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Herman Melville (Sprache & Litteratur).

Publié le 12/06/2013

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Herman Melville (Sprache & Litteratur). 1 EINLEITUNG Herman Melville (1819-1891), amerikanischer Schriftsteller. Er war ein führender Vertreter des symbolischen Realismus innerhalb der amerikanischen Literatur. Seine auf eigenen Erlebnissen basierenden, mit philosophisch-metaphysischen Exkursen durchsetzten Seefahrerromane machten ihn zu einem der wichtigsten amerikanischen Autoren des 19. Jahrhunderts. Sein Meisterwerk ist Moby Dick, or The Whale (1851; Moby Dick oder Der Wal). Melville wurde am 1. August 1819 in New York als drittes von acht Kindern der Eheleute Allan und Maria Gansevoort Melvill geboren; nach dem Bankrott des väterlichen Textilimports 1830 und dem Tod des Vaters zwei Jahre später verschlechterte sich die finanzielle Situation der Familie zusehends - ein Umzug nach Albany war die Folge. Anschließend mußte Melville u. a. als Pelzverkäufer und Angestellter der New York State Bank arbeiten. 1837 bereiste er als Kabinensteward die Strecke New York-Liverpool-New York und war danach kurzzeitig als Lehrer einer Grundschule in Pittsfield tätig. 1841 segelte Melville auf dem Walfänger Acushnet in die Südsee, um nach 18 Monaten auf See zu desertieren und auf den Marquesas-Inseln mit einem Freund bei den Polynesiern zu leben. Nachdem er vor den Polynesiern an Bord eines australischen Handelsschiffes hatte fliehen müssen, wurde er in Papeete (Tahiti) kurzzeitig inhaftiert. Anschließend arbeitete Melville als Landarbeiter und fuhr später auf einem Schiff nach Honolulu, wo er 1843 auf einer Fregatte der US-Marine als Matrose anheuerte. Nach seiner Entlassung aus dem Marinedienst 1844 begann er, seine Erlebnisse in Romanen zu verarbeiten. Durch sein autobiographisches Erstlingswerk, den 1846 erschienenen Abenteuerroman Typee (Taipi. Ein Blick auf polynesisches Leben während eines viermonatigen Aufenthalts), wurde Melville in den Literatenzirkeln New Yorks und Bostons schnell bekannt und fand als ,,der Mann, der unter Kannibalen gelebt hatte" eine breite Leserschaft. (In einem Brief hielt der Autor dementsprechend fest, er sei eines morgens aufgewacht und berühmt gewesen.) Auch seine nachfolgenden Bücher Omoo (Omu. Ein Bericht von Abenteuern in der Südsee) und Mardi (Mardi - und eine Reise dahin), die 1847 bzw. 1849 erschienen, wurden begeistert aufgenommen, so etwa von Walt Whitman; schon nach Monaten erschienen deutsche Übersetzungen. Wie diese, so basieren auch Redburn (1849; Redburn. Seine erste Reise) und White-Jacket (1850; Weißjacke oder die Welt auf einem Kriegsschiff) auf seinen Reise- und Marineerlebnissen. 1847 heiratete Melville die Tochter des Obersten Richters von Massachusetts, Elisabeth Shaw, mit der zusammen er insgesamt vier Kinder hatte. 1850 zogen beide auf die Farm Arrowhead bei Pittsfield (Massachusetts). Dort lernte Melville Nathaniel Hawthorne kennen, der ihn stark beeinflusste und dem er sein Meisterwerk, den Abenteuerroman Moby Dick (1851; Moby Dick oder Der Wal), widmete. In Moby Dick, den er auf Anraten Hawthornes überarbeitete, erwies Melville seinen literarischen Vorbildern François Rabelais, Laurence Sterne, Sir Thomas Browne, William Shakespeare (vor allem dessen König Lear war wichtig) und Robert Burton in teils ironisch-satirischen, teils