verträgen über die Beendigung des Kriegszustands mit der Tschechoslowakei und Polen 1957. Schritte der Annäherung erfolgten vor allem auf wirtschaftlichem Gebiet: So nahm die UdSSR 1977 einen Kredit auf, um den Import japanischer Investitionsgüter zu finanzieren, 1982 wurde ein Abkommen über die Ausbeutung von Gas- und Ölreserven in der Umgebung der Halbinsel Sachalin geschlossen. Neue Verhandlungen über einen Friedensvertrag fanden 1977 statt, führten jedoch wegen der fortdauernden Differenzen über die Kurilen erneut zu keinem Ergebnis. Auch nach Beginn der politischen Reformen in der Sowjetunion seit Mitte der achtziger Jahre wurden in dieser Frage keine Fortschritte erzielt. 7.7.4.3 Beziehungen zu Staaten in der Region Seit Mitte der fünfziger Jahre bemühte sich die japanische Regierung um eine Normalisierung des Verhältnisses zu den asiatischen Staaten und beteiligte sich 1955 an der Bandungkonferenz. Vereinbarungen über wirtschaftliche Zusammenarbeit wurden 1954/55 mit Burma, Kambodscha, Laos, Thailand und den Philippinen geschlossen und 1958 ein Friedensvertrag mit Indonesien. Seit der Unterzeichnung eines Grundlagenvertrags 1965 normalisierten sich auch die Beziehungen zu Südkorea; seitdem avancierte Südkorea zum wichtigsten Handels- und Investitionspartner Japans in der Region. 1972 vereinbarte Japan mit der Volksrepublik China die Aufnahme diplomatischer Beziehungen, wobei Japan den Anspruch der Volksrepublik auf Taiwan als einen Teil Chinas akzeptierte. Ein Handelsabkommen mit der Volksrepublik wurde 1974 unterzeichnet, erste Verhandlungen über eine Friedensregelung schlossen sich an. Im Januar 1978 fanden sie mit der Unterzeichnung eines Friedens- und Freundschaftsvertrages ihren Abschluss. 7.8 Krisenhafte Heisei-Periode unter Tenno Akihito (seit 1989) Kaiser Hirohito starb am 7. Januar 1989. Nach Beendigung der Trauerzeit trat sein Sohn Akihito am 12. November 1990 als neuer Tenno unter der Regierungsdevise Heisei (,,Vollendeter Friede") die Nachfolge an. Die neunziger Jahre erwiesen sich für Japan in vieler Hinsicht als ein Jahrzehnt der Stagnation und der Krise. Die Liberaldemokraten blieben zwar weiterhin der dominierende politische Faktor, doch gerieten sie durch Affären, Spaltungsprozesse und Stimmenverluste bei Wahlen zunehmend in Bedrängnis. Trotz anhaltender Exporterfolge stürzte Japan in eine Folge von Wirtschaftskrisen, die seine neben den USA führende Position als Weltwirtschaftsmacht gefährdeten und die soziale Stabilität des Landes bedrohten. Zugleich begann Japan seine wirtschaftliche Vormachtstellung in der Region an die sich dynamisch entwickelnde Volksrepublik China zu verlieren. Spektakuläre Katastrophen vertieften die gesellschaftliche Krise, die mit der wirtschaftlichen und politischen einherging: Im Januar 1995 forderte das schwerste Erdbeben in Japan seit 1923 circa 5 500 Todesopfer und zerstörte große Teile der Stadt Kobe. Giftgasanschläge der Aum-Sekte auf U-Bahn-Stationen in Tokyo und Yokohama im Frühjahr 1995, bei denen zwölf Menschen ums Leben kamen und fast 6 000 verletzt wurden, verursachten Massenpaniken. Als Schlag für das Selbstbewusstsein der Japaner erwies sich auch der bislang schwerste Nuklearunfall in der atomaren Wiederaufbereitungsanlage Tokaimura am 30. September 1999. 