Europa - geographie. 1 EINLEITUNG Europa, nach Australien zweitkleinster Kontinent. Von den etwa 10,5 Millionen Quadratkilometern Landfläche entfallen rund 7 Prozent auf Inseln. Europa besitzt mit rund 730 Millionen Einwohnern die nach Asien und Afrika drittgrößte Gesamtbevölkerung aller Erdteile. Obwohl Europa als einzelner Kontinent bezeichnet wird, gehört es zusammen mit Asien zur Eurasischen Landmasse. Der Westteil Eurasiens, etwa ein Fünftel der Gesamtfläche, wird von Europa eingenommen. Nach allgemeiner Auffassung reicht Europa im Osten bis zum Gebirge Ural und dem gleichnamigen Fluss, die weitere Grenze zu Asien markieren das Kaspische Meer, eine Senke nördlich des Kaukasus, das Schwarze Meer, der Bosporus, das Marmarameer, die Dardanellen und das Ägäische Meer. Der Name des Kontinents leitet sich möglicherweise von Europa her, der Tochter des phönizischen Königs Agenor, oder von dem phönizischen Wort Ereb, das ,,Sonnenuntergang" bedeutet. Als nördlichster Punkt des europäischen Festlandes wird allgemein das Nordkap in Norwegen angesehen, in Wirklichkeit ist es aber Knivskjelodden (71°11'08'' Nord), das vier Kilometer weiter westlich liegt. Der südlichste Punkt des Kontinents ist die Punta de Tarifa bei Gibraltar im südlichen Spanien. Von West nach Ost erstreckt sich das Festland zwischen Cabo da Roca in Portugal und den Bergketten des Ural in Russland. Europa besaß schon lange vor Beginn unserer Zeitrechnung große kulturelle und wirtschaftliche Bedeutung. Die Hochkulturen der Griechen und Römer hinterließen u. a. in den Bereichen Philosophie, Literatur, Kunst und Staatswesen Werke und Beispiele, die immer noch größte Bedeutung haben. Kaiser- und Papsttum bestimmten das Mittelalter, und zahlreiche weltliche und kirchliche Zeugnisse weisen auf die prosperierende Zeit des Hochmittelalters ebenso hin wie auf den späteren Niedergang, den Kampf um die Glaubensvorherrschaft zwischen Christentum und Islam und die beginnende Neuorientierung. In der Renaissance brachten europäische Künstler und Architekten weltbekannte Kunstwerke hervor. Während des im 15. Jahrhundert anbrechenden Zeitalters der Entdeckungen befuhren europäische Seefahrer alle Meere und Ozeane der Welt und entdeckten dabei aus europäischer Sicht fremdes Land. Die europäischen Nationen, vor allem Spanien, Portugal, Frankreich und Großbritannien, errichteten ausgedehnte Kolonialreiche mit umfangreichen Territorien in Afrika, Amerika und Asien. Im 18. Jahrhundert fand die industrielle Revolution in Europa ihren Ausgang und veränderte von hier aus die ganze Welt. Im 20. Jahrhundert schließlich wurden große Teile Europas durch zwei Weltkriege verwüstet. Nach dem 2. Weltkrieg wurde Europa in zwei mächtige Blöcke mit unterschiedlichen politischen und ökonomischen Systemen unterteilt. Es kam zur Spaltung in die kommunistisch regierten Staaten in Osteuropa und die nichtkommunistischen Länder Westeuropas. Zwischen 1989 und 1991 mussten die kommunistischen Regierungen wegen unüberbrückbarer wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf Druck der Bevölkerung zurücktreten. Die Deutsche Demokratische Republik wurde aufgelöst und trat der Bundesrepublik Deutschland bei. Die engen Wirtschaftsverbindungen in Osteuropa brachen zusammen, und die Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) hörte auf zu existieren. Viele einst souveräne Staaten wurden wieder in ihren alten Grenzen errichtet. 2 LAND Europas Landmasse ist stark zergliedert. Sie umfasst eine Anzahl großer Halbinseln, wie die Skandinavische, Iberische, Italienische und die Balkanhalbinsel, sowie einer Reihe kleinerer Halbinseln wie Jütland oder die Bretagne. Hinzu kommen eine Vielzahl von vorgelagerten Inseln, vor allem Island, die Britischen Inseln, Sardinien, Sizilien und Kreta. Europäische Küsten befinden sich im Norden entlang einzelner Ausläufer des Nordpolarmeeres sowie der Nord- und Ostsee, im Südosten am Kaspischen Meer, im Süden am Schwarzen Meer und am Mittelmeer, und im Westen am Atlantischen Ozean. Über den höchsten Punkt des Kontinents herrschen auch in der Wissenschaft verschiedene Ansichten vor. Je nach Abgrenzung wird der nördliche Kaukasus zu Europa oder zu Asien gezählt. Für den ersten Fall ist der höchste Berg der Elbrus (5 642 Meter) im Südwesten von Russland. Bei Ausgrenzung des Kaukasus gilt der Montblanc (4 810 Meter) auf der Grenze zwischen Frankreich und Italien als höchster Berg. Der niedrigste Punkt Europas befindet sich mit 28 Metern unter dem Meeresspiegel an der Nordküste des Kaspischen Meeres. 2.1 Physische Geographie Das geologische Fundament Europas ist von Norden nach Süden in folgende Abschnitte gegliedert: eine Masse festen, kristallinen Gesteins; ein breiter Gürtel relativ flachen Sedimentgesteins; eine Zone verschiedenartiger geologischer Strukturen, die durch Faltung, Verwerfung und Vulkantätigkeit entstand und eine Zone mit vergleichsweise junger Gebirgsbildung. Diese geologische Grundstruktur hat zur Entstehung der zahlreichen Landschafts- und Naturregionen Europas beigetragen. Der im Präkambrium entstandene Fennoskandische Schild bildet den Untergrund Finnlands und größtenteils auch der anderen Teile der Skandinavischen Halbinsel. Er ist nach Osten geneigt und ist die geologische Basis sowohl für die Gebirge im Westen von Schweden als auch für die finnische Tiefebene. Die tiefen Fjorde der Küste Norwegens und die abgetragene Oberfläche des ausgedehnten Tieflandes in Finnland entstanden durch die erodierende Tätigkeit der Gletscher. Die Berge in Irland, Wales, Schottland und dem westlichen Norwegen wurden im Zuge der kaledonischen Gebirgsbildung (vor etwa 500 bis 395 Millionen Jahren) geformt. Durch nachfolgende Erosion wurden diese Gebirge auf den Britischen Inseln abgerundet und abgeflacht. In Norwegen erheben sich die höchsten Gipfel noch bis zu einer Höhe von nahezu 2 500 Metern. Die zweite geologische Zone, eine weite Tieflandregion, zieht sich in einem Bogen vom Südwesten Frankreichs in nördlicher und östlicher Richtung über die Niederlande, Deutschland und Polen bis in das westliche Russland. Sie schließt auch einen Teil des Südostens von England mit ein. Eingelagert in dieses Tiefland sind einzelne Becken, z. B. das Londoner Becken oder das Pariser Becken. Es ist in weiten Teilen mit einer Geröllschicht überzogen. Das Geröll wurde von den Gletschern der Eiszeiten oder von den nacheiszeitlichen Schmelzwasserflüssen abgelagert. In dieser mitteleuropäischen Tiefebene befinden sich einige der fruchtbarsten Gebiete Europas. Die ertragreichsten liegen vor allem entlang der südlichen Ränder der Tiefebene, wo durch die Winde Löß abgelagert wurde. Dieses äolische Sediment enthält nach der Verwitterung zahlreiche Nährstoffe. Das Tiefland ist im östlichen Europa am breitesten ausgeprägt. Südlich davon zieht sich ein Band verschiedenartiger geologischer Strukturen quer über Europa und bildet die Grundlage für eine der vielfältigsten Landschaften des Kontinents: der Mittelgebirgsraum West- und Mitteleuropas. In diesem Raum wirkten die Kräfte der Schrägstellung von sedimentären Schichten (im Jura und in der Süddeutschen Schichtstufenlandschaft), der Verwerfung (z. B. in den Vogesen, im Schwarzwald und im beide trennenden Oberrheingraben), des Vulkanismus (im Zentralmassiv Frankreichs) und der Hebung von Gesteinsmassen (in der Meseta, dem Hochplateau im Zentrum Spaniens) zusammen und schufen eine vielfältige Landschaft mit Gebirgen, Hochplateaus und markanten Taleinschnitten. Die am weitesten im Süden liegende landschaftliche Großregion Europas ist zugleich die zuletzt entstandene. Im Oligozän, einer Epoche des Tertiär, kollidierte vor ungefähr 35 Millionen Jahren die Afrikanisch-Arabische Platte mit der Eurasischen Platte, wodurch die alpidische Gebirgsbildung ausgelöst wurde (siehe Plattentektonik). Die durch den Zusammenstoß hervorgerufenen Kompressionskräfte schoben gewaltige Massen mesozoischen Sedimentgesteins nach oben und bildeten so die Betischen Kordilleren (im Südosten Spaniens), die Pyrenäen, die Alpen, die Apenninen, das Balkangebirge, das Dinarische Gebirge, die Karpaten und den Kaukasus. Diese Gebirgsketten sind nicht nur die höchsten Gebirge Europas, sondern auch die steilsten. Die häufigen Erdbeben in diesem Raum weisen darauf hin, dass aufgrund von tektonischer Instabilität noch Veränderungen im Untergrund stattfinden. Die Alpidische Gebirgsbildung ist noch nicht abgeschlossen. Das bedeutet, dass sich die europäischen Hochgebirge noch weiter heben; der Hebungsbetrag liegt bei wenigen Millimetern pro Jahr. Während in der letzten Eiszeit (Ende vor etwa 10 000 Jahren) weite Teile dieser Hochgebirge vergletschert waren, sind heute Gletscher nur noch in den Hochlagen verbreitet. 2.2 Flüsse und Seen Da der europäische Kontinent überaus stark gegliedert ist, hat sich mehr oder weniger ein so genanntes sternförmiges Entwässerungssystem herausgebildet. Dies bedeutet, dass die meisten Ströme von den zentralen Teilen des Kontinents zu den Rändern fließen, wobei ihre Quellflüsse oft dicht beieinanderliegen. Der längste Fluss Europas, die Wolga, fließt in südlicher Richtung zum Kaspischen Meer; auch der Ural, der einen Teil der Grenze zwischen Europa und Asien bildet, mündet in dieses Binnenmeer. Die Wolga hat auch das größte Einzugsgebiet aller europäischen Flüsse; sie entwässert ein Gebiet von nahezu 1,4 Millionen Quadratkilometern. Die Donau, der zweitlängste europäische Fluss, durchquert in ihrem Lauf von West nach Ost zahlreiche Länder und Naturräume in Mittel- und Südosteuropa und mündet schließlich ins Schwarze Meer. Zu den längsten Flüssen Mittel-, Süd- und Westeuropas gehören die Rhône, der Ebro und der Po, die ins Mittelmeer fließen, sowie Loire, Seine, Rhein und Elbe, die in den Atlantik bzw. in die Nordsee münden. Die Oder und die Weichsel fließen nach Norden in die Ostsee. Dnjepr und Dnjestr münden in das Schwarze Meer, der Don in das Asowsche Meer, eine Bucht im nordöstlichen Teil des Schwarzen Meeres. Gebirgskämme trennen die Einzugsgebiete von Flüssen und bilden somit markante Wasserscheiden. Angesichts des sternförmigen Entwässerungssystems bietet sich eine Verbindung der Flüsse durch Kanäle an. So werden Nordsee und Ostsee durch einen 1895 eröffneten Kanal (Nord-Ostsee-Kanal) miteinander verbunden. Der längste Kanal in Deutschland ist der Mittellandkanal. Er wurde im Jahr 1938 fertig gestellt und verbindet auf einer Länge von mehr als 320 Kilometern den Dortmund-Ems-Kanal mit der Elbe, in die er nördlich von Magdeburg mündet. Seen gibt es sowohl in Gebirgsgegenden, etwa in der Schweiz, in Italien und in Österreich, als auch in den Ebenen, beispielsweise in Schweden, Polen und Finnland. Zahlreiche europäische Seen entstanden nach dem Ende der letzten Eiszeit, als sich das Schmelzwasser der Gletscher und Inlandeismassen in Vertiefungen sammelte und zur Bildung von zum Teil ausgedehnten Wasserflächen führte. Demgegenüber spielen vulkanisch entstandene Seen eine untergeordnete Rolle. So sind viele durch Gasexplosionen entstandene Maare vulkanischen Ursprungs. Die nun wassergefüllten Maare (Maarseen) sind z. B. in der Eifel verbreitet. Der größte Süßwassersee Europas ist der Ladogasee im Nordwesten Russlands. Ihm folgen der Größe nach der ihm benachbarte Onegasee sowie der Vänersee im südlichen Schweden. 