moralisch-langatmigen Passagen immer wieder seine Reverenz. Trotz einiger Schwächen gehört das Buch zu den bedeutendsten Romanen der Mitte des 19. Jahrhunderts. Blieb Moby Dick von Melvilles Lesern weitgehend unbeachtet oder wurde in Rezensionen als ,,übel zusammengeschusterte Mischung aus Abenteuerroman und Tatsachenbericht" verrissen (lediglich Hawthorne war begeistert), so war sein nächstes Buch Pierre (1852; Pierre oder Die Doppeldeutigkeit der Dinge; 1999 unter dem Titel Pola X von Léos Carax verfilmt), eine düster-allegorische Geschichte über Gut und Böse mit Anklängen an den Schauerroman, erst recht ein finanzielles Desaster. Auch die Literaturkritik äußerte sich vernichtend (,,besser, er hätte das Bücherschreiben nach Typee aufgegeben"), so dass ein für dasselbe Jahr geplantes Buch nicht gedruckt wurde. Die historische Abenteuergeschichte Israel Potter (1855), in der die Themen seines späteren Meisterwerkes Billy Budd (der Kontrast von Schuld und Unschuld, Verzweiflung und Unschuld etc.) schon angedeutet sind, hatte ebenfalls keinen Erfolg. Gleiches gilt für The Piazza Tales (1856), The Confidence Man: His Masquerade (1857) und BattlePieces and Aspects of War (1866). Bald schon war Melville nicht mehr in der Lage, seine Familie als Schriftsteller zu ernähren. Versuche von Freunden, ihm einen Posten als Konsul in Florenz zu vermitteln, scheiterten. Der Autor war gezwungen, Vortragsreisen über seine Südseeerlebnisse zu unternehmen. 1861 musste er seine Farm verkaufen, nach New York übersiedeln und bis zu seiner Pensionierung 1866 als Zollinspektor arbeiten. Während dieser Zeit entstanden vorwiegend Gedichte, die 1888 unter dem Titel John Marr and Other Sailor With Some Sea Pieces und 1891 - als Privatdruck von nur 25 Exemplaren - im Band Timoleon and Other Ventures in Minor Verse erschienen. Herman Melville starb vereinsamt, vergessen und gebrochen am 28. September 1891 in New York. (,,Am Winterhang sein Klausnergrab / Die Schneelaken beschichten, / Wo heimatlos der Schneefink huscht / Im Trauerflor der Fichten: / Steht eisverglast die Klosterrebe / Mit allerzagsten Früchten", heißt es melancholisch-resignativ im Gedicht Monodie aus Timoleon.) Die New York Times vermeldete den Tod eines gewissen ,,Henry Melville" als Kurznotiz. 2 WERK Oberflächlich gelesen schildert Moby Dick einen Rachefeldzug, den der vom weißen Wal verstümmelte Kapitän Ahab von seinem Schiff Pequod aus führt. Aus der Sicht eines Icherzählers schildert Melville die besessene Suche Ahabs nach Moby Dick, die die Mannschaft der Pequod durch exotische Gewässer führt. Dabei durchbricht Melville seine realistische Schilderung des Walfängerlebens immer wieder durch lange Abschweifungen, die das Geschehen auf eine philosophische Ebene heben. Vor allem das Kapitel White (Weiß) lässt die Deutung zu, dass es sich bei Moby Dick um eine Chiffre handelt, die den Versuch Ahabs beschreibt, hinter das Geheimnis der Dinge (symbolisiert durch die weiße Wand des Wales) vorzustoßen. Demnach wäre Ahabs Jagdmotiv nicht billige Rache, sondern eine Art faustischer Teufelspakt, durch den der ,,gottähnliche" Ahab seine Seele zum Zweck der Erkenntnis dem Bösen vermacht. Diese Lesart wird durch das symbolische Ende des Romans bestärkt: Ahab wird vom Seil seiner Harpune, die er auf Moby Dick geworfen hatte, in die unergründliche Tiefe das Meeres mitgerissen, die Pequod versinkt. In einem hochgeschwemmten