James Joyce (Sprache & Litteratur).
Publié le 12/06/2013
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wieder aufgebaut werden könnte”.
Tatsächlich aber richtet Joyce sein Augenmerk keineswegs vorwiegend auf markante architektonische Punkte Dublins, sondern lässt denDiskurs der Stadt, ihre abstrakte „Sprache”, lebendig werden.
Im berühmten Kapitel Oxens of the Sun gar imaginiert Joyce anhand der Niederkunft einer Frau die „Geburt” der irischen Sprache.
In den zwölf Teilen des Ulysses ließ Joyce sein gewaltiges enzyklopädisches Wissen einfließen (der Wortschatz des etwa 1 000 Seiten dicken Buches beträgt nahezu 30 000 Wörter; dies entspricht ungefähr dem Wortschatz Goethes): Aufgenommen sind auch abwegige Neologismen, die in der Weltliteratur nur einmal vorkommen und dieJoyce gänzlich entlegenen Publikationen entnahm.
Überhaupt ist jedes Kapitel des Buches in einem anderen Stil geschrieben; so werden nicht zuletzt alle nur denkbarenliterarischen Traditionen parodiert und persifliert.
Auch der Stream of consciousness wird im Ulysses meisterlich zur facettenreichen Darstellung von Charakteren eingesetzt (besonders deutlich im berühmten Molly’s Monologue am Ende des Romans, der sich auf ein letztes „Ja” hin verengt).
Die variantenreiche Sprache bezieht auch die ungefilterte Wiedergabe der Gossensprache mit ein.
Diese provokante Mischung der Sprachebenen hat Joyce zu einer eigenständigen literarischen Methode entwickelt.
Auchwenn Vladimir Nabokov dem Roman unterstellte, eher das Wissen seines Autors zur Schau stellen zu wollen als ein organisch organisiertes Ganzes zu entwerfen, musste erdem Ulysses doch zugestehen, „glänzend geschrieben und ein Werk von Dauer” zu sein.
1997 kam eine „bereinigte” Fassung des Ulysses in einer von Danis Rose besorgten Reader’s Edition heraus, die angeblich der Absicht des Autors entspricht.
An den 250 000 Worten des Buches wurden knapp 10 000 Änderungen vorgenommen, darunter bei verwirrenden Zeichensetzungen, anscheinend zufälligen Apostrophen undvermeintlichen Rechtschreibfehlern.
Unter Joyce-Forschern war die Ausgabe heftig umstritten.
Joyce’ Enkel Stephen James Joyce urteilte: „Wer die Unverschämtheit besitzt,den Namen James Joyce auf diese schändliche Fehlinterpretation von Ulysses, dem einzigartigen Meisterwerk meines Großvaters, zu setzen, leugnet sein kreatives phantasievolles Genie.”
4 FINNEGANS WAKE (1939)
Bereits im Ulysses war Joyce’ Streben „nach einer neuen Art formaler Freiheit” (Wolfgang Hildesheimer) offensichtlich geworden.
In seinem letzten und kompliziertesten Werk, Finnegans Wake (1939), schuf der Autor hierfür die geeignete Form.
Das zunächst in der Avantgarde-Revue unter dem bezeichnenden Titel Work in progress veröffentlichte Buch ist als unterbrochene Folge von Träumen während einer Nacht im Leben der archetypischen Hauptfigur Humphrey Chimpden Earwicker (H.
C.
E.
= HereComes Everybody) angelegt.
Earwicker, seine Familie und Bekannten repräsentieren die Menschheit als Ganzes.
Reale Personen vermischen sich entsprechend derTraumlogik mit verschiedenen historischen und mythischen Figuren.
Dabei bedient sich der alle Gattungsmuster sprengende Roman einer zyklischen, an Giovanni BattistaVico orientierten Geschichtstheorie.
In der Radikalität dieser Bewusstseinsprosa kommt Joyce der écriture automatique (dem automatischen Schreiben ) der Surrealisten formal sehr nahe, allerdings mit dem fundamentalen Unterschied, dass bei ihm kein unreflektierter Schaffensprozess am Anfang, sondern ein minutiös komponiertesSprachkunstwerk am Ende steht.
In Finnegans Wake erschuf Joyce eine eigene Universalsprache aus Wortpartikeln anderer Sprachen, die er zu Polysemen zusammenfügte. Dieses Verfahren bewegte Umberto Eco, den Roman im Zusammenhang mit seiner an Charles Sanders Peirce ausgerichteten Semiotik als Beispiel eines prinzipiell„offenen”, da immer wieder neu interpretierbaren Kunstwerks anzuführen: Dem Leser bleibt es überlassen, wie in einem unendlichen Labyrinth einer Lesart (auf Kosteneiner anderen) zu folgen und damit neue Sinnhorizonte aufzudecken.
Dabei bleibt das Konzept der Vieldeutigkeit fließend– poetologisch dargestellt im wohl gelungenstenKapitel Anna Livia Plurabelle, ein Name, der neben dem Namen einer mythischen Hauptfigur den Dubliner Fluss Liffey und das Modell eines semantischen Pluralismus anzitiert.
Die Musikalität von Finnegans Wake erschließt sich erst beim lauten Lesen; Joyce, selbst ein ausgezeichneter Sänger und auf Tondokumenten als Rezitator von Anna Livia Plurabelle festgehalten, arbeitete bewusst mit den Möglichkeiten einer polyphonen Melodie.
Finnegans Wake ist aufgrund seiner eigenwilligen sprachlichen Gestaltung kaum übersetzbar: Unter anderem Arno Schmidt und Wolfgang Hildesheimer versuchten sich fragmentarisch an dem Projekt.
Eine erste komplexe Nachdichtung erfolgte erst1995.
Indem Joyce im Ulysses und in Finnegans Wake Stilmerkmale des Realismus, Naturalismus, Dadaismus und Symbolismus aufgriff und miteinander zu neuer Formgebung verschmelzen ließ, markierte er eine deutliche Zäsur in der Entwicklung der Romangattung sowie in der Literaturgeschichte allgemein.
Die psychologischeFeinzeichnung seiner Figuren und die epochale Radikalität der experimentellen Techniken haben neue Maßstäbe für den kreativen Umgang mit Literatur gesetzt.
KeinGeringerer als T.
S.
Eliot, der 1942 ein Lesebuch des Autors zusammenstellte und das Vorwort zu den Erinnerungen des Bruders Stanislaw Joyce verfasste ( My Brother’s Keeper, 1959; Meines Bruders Hüter ), bezeichnete Joyce denn auch als „einen der größten Schriftsteller nicht nur unserer Zeit, sondern aller europäischen Literatur”.
Verfasst von:Thomas KösterMicrosoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation.
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