2.3 Klima Der europäische Kontinent liegt überwiegend in der gemäßigten Klimazone. Gegenüber Gebieten gleicher geographischer Breite in anderen Kontinenten ist das Klima Europas aufgrund des Einflusses relativ warmer Meeresströmungen mild. So beträgt die mittlere Jahrestemperatur von Neapel 16 ºC; in der auf etwa der gleichen geographischen Breite liegenden Stadt New York werden demgegenüber nur 12 ºC erreicht. Ähnlich verhält es sich weiter im Landesinneren und in Gebieten höherer Breite. Während Prag einen Jahresmittelwert von 9 ºC verzeichnet, beträgt er in der kanadischen Stadt Winnipeg lediglich 2 ºC. Die Jahresschwankungen der Temperatur sind in weiten Teilen des Kontinents vergleichsweise gering. In diesen Gebieten herrschen kühle Winter und milde Sommer. Nur in Regionen, die weit vom klimatisch ausgleichenden Einfluss des Meeres entfernt liegen, sind die Temperaturgegensätze stärker. Der mäßigende Einfluss der Meere beginnt etwa im mittleren Polen nachzulassen. So ist das Klima in weiten Teilen Osteuropas - vor allem in den Tiefländern - überaus kontinental. Kalten Wintern stehen heiße Sommer gegenüber. Beeinflusst wird das Klima weiter Teile des Kontinents auch durch die drei Luftdrucksysteme Islandtief, Azorenhoch und das jahreszeitlich wechselnde Druckgebiet über Asien, das im Sommer als Hitzetief und im Winter als ausgedehntes Kältehoch ausgeprägt ist. Aufgrund der Verteilung der Luftdrucksysteme und der ablenkenden Kraft der Erdrotation kommen die Winde in weiten Teilen Europas vornehmlich aus westlicher Richtung. Die vom Atlantischen Ozean auf das Festland übergreifenden Luftmassen sind häufig sehr feucht und bringen den Küstengebieten Westeuropas ganzjährig Niederschläge; Hauptregenzeit ist der Herbst. Landeinwärts verschiebt sich das Niederschlagsmaximum in den Sommer; die Jahresniederschläge nehmen nach Mittel- und Osteuropa hin ab. Eine hohe Bedeutung im Hinblick auf Höhe und jahreszeitliche Verteilung der Niederschläge kommt dem Einfluss des Reliefs zu. Die europäischen Hochgebirge sind für den Luft- und damit Feuchtetransport wirkungsvolle Barrieren. In den Luvlagen, die den Niederschlag bringenden Winden zugewandt sind, ist es mitunter wesentlich feuchter als in den Leelagen, die im Windschatten liegen. In der vom mediterranen Klima geprägten Region - hierzu gehören die Anrainerstaaten des Mittelmeeres - sind die Sommermonate gewöhnlich heiß und trocken, und der Niederschlag geht fast ausschließlich im Winter nieder. Während der sommerlichen Trockenzeit herrschen überwiegend Winde aus nördlicher Richtung vor, während im Winter feuchte Luftmassen mit Herkunftsgebiet über dem Atlantischen Ozean Regen bringen. So herrschen ab hier in östlicher Richtung kühlere und trockenere klimatische Bedingungen vor. In den nördlichsten Gebieten Europas (im Norden von Norwegen, Schweden und Finnland sowie auf Island) herrscht arktisches Klima vor; im äußersten Südosten an der unteren Wolga sommerheißes Kontinentalklima mit geringen Niederschlägen. In den meisten Gebieten Europas bewegt sich die jährliche Niederschlagsmenge zwischen 500 und 1 500 Millimetern. 2.4 Flora Die Ausprägung der Pflanzenwelt wird durch die Wärmezunahme von Norden nach Süden und durch den Übergang vom ozeanischen Klima im Westen zum kontinentalen Klima im Osten beeinflusst. Ursprünglich waren weite Teile Europas, insbesondere der Westen des Kontinents, waldbedeckt. Im Lauf der letzten Jahrtausende wurde jedoch die Vegetation durch menschliche Besiedlung und Landrodung verändert. Nur in den Gebirgen im äußersten Norden und im Nordteil des europäischen Russlands konnten sich Wälder noch lange Zeit ungestört von menschlichen Eingriffen entwickeln. Mittlerweile sind jedoch auch diese Gebiete von Schadstoffemissionen in Mittel- und Osteuropa betroffen. Andererseits ist ein beträchtlicher Teil Europas von Wald bedeckt, der erst durch Anpflanzungen geschaffen wurde oder auf gerodetem Land erneut wuchs. Die arktischen Küstenregionen Nordeuropas und die höheren Hanglagen der nordeuropäischen Gebirge weisen Tundrenvegetation auf, die hauptsächlich aus Flechten, Moosenund Zwergsträuchern besteht. Die dort gedeihenden Arten sind den kalten Bedingungen und der kurzen Vegetationszeit angepasst. Die milderen, aber dennoch kühlen Temperaturen im Landesinneren Nordeuropas schaffen geeignete klimatische Voraussetzungen für borealen Nadelwald, der weite Teile der skandinavischen Länder Norwegen, Schweden und Finnland sowie des nördlichen Russlands bedeckt. Vorherrschende Baumarten sind Fichten und Kiefern; daneben kommen Birken und Pappeln vor. Im russischen Teil des borealen Nadelwaldes treten auch Lärchen und Arven in größeren Beständen auf. Die am weitesten ausgedehnte Vegetationszone Europas - sie zieht sich vom Atlantik bis zum Ural quer über den Kontinent - besteht aus einem Mischwaldgürtel: Laubbäume wie Eichen, Buchen, Ahorn, Linden und Ulmen mischen sich mit Nadelhölzern wie Kiefern und Fichten. In feuchten Regionen mit hohem Grundwasserstand waren zum Teil weite (heute größtenteils entwässerte) Moorgebiete verbreitet. Die mittel- und osteuropäischen Tiefebenen umfassen an den trockensten Standorten vereinzelt steppenähnliche Gegenden mit relativ dichtem Grasbewuchs. Bei geringen Jahresniederschlägen wächst nördlich des Kaspischen Meeres sogar eine für Halbwüsten typische Vegetation. Die Mittelmeerländer bieten das geeignete Klima für den Anbau von Oliven, Zitrusfrüchten, Feigen, Aprikosen und Weinreben. Neben den typischen Baumarten Kork- und Steineiche gedeihen in den Wäldern Südeuropas auch Hartlaubgewächse. In den von Kalkgestein bedeckten Regionen Süd- und Südosteuropas tritt die Macchie großflächig auf. 2.5 Fauna Europa war vor der zunehmenden Siedlungstätigkeit des Menschen die Heimat einer großen Vielfalt von Tieren. Mächtige Raubtiere wie Braunbären, Wölfe und Luchse, große Paarhufer wie Elche und Wisente sowie verschiedene Adlerarten waren weit verbreitet. Da aber große Teile Europas vom Menschen besiedelt und landwirtschaftlich genutzt werden, sind viele Tierarten entweder ausgestorben oder stark dezimiert worden. Heute kommen frei lebende Elche, Wölfe und Braunbären in größerer Zahl nur noch im Norden der skandinavischen Länder und Russlands sowie auf der Balkanhalbinsel vor. Rentiere gibt es, abgesehen von kleinen wild lebenden Populationen, ausschließlich als domestizierte Herdentiere. Die höheren Lagen der Pyrenäen und der Alpen bieten Lebensraum für Gämsen und Steinböcke. Die europäische Wirbeltierfauna ist insgesamt zwar noch relativ artenreich, doch sind die Bestände vieler Arten drastisch zurückgegangen. So werden sämtliche der über 20 europäischen Fledermausarten, aber beispielsweise auch Wildkatzen, Feldhamster oder Bilche in Roten Listen gefährdeter Arten geführt. Noch regelmäßig anzutreffen sind Nagetiere wie Eichhörnchen oder Feldmaus, einige Insektenfresser wie der Igel und kleinere Raubtiere wie der Rotfuchs oder manche Marderarten. Aus anderen Faunenregionen wurden Arten wie das Nordafrikanische Stachelschwein, der Indische Mungo, der nordamerikanische Waschbär oder der asiatische Marderhund eingeführt. Die Avifauna (Vogelwelt) weist gravierende Bestandsrückgänge auf. Selbst Arten wie Seeadler, Weißstorch, Uhu, Eisvogel oder Nachtigall, denen der Mensch aufgrund ihrer Größe, ihres Aussehens oder Gesangs besonderes Interesse entgegenbringt, sind durch Lebensraumzerstörung oder Jagd (insbesondere in Südeuropa) im Bestand zurückgegangen. Zu den in Mitteleuropa noch regelmäßig zu beobachtenden Vogelarten gehören Amsel, Buchfink, Bachstelze, Kohlmeise, Star, Haussperling, Hausrotschwanz, Ringeltaube, Stockente, Höckerschwan, Mäusebussard, Turmfalke und Waldkauz. Aufgrund der klimatischen Verhältnisse in Südeuropa gibt es dort eine relativ reiche Reptilienfauna, u. a. mit Eidechsen, Geckos, Chamäleons, Schlangen und Schildkröten. Die Bestände wirtschaftlich bedeutender Meeresfische wie Dorsche, Heringe und Thunfische oder die im Schwarzen Meer und im Kaspischen Meer zur Kaviargewinnung gefangenen Störe leiden unter Überfischung, Süßwasserfische wie Forellen dagegen vor allem durch Gewässerverschmutzung. 3 UMWELTSITUATION Die ökologischen Ausgangsbedingungen sind in Europa aufgrund des relativ ausgeglichenen Klimas positiv. Die hohe Besiedlungsdichte und das große Ausmaß wirtschaftlicher Aktivitäten führten allerdings dazu, dass durch massive menschliche Eingriffe das ökologische Gleichgewicht in weiten Teilen Europas nachhaltig gestört wurde. Neben der Verschmutzung von Luft, Wasser und Böden ist als drastische Folge davon ein akutes Artensterben bei Pflanzen und Tieren zu verzeichnen. Gerade in Ländern mit hoch entwickelter Industrie werden Schadstoffe in so großen Mengen ausgestoßen, dass davon nicht nur die Umweltsituation in Europa beeinträchtigt wird, sondern dass zu den möglichen Konsequenzen sogar globale Veränderungen des Klimas gehören. 