Gustav Mahler - Musik. 1 EINLEITUNG Gustav Mahler (1860-1911), österreichischer Komponist und Dirigent. Seine Kompositionen markieren den Höhepunkt in der spätromantischen Entwicklung der Sinfonie und hatten bedeutenden Einfluss auf die Komponisten des 20. Jahrhunderts, insbesondere auf die Vertreter der Zweiten Wiener Schule. 2 LEBEN Mahler wurde am 7. Juli 1860 in Kalischt (Böhmen, heute Kali?t?, Tschechische Republik) geboren. Nach dem Gymnasium in Iglau wurde er 1875 am Wiener Konservatorium aufgenommen, wo er Klavier bei Julius Epstein, Harmonielehre bei Robert Fuchs und Komposition bei Franz Krenn studierte. Von 1877 bis 1880 studierte Mahler auch Geschichte und Philosophie an der Universität Wien; daneben nahm er Privatstunden in Komposition bei Anton Bruckner. Seine erste Stellung als Dirigent erhielt Mahler in Hall (1880), es folgten Engagements in Laibach (1881), Olmütz (1882), Wien (1883) und Kassel (1883-1885). 1885 wurde Mahler unter Anton Seidl zum Zweiten Kapellmeister am Deutschen Landestheater in Prag berufen, wo er mehrere Aufführungen von Wagner-Opern leitete. In gleicher Position arbeitete er von 1886 bis 1888 in Leipzig unter Arthur Nikisch, den er ein halbes Jahr als Operndirektor vertrat. 1888 kam die Berufung nach Budapest als Direktor an die Königliche Oper. Aber schon 1891 löste Mahler seinen Zehnjahresvertrag und ging als Erster Kapellmeister an die Hamburger Oper, wo er sieben Jahre lang blieb. Daneben trat er 1897 als Gastdirigent auf einer großen Tournee durch Polen und Russland in Erscheinung. 1897 erhielt Mahler das exzellente Angebot, die Wiener Hofoper als Musikdirektor zu übernehmen. Allerdings verhinderten antisemitische Vorbehalte, dass er diese Stelle sofort antreten konnte (kaiserliche Berufungen wurden nicht an Personen jüdischer Abstammung ausgesprochen); daher arbeitete Mahler zunächst als Kapellmeister an der Wiener Hofoper. Nach seinem Übertritt zum Katholizismus 1897 erhielt er sofort den Rang des Operndirektors und blieb in dieser Stellung zehn Jahre lang bis 1907. Mit fast uneingeschränkter Macht konnte Mahler über große finanzielle Mittel verfügen und entwickelte sich zur unumstrittenen Führungspersönlichkeit an der Wiener Hofoper. Unter seiner Leitung wurden musikalische Glanzleistungen geboten; Mahler übernahm nicht nur die musikalische Führung, sondern bestimmte auch Bühnenbild und Inszenierung. Mahlers Tätigkeit gilt als Höhepunkt des Wiener Musiklebens zu dieser Zeit und verschaffte der Wiener Oper Weltruf. 1898 übernahm Mahler in der Nachfolge von Hans Richter zusätzlich auch die Leitung der Philharmonischen Konzerte. Sein autokratischer Stil bei Dirigaten sowie seine häufigen und weitgehenden Änderungen in der Orchestrierung von Werken, z. B. bei den Sinfonien von Ludwig van Beethoven, Robert Schumann und Anton Bruckner, blieben nicht ohne Widerspruch. Die zahlreichen Konzerttermine und das Engagement an der Oper ließen Mahler kaum noch Zeit zum Komponieren, meist war er nur noch während der Ferien im Sommer produktiv. 1901 legte er die Leitung der Philharmonischen Konzerte nieder, 1907 dann die gesamte Leitung der Wiener Hofoper. 1902 heiratete er Alma Maria Schindler, mit der er zwei Töchter hatte. Mahler hatte in seiner Dirigentenkarriere alles erreicht, was in Europa möglich war, deshalb akzeptierte er 1907 das Angebot der Metropolitan Opera in New York als Principal Conductor und gab im Januar 1908 sein Debüt in den USA mit Wagners Tristan und Isolde. 1909 übernahm er zusätzlich die Leitung der New York Philharmonic Society als Appointed Conductor. Mahler hatte außerordentlichen Erfolg in New York, seine Konzerte waren sehr beliebt, die Kritiker feierten seine Leistungen. Eine schwere Herzerkrankung zwang ihn jedoch, beide Posten niederzulegen, und er kehrte nach Wien zurück. Mahler starb am 18. Mai 1911 in Wien. 3 WIRKUNG ALS DIRIGENT Mit seiner Arbeit als Dirigent prägte Mahler eine ganze Generation von nachfolgenden Kapellmeistern, u. a. Willem Mengelberg, Bruno Walter und Otto Klemperer. Mahlers Klarheit und Strenge bei der Interpretation, seine Orchesterdisziplin, seine konzentrierte Probenarbeit mit Sängern und Chor waren beeindruckend. Er erreichte eine neue, gesteigerte Einheit der Inszenierung mit den Elementen musikalische Interpretation, Dekoration und szenische Präsentation. Hieraus resultieren auch einige Bearbeitungen von Opern zur Steigerung der Bühnenwirksamkeit, darunter Die drei Pintos, Euryanthe und Oberon von Carl Maria von Weber sowie Die Hochzeit des Figaro von Wolfgang Amadeus Mozart. 