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George Sand: Mit Frédéric Chopin auf Mallorca (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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George Sand: Mit Frédéric Chopin auf Mallorca (Sprache & Litteratur). Im Jahr 1838 verbrachte die französische Schriftstellerin George Sand zusammen mit ihrem Geliebten, dem tuberkulosekranken polnischen Komponisten Frédéric Chopin, einen Winter auf Mallorca. Sands Kinder Maurice und Solange begleiteten die beiden. Der als erholsame Kur gedachte Aufenthalt auf der zu dieser Jahreszeit verregneten, kühlfeuchten Mittelmeerinsel geriet jedoch zu einem deprimierenden Fiasko. Sand verarbeitete ihre Erlebnisse in dem Buch Un Hiver à Majorque (1842; Ein Winter auf Mallorca). George Sand: Mit Frédéric Chopin auf Mallorca Im Jahre 1838 entschloß ich mich, Maurice einen milderen als unseren heimischen Winter zu verschaffen. Ich hoffte ihn so vor einer Wiederkehr der grausamen rheumatischen Beschwerden des vergangenen Jahres zu bewahren. Gleichzeitig wollte ich einen ruhigen Ort finden, an dem ich mit ihm, aber auch mit seiner Schwester, arbeiten könnte, wo aber auch meine Arbeit ohne Überanstrengung zu ihrem Recht käme. Wenn man niemanden sieht, gewinnt man viel Zeit und braucht sich nicht so viele Nächte um die Ohren zu schlagen. Während ich meine Pläne und Vorbereitungen für die Abreise machte, sagte mir Chopin, den ich täglich sah und dessen Genie und Charakter ich zärtlich liebte, zu verschiedenen Malen, daß er selbst bald von seiner Krankheit geheilt sein würde, wenn er an Maurices Stelle sein könnte. Ich hielt das für richtig; es war aber falsch. Nicht anstelle von Maurice, sondern neben ihm nahm ich ihn in die Reisegesellschaft auf. Seine Freunde rieten ihm seit langem, eine Weile im Süden Europas zu verbringen. Man hielt ihn für schwindsüchtig. Dr. Gaubert untersuchte ihn und schwor mir, er sei es nicht. ,,Sie werden bestimmt seine Rettung sein, wenn Sie ihm frische Luft, Spaziergänge und Ruhe verschaffen." [...] Ich machte mich mit meinen Kindern auf den Weg und sagte ihm, ich würde in Perpignan einige Tage Station machen, wenn ich ihn dort nicht schon vorfände; käme er nicht innerhalb einer bestimmten Frist an, würde ich nach Spanien weiterreisen. Mallorca hatte ich auf Empfehlung von Leuten gewählt, die sich einbildeten, Klima und Verhältnisse auf der Insel gut zu kennen. Sie hatten aber in Wahrheit keine Ahnung. Unser gemeinsamer Freund, Don Juan Mendizabal, ein großartiger Mann und berühmt als ehemaliger Ministerpräsident und jetziger spanischer Botschafter in Paris, mußte nach Madrid reisen. Er hatte Chopin angeboten, ihn bis zur Grenze mitzunehmen, falls er seinen Reisetraum verwirklichen sollte. Mitte November brach ich mit den Kindern und einem Dienstmädchen auf. Nach Besuchen bei Freunden und Ausflügen nach Vaucluse und Pont du Gard erreichten wir über Lyon, Avignon und Nîmes schließlich Perpignan. Schon am folgenden Tag traf auch Chopin ein; er hatte die Reise sehr gut überstanden. Auf der Fahrt mit dem Schiff nach Barcelona und von dort nach Palma hatte er ebenfalls kaum zu leiden. Bei schönem Wetter und ruhiger See spürten wir, wie es von Stunde zu Stunde wärmer wurde. Maurice ertrug den Seegang fast so gut wie ich. Solange weniger gut. Als aber die steile Küste der Insel mit ihren Zacken von Palmen und Agaven in der Morgensonne auftauchte, begann sie fröhlich und frisch auf Deck herumzutollen. Auf den Einbruch des Winters, der sich ganz unvermittelt durch strömenden Regen bemerkbar machte, reagierte Chopin ebenso plötzlich mit allen Symptomen einer Lungenentzündung. Ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn Maurice wieder vom Rheumatismus befallen worden wäre; keiner der verfügbaren Ärzte flößte uns Vertrauen ein, und selbst die einfachsten Medikamente waren kaum aufzutreiben. Sogar der Zucker war oft von schlechter Qualität und bekam uns nicht. Maurice, der von morgens bis abends mit seiner Schwester Wind und Wetter trotzte, war Gott sei Dank rasch wieder völlig gesund. Weder Solange noch ich scheuten die überschwemmten Wege und die plötzlichen Regengüsse. In einer verlassenen und teils zerfallenen Kartause hatten wir eine sichere und pittoreske Bleibe gefunden. In den Morgenstunden gab ich den Kindern Unterricht und ließ sie den Rest des Tages stromern, während ich arbeitete; abends streunten wir bei Mondenschein miteinander durch die Klostergänge oder lasen in unseren Zellen. In dieser romantischen Einsamkeit ließe sich trotz der Unkultur im Lande und trotz der diebischen Veranlagung seiner Bewohner ein recht vergnügliches Leben führen, hätten nicht der traurige Anblick der Leiden unseres Gefährten und gelegentlich sogar ernstliche Besorgnis um sein Leben jede Freude an der Reise und alle Erholung geraubt. Als Kranker war der arme große Künstler unausstehlich. Was ich befürchtet, leider aber nicht gründlich durchdacht hatte, traf ein. Er verzagte vollkommen. Obwohl er sein Leiden recht mutig ertrug, konnte er seiner erregten Phantasie nicht Herr werden. Das Kloster war ein Ort der Schrecken und der Geister für ihn, auch wenn er in guter Verfassung war. Er sprach nicht darüber, aber ich ahnte es. Wenn ich mit den Kindern von unseren nächtlichen Streifzügen durch die Klosterruinen zurückkam, fand ich ihn um zehn Uhr bleich an seinem Klavier; sein Blick war verstört, und es schien, als stünden seine Haare zu Berge. Er brauchte eine Weile, bis er uns erkannte. Dann brach er in ein gezwungenes Lachen aus und spielte uns herrliche Musik vor, die er gerade komponiert hatte, oder genauer gesagt die Vertonung von schrecklichen und quälenden Vorstellungen, die sich seines Unterbewußtseins in dieser Stunde der Einsamkeit, des Trübsinns und des Entsetzens bemächtigt hatten. Unter diesen Umständen hat er die schönsten seiner kurzen Stücke geschaffen, die er bescheiden Präludien nannte. Es sind Meisterwerke. George Sand: Ein Winter auf Mallorca. Frankfurt am Main 1974. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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