4 BEVÖLKERUNG Es lässt sich nicht genau sagen, seit wann menschliches Leben in Europa existiert. Es wird aber vermutet, dass die Bevölkerung in mehreren Schüben aus dem Osten einwanderte, größtenteils wohl über eine inzwischen nicht mehr existierende Landbrücke zwischen Kleinasien und dem Balkan und über das Grasland nördlich des Schwarzen Meeres. In Teilen Europas ist bereits seit dem Altpaläolithikum eine menschliche Bevölkerung belegt. Natürliche Grenzen wie Wälder, Berge und Sümpfe trugen mit zur Entstehung separater Volksgruppen bei, die über lange Perioden getrennt voneinander existierten. Vereinzelt führten Migrationsbewegungen aber doch zu einer Vermischung der Völker. 4.1 Die Völker Europas Europa ist die Heimat einer großen Zahl ethnischer Gruppen, die jeweils über eine gemeinsame Kultur und Sprache verfügen. Die europäischen Nationen umfassen meist eine vorherrschende Volksgruppe, etwa die Deutschen in Deutschland oder die Franzosen in Frankreich. Einige Länder, vor allem in Ost- und Südosteuropa, sind ethnisch überaus heterogen zusammengesetzt. Neben einer Titularnation, nach der das Land benannt ist (z. B. Litauer oder Slowaken) leben zahlreiche weitere Volksgruppen mit zum Teil beträchtlichen Anteilen als Minderheiten im Land. Darüber hinaus gibt es in den meisten Ländern kleinere ethnische Gruppen, die schon seit langer Zeit dort leben. Beispiele dafür sind etwa die Basken in Spanien oder die Samen (Lappen) in Norwegen. Auch eine größere Anzahl von Türken, Schwarzafrikanern und Arabern lebt in Westeuropa. Viele von ihnen halten sich nur für einen begrenzten Zeitraum zum Arbeiten in diesen Ländern auf. Der Zusammenbruch des kommunistischen Herrschaftssystems 1989 bis 1991 führte zur Auflösung der UdSSR in 15 getrennte, unabhängige Republiken, in denen jeweils eine ethnische Gruppe dominiert. Die Mehrheit der Bevölkerung in Kroatien, Slowenien und der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien, deren vorherrschende Volksgruppen jeweils eine Bevölkerungsmehrheit in einer der jugoslawischen Teilrepubliken stellten, stimmte 1991 für die Trennung von Jugoslawien und die Gründung unabhängiger Staaten. In Bosnien und Herzegowina existieren ebenfalls verschiedene ethnische Gruppen mit jeweils hohem Anteil an der gesamten Bevölkerung des Landes, was nach der Loslösung von Jugoslawien 1992 zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den Volksgruppen führte. 4.2 Bevölkerungsentwicklung Die Anzahl und die Verteilung der Bevölkerung Europas war wiederholt starken Schwankungen unterworfen. In der Frühzeit des Christentums war die Mittelmeerregion die Gegend in Europa, die am dichtesten besiedelt war. Mittlerweile weisen - mit Ausnahme der flächenmäßig kleinen Länder wie Vatikanstadt, Monaco, San Marino und Malta - die Niederlande und Belgien die größten Bevölkerungsdichten aller europäischen Länder auf. Von den größeren Staaten haben Großbritannien und Deutschland Werte von mehr als 200 Einwohnern je Quadratkilometer. Auch Norditalien verfügt über eine hohe Bevölkerungsdichte; der Süden des Landes ist demgegenüber weniger dicht besiedelt. Am dünnsten besiedelt ist der Inselstaat Island. Die bevölkerungsreichsten Länder des Kontinents sind Russland, Deutschland, die Türkei, Großbritannien, Frankreich und Italien. Auch die Ukraine weist eine Einwohnerzahl von mehr als 50 Millionen auf. Das durchschnittliche jährliche Bevölkerungswachstum Europas liegt bei 0,3 Prozent. Darüber hinaus gibt es große Unterschiede zwischen den jeweiligen Wachstumsraten der einzelnen Länder. Während etwa Albanien ein jährliches Wachstum von mehr als 2 Prozent verzeichnet, ändert sich die Einwohnerzahl von Ländern wie Großbritannien oder Deutschland kaum merklich. Der Grund für das geringe Bevölkerungswachstum liegt in erster Linie in einer niedrigen Geburtenrate. Die Europäer haben überwiegend eine hohe mittlere Lebenserwartung - um 75 Jahre, mit steigender Tendenz. Der durchschnittliche Wert für die Weltbevölkerung beträgt 66 Jahre. 4.3 Bevölkerungsbewegungen Bevölkerungsbewegungen gehören seit jeher zur Entwicklung Europas. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts fielen vor allem zwei Arten von Migrationen auf: die Einwanderung von Menschen auf der Suche nach Arbeit, die fremdstaatlichen Arbeitnehmer, und die Zuwanderung der ländlichen Bevölkerung in die Städte. Italienische, jugoslawische, griechische, spanische, portugiesische und türkische Arbeiter sowie Arbeiter aus Algerien und anderen nichteuropäischen Staaten wanderten auf der Suche nach Arbeit - meist für eine befristete Zeit - nach Deutschland, Frankreich, Großbritannien, in die Schweiz und andere nach Arbeitskräften suchende Länder ein. Zusätzlich zogen innerhalb der nationalen Grenzen viele Europäer von ländlichen Gegenden in die Städte. Kriegsbedingte Bevölkerungsbewegungen waren in den neunziger Jahren in einigen ehemaligen jugoslawischen Teilrepubliken, die heute selbständige Republiken sind, zu verzeichnen. Besonders betroffen von Vertreibung waren Menschen in weiten Teilen von Bosnien und Herzegowina. Während der letzten Jahrzehnte verließen weitaus weniger Europäer ihren Kontinent, als dies noch im 19. und im frühen 20. Jahrhundert der Fall war. Die meisten europäischen Auswanderer im späten 20. Jahrhundert gingen nach Südamerika, Kanada oder Australien. 4.4 Wichtige Städte In den meisten europäischen Ländern ist die Hauptstadt zugleich die größte Stadt des Landes, aber es gibt auch weitere Metropolen auf dem Kontinent. Die meisten europäischen Hauptstädte sind sowohl in wirtschaftlicher, als auch in kultureller Hinsicht bedeutend. Sie verfügen aufgrund ihrer meist langen und ereignisreichen Geschichte auch über viele berühmte historische Bauwerke. Zu den Städten mit den höchsten Einwohnerzahlen zählen Paris, Moskau, Istanbul, London, Sankt Petersburg, Berlin, Madrid, Rom und Budapest. 4.5 Sprachen In Europa wird eine Vielzahl von Sprachen gesprochen. Die wichtigsten Sprachfamilien sind: die slawischen Sprachen, zu denen Russisch, Ukrainisch, Weißrussisch, Tschechisch, Slowakisch, Bulgarisch, Polnisch, Slowenisch, Mazedonisch und Serbokroatisch zählen; die germanischen Sprachen, die Englisch, Deutsch, Niederländisch, Dänisch, Norwegisch, Schwedisch und Isländisch umfassen; und die romanischen Sprachen, zu denen Italienisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch und Rumänisch gehören. Diese Sprachen haben gemeinsame Wurzeln und werden als Gruppe der indogermanischen Sprachen zusammengefasst. Zu diesen gehören darüber hinaus Griechisch, Albanisch, die baltischen Sprachen und die keltischen Sprachen wie Gälisch, Walisisch (Kymrisch) und Bretonisch. Neben den indogermanischen Sprachen werden in einzelnen Sprachgemeinschaften auf dem Kontinent auch finnougrische Sprachen wie Finnisch, Ungarisch und Lappisch gesprochen. Weitere nichtindogermanische Sprachen in Europa sind Baskisch und Türkisch. 4.6 Religion Die Mehrheit der Europäer bekennt sich zum christlichen Glauben. Die Anhänger der römisch-katholischen Kirche - sie leben vorwiegend in West-, Mittel- und Südeuropa sowie in Polen - bilden die größte Religionsgemeinschaft. Zweitgrößte Glaubensgruppe sind die Anhänger des protestantischen Glaubens, der in verschiedenen Ausprägungen vorwiegend in den Ländern Nord- und Mitteleuropas verbreitet ist. Eine dritte große Gruppe innerhalb des Christentums bildet die orthodoxe Kirche. Ihre Anhänger leben vorwiegend in Russland, Georgien, Griechenland, Bulgarien, Rumänien, Serbien und Montenegro sowie - mit Ausnahme Sloweniens - in den heute unabhängigen Republiken, die früher dem jugoslawischen Staatenbund angehörten. Darüber hinaus gibt es in den meisten europäischen Ländern jüdische Gemeinden, die größte davon in Russland. Albanien und die Türkei sind vorwiegend muslimisch geprägt. 4.7 Bildung und Kultur In allen europäischen Ländern herrscht eine mehrjährige Schulpflicht, die meist vom 7. bis zum 15. Lebensjahr dauert. In den meisten Ländern wird nach vier bis fünf Jahren Grundschule eine weiterführende Schule besucht, die verschiedene Schularten umfassen kann. An den staatlichen Schulen wird kein Schulgeld erhoben. Durch die Förderung des Bildungssystems konnte in den meisten europäischen Ländern die Analphabetenrate stark gesenkt werden. Auch der Hochschulbereich ist in vielen Ländern gut ausgebaut. Er umfasst neben Universitäten auch Hochschulen mit bestimmten fachlichen Schwerpunkten (z. B. Kunsthochschulen oder Wirtschaftsakademien). Einige der ältesten und renommiertesten Universitäten der Welt befinden sich in Europa, z. B. die Universitäten von Cambridge, Oxford, Paris, Heidelberg, Prag, Uppsala, Bologna und Moskau. Hervorragende Leistungen auf den Gebieten der Literatur, Malerei, Bildhauerei, Architektur, Musik und des Tanzes haben eine lange Tradition in Europa. Die Städte Paris, Rom, London, Berlin, Madrid und Moskau sind besonders im späten 20. Jahrhundert als kulturelle Zentren berühmt geworden. Darüber hinaus unterhalten auch andere Städte bedeutende Museen, Orchester, Theater und ähnliche kulturelle Einrichtungen. 5 WIRTSCHAFT Europa war auf dem Gebiet der Wirtschaft lange Zeit weltweit führend. Als Geburtsstätte der modernen Wissenschaft und der industriellen Revolution war der Kontinent der restlichen Welt technologisch überlegen und hatte im 19. Jahrhundert konkurrenzlos die Führungsrolle inne. Die industrielle Revolution begann im 18. Jahrhundert in England und breitete sich nachfolgend in der ganzen Welt aus. Dabei konnte unter Verwendung komplexer Maschinen die landwirtschaftliche Produktion deutlich gesteigert werden. Im gleichen Zuge wurden neue Organisationsformen der Wirtschaft entwickelt. Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts brachte die Einrichtung internationaler Organisationen wie der Europäischen Union (EU), der Europäischen Freihandelszone und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung einen neuen Wachstumsschub. Die wirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Ländern konnte dadurch wesentlich intensiviert werden. Auch die Versorgung der europäischen Bevölkerung konnte durch den fortschreitenden Abbau vorher bestehender Handelsbeschränkungen verbessert werden. Weitere Erleichterungen und Fortschritte in wirtschaftlicher Hinsicht brachte die Umsetzung der Europäische Wirtschafts- und Währungsunion und die Einführung des Euro. 5.1 Landwirtschaft In Europa ist die Landwirtschaft hoch entwickelt, wenngleich die Anbauflächen stark rückläufig sind. Im Allgemeinen werden in den einzelnen Regionen viele unterschiedliche Produkte angebaut. Der europäische Teil der ehemaligen UdSSR ist eine der wenigen Großregionen, in denen eine Landwirtschaft vorherrscht, die auf nur sehr wenige Erzeugnisse (vor allem verschiedene Arten von Getreide) spezialisiert ist. In den Mittelmeerregionen hat sich eine besondere Form der Landwirtschaft erhalten, bei der hauptsächlich Weizen, Oliven, Trauben und Zitrusfrüchte angebaut werden. In Gebieten mit geringen Jahresniederschlägen, wie etwa im zentralen Spanien, erfolgt der Anbau mit Hilfe von künstlicher Bewässerung. In den meisten Ländern dieser Region spielt die Landwirtschaft eine wichtigere Rolle innerhalb der jeweiligen nationalen Wirtschaft als in den nördlicher gelegenen Ländern. In weiten Teilen Westeuropas gehören Milchviehhaltung und Fleischproduktion zu wichtigen Tätigkeiten im Agrarsektor. Im Osten Europas hingegen ist der Ackerbau vorrangig. In den Ländern der Balkanhalbinsel machen Feldfrüchte etwa 60 Prozent der Agrarproduktion aus, und in der Ukraine übertrifft der Weizenanbau sogar alle anderen landwirtschaftlichen Tätigkeiten. Europa ist hauptsächlich als Erzeuger von Getreide (insbesondere Weizen, Gerste, Hafer, Roggen und Mais), Kartoffeln, Hülsenfrüchten (vor allem Bohnen und Erbsen) und Zuckerrüben von Bedeutung. Neben Milchviehhaltung und Rinderzucht werden große Mengen von Schweinen, Schafen, Ziegen und Geflügel gezüchtet. Im ausgehenden 20. Jahrhundert war Europa in der Lage, seinen Eigenbedarf an fast allen grundlegenden landwirtschaftlichen Erzeugnissen zu decken. Der Großteil des Bodens wird nach fortschrittlichen Methoden bewirtschaftet, mit modernsten Maschinen und mit chemischen Düngemitteln. Durch den Einsatz von Pestiziden werden Schädlinge wirksam bekämpft. Über die Versorgung der europäischen Bevölkerung hinaus können bei vielen Feldfrüchten große Bestände in andere Kontinente exportiert werden. Nur in Teilen Süd- und Südosteuropas dominieren noch traditionelle und zum Teil relativ wenig rentable Formen der Bewirtschaftung. Zur Zeit der kommunistischen Herrschaft war die Landwirtschaft in den Ostblockstaaten (mit Ausnahme von Polen und Jugoslawien), insbesondere auch im europäischen Teil der UdSSR, in Form großer, verstaatlichter Landgüter und vom Staat geleiteter Kollektive organisiert. 5.2 Forstwirtschaft und Fischerei Die Waldgebiete im Norden Europas, in Norwegen und dem europäischen Russland sind die Hauptquelle für die europäische Forstwirtschaft. Über eine relativ bedeutende Forstwirtschaft verfügen die Länder Schweden, Norwegen, Finnland und Russland; dort werden Holzschliff, Bauhölzer und andere Holzprodukte hergestellt. In Südeuropa sind Spanien und Portugal zu nennen, die eine Reihe von Korkwaren auf der Basis der Korkeiche produzieren. In allen Ländern wird übrigens seit geraumer Zeit intensiv Wiederaufforstung betrieben. Ein ungelöstes Problem ist aber nach wie vor das Waldsterben, das durch die extremen Umweltbelastungen hervorgerufen worden ist. Fischerei findet bis zu einem gewissen Maß in allen europäischen Ländern statt, die über Küsten verfügen. Einen besonders wichtigen Industriezweig stellt sie aber für die Länder im Norden dar, in erster Linie für Norwegen und Dänemark. Auch Spanien, Russland, Großbritannien und Polen sind beachtliche Fischereinationen. Wichtigste Fischarten sind Hering, Schellfisch und Kabeljau (in der Nordsee und im nördlichen Atlantik), Flunder und Lachs (in der Ostsee), Thunfisch und Sardine (im Mittelmeer) sowie Stör (im Schwarzen Meer). 5.3 Bergbau Die gegenwärtige Verteilung der Bevölkerung ist in weiten Teilen Europas auch ein Ergebnis der Verteilung der Bodenschätze und deren Förderung. Der Abbau von Rohstoffen geschieht schon seit dem Altertum. Deshalb sind mittlerweile auch viele Lager erschöpft oder von außereuropäischen Stätten an Bedeutung überholt worden, so z. B. bei Zinn, Gold, Silber und Kupfer. Dabei besitzt Europa vielfältige Bodenschätze. Groß sind noch die Steinkohlevorräte in einigen Teilen Großbritanniens, im Norden Frankreichs, im westlichen Deutschland (Ruhrgebiet), in der Ukraine und im südlichen Polen (Oberschlesien). Weitere Kohlevorkommen existieren in Belgien, der Tschechischen Republik, der Slowakei und Spanien. In einigen Teilen Europas musste die Kohleförderung jedoch aus Rentabilitätsgründen eingestellt oder reduziert werden. Größere Eisenerzvorkommen findet man heute in den Kiruna-Minen im Norden von Schweden, in Lothringen (Frankreich) und in der Ukraine. Europa verfügt über einige Regionen, in denen Erdöl und Erdgas gefördert werden. Hier sind in erster Linie die Nordsee (Anrechte besitzen vor allem Großbritannien, Frankreich, die Niederlande, Deutschland und Norwegen) und die ehemaligen Sowjetrepubliken, besonders Russland, als wichtigste Abbaugebiete zu nennen. Festländische Erdölvorkommen befinden sich auch in Norwegen, Großbritannien und Rumänien. Die Länder Mitteleuropas spielen in diesem Bereich nur eine untergeordnete Rolle. Weitere in Europa weit verbreitete Bodenschätze sind neben anderen auch Blei, Bauxit, Mangan, Nickel, Kalium, Lehm, Gips, Dolomit und Salz. 5.4 Industrie Seit der industriellen Revolution hat die herstellende Industrie die Lebensgestaltung der Menschen in Europa nachhaltig geprägt. Europa ist heute eine der wichtigsten Industrieregionen der Welt. Diese Entwicklung war begünstigt durch die reichen Vorkommen an Bodenschätzen. Auf dieser Basis entwickelten sich im 19. Jahrhundert am Nordrand der Mittelgebirge weitläufige Industriereviere. Zu den ausgedehntesten gehören Gebiete in England, Nordfrankreich (besonders in Lothringen), Deutschland (vor allem im Ruhrgebiet und in Sachsen) und Schlesien. Die frühen Zentren der modernen Industrieproduktion in Osteuropa entwickelten sich auf ähnliche Weise. Zu nennen sind hier die Industriegebiete im Ural, in der Ukraine und in Mittelrussland. Im 19. Jahrhundert waren die industriell gefertigten Güter noch weitgehend rohstoffgebunden. Erzeugnisse wie Eisen und Stahl, Metalle, Textilien, Bekleidung, Schiffe, motorisierte und andere Fahrzeuge waren für lange Zeit wichtige Produkte der europäischen Industrie. Diese sowie eine Vielzahl anderer Artikel werden nach wie vor hergestellt. Die Herstellung von Chemieprodukten, Elektronikzubehör und anderen Hightechgütern waren seit dem 2. Weltkrieg die führenden Wachstumsindustrien. Die industriellen Ballungsgebiete sind weitläufig über den Kontinent verteilt. Hierzu gehören die größeren Städte von Ländern wie England, Frankreich, Italien, Belgien, den Niederlanden, Deutschland, Polen, der Tschechischen Republik, der Slowakei, Norwegen, Schweden, Russland und der Ukraine. In einigen Branchen - wie etwa der Textilindustrie - werden seit einiger Zeit verschiedene industrielle Tätigkeiten in so genannte Billiglohnländer ausgelagert. In manchen Ländern Europas hat die Industrie durch das Dienstleistungsgewerbe Konkurrenz bekommen, was sich vielerorts in dem Wandel von einer hoch entwickelten Industriegesellschaft zu einer Dienstleistungsgesellschaft niedergeschlagen hat. 5.5 Energieversorgung Europa verbraucht mehr Energie, als es selbst produzieren kann. Deshalb werden Erdöl und Erdgas u. a. aus den Ländern des Nahen Ostens sowie aus Süd- und Mittelamerika importiert. Die wichtigsten Energiequellen sind Kohle, Erdöl, Erdgas, Kernenergie und Wasserkraft. Vor allem Norwegen, Schweden, Frankreich, die Schweiz, Österreich, Italien und Spanien verfügen über zahlreiche Wasserkraftwerke, die einen beträchtlichen Teil der jährlichen Stromproduktion liefern. Die Atomenergie spielt in Frankreich, Großbritannien, Deutschland, Belgien, Litauen, der Ukraine und anderen ehemaligen Sowjetrepubliken, Schweden, der Schweiz, Finnland und Bulgarien eine Rolle. Die Republik Irland stellt einen Sonderfall dar: Dort dient Torf als wichtiger Brennstoff für die Haushalte und wird sogar zur Energiegewinnung genutzt. 5.6 Verkehr Das Verkehrsnetz Europas ist sehr gut entwickelt. Am dichtesten ist es im Westen und in den zentralen Teilen des Kontinents. In Skandinavien, der ehemaligen UdSSR und Südeuropa sind die Transportverbindungen nicht ganz so perfekt. Private Fahrzeuge gibt es in großen Mengen, und auch ein großer Teil des Gütertransports findet mittels Lastwagen auf der Straße statt. In den meisten Ländern Europas sind auch die Eisenbahnnetze gut ausgebaut und werden sowohl für den Personen- als auch für den Gütertransport stark genutzt. Für die europäische Wirtschaft spielt der Transport zu Wasser eine wichtige Rolle. Einige Länder, wie u. a. Griechenland, Großbritannien, Italien, Frankreich, Norwegen und Russland, unterhalten große Flotten von Handelsschiffen. Rotterdam in den Niederlanden ist einer der geschäftigsten Seehäfen der Welt. Weitere bedeutende Häfen befinden sich in Antwerpen (Belgien), Marseille (Frankreich), Hamburg (Deutschland), London (England), Genua (Italien), Danzig (Polen), Bilbao (Spanien) und Göteborg (Schweden). Große Mengen an Fracht werden auch über Wasserwege im Landesinneren befördert. Zu den viel befahrenen Flüssen gehören Rhein, Schelde, Seine, Elbe, Donau, Wolga und Dnjepr. Hinzu kommen eine Reihe wichtiger Kanäle. Fast alle europäischen Länder haben nationale Fluggesellschaften, und einige davon, wie Air France, British Airways, Swissair, Lufthansa und KLM (Niederlande), zählen zu den großen, weltweit verkehrenden Unternehmen. In den meisten europäischen Ländern sind die Transportunternehmen verstaatlicht. Seit dem 2. Weltkrieg wurden auch zahlreiche Pipelines zum Transport von Petroleum und Erdgas gebaut. 5.7 Außenhandel Fast alle europäischen Länder haben umfangreiche Außenhandelsbeziehungen. Ein Großteil des Außenhandels findet innerhalb des Kontinents statt, insbesondere zwischen den Ländern der Europäischen Union. Europa hat aber auch mit Ländern anderer Kontinente intensive Handelsbeziehungen. Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und die Niederlande zählen zu den weltweit größten Handelsnationen. Ein Großteil des europäischen Handels, z. B. auch mit den Ländern der so genannten Dritten Welt, besteht in der Ausfuhr von produzierten Gütern und in der Einfuhr von Rohstoffen. 6 GESCHICHTE Bis zur Antike oder, betrachtet man ganz Europa, bis ins Mittelalter hinein war der Kontinent im Vergleich zu den Hochkulturen im Orient und in Ägypten nur wenig entwickelt. Die verschiedenen zivilisationsgeschichtlichen Entwicklungsstufen setzten in Europa daher jeweils erst wesentlich später ein als etwa im Orient. Die europäische Geschichte insgesamt ist, bedingt durch die vielfältigen geographischen Voraussetzungen, geprägt von einer Fülle verschiedenartiger ethnischer und zivilisatorischer Elemente, von umfangreichen Wanderungsbewegungen ganzer Völker und Stämme und von den Begegnungen - friedlichen und kriegerischen - der verschiedenen Ethnien und Kulturen. 6.1 Vor- und Frühgeschichte In ganz Europa, außer im noch vom Eis bedeckten Norden, lassen sich bereits für die Steinzeit Besiedlungen nachweisen. Aus dem Paläolithikum sind Skelettreste aus Südspanien, Südfrankreich, aus dem Raum London und aus Mitteleuropa (siehe Neandertaler) erhalten, die Höhlenmalereien von Altamira in Spanien sowie Werkzeuge und vereinzelt frühe Kunstwerke aus dem ganzen europäischen Raum. In Mitteleuropa setzte sich im ausgehenden Paläolithikum bereits eine sesshaftere Lebensweise durch. Kleine, feste Siedlungen sind für die Zeit des Mesolithikums für ganz Europa nachweisbar. Das Neolithikum zeichnet sich durch die Herausbildung größerer Kulturkreise aus, wie etwa die Megalithkultur in Südwest- und Westeuropa (siehe Stonehenge), die Glockenbecherkultur in Spanien, West- und Mitteleuropa, die Bandkeramikkultur in Mittelund Osteuropa, die Schnurkeramik- oder Streitaxtkultur in Ost-, Mittel- und Nordeuropa und auf dem Balkan und die Starcevokultur in Südosteuropa. Zwischen den einzelnen Kulturen bestanden bereits umfangreiche Handelsbeziehungen (u. a. mit Bernstein); die Jagd als wichtigste Ernährungsquelle wurde von Viehzucht und Ackerbau abgelöst, was zum einen Sesshaftigkeit voraussetzte, zum anderen aber auch aufgrund der Erschöpfung des Bodens häufige Verlegung der Siedlungen zur Folge hatte. In der Bronzezeit drangen verstärkt Einflüsse aus dem hoch entwickelten Orient nach Europa vor, und zwar vor allem über zwei Wege: Über den Balkanraum entlang der Donau nach Mitteleuropa und bis auf die Apenninenhalbinsel; und über die Iberische Halbinsel nach West- und Mitteleuropa. Es bildeten sich nun differenziertere Kulturen heraus, wie vergleichsweise die Hügelgräberkultur in Mitteleuropa und die Urnenfelderkultur, die sich von Südosteuropa aus nach Westen ausbreitete und eine große Wanderungsbewegung in Europa auslöste. Wirtschaftlich ist die Bronzezeit durch die Entstehung von Bergbaugebieten gekennzeichnet, von einer stärkeren Arbeitsteilung und einer Intensivierung des europaweiten Handels (wie z. B. durch Funde von Bernstein aus dem Baltikum im griechischen Mykene dokumentiert ist), sozial durch eine stärkere Differenzierung der Gesellschaft. In der frühen Bronzezeit setzen auch die Wanderungsbewegungen der Indoeuropäer ein. Die Eisenzeit ist geprägt durch die Hallstattkultur und die La-Tène-Kultur, während der sich der Kontakt beinahe ganz Europas mit der hoch entwickelten Kultur des antiken Mittelmeerraumes vertiefte. Träger der La-Tène-Kultur waren vermutlich die Kelten, die sich von Frankreich aus seit dem 7. Jahrhundert v. Chr., verstärkt seit Ende des 5. Jahrhunderts v. Chr. über die Iberische Halbinsel, Britannien und Oberitalien ausbreiteten und entlang der Donau bis nach Makedonien, Griechenland und Kleinasien vorstießen. Mit den Kelten verbreiteten sich auch die Anfänge einer städtischen Kultur (Oppidakultur); eine Staatenbildung ist im keltischen Kulturraum jedoch noch nicht zu beobachten. 6.2 Erste Hochkulturen in Europa 6.2.1 Griechenland Während Nord-, Mittel-, West- und Osteuropa in der Bronzezeit kulturell noch vergleichsweise rückständig waren, hatten sich im Raum der Ägäis und des heutigen Griechenland, u. a. dank der geographischen Nähe zum Vorderen Orient, hoch entwickelte Kulturen gebildet. Die minoische Kultur auf Kreta erlebte bereits um 2200 v. Chr. eine Blütezeit. Die Kreter waren wirtschaftlich weit fortgeschritten, trieben ausgedehnten Handel mit dem griechischen Festland, Syrien und Ägypten, errangen die Seeherrschaft im östlichen Mittelmeer und hatten ein organisiertes Staatswesen mit einem König an der Spitze. Im Palast von Knossos aufgefundene Wandmalereien, Schmuckstücke und kunstvolle Gebrauchsgegenstände zeugen von dem hohen Kunstsinn der Kreter. Siehe auch ägäische Kultur Um 1900 v. Chr. wanderten Indoeuropäer auf der Balkanhalbinsel ein und ließen sich im südlichen Griechenland nieder. Diese Einwanderer wurden später unter der Bezeichnung Achaier zusammengefasst. Um die Mitte des 2. Jahrtausends standen die Achaier in Mykene und Tiryns auf dem Höhepunkt ihrer Macht; Ausgrabungen belegen den großen Reichtum der Herren von Mykene und Tiryns, aber auch den Einfluss der kretischen Kultur. Um 1400 v. Chr. eroberten die Achaier Kreta und übernahmen die Machtposition der Kreter im östlichen Mittelmeer. Um 1200 v. Chr. setzte infolge der Wanderungen der Urnenfelderleute die dorische Wanderung ein, in deren Verlauf erneut indoeuropäische Stämme in Griechenland eindrangen. Am mächtigsten war der Stamm der Dorer, die sich im östlichen Peloponnes niederließen und von hier aus als Eroberer nach Kreta, Rhodos und in den Südwesten Kleinasiens kamen. Ebenfalls im Zuge der dorischen Wanderung setzten sich die beiden anderen großen Stämme der Griechen, die Ionier und die Äolier, in Griechenland und Kleinasien fest. In der Folge verfestigten sich die aus den großen Stämmen hervorgegangenen Verbände als aristokratisch organisierte Staatswesen. Zwischen 750 und 550 v. Chr. errichteten die Griechen aus Landnot Kolonien im Mittelmeerraum, vor allem auf Sizilien und in Unteritalien, beispielsweise Syrakus, Tarent, Neapel, Paestum sowie Massilia (Marseille) an der Mündung der Rhône. Sie brachten eine hoch entwickelte Stadtkultur in die von ihnen besiedelten Gebiete, hielten sich aber streng getrennt von der einheimischen Bevölkerung, die sie mit dem Begriff ,,Barbaren" als nicht nur Nichtgriechen, sondern auch als Ungebildete, Rohe bezeichneten. In Griechenland selbst kristallisierten sich nach und nach einige Herrschaftszentren heraus, vor allem Sparta und Athen, die in unterschiedlichem Ausmaß die benachbarten Staatswesen unter ihre Herrschaft brachten oder in Bündnissysteme (Symmachien) einbanden, gegeneinander um die Vorherrschaft kämpften und unterschiedliche Herrschaftsstrukturen, wie etwa Tyrannis und Demokratie, entwickelten. Politisch wie kulturell war Griechenland dem restlichen Europa nach wie vor weit überlegen ( siehe griechische Kunst und Architektur). In seiner Histories Apodeixis verwendet der griechische Geschichtsschreiber Herodot in der 2. Hälfte des 5. Jahrhunderts v. Chr. im Rahmen seiner Beschreibung der Perserkriege erstmals den Begriff Europa (der noch kaum mehr umfasst als die griechische Welt) zur Abgrenzung der ,,zivilisierten" Griechen gegen das ,,barbarische" Asien. Mit dem Peloponnesischen Krieg (431-404 v. Chr.) zwischen Athen und Sparta begann der Niedergang des griechischen Staatslebens und der Aufstieg Makedoniens im Norden. Philipp von Makedonien einigte die meisten Griechen unter seiner Oberhoheit; sein Sohn Alexander der Große griff weit über Europa und das griechische Kleinasien aus und schuf ein Reich, das von Makedonien und Griechenland im Westen bis zum Indus tief in Asien reichte. Mit den Griechen kam auch die griechische Kultur in den Osten. 6.2.2 Das Römische Reich Um 1200 v. Chr., also etwa gleichzeitig mit der dorischen Wanderung, kamen indoeuropäische Stämme (u. a. die Latiner) auch auf die Apenninenhalbinsel. Um 1000 v. Chr. ließen sich Latiner auf dem Palatin, einem der sieben Hügel Roms, nieder. Ab dem 9. Jahrhundert v. Chr. siedelten sich die nichtindoeuropäischen Etrusker in Italien an, brachten Stadtkultur, Steinbaukunst und auch griechische Götter mit, siedelten sich in der heutigen Toskana an und unterwarfen sukzessive die angrenzenden Gebiete. Aus der latinischen Siedlung auf dem Palatin machten sie eine feste Stadt. Um 500 v. Chr. wurde in Rom die Königsherrschaft durch eine Adelsrepublik abgelöst, und während der folgenden zwei Jahrhunderte erkämpften sich auch die Plebejer, das Bürgertum, politische Rechte. Die Römische Republik blieb jedoch weit entfernt von einer demokratischen Verfassung, wie sie zeitweise in Athen bestand. Bis 270 v. Chr. hatte Rom, trotz des Rückschlags infolge der Zerstörung Roms durch die Gallier 387 v. Chr., ganz Italien bis zur Poebene unter seine Herrschaft gebracht. Der Übergriff Roms auf Sizilien führte zu den Punischen Kriegen (264-241, 218-201, 149-146 v. Chr.), in deren Verlauf Rom beinahe ganz Sizilien, Sardinien und Korsika, die Iberische Halbinsel sowie Karthago in Nordafrika eroberte; Nordafrika und Spanien wurden römische Provinzen. Mit dem Vorstoß Roms nach Osten wurden 148 v. Chr. Makedonien, 146 v. Chr. Griechenland und 133 v. Chr. Pergamon in Kleinasien römische Provinzen. Durch die Anbindung des griechischen Ostens an das Reich kamen griechische Kunst und Kultur nach Italien. Rom war nun die unangefochtene Hegemonialmacht im Mittelmeer und griff mit seinem Reich bereits über Europa hinaus. 102/101 v. Chr. wehrte Rom einen ersten Angriff germanischer Stämme, der Kimbern und der Teutonen, ab, 64/63 v. Chr. dehnte es seine Macht in Kleinasien aus und errichtete die Provinz Syrien, 55 v. Chr. hatte Caesar ganz Gallien unter römische Herrschaft gebracht, und 30 v. Chr. war Ägypten zur römischen Provinz geworden. Unter Augustus umfasste das Römische Reich die Iberische Halbinsel, Gallien, Teile Germaniens und des Balkans, Italien, Griechenland, Kleinasien, Syrien, Ägypten und die ganze nordafrikanische Küste. In der römischen Kaiserzeit erreichte das Reich unter Trajan seine größte Ausdehnung; u. a. wurden ihm im Osten Armenien angegliedert, auf dem Balkan Dakien (das heutige Rumänien) und im Norden Britannien; die Grenze zu den germanischen Stämmen, die sich einer Eroberung durch Rom widersetzten, wurde durch den Limes gesichert. Zusammengehalten wurde das immense, sich auf drei Kontinente und über verschiedene Völker und Kulturen erstreckende Reich durch straffe Verwaltung und die Durchdringung der unterworfenen Provinzen mit römischer Kultur. 