7.8.1 Wirtschaftliche Entwicklung 1990 hatte das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) noch bei 4,8 Prozent gelegen. Ab Herbst 1991 beschleunigte sich trotz wirtschaftspolitischer Gegenmaßnahmen der Abschwung. Auf der Basis eines BIP-Zuwachses von nur noch 0,5 Prozent sanken die Realeinkommen. Getragen wurde die wirtschaftliche Entwicklung in der Folge fast ausschließlich vom Export. Erstmals seit dem wirtschaftlichen Wiederaufstieg sah sich Japan ernsthaft mit dem Phänomen der Arbeitslosigkeit konfrontiert - die Quote stieg im Verlauf des Jahres 1994 auf die für japanische Verhältnisse sehr hohe Marge von 2,9 Prozent. Der Zusammenbruch von Unternehmen, Rationalisierungen und die Verlagerung der Produktion in Drittländer ließ sie bis 2001 auf über 5,5 Prozent ansteigen. Angesichts des internationalen Drucks auf Japan hinsichtlich der Öffnung seiner Märkte wurde ab April 1995 der Import von Reis zugelassen. Da die japanische Reisproduktion erheblich teurer war als die importierte Ware (der Inlandspreis betrug das Sechsfache des Weltmarktpreises), sah sich die japanische Regierung gezwungen, ein Hilfsprogramm für die japanische Landwirtschaft aufzulegen, um die Anpassung an die neuen Bedingungen zu erleichtern. Mit dem Kollaps des seit Ende der achtziger Jahre spekulativ aufgeblähten Immobilien- und Aktienmarktes (,,bubble economy") als Folge der anhaltenden Rezession kam es 1996 zum offenen Ausbruch der Bankenkrise, die sich bereits seit 1990 stetig verschärft hatte. In der Krisendynamik brachen 1997 mehrere große Unternehmen zusammen, darunter im Juli der Baukonzern Tokai Kogo und im November - im bis dahin größten Konkurs in der japanischen Firmengeschichte - das viertgrößte und älteste Wertpapierhaus Japans, Yamaichi Securities. Zwar wurde 1996 wieder ein Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent erzielt, doch stürzte die seit Sommer 1997 von Thailand ausgehende Asienkrise das wegen seiner starken wirtschaftlichen Verflechtungen besonders betroffene Japan in den schwersten Konjunktureinbruch seit der Ölkrise 1973/74, mit einer realen Schrumpfung des BIP um 0,7 Prozent und weiteren Zusammenbrüchen bedeutender Firmen, vor allem auf dem Finanzsektor. Etwa 10 Prozent aller Kredite mussten abgeschrieben werden, der Yen verlor etwa ein Drittel seines Außenwertes. 1998, in der schlimmsten Wirtschaftskrise der Nachkriegszeit, schrumpfte die Wirtschaftsleistung um weitere 2,8 Prozent. Während die Staatseinnahmen infolge zurückgehender Steuereinnahmen sanken, stieg die Staatsverschuldung aufgrund des hohen Haushaltsdefizits 2000 auf 130 Prozent des BIP an. Verantwortlich für das hohe Haushaltsdefizit waren Maßnahmen zur Sanierung des Bankensystems und eine Serie von insgesamt zehn weitgehend wirkungslos verpuffenden Konjunkturprogrammen (mit einem Volumen von insgesamt etwa 2,5 Billionen DM in den Jahren 1992 bis 2000). Japan avancierte damit zum am höchsten verschuldeten Industriestaat der Welt. Der Schuldendienst beanspruchte 1999 bereits ein Viertel des Gesamthaushalts. 2001 rutschte Japan in die dritte Wirtschaftskrise innerhalb eines Jahrzehnts, verschärft durch die weltweiten wirtschaftlichen Folgen der Terroranschläge gegen die USA am 11. September 2001. Die Konjunkturprogramme und Investitionsanreize blieben nicht zuletzt deshalb wirkungslos, weil der Privatkonsum, der rund 60 Prozent zum BIP beiträgt, schrumpfte. Angesichts der sozialen Unsicherheit zog es die Bevölkerung vor, zu sparen (im Jahr 2000 etwa 30 Prozent des Einkommens) statt zu konsumieren. 