Sarg kann sich allein der Icherzähler mit dem biblischen Namen Ishmael (Sinnbild des Ausgestoßenen) retten. Moby Dick wurde 1955 von Orson Welles dramatisiert und zweimal verfilmt, u. a. von John Huston (1956, mit Gregory Peck). Mit dem Erzählband The Piazza Tales (1856; Die Piazza-Erzählungen) fand Melville endgültig zur Schaffenskraft von Moby Dick zurück. Vor allem Benito Cereno und Die Encantadas oder Verzauberte Inseln, die zuvor in Putnam's Monthly Magazine erschienen waren, sind von großer erzählerischer Dichte. Herausragend ist die Erzählung Bartleby der Schreiber, die auf die dunkel-grotesken Geschichten Franz Kafkas verweist und von Jorge Luis Borges in seine Bibliothek von Babel aufgenommen wurde. Der leitmotivisch-geheimnisvolle Satz Bartlebys, mit dem er den Betrieb einer Anwaltskanzlei auf absurde Weise lähmt (,,Ich würde lieber nicht"), reizte den französischen Philosophen Gilles Deleuze 1994 zu dem eigenen kleinen Buch-Essay Bartleby oder die Formel. Melvilles nächstes Buch, die fragmentarische Romansatire The Confidence Man (1857; Der Hochstapler: Seine Verkleidungen), entwirft auf einem Mississippi-Dampfer einen Jahrmarkt der Eitelkeiten, bei dem ein sonderbarer Passagier - Melvilles Motiv des Ausgestoßenen - den Materialismus seiner Mitreisenden entlarvt. In der Zeit als Zollinspektor veröffentlichte der Autor u. a. das Gedicht Clarel (1876), das eine beschwerliche Pilgerfahrt ins Heilige Land (siehe Palästina) beschreibt. 1891 beendete Melville das Manuskript zu seinem Roman Billy Budd (posthum 1924; Billy Budd, Vortoppmann), die Geschichte eines Seemannes, dessen provozierende, engelsgleiche Unschuld die Bösartigkeit des Waffenmeisters Claggart herausfordert. Als Budd, von Claggart zu Unrecht angeklagt, diesen tötet, muss ein eilig anberaumtes Seegericht, zwischen Sympathie und Gesetz schwankend, den Tod Budds beschließen. Auch Billy Budd lotet die Triebhaftigkeit der menschlichen Psyche und die Verstrickung des Individuums in äußere (moralische und gesellschaftliche) Zwänge ein weiteres Mal aus. Nach dem Buch entstand neben einer Bühnenbearbeitung ein Film von Peter Ustinov. 1951 wurde der Roman von dem englischen Komponisten Benjamin Britten und dem Schriftsteller E. M. Forster in eine Oper umgearbeitet. Melvilles Reisetagebücher erschienen 2001 erstmals in deutscher Sprache. 3 NACHWIRKUNG Lange Zeit vergessen, wurde die Bedeutung von Melvilles Werk erst in den zwanziger Jahren neu entdeckt. Eugenio Montale, Uwe Johnson und Paul de Man schufen Übersetzungen (unter den zumeist glättenden Übertragungen ragt vor allem Johnsons Israel Potter heraus, der das sprachlich Holprige des Originals beizubehalten sucht), Gerhard Roth stellte seinem Roman Der Stille Ozean von 1983 ein Motto aus einer Notiz Melvilles voran: ,,Jetzt, da alles mit Schnee bedeckt ist, habe ich hier auf dem Lande das Gefühl, als wäre ich auf See. Morgens, wenn ich aufstehe, schaue ich aus dem Fenster wie aus dem Bullauge eines Schiffes auf dem Atlantik". Sowohl James Joyce als auch Arno Schmidt übernahmen eine Formulierung aus Billy Budd (,,sinister dexterity") in Finnegans Wake bzw. in der Erzählung Die Wasserstraße. Der Regisseur Jean- Pierre Melville wählte sein Pseudonym nach dem Namen seines Lieblingsschriftstellers. Verfasst von: Thomas Köster Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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