313 n. Chr. tolerierte Konstantin das Christentum im Römischen Reich, Theodosius I. erhob es zur Staatsreligion. Mit seinem Tod 395 und der Teilung des Reiches unter seine Söhne endete die Einheit und die Macht des Römischen Reiches. Der Schwerpunkt und das Zentrum des Römischen Reiches lagen zwar immer in Europa, und die europäischen Provinzen des Reiches wurden von der Romanisierungspolitik Roms deutlich mehr erfasst als der Osten; das Reich verstand sich aber keineswegs als europäisches, sondern als Weltreich, das beinahe die gesamte im Westen bekannte Welt der drei Kontinente Europa, Asien und Afrika umfasste. 6.3 Das Mittelalter 6.3.1 Das Frühmittelalter Europa begann seine heutige Struktur im Zuge der germanischen Völkerwanderung (4.-6. Jahrhundert n. Chr.) anzunehmen. Der Vorstoß germanischer Stammesverbände nach West- und Südeuropa führte zur Auflösung des Römischen Reiches als Staat und als kulturelle Einheit sowie zur Neubildung verschiedener Reiche auf dem Boden des Römischen Reiches. Der Süden, d. h. die Iberische Halbinsel, die Apenninenhalbinsel und der Peloponnes, waren im 6. Jahrhundert unter Kaiser Justinian I. zeitweise wieder unter der Oberhoheit des Oströmischen bzw. Byzantinischen Reiches vereint und bewahrten am ehesten die kulturellen Traditionen des Römischen Reiches. Die Iberische Halbinsel musste aber bald wieder aufgegeben werden, während die byzantinische Herrschaft in Teilen Italiens noch behauptet werden konnte; die Päpste, die hier nach und nach die Funktionen des Exarchen, also des byzantinischen Statthalters, übernommen hatten, wandten sich jedoch im 8. Jahrhundert von Byzanz ab und dem germanischen Westen zu und leiteten so die Ablösung des Abendlandes von der Oberhoheit des Byzantinischen Reiches ein. Gleichzeitig verlagerte sich der politische Schwerpunkt in Europa vom Mittelmeerraum in den Norden, nach West- und Mitteleuropa. Die germanischen Gebiete außerhalb des Römischen Reiches sowie die nach dem Abzug der Germanen von Slawen besiedelten Gebiete östlich der Elbe-Saale-Linie waren kulturell und politisch weit weniger entwickelt als das Römische Reich und im Gegensatz zu den germanischen Nachfolgereichen im Bereich des ehemaligen Römischen Reiches bis ins 7. Jahrhundert noch nicht christianisiert. Diejenigen Germanenstämme, die im Zug der Völkerwanderung mit dem Römischen Reich in - friedlichen oder kriegerischen - Kontakt gekommen waren, hatten mehr oder weniger die römisch-antike Kultur und das Christentum in seiner katholischen bzw. seiner arianischen (Langobarden, Goten, Wandalen) Form angenommen. In dem ersten germanischen Großreich auf römischem Boden, dem Tolosanischen Reich der Westgoten in Spanien und Südfrankreich, deutete sich bereits die römisch-germanisch-christliche Grundstruktur an, die für die Staatswesen im mittelalterlichen Europa charakteristisch werden sollte. Zerschlagen wurde das Tolosanische Reich durch die Muslime, die seit Beginn des 8. Jahrhunderts die Iberische Halbinsel unter ihre Herrschaft brachten und für einige Jahrhunderte ihre politische und kulturelle Entwicklung bestimmten. Ende des 5. bis Anfang des 6. Jahrhunderts drangen die Franken aus ihrem Stammgebiet am Niederrhein nach Südwesten vor, unterwarfen das römische Gallien und griffen auch auf das germanische Mitteleuropa über. Ihre Reichsbildung verknüpfte römische mit germanischen Traditionen und schuf mit der Christianisierung eine alle Stämme ihres Reiches umfassende kulturelle Klammer. 754 wurde Pippin der Jüngere, König der Franken, als Erster der germanischen Herrscher vom Papst gesalbt und kirchlich legitimiert. Diese dadurch begründete enge Verbindung zwischen Frankenreich und römischer Kirche führte auf der einen Seite zur Loslösung des Papsttums von Byzanz; auf der anderen Seite wirkte sie prägend auf Entwicklung und Selbstverständnis des Reiches. Die Kaiserkrönung Karls des Großen im Jahr 800 durch den Papst vertiefte das Bündnis von Kirche und Reich, erneuerte das weströmische Imperium und vollzog die endgültige Trennung des Abendlandes von Oberhoheitsansprüchen des byzantinischen Kaisertums. 6.3.2 Das Werden Europas Das Reich Karls des Großen umfasste als Hegemonialmacht weite Teile Mitteleuropas bis in das heutige Ungarn, Frankreich, Nordspanien bis zum Ebro sowie das langobardische Italien und war weitgehend geeint. Politische, soziale und kulturelle Grundstrukturen, wie z. B. das Lehnswesen, die Verwaltung und das Kirchenwesen, verfestigten sich, wirkten einigend und beeinflussten in unterschiedlichem Maß die benachbarten Reiche im nördlichen Spanien, in England und Dänemark. Weil er beinahe das gesamte christliche Abendland zu einer politischen Einheit verband und mit seinem Reich die Grundlagen für die Staatenbildung in Europa schuf, gilt Karl der Große vielfach als der Begründer Europas im politischen und kulturellen Sinn. (In Reminiszenz an die Leistung Karls des Großen heißt der Preis, den die Stadt Aachen alljährlich für Verdienste um die europäische Einigung vergibt, ,,Karlspreis".) Allerdings blieb der Begriff ,,Europa" für die Zeitgenossen Karls des Großen selbst und bis weit in die Neuzeit frei von politischer Bedeutung; Karl sah sich vielmehr in der Tradition des römischen Imperiums, das sich als Weltreich bzw. im christlichen Sinn als Herrschaft über die Christenheit verstand. Trotz des Zerfalls des Frankenreiches unter den Nachfolgern Karls des Großen blieb die Idee des Frankenreiches als übergeordneter Größe bestehen, und die politischen und kulturellen Errungenschaften blieben lebendig. Ab dem frühen 10. Jahrhundert kristallisierten sich aus dem zersplitterten Frankenreich zwei neue Reiche heraus: Westfranken/Frankreich im Westen und Ostfranken, später zum Heiligen Römischen Reich erhöht, im Osten. Otto der Große erneuerte mit seiner Kaiserkrönung 962 die Reichsidee Karls des Großen sowie die Verbindung Reich - Kirche und verhalf sowohl durch das Kaisertum als auch durch die Ausdehnung seines Herrschaftsbereichs nach Italien und nach Osten dem römisch-deutschen Reich zum Aufstieg zur neuen Hegemonialmacht in Europa. Ottos Reichsidee beinhaltete in erster Linie die Oberhoheit über die abendländische Christenheit, die bei weitem noch nicht ganz Europa umfasste; eine europäische Ausrichtung erhielt die ottonische Reichsidee erst durch Otto III., der auch den noch nicht christianisierten Osten in sein Imperium einbezogen sehen wollte, mit seinem Konzept jedoch scheiterte. Daneben war auch das Byzantinische Reich in Europa noch mächtig: Es verstand sich als einzig legitimer Nachfolgestaat des Römischen Reiches. Zwar hatte es das Kaisertum Karls des Großen anerkannt, damit war jedoch das Zweikaiserproblem nicht gelöst, und sowohl das westliche Kaisertum als auch die Weigerung des Papsttums, den Primat des Patriarchen von Konstantinopel anzuerkennen, bedeuteten eine Herausforderung für Byzanz. Der Konflikt mit dem Papsttum kulminierte 1054 im Morgenländischen Schisma, das die kirchliche Trennung von Ost und West besiegelte und sie politisch forcierte. In Italien verlor Byzanz 1071 seinen letzten Stützpunkt, und auf dem Balkan drohte ihm das Bulgarische Reich die Herrschaft streitig zu machen. Eine weitere bedeutende, wenn auch nicht einheitliche Macht waren die noch nicht christianisierten Stämme und Völker im Osten und Norden. Die Magyaren stießen Ende des 9. Jahrhunderts über die Karpaten nach Westen vor und suchten Mitteleuropa immer wieder mit Raubzügen heim. Nach ihrer entscheidenden Niederlage 955 auf dem Lechfeld gegen Otto den Großen wurden sie im pannonischen Raum sesshaft, nahmen 1000 das Christentum in seiner römischen Ausprägung an und errichteten einen einheitlichen Staat, der sich in der Folge nach Süden ausdehnte. Aus dem skandinavischen Raum kamen ab 787 Normannen aus Dänemark und Norwegen nach England und um 910 in die Normandie, von wo aus sie sowohl zu Beginn des 11. Jahrhunderts nach Unteritalien gelangten als auch 1066 mit Wilhelm dem Eroberer nach England. Beide Gruppen schlossen sich der römischen Kirche an. Die schwedischen Waräger stießen im 9. Jahrhundert nach Russland vor, begründeten 862/882 das Kiewer Reich und wurden Ende des 10. Jahrhunderts von Byzanz aus missioniert; damit waren die Weichen in Richtung auf eine Zugehörigkeit Russlands zur orthodoxen Kirche, die aus der byzantinischen hervorging, gestellt. 