7.8.2 Innenpolitik Die LDP blieb bis 1993 die beherrschende politische Kraft, doch aufgrund der immer zahlreicher werdenden Skandale und Korruptionsaffären verlor sie allmählich ihren seit den fünfziger Jahren bestehenden Rückhalt in der Wählerschaft. Korruptionsvorwürfe und Affären führender Regierungs- und LDP-Politiker belasteten auch die Arbeit der Regierungen unter Kaifu Toshiki (1989-1991) und vor allem unter Miyazawa Kiichi (1991-1993). Unterdessen vollzog sich bei der wichtigsten Oppositionspartei, der Sozialistischen Partei, ein grundlegender programmatischer Wandel. Sie gab ihre prinzipiell ablehnende Haltung gegenüber den japanischen Selbstverteidigungskräften und der freien Marktwirtschaft auf und benannte sich 1991 um in Sozialdemokratische Partei Japans (SDP, Shakai Minshuto). Nachdem innerparteiliche Konflikte über die notwendigen Reformen zur Spaltung der LDP und Entstehung neuer Parteien geführt hatte, verlor die LDP bei den vorgezogenen Neuwahlen zum Parlament im Juli 1993 ihre absolute Mehrheit im Unterhaus. Durch eine Koalition von acht Parteien, die Hosokawa Morihiro von der Neuen Partei Japans zum Ministerpräsidenten wählte, wurde sie erstmals seit 1955 in die Opposition verwiesen, kehrte aber nach elf Monaten in einer Koalition mit den bisher gegnerischen Sozialdemokraten unter Murayama Tomiichi (1994-1996), dem ersten sozialistischen Regierungschef seit 1948, wieder in die Regierung zurück. Eine wichtige Veränderung der innenpolitischen Machtverhältnisse brachte der Zusammenschluss der meisten nichtkommunistischen Oppositionsparteien am 28. September 1994 zur neuen Partei Shinshinto (Neue Fortschrittspartei, NFP). Unter Führung des ehemaligen LDP-Ministerpräsidenten Kaifu Toshiki bildete sie nach der LDP und vor den Sozialdemokraten die zweitstärkste Fraktion im Parlament. Generalsekretär der neuen Partei wurde Ozawa Ichiro. Innenpolitisch umstritten blieb der Umgang mit der Vergangenheit vor 1945. Als das Unterhaus am 9. Juni 1995 aus Anlass des 50. Jahrestages des Kriegsendes eine Erklärung verabschiedete, sprach es zwar den Opfern der japanischen Aggression Beileid aus, vermied jedoch eine formelle Entschuldigung. Selbst zu dieser Geste nicht bereit, boykottierte ein großer Teil der Abgeordneten die Abstimmung. Am 50. Jahrestag der japanischen Kapitulation (15. August 1995) entschuldigte sich Ministerpräsident Murayama Tomiichi auf einer Pressekonferenz für die von japanischen Truppen begangenen Kriegstaten, doch während der offiziellen Gedenkfeier beschränkte er sich auf die Bekundung von Beileid und Bedauern. Mit Hashimoto Ryutaro, der den im Januar 1996 als Konsequenz aus einer Reihe von Korruptionsskandalen zurückgetretenen Murayama als Regierungschef ablöste, stellte die LDP nach zweieinhalb Jahren wieder den Regierungschef. Nach den Unterhauswahlen im November 1996 bildete Hashimoto eine LDP-Minderheitsregierung, die jedoch nach dem Übertritt von Abgeordneten der Shinshinto-Partei ein Jahr später wieder über eine absolute Mehrheit verfügte. Hashimoto setzte eine umfassende Reform ins Werk, durch die die Effektivität der Regierungsarbeit und die Transparenz der Verwaltung erhöht werden sollten und die Anfang 2001 in Kraft trat. Erfolglos in der Bewältigung der schweren Finanz- und Wirtschaftskrise wurde Hashimoto nach Niederlagen bei Regionalwahlen und Nachwahlen im Juli 1998 von Obuchi Keizo (LDP) abgelöst. Mit teilweise unkonventionellen Maßnahmen wie der Verteilung von Warencoupons an Bedürftige, kostspieligen Maßnahmen zur Sanierung der Kreditwirtschaft und riesigen Investitionsprogrammen suchte Obuchi einen Ausweg aus der Krise. Erschwert wurde seine Arbeit durch Bestechungs- und Amtsmissbrauchsaffären, die den Verteidigungs- und den