Georg Friedrich Händel - Musik. 1 EINLEITUNG Georg Friedrich Händel (1685-1759), deutscher Komponist. Vor allem mit seinem reichen Opern- und Oratorienschaffen ist er neben Johann Sebastian Bach einer der wichtigsten Vertreter des Spätbarock. 2 VON HALLE (SAALE) ÜBER HAMBURG NACH ITALIEN Händel wurde am 23. Februar 1685 in Halle (Saale) geboren, wo er auch seine musikalische Ausbildung bei Friedrich Wilhelm Zachow erhielt. Als 17-Jähriger nahm Händel 1702 seine erste Organistenstelle in Halle an, ein Jahr später wurde er Geiger und bald darauf ,,Maestro al Cembalo" am von Reinhard Keiser geleiteten Hamburger Opernhaus. Dort entstand 1705 seine erste Oper Almira (Libretto von Friedrich Christian Feustking), mit der er in Hamburg für Aufsehen sorgte. Im Frühjahr 1707 reiste er nach Italien und hielt sich zwei Jahre lang in Florenz und Rom auf, wo er die Unterstützung des Adels und der Geistlichkeit genoss. In dieser Zeit studierte Händel die Werke der damals führenden italienischen Komponisten wie Arcangelo Corelli, Alessandro und Domenico Scarlatti oder Agostino Steffani. In Italien schrieb Händel Opern, Oratorien sowie zahlreiche geistliche Kantaten und eignete sich die Stilmittel der modernen italienischen Musik umfassend an. 1709 wurde seine fünfte Oper Agrippina (Text von Vincenzo Grimani) mit großem Erfolg in Venedig uraufgeführt. Das Wechselspiel von ironisierender Parodie und echten Affekten der Figuren, von Komik und raffinierten Intrigen, das das wirkungsvolle Libretto anbot, setzte der Komponist meisterhaft und in vollständiger Beherrschung der Möglichkeiten der venezianischen Oper in Musik um. 3 TRIUMPHALE ERFOLGE IN LONDON Im Frühjahr 1710 kehrte Händel nach Hannover zurück, um die Stelle eines kurfürstlichen Kapellmeisters anzunehmen. Doch bereits am Ende des Jahres 1710 reiste er weiter nach London, wo ihm mit der Zauberoper Rinaldo (1711, Text von Giacomo Rossi nach Aaron Hill) am Haymarket Theatre ein zweiter Operntriumph gelang. Ein Jahr später ließ er sich endgültig in England als Komponist, Hofmusiker und Impresario nieder und kehrte nur noch gelegentlich kurz auf den Kontinent zurück. Ab 1713 erhielt er eine jährliche Pension des britischen Königshauses und wirkte als selbständiger Unternehmer in Konkurrenz zu anderen Opernkomponisten wie Giovanni Bononcini oder Nicola Porpora. 1727 wurde Händel britischer Staatsbürger. Neben seiner Opernarbeit komponierte er unter der Schirmherrschaft des Herzogs von Chandos unter anderem das Oratorium Esther (1718) und die elf Chandos-Anthems für Soli, Chor und Orchester (1717-1720). 1719 erhielt Händel den Auftrag, ein Opernhaus (die Royal Academy of Music) zu gründen. Für dieses schuf Händel in den Jahren zwischen 1720 und 1728 nicht weniger als 14 große italienische Opern; dort hatte er auch einige seiner größten Erfolge mit den Uraufführungen der Opern Radamisto (1720), Ottone (1723), Giulio Cesare in Egitto (1724), Tamerlano (1724) und Rodelinda (1725, alle nach Texten von Nicola Haym), die Händel in ganz Europa berühmt machten. 4 KRISE DER ITALIENISCHEN ,,ADELSOPER" Während Händels Opern auf dem europäischen Kontinent ihren Siegeszug antraten, wandte sich das Londoner Publikum mehr und mehr von der italienischen ,,Adelsoper" (so die kritische Bezeichnung damals) ab - die bürgerliche Bewegung in England wurde immer stärker und suchte nach eigenen musikalischen Ausdrucksformen. Musikalischer Indikator dieser Entwicklung war das äußerst erfolgreiche Werk The Beggar's Opera (1728) von John Gay und Johann Christoph Pepusch, eine beißende Parodie auf den Operntypus Händels. 1728 musste das königliche Opernunternehmen wegen wirtschaftlicher Misserfolge schließen. Händel versuchte zwar noch intensiv, durch einen Umzug in ein kleineres Theater (1734) und weitere Opern, u. a. Poro (1731) und Ezio (1732, beide nach Texten von Pietro Metastasio) sowie Ariodante (1735) und Alcina (1735, Libretto von Antonio Salvi und Antonio Marchi) das Unternehmen zu retten - nach einem gesundheitlichen Zusammenbruch musste er aber 1737 das finanziell desaströse Projekt aufgeben. Auch wenn die Oper danach nicht mehr im Zentrum seiner Arbeit stand, schuf er noch einige bedeutende Bühnenwerke wie etwa Serse (1738; Xerxes, Libretto von Nicolo Minato), in dem Händel das Schema der Opera seria mit buffonesken Elementen durchsetzte, oder Deidamia (1741, Libretto von Paolo Antonio Rolli). 