4 LIEDER Mahlers kompositorisches Schaffen konzentriert sich ausschließlich auf die Gattungen Sinfonie und Lied. Bei seinen Liedkompositionen knüpfte er musikalisch vor allem an Franz Schubert an. Als Vorlage verwendete er bis 1899 Texte aus der Sammlung Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano, danach vertonte er zahlreiche Gedichte von Friedrich Rückert. Charakteristisch ist bei diesen Liedern die volksliedhafte Schlichtheit der Melodie, die mit einer höchst differenzierten, komplexen Struktur des musikalischen Satzes einhergeht. Viele Lieder liegen in zwei Fassungen vor: einmal mit Klavier- und einmal mit Orchesterbegleitung. Zu den bedeutenden Liedsammlungen Mahlers gehören u. a. Lieder und Gesänge aus der Jugendzeit (1880-1891), Lieder eines fahrenden Gesellen (1883-1885), Des Knaben Wunderhorn (1892-1901), 5 Lieder nach Gedichten von Rückert (1901-1903) sowie die Kindertotenlieder (1901-1904). Bei der Komposition Das klagende Lied (1878-1880, zweite Fassung 1896-1898) handelt es sich um eine Kantate. 5 SINFONIEN Das Lied von der Erde (1907/08) stellt mit der Bezeichnung ,,Sinfonie für Tenor- und Alt- (oder Bariton-)Stimme und Orchester" das zentrale Bindeglied zwischen den Liedkompositionen und dem sinfonischen Schaffen Mahlers dar. Hier zeigt sich der Komponist als Nachfolger von Beethoven und Johannes Brahms sowie seines Lehrers Anton Bruckner. Mahlers Verwendung von Chor- und Solostimmen in den Sinfonien setzt die Ansätze Beethovens fort, der in seiner 9. Sinfonie ebenfalls Stimmen eingesetzt hatte. Die Einbeziehung von Liedern in die Sinfonien zeigt sich besonders in der 1. Sinfonie (1884-1888), in der instrumental Motive aus den Liedern eines fahrenden Gesellen zitiert werden, und in den Sinfonien Nr. 2 (1887-1894), Nr. 3 (1893-1896) und Nr. 4 (1899-1901) mit Soli und Chor sowie Liedern aus Des Knaben Wunderhorn. Die traditionelle Viersätzigkeit der Sinfonie wird bei Mahler bis zu sieben Sätzen ausgeweitet. Die programmatischen Themen, die Mahler seinen Sinfonien beigab, verweisen auf die Programm-Musik von Hector Berlioz. Mahlers neun Sinfonien - eine 10. Sinfonie (1909/10) blieb unvollendet - zeigen die spätromantische Ausweitung der Gattung in ihrer fortgeschrittensten Entwicklung. Seine Musik, die er jeweils nur in den Sommermonaten konzipieren und während der Wintermonate in Reinschrift bringen konnte, spiegelt den Bruch zwischen Kunst und gesellschaftlicher Realität des bürgerlichen Zeitalters, der nach Mahlers Meinung nicht mehr aufzuheben war. Mahler bildete in seinen Sinfonien die Widersprüche in der Welt musikalisch ab, gleichsam als ,,brennende Anklage an den Schöpfer", wie er es formulierte. Dabei wandte er sich explizit gegen die schon zu seiner Zeit vollzogene klassenspezifische Unterscheidung zwischen ,,hoher" Kunstmusik und der einfachen Musik des Volkes. Seine Musik bezieht daher stets eine Vielfalt von Stilebenen ein, die auch im Widerspruch zueinander stehen können und die berühmten Brüche in Mahlers Ton ergeben. 6 WIRKUNGSGESCHICHTE Mahlers Kompositionen fanden zu seinen Lebzeiten und in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur geringe oder geteilte Wertschätzung. Der ,,fremde Ton" in seinem OEuvre irritierte Generationen von Hörern. Mahlers Sinfonien wurden als zu lang, zu laut und zu dissonant kritisiert. In den sechziger Jahren des 20. Jahrhundert änderte sich jedoch die Einschätzung seines Werkes grundlegend. Mit vielen Konzerten und Schallplattenaufnahmen setzte eine Mahler-Renaissance ein. Entscheidenden Anteil daran hatte der amerikanische Dirigent und Komponist Leonard Bernstein, der Mahlers Werke sowohl in Vorlesungen als auch seinen ,,moderierten Konzerten" zusammen mit den Wiener Philharmonikern dem Publikum näherbrachte. Heute zählen Mahlers Werke weltweit zum zentralen sinfonischen Repertoire. Verfasst von: Krämer, Jörg und Theilacker, Jörg Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.