Justizminister ihre Kabinettsposten kosteten. Obuchis gesundheitlicher Zusammenbruch brachte im April 2000 Mori Yoshiro (LDP) ins Amt des Regierungschefs, in dem er sich schnell mit reaktionären Äußerungen, unsensiblem Auftreten und politischen Fehlentscheidungen disqualifizierte. Darüber hinaus schwächten neuerliche Bestechungsskandale, die zu Rücktritten von Kabinettsmitgliedern führten, seine Position. Nach Moris Rücktritt als Partei- und Regierungschef setzte sich in der LDP der politische Außenseiter, aber populäre und charismatische Koizumi Junichiro als neuer Hoffnungsträger durch. Am 26. April 2001 zum neuen Ministerpräsidenten gewählt, kündigte er durchgreifende, aber auch schmerzhafte Reformen zur Revitalisierung der Wirtschaft an. Jedoch müsse sich Japan auf eine längere Phase der wirtschaftlichen Stagnation einstellen, bevor sich positive Effekte zeigten. Bei den Parlamentswahlen im November 2003 wurde Koizumis Regierungskoalition bestätigt. Als die Regierung Koizumi in ihrer zweiten Amtszeit jedoch nach der Rentenreform, die im Wesentlichen aus einer Erhöhung der Beiträge bestand, das Kernstück ihres Reformprogramms in Angriff nahm, nämlich die Privatisierung der Post, stieß sie zunehmend auf Widerstand, auch aus den eigenen Reihen. Die Post galt den Reformern als Musterbeispiel eines ineffizienten Staatsbetriebs und als Symbol für das Klientelsystem der LDP, das zu zerschlagen die Regierung Koizumi ebenfalls angetreten war. Während das Unterhaus der Privatisierung der Post mit knapper Mehrheit zustimmte, lehnte sie das Oberhaus mit den Stimmen einiger LDP-Abgeordneter am 8. August 2005 ab. Koizumi, der die Abstimmung über die Postreform auch als Vertrauensabstimmung über seine Regierung verstand, löste daraufhin das Unterhaus auf. Die Unterhauswahlen am 11. September 2005 erbrachten einen deutlichen Sieg für die LDP und damit für Koizumis Reformpolitik: Zum ersten Mal seit 15 Jahren gewann die LDP wieder die absolute Mehrheit der Mandate, und zwar mit 296 der insgesamt 480 Sitze. Die oppositionelle Demokratische Partei (DPJ) fiel von 177 auf 113 Sitze zurück. Gut einen Monat nach den Wahlen verabschiedeten beide Häuser des Parlaments die Postreform mit klarer Mehrheit. Am 26. September 2006 wurde Koizumi, dessen Amtszeit als LDP-Chef und damit traditionell auch seine Amtszeit als Regierungschef ausgelaufen war, von Abe Shinzo als Ministerpräsident abgelöst. Abe trat nach nur einem Jahr im Amt u. a. wegen einiger Skandale innerhalb seiner Regierung, die im Sommer 2007 für die LDP zum Verlust der Mehrheit im Oberhaus geführt hatten, als Ministerpräsident und LDP-Vorsitzender zurück; sein Nachfolger in beiden Ämtern wurde Fukuda Yasuo. 7.8.3 Außenpolitik 7.8.3.1 Beziehungen zu den USA Die Beziehungen zu den USA blieben in den neunziger Jahren geprägt von den Fragen der Sicherheitspolitik und des bilateralen Handels. Im Oktober 1992 besuchte USPräsident George Bush Japan; Hauptthema der Gespräche war der japanische Überschuss im Handel mit den USA. Wirkliche Fortschritte wurden nicht erzielt. Erst 1995 kam es zu einer Einigung über die Öffnung japanischer Märkte für ausländische Unternehmen. Angesichts der ablehnenden Haltung der Bevölkerung Okinawas blieb die Stationierung amerikanischer Militäreinheiten auf der Insel ein besonderes Problem. Auf der Basis eines erneuerten Bündnisvertrages mit den USA, den Ministerpräsident Hashimoto und US-Präsident Bill Clinton am 17. April 1996 in Tokyo unterzeichneten und der an die Stelle des Sicherheitsvertrages