6.3.3 Das Hochmittelalter Politisch dominierte im Hochmittelalter, nachdem die Bedrohung der abendländischen Christenheit von außen (Ungarn, Normannen) weggefallen war, die Auseinandersetzung zwischen Papsttum und Kaisertum. Das Papsttum, bisher dem Kaisertum als seinem Schutzvogt untergeordnet, suchte die Kirche aus der weltlichen Vorherrschaft zu lösen. Im Investiturstreit setzte sich das Papsttum in Grundfragen gegen das Kaisertum durch - mit weit reichenden Folgen: Der Kaiser verlor die Reichskirche als Herrschaftsinstrument im Reich und büßte damit im Inneren an Macht ein; und seine Stellung als weltliches, sakral legitimiertes Oberhaupt der Christenheit und damit sein Vormachtsanspruch wurde von anderen christlichen Herrschern in Europa in Frage gestellt. Durch dynastische Politik, d. h. durch den Erwerb des Königreiches Sizilien Ende des 12. Jahrhunderts, konnte das Kaisertum jedoch zeitweise seine Macht wieder entscheidend ausbauen, geriet darüber aber erneut in Konflikt mit dem Papsttum. Begleitet wurde der Investiturstreit von einer umfassenden kirchlichen Reformbewegung. Die theologischen Diskussionen im Umfeld der Reformbewegung sowie die Rezeption der Schriften der Antike (vor allem des Aristoteles) führten im 12. Jahrhundert zu einer außerordentlichen Belebung des europäischen Geisteslebens (,,Renaissance des 12. Jahrhunderts"), aber auch zum Auseinanderbrechen des bisher geschlossen scheinenden christlichen Weltbildes. Zentren der geistigen Auseinandersetzung waren die romanischen Länder Italien und vor allem Frankreich; in Paris und Bologna wurden die ersten Universitäten gegründet. Zu Beginn des Hochmittelalters waren neben dem Heiligen Römischen Reich und Frankreich im lateinischen Abendland zwei weitere bedeutende Reiche entstanden: Das normannische England Wilhelms des Eroberers und der normannische Staat in Süditalien und Sizilien. Die christlichen Königreiche Spaniens begannen mit der Rückeroberung maurischen Gebiets (Reconquista) und konnten etwa die Hälfte der Iberischen Halbinsel wieder unter ihre Herrschaft bringen. Im Rahmen der Kreuzzüge griff die abendländische Christenheit erstmals über Europa hinaus aus, errichtete im Heiligen Land Kreuzfahrerstaaten, die nach fränkisch-normannischem Vorbild organisiert waren, schuf nach der Eroberung Konstantinopels ein kurzlebiges Lateinisches Kaiserreich in Kleinasien (1204-1261) und brachte zahlreiche kulturelle Anregungen aus dem Orient nach Europa. Wirtschaft und Gesellschaft erlebten im Hochmittelalter ebenfalls einen tief greifenden Wandel: Bevölkerungszuwachs, bedingt u. a. durch die zurückgehende Gefährdung von außen, und gestiegene Nachfrage führten in der Landwirtschaft zur Erschließung neuer Anbauflächen durch Rodung und Neusiedlung (z. B. deutsche Ostsiedlung) und zu einem Aufschwung in Handwerk und Handel. Damit verbunden waren die Ausweitung der Geldwirtschaft, das Entstehen von Märkten und Städten sowie der Ausbau des Verkehrsnetzes. Stärkere Differenzierung, höhere vertikale und horizontale Mobilität der Gesellschaft waren die Folgen des wirtschaftlichen Aufschwungs. 6.3.4 Das Spätmittelalter Mit dem Ende der staufischen Herrschaft 1254 hatte das Kaisertum sowohl im Reich als auch im gesamten christlichen Abendland weitgehend seine Autorität verloren; erst König Sigismund konnte durch die Beendigung des Abendländischen Schismas 1417 kurzzeitig wieder eine nationenübergreifende Führungsrolle übernehmen. Das Papsttum selbst hatte ebenfalls an Autorität eingebüßt und war in völlige Abhängigkeit von Frankreich geraten (Avignonisches Exil, 1304-1376). Frankreich und England führten den Hundertjährigen Krieg (1337-1453) um die Vorherrschaft in Westeuropa, die vorerst noch keiner der beiden Staaten erringen konnte. An der Peripherie vollzogen sich entscheidende Wandlungen: Die mongolische Goldene Horde brachte ganz Russland unter ihre Herrschaft; unter ihrer Oberhoheit entstand das Moskauer Großfürstentum, das schließlich die ,,Sammlung der russischen Erde", die Einigung Russlands einleitete. Die Schwächung des Byzantinischen Reiches durch die Kreuzzüge setzte zunächst in Südosteuropa lateinische wie orthodoxe Nachfolgestaaten frei, die die Osmanen ab 1359 Zug um Zug eroberten. Mit der Eroberung Konstantinopels 1453 durch die Osmanen endete das Byzantinische Reich. Im Osten Europas entstand 1386 in Polen durch seine Personalunion mit Litauen eine neue Großmacht; Polen war nun der größte Flächenstaat Europas. Im Nordosten, im Baltikum, brachte der Deutsche Orden sein Eroberungs- und Christianisierungswerk zum Abschluss. In Skandinavien entstand ebenfalls ein zwar dauerhaftes, aber wenig stabiles Großreich: Mit der Kalmarer Union von 1397 schlossen sich die skandinavischen Länder in Personalunion zusammen. Im Südwesten beendete Spanien 1492 mit der Eroberung Granadas die Reconquista und eröffnete mit der Entdeckung Amerikas die europäische Expansion nach Übersee. In Frankreich und England begann u. a. infolge des Hundertjährigen Krieges die Ablösung des Feudalismus und die Herausbildung frühmoderner Flächenstaaten, während Deutschland in seiner Gesamtheit - im Gegensatz zu den meisten deutschen Einzelstaaten - bis zum Ende des alten Reiches 1806 der archaischen Form des Personenverbandsstaates verhaftet blieb. Wirtschaftlich und sozial ist das Spätmittelalter durch ein qualitatives und quantitatives Wachstum der Städte, das Erstarken des Bürgertums und durch das Aufkommen frühkapitalistischer Wirtschaftsformen geprägt. In Italien entwickelten sich Frühhumanismus und Renaissance, die von hier aus nach ganz Europa ausstrahlten. 6.4 Neuzeit 6.4.1 Auseinanderbrechen der Einheit des Abendlandes Karl V. hatte in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts noch einmal versucht, die mittelalterliche, universalistische Idee eines geeinten christlichen Abendlandes unter der Führung von Kaiser und Papst wieder zu beleben. Die Voraussetzungen schienen durchaus günstig: Karl herrschte als Kaiser nicht nur im Heiligen Römischen Reich, sondern er vereinte unter seiner Herrschaft auch das Spanische Reich inklusive seiner Besitzungen in Italien und in der Neuen Welt sowie das burgundische Erbe; zudem verfügte das Haus Habsburg über die österreichischen Erblande und Böhmen-Ungarn. Der spanische Besitz in der Neuen Welt eröffnete sogar die Möglichkeit, eine vom Abendland ausgehende christliche Weltherrschaft zu errichten. Karl scheiterte sowohl im Reich als auch in Europa: Der habsburgische Führungsanspruch in Europa provozierte dynastische Konflikte mit Frankreich; diese Konflikte wiederum verhinderten ein gemeinsames Vorgehen der beiden maßgeblichen christlichen Mächte - Habsburg und Frankreich - gegen die Osmanen, die vom Mittelmeer aus Südeuropa bedrohten und bereits den Balkan besetzt hatten. Die Verteidigung der abendländischen Christenheit gegen die Muslime scheiterte, zumal Frankreich das bislang unbestrittene Prinzip der Einheit der Christenheit machtpolitischen Erwägungen unterordnete und sich 1526/1536 mit den muslimischen Osmanen verbündete. In Deutschland selbst und von Deutschland ausgehend, zerfiel in beinahe ganz Europa durch die Reformation die abendländische Christenheit in Katholiken, Protestanten und Calvinisten; Kaiser und Papst als die Führer und Schutzherren der Christenheit waren nicht mehr in der Lage, die Einheit der Kirche wiederherzustellen. Karls Scheitern angesichts der Reformation markierte das unwiderrufliche Ende des christlich-universalistischen Führungsanspruchs des Kaisertums. Die konfessionellen Spannungen entluden sich zunehmend in Religionskriegen wie den Hugenottenkriegen (1562-1598) in Frankreich, die sich mit machtpolitischen Auseinandersetzungen verbanden und im Dreißigjährigen Krieg (1618-1648) europäische Ausmaße annahmen. Kriege und Reformation, aber auch Einflüsse der Renaissance und des Humanismus hatten in den einzelnen europäischen Staaten sowie in Europa insgesamt tief greifende politische Wandlungen verursacht: Frankreich, Spanien, Portugal, England und die skandinavischen Reiche entwickelten sich zu zentralistisch ausgerichteten, von Fachbeamten verwalteten Staatswesen mit ständischen bzw. parlamentarischen Vertretungen, während die Mitte Europas - Deutschland, Italien - weiter in Partikularherrschaften zerfiel. Spanien wurde nach der Niederlage seiner Armada 1588 als führende Seemacht in Europa allmählich von England abgelöst; England selbst entfernte sich politisch und kirchlich vom europäischen Kontinent. Der Westfälische Friede von 1648 schrieb eine neue Staatenordnung in Europa fest: Das Heilige Römische Reich wurde durch seine Auflösung in beinahe souveräne Territorialstaaten endgültig zum Machtvakuum, Frankreich und Schweden wurden die neuen Vormächte im kontinentalen Europa. Zudem legte der Westfälische Friede die Gleichberechtigung der Konfessionen fest und schaltete damit religionspolitische Motive als Konfliktursache weitgehend aus. 6.4.2 Die neue Staatenordnung Nach dem Auseinanderbrechen der alten Ordnung infolge von Reformation und Dreißigjährigem Krieg setzte in Europa ein vehementer Kampf um die Vorherrschaft ein. Frankreich suchte seine Hegemonialstellung im Westen gegen das zur Großmacht aufsteigende Österreich und gegen die Seemacht England zu erhalten und auszubauen; Frankreichs Vormachtstreben entlud sich in den Eroberungskriegen Ludwigs XIV. und im Spanischen Erbfolgekrieg (1701-1713/14) gegen u. a. Österreich und England. Besonders der Spanische Erbfolgekrieg hatte deutlich gemacht, dass die Idee einer umfassenden Einigung Europas endgültig überholt war, dass aber auch die Hegemonie eines Staates in Europa für die anderen europäischen Mächte inakzeptabel war. So einigten sich die Großmächte auf ein Gleichgewicht der Kräfte. Die Initiative dazu ging vor allem von England aus, das sich durch ein Gleichgewicht in Europa Freiraum für seine expansive Überseepolitik zu schaffen suchte. Dem Staatensystem, das das Gleichgewicht garantieren sollte, gehörte ein fester Kreis von schließlich fünf Großmächten an: Zunächst England, Frankreich und Österreich, denen sich die im 18. Jahrhundert zu europäischen Großmächten aufgestiegenen Staaten Preußen und Russland anschlossen (Pentarchie). Allerdings provozierten machtpolitische Einzelinteressen immer wieder schwere Konflikte innerhalb des Staatensystems, so etwa den Österreichischen Erbfolgekrieg (1740-1748) zwischen Preußen und Österreich; der Siebenjährige Krieg (1756-1763) - Preußen und Großbritannien gegen Frankreich, Österreich und Russland - griff schließlich auch auf die britischen und französischen Kolonien über. Aus diesem ersten weltpolitischen Konflikt ging England als Weltmacht hervor. Im Zuge der inneren Konsolidierung der europäischen Staaten nach dem Dreißigjährigen Krieg errichtete Ludwig XIV. in Frankreich ein modernes, absolutistisches Staatswesen, dessen Vorbild einige deutsche Staaten, vor allem Preußen und Österreich folgten. Der absolutistische Staat Ludwigs XIV. zeichnete sich durch straffe Zentralisierung, effiziente Verwaltung, einen durchorganisierten Beamtenapparat und ein staatlich beaufsichtigtes Wirtschaftssystem, den Merkantilismus, aus; der Adel als traditionelle Machtelite musste teilweise dem aufstrebenden Bürgertum weichen. In England hatte sich mit der Glorious Revolution 1688/89 die Staatsform der parlamentarischen Monarchie durchgesetzt. Das Heilige Römische Reich hatte endgültig seine Führungsrolle in Europa verloren, politisch an die fünf Großmächte, kulturell an Frankreich, und wirtschaftlich stand es weit hinter den Seemächten im Westen - Spanien, Portugal, Frankreich, England und den Niederlanden - zurück, die durch ihren Kolonialbesitz zu den führenden Wirtschaftsmächten geworden waren. 