5 ORATORIEN UND INSTRUMENTALMUSIK Aufgrund der zunehmenden Misserfolge auf dem Gebiet der Oper wandte sich Händel bereits während der dreißiger Jahre parallel anderen musikalischen Gattungen zu, vor allem dem volkssprachlichen Oratorium, mit dem er sich den englischen Chormusikstil in der Tradition von Henry Purcell aneignete, und der Instrumentalmusik. Damit vollzog sich auch ein Wechsel von der adeligen Musikkultur der italienischen Oper hin zur modernen, bürgerlichen Form des Oratoriums mit englischen Texten, englischen Sängern und einem ,,vernünftigen Aufbau" (Aaron Hill) anstelle der künstlichen Verwicklungen der barocken Oper. So entstanden zunächst die beiden Oratorien Athalia (1733) und Saul (1739). Daneben schuf Händel im Bereich der Instrumentalmusik wegweisende Werke des 18. Jahrhunderts, etwa die Solokonzerte aus Opus 4 (1736, für Orgel bzw. Harfe) und die zwölf Concerti grossi Opus 6 (1739). Außerdem umfasst Händels Instrumentalschaffen bedeutende Triosonaten und Cembalomusik. 1742 wurde das Oratorium Messiah (Der Messias) in Dublin uraufgeführt. Mit diesem Werk, das zu den bedeutendsten seiner Art gehört und zum Inbegriff der Gattung wurde, erlangte Händel als erster deutscher Musiker Weltruhm (das Halleluja aus dem Messias gehört bis heute zu den meistgespielten Musikstücken überhaupt). Weitere wichtige Oratorienwerke sind u. a. Israel in Egypt (1739), Samson (1743), Judas Maccabäus (1747) und Solomon (1749). Das berühmte Dettinger Te Deum entstand 1743. Im Jahre 1749 schuf Händel (anlässlich des Aachener Friedens von 1748) seine Feuerwerksmusik, die zusammen mit seiner Wassermusik (1717) anlässlich der Thronbesteigung Georgs I. eines der meistgespielten Instrumentalwerke überhaupt ist. Während der Komposition des Oratoriums Jephta (1751) erblindete der Komponist. Händel starb am 14. April 1759 in London und wurde unter hohen Ehren in der Poet's Corner der Westminster Abbey beigesetzt. 6 NACHWIRKUNG Das Werk Georg Friedrich Händels stellt neben dem OEuvre Johann Sebastian Bachs den Höhepunkt des Musikschaffens in der Barockzeit dar. Händels Opernstil entwickelte sich von der rigiden Anwendung konventioneller Muster hin zu einer flexibleren und dramatischen Behandlung von Rezitativ, Arioso, Arie und Chor. Aus der schematisierten Abfolge von Rezitativ und Arie entwickelte Händel durch eine Aufwertung des begleiteten Rezitativs zunehmend dramatische Szenen als größere Einheiten, etwa die Szene von Bajazets Tod in Tamerlano oder der Wahnsinnsausbruch des Helden in Orlando (1733). Seine großen Opern zeigen eine meisterhafte Vielfalt musikalischer Charakterisierungskunst im Wechsel zwischen erhabenem Pathos, hoher Erregung, leidenschaftlichen Klage- und Liebesszenen und anderen Affekten, die mittels einer vielseitigen Führung der Singstimmen, modulationsreicher Harmonik, farbiger Instrumentierung, raffinierter Verwendung von Solo-Instrumenten und prägnanter Rhythmik gestaltet wurden. Händel führte damit auf musikdramatischem Gebiet die italienische Barockoper und das barocke Oratorium zur Vollendung und hatte großen Einfluss auf das Opernschaffen der folgenden Komponistengenerationen. Auf der Bühne verschwanden Händels Opern nach dem Ende der Barockzeit und wurden erst seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts allmählich wiederentdeckt. Seine Oratorien wurden mit ihren mächtigen Fugen und glanzvollen Chören prägende Vorbilder für Joseph Haydn, Ludwig van Beethoven oder Felix Mendelssohn Bartholdy und blieben - anders als die Opern - stets lebendig im Repertoire der überall aufblühenden bürgerlichen Chorvereinigungen. Für die deutsche Kultur zwischen Empfindsamkeit und Romantik wurde Händel gerade mit seinen Oratorien zu einer zentralen Bezugsfigur. Ab 1784 fanden in England immer wieder monumentale Händelfeiern mit riesigen Chören (bis zu 4 000 Aufführende) statt; in Deutschland stiegen Berlin und Halle im frühen 19. Jahrhundert zu den Zentren der Händelpflege auf. Von 1787 bis 1797 erschien eine erste Gesamtausgabe seiner Werke in 40 Bänden, die auch von Ludwig van Beethoven hoch geschätzt wurde. An der ersten wissenschaftlichen Werkausgabe (Leipzig 1858-1903), herausgegeben von dem bedeutenden Händelforscher und -biographen Friedrich Chrysander, arbeitete u. a. Johannes Brahms mit. Die bleibende Bedeutung von Händels Werk erklärt sich aus der genialen Beherrschung der Stilmittel und der vollendeten Verbindung zwischen der deutschen Organistentradition und den neuen Entwicklungen der italienischen, französischen und englischen Musik. Verfasst von: Krämer, Jörg und Theilacker, Jörg Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.