von 1960 trat, vereinbarten beide Staaten eine Verringerung der militärischen Nutzung Okinawas durch die USA (von 20 auf 8 Prozent der Inselfläche), wobei die Stärke der US-Einheiten erhalten bleiben sollte (knapp 30 000 Soldaten). Im April 1998 einigten sich die USA und Japan über die militärische Zusammenarbeit im Krisenfall: Japan verpflichtete sich, die USA im Ernstfall militärisch, vor allem im Bereich der Logistik, zu unterstützen, wenn es zu Auseinandersetzungen in seiner Umgebung kommen sollte. Nicht vorgesehen war jedoch die Teilnahme von japanischen Einheiten an direkten militärischen Kämpfen. 7.8.3.2 Beziehungen zu Russland Angesichts der offenen Frage des Friedensvertrags und der Zukunft von vier Kurilen-Inseln, die im September 1945 von der Sowjetunion besetzt und 1947 annektiert worden waren und deren Rückgabe Japan verlangt, blieben die Beziehungen zur Sowjetunion bzw. zu Russland schwierig. Nach einer Verständigung über vertrauensbildende Maßnahmen, die der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse im Juli 1990 vorgeschlagen hatte, und einem Besuch des sowjetischen Staats- und Parteichefs Michail Gorbatschow im April 1991 in Tokyo kam es zwar zu keiner Einigung über die Rückgabe der Kurilen-Inseln, doch erkannte die Sowjetunion an, dass die Kurilen ein noch zu lösendes Problem der Beziehungen zwischen beiden Staaten darstellten. Die Forderung Russlands, Japan solle im Gegenzug zum Rückerhalt der Kurilen die Stationierung amerikanischer Truppen auf japanischem Boden beenden, lehnte die japanische Seite kategorisch ab. Ungeachtet der ungelösten Kurilen-Frage bemühten sich beide Seiten um eine Verbesserung der Beziehungen und schlossen 15 Abkommen über Umwelt-, Wirtschafts- und Verkehrspolitik ab, und Japan gewährte einen weiteren größeren Kredit. Neuerliche Verhandlungen über einen Friedensvertrag, die 1998 begannen, gerieten bald wieder ins Stocken. Auch ein Gipfeltreffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und Mori im März 2001 in Krasnojarsk (Sibirien) führte nicht zum Durchbruch. 7.8.3.3 Beziehungen zu China Trotz positiver Entwicklung der wirtschaftlichen Beziehungen zur Volksrepublik China litten die politischen Beziehungen weiterhin unter der Hypothek der Vergangenheit. Im Januar 1990 besuchte Ministerpräsident Kaifu Peking und vereinbarte einen Entwicklungshilfekredit für China in Höhe von neun Milliarden DM, und im März 1994 verhandelte der chinesische Vizepräsident Zhu Rongji in Japan über Wirtschaftsfragen. Zu einer ernsten Verstimmung kam es im Juli 1996, als Japan die zwischen beiden Staaten umstrittenen Senkaku-Inseln zum Bestandteil seiner 200-Seemeilen-Wirtschaftszone erklärte. Gegen dieses Vorgehen protestierte China scharf. Auch die nationalchinesische Regierung auf Taiwan wies die japanischen Ansprüche zurück. Während des Besuchs von Staatspräsident Jiang Zemin im November 1998 in Japan blieb die vielfach erwartete Entschuldigung des Gastgebers für japanische Verbrechen im 2. Chinesisch-Japanischen Krieg (1937-1945) aus. Auch als der japanische Ministerpräsident Obuchi im Juli 1999 zum Gegenbesuch nach China reiste, blieb die Vergangenheit ausgeklammert. Erst als es im Frühjahr 2005 in China zu heftigen antijapanischen Protesten und Übergriffen auf japanische Einrichtungen kam, die durch die nach Auffassung Chinas verharmlosende Darstellung japanischer Kriegsverbrechen in japanischen Schulbüchern ausgelöst worden waren, konstatierte Ministerpräsident Koizumi, dass ,,Japan durch seine Kolonialherrschaft und Aggression den Menschen in vielen Ländern gewaltigen Schaden und Leid zugefügt" habe und bekundete die ,,tiefe Reue" seines Landes. 7.8.3.4 Beziehungen zu Süd- und Nordkorea Auch im Verhältnis zu den beiden miteinander verfeindeten koreanischen Bruderstaaten erwiesen sich die Probleme der Vergangenheitsbewältigung weiterhin als Hürde besserer Beziehungen. Beim Besuch des südkoreanischen Präsidenten Roh Tae Woo im Mai 1989 bekundete ihm Ministerpräsident Takeshita ,,tiefstes Bedauern" für die Ereignisse während der Ära der Besetzung Koreas (1910-1945), vermied jedoch ein dezidiertes Schuldbekenntnis. Dagegen entschuldigte sich Ministerpräsident Kaifu Toshiki beim nordkoreanischen Staatschef Kim Il Sung für die japanische Kolonialherrschaft, als Japan und Nordkorea im September 1990 erstmals in einen politischen Dialog eintraten. Angesichts nordkoreanischer Schadensersatzansprüche blieb eine Einigung über die weitere Gestaltung der Beziehungen jedoch aus. Im Zeichen der intensiven wirtschaftlichen Beziehungen zwischen beiden Ländern bot Südkoreas Präsident Kim Young Sam im März 1994 die Versöhnung beider Länder an und forderte Japan auf, die historische Wahrheit zu akzeptieren. Doch erst im Oktober 1998 erreichte Kim Dae Jung in Tokyo, dass Ministerpräsident Obuchi einer gemeinsamen Erklärung zustimmte, in der sich Japan für die Verbrechen in Korea entschuldigte. Provoziert durch den Test einer nordkoreanischen Rakete am 31. August 1998, die innerhalb des japanischen Luftraumes abstürzte, brach Japan die Kontakte zu Nordkorea ab und stellte seine Hilfslieferungen für das von einer Hungersnot heimgesuchte Land ein. Eine gewisse Entspannung erfolgte erst im Dezember 1999, als eine japanische Delegation Pjöngjang besuchte. Ab April 2000 wurden die Gespräche mit Nordkorea über die Normalisierung der Beziehungen und die Herstellung diplomatischer Beziehungen wieder aufgenommen. Nordkorea beharrte jedoch auf seiner Forderung nach Entschädigung für die japanische Kolonialherrschaft. Ab August 2003 beteiligte sich Japan an der Seite von Südkorea, Russland, China und den USA an den Verhandlungen mit Nordkorea über dessen Atomprogramm. 7.8.3.5 Internationales Engagement Zuvor fast ausschließlich auf wirtschaftlichem Gebiet global aktiv, beteiligt sich Japan seit Anfang der neunziger Jahre stärker an der Lösung internationaler Konflikte. Für den Golfkrieg gegen den Irak Anfang 1991 stellte es den Alliierten unter Führung der USA insgesamt elf Milliarden US-Dollar zur Finanzierung der Kriegslasten zur Verfügung. Am 9. Juni 1992 billigte das japanische Unterhaus erstmals die innenpolitisch stark umstrittene Beteiligung japanischer Soldaten an UN-Friedenseinsätzen im Rahmen nichtmilitärischer logistischer Aktivitäten. Nach den Terroranschlägen gegen die USA am 11. September 2001 schloss sich Japan der internationalen Antiterrorkoalition an. Mit der Entsendung von Marineverbänden zur logistischen Unterstützung der US-Truppen im Krieg gegen das Taliban-Regime in Afghanistan im November 2001 brach es erstmals mit dem in der Verfassung verankerten Prinzip, sich an kriegerischen Auseinandersetzungen im Ausland nicht zu beteiligen. Am Irak-Krieg und dem Wiederaufbau des Irak nach dem Krieg beteiligte sich Japan in großem Umfang finanziell und ab Anfang 2004 auch mit Soldaten, die jedoch entsprechend der japanischen Verfassung nicht an Kampfeinsätzen teilnehmen durften, sondern nur im Wiederaufbau eingesetzt wurden. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.