6.4.3 Erschütterung der alten Ordnung Europa wurde durch die Französische Revolution von 1789 nachhaltig erschüttert und geprägt. Beeinflusst von dem Gedankengut der Aufklärung und der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung ersetzte sie unter den Schlagworten ,,Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit" die alte monarchisch-ständestaatliche Ordnung durch eine bürgerliche Gesellschaftsordnung, deren Grundlagen die Garantie der Menschenrechte, Demokratie und Liberalismus sowie nationale Selbstbestimmung waren. Mit den Kriegen der Französischen Revolution gelangten ihre Ideen nach beinahe ganz Europa, beunruhigten die Monarchen und inspirierten das liberale Bürgertum. Mit seinem Versuch, ganz Europa unter einer Herrschaft zu vereinen, setzte Napoleon kurzzeitig die alte europäische Staatenordnung außer Kraft, ebenso die alten ständischen Verfassungen, indem er mit dem Code Napoléon die Grundgedanken der Französischen Revolution in Europa zu etablieren suchte. Dieses neuerliche französische Hegemonialstreben scheiterte vor allem am Widerstand Englands und Russlands sowie am erwachenden Nationalbewusstsein der Deutschen ( siehe Napoleonische Kriege, Befreiungskriege). Die kurzzeitige napoleonische Vorherrschaft in Europa bedeutete das Ende des Heiligen Römischen Reiches als Staatswesen. 6.4.4 Rückkehr zur alten Ordnung Der Wiener Kongress 1814/15 restaurierte das alte Mächtegleichgewicht in Europa und zementierte die alte monarchische Ordnung. Mit der Errichtung der Heiligen Allianz zwischen Russland, Österreich und Preußen spaltete sich allerdings die Pentarchie: Die drei Mächte der Allianz kehrten zu einer reaktionären Politik zurück, die weder die veränderten sozialen Verhältnisse, noch die liberalen Strömungen und die Nationalbewegungen berücksichtigte; Vorreiter dieses sozialkonservativen Kurses war der österreichische Staatskanzler Fürst von Metternich. Frankreich dagegen profitierte noch von den Errungenschaften der Revolution, und England, wo die industrielle Revolution bereits in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts eingesetzt hatte, ging mit Sozial- und Verfassungsreformen auf die neuen Anforderungen des Industriezeitalters ein und förderte zugleich liberale und nationale Bewegungen in Europa. Die Julirevolution von 1830 in Paris hatte erneut europaweite Wirkung: Sie verstärkte den Druck auf die europäischen Monarchen, die sich nach und nach zu verfassungsmäßigen Zugeständnissen gezwungen sahen. Die beinahe europaweite Revolutionsbewegung von 1848, die ebenfalls von Frankreich ausgegangen war, brachte zwar Ansätze parlamentarischer Verfassungen, provozierte aber auch die antirevolutionäre Reaktion mancher Monarchen. Die Verfassungsfrage blieb am Ende ebenso ungelöst wie die besonders in Deutschland, im habsburgischen Vielvölkerreich und in Italien virulente nationale Frage. Neben der Verfassungs- und der nationalen Frage gewann im Lauf des 19. Jahrhunderts die soziale Frage entscheidendes Gewicht: Die im Vergleich zu Großbritannien mit einiger Verzögerung zu Beginn des Jahrhunderts auch auf dem Kontinent einsetzende Industrialisierung führte zu tief greifenden sozialen Veränderungen und zum Entstehen eines,,vierten Standes", des Arbeiterproletariats. Die Regierungen trugen diesen neuen sozialen Verhältnissen ebenso wenig Rechnung wie den bürgerlichen liberalen Bewegungen und vertieften so die Kluft zwischen Staat und Gesellschaft. Die politisch und sozial ausgegrenzten Arbeiter organisierten sich international und national in Arbeiterbewegungen und, wie zahlreiche andere gesellschaftliche Gruppierungen auch, mit zunehmender Demokratisierung und Parlamentarisierung der europäischen Staaten in Parteien. 6.4.5 Neue Nationalstaaten Mit dem österreichisch-ungarischen Ausgleich von 1867, der 1870 vollendeten Einigung Italiens und mit der deutschen Reichsgründung 1871 war der Nationalstaatsgedanke zum Durchbruch gekommen. Die neue Staatenordnung in Europa brachte Reichskanzler Otto von Bismarck durch Bündnissysteme zur gegenseitigen Friedenssicherung in ein Gleichgewicht, das allerdings labil blieb und durch die Balkankrisen, die aus der Schwächung des Osmanischen Reiches und den südosteuropäischen Nationalbewegungen resultierten, gefährdet wurde. Der Berliner Kongress von 1878, an dem Vertreter der Pentarchie sowie des Osmanischen Reiches und Italiens teilnahmen, brachte für den Balkan eine territoriale Neuordnung und die Unabhängigkeit einiger neu entstandener Nationalstaaten vom Osmanischen Reich und drängte die Osmanen weitgehend aus Europa zurück. Die Konflikte auf dem Balkan wurden vorübergehend unterdrückt, aber nicht behoben; sie sollten 1912 in den Balkankriegen wieder ausbrechen und dann zum 1. Weltkrieg überleiten. 1878 hatte sich die Pentarchie noch einmal als europäische, friedenssichernde kollektive Hegemonialmacht bewiesen, wobei jeder der fünf Staaten auch eigene außenpolitische Ziele verfolgte. 6.5 Das 20. Jahrhundert Ende des 19. Jahrhunderts führte schließlich zunehmender Nationalismus zu einem radikalen Imperialismus; die weltpolitischen Gegensätze unter den europäischen Mächten verschärften sich, alte Rivalitäten wurden wieder virulent, wie etwa der deutsch-französische Gegensatz und der Konflikt auf dem Balkan, neue Rivalitäten entstanden, z. B. der deutsch-britische Flottenstreit; dazu wuchs in einem Klima des übersteigerten Nationalismus die Bereitschaft der Regierenden, ihre Konflikte militärisch auszutragen. All diese Faktoren sowie verschiedene Bündnisverpflichtungen zwischen den europäischen Mächten führten schließlich in den 1. Weltkrieg. 6.5.1 Europa zwischen den Weltkriegen Durch den 1. Weltkrieg hatte Europa seine Vormachtstellung in der Welt weitgehend eingebüßt und sah sich u. a. durch den Aufstieg der USA zur Weltmacht einer völlig veränderten außenpolitischen Konstellation gegenüber; das europäisch dominierte Staatensystem begann von einem globalen abgelöst zu werden. In Europa selbst hatte sich die politische Kräfteverteilung durch den Untergang des zaristischen Russland in der Oktoberrevolution 1917, den Zerfall des Vielvölkerstaates Österreich-Ungarn und die Entstehung neuer Staaten in Mittel-, Ost- und Südosteuropa ebenfalls verschoben; das Scheitern der monarchischen Systeme in Deutschland und Österreich im 1. Weltkrieg hatte zu deren Ablösung durch demokratisch-parlamentarische Verfassungen geführt. Die staatliche Neuordnung Europas nach dem 1. Weltkrieg durch die Pariser Vorortverträge verursachte in der Folge neue Spannungen. Die Siegermächte suchten über den Versailler Vertrag (z. B. durch Reparationsforderungen) Deutschland in relativer Machtlosigkeit zu halten; Deutschland dagegen strebte durch Verhandlungen und Bündnisse den Wiederaufstieg zur europäischen Großmacht an. Mit einer ganzen Reihe von internationalen - weltweiten (Völkerbund, Briand-Kellogg-Pakt) oder europäischen (Locarnopakt) - sowie bilateralen (Rapallo-Vertrag) Verträgen und Bündnissen versuchten die europäischen Regierungen und die USA in Reaktion auf die Erfahrungen aus dem 1. Weltkrieg in den zwanziger Jahren ein umfassendes System zur kollektiven Friedenssicherung zu schaffen. Gegen diese überstaatlichen Zusammenschlüsse wurden zunehmend Forderungen nach größerer nationaler Souveränität laut. Diese Forderungen verbanden sich in einigen europäischen Staaten mit bereits seit Ende des 19. Jahrhunderts wirksamen rassistischen und nationalistischen Ideologien und ließen antiliberale und antidemokratische Bewegungen entstehen, die vor dem Hintergrund einer wirtschaftlichen Dauerkrise in der Nachkriegszeit, besonders dann Ende der zwanziger Jahre zur Zeit der Weltwirtschaftskrise, starken Zulauf fanden. In Deutschland bereiteten darüber hinaus vor allem drückende Reparationsforderungen, die Kriegsschuldfrage und die Dolchstoßlegende den Weg für den Aufstieg des Nationalsozialismus; in Italien hatte bereits 1922 Mussolini die Macht übernommen und ein faschistisches Regime errichtet, und bis Ende der dreißiger Jahre waren in zahlreichen ost- und südeuropäischen Staaten faschistische bzw. autoritäre Regierungsformen etabliert worden. Auf der Iberischen Halbinsel setzte sich durch den Spanischen Bürgerkrieg ein autoritäres Regime durch. Spätestens in den dreißiger Jahren erwiesen sich die überstaatlichen Bündnissysteme als untauglich für die Friedenssicherung. Einige Staaten entledigten sich durch Austritt aus den Bündnissystemen jeglicher Verpflichtungen (1933 trat Deutschland, 1937 Italien aus dem Völkerbund aus) und gingen bilaterale, gegen die Interessen der internationalen Staatengemeinschaft gerichtete Verträge ein (Stahlpakt zwischen Deutschland und Italien 1939, Hitler-Stalin-Pakt 1939). Der Völkerbund war nicht in der Lage, die Einhaltung des Versailler Vertrags gegenüber dem nationalsozialistischen Deutschland durchzusetzen, und er war machtlos gegenüber Italiens Überfall auf Abessinien. Gegenüber der deutschen Revisions- und Expansionspolitik verfolgte der Völkerbund, vor allem England, einen Appeasement-Kurs, in der vergeblichen Hoffnung, durch ein Eingehen auf die deutschen Forderungen (Münchner Abkommen und Anschluss Österreichs 1939) Deutschland zufrieden zu stellen und so den Frieden sichern zu können; Hitlers aggressive, machtpolitisch und ideologisch motivierte Expansionspolitik ( siehe Lebensraum) führte in den 2. Weltkrieg. Die supranationalen Institutionen und Mechanismen hatten versagt. Deutschlands Eroberungskrieg war der letzte gewaltsame Versuch, ganz Europa oder zumindest große Teile des Kontinents unter einer Herrschaft zu vereinen. 6.5.2 Die Neuordnung und Spaltung Europas nach dem 2. Weltkrieg Der 2. Weltkrieg endete mit der Zerschlagung der faschistischen Regime in Italien und Deutschland und mit der Wiederherstellung der Vielstaatlichkeit in Europa; Europa verlor nun endgültig seine Vormachtstellung in der Welt, und zwar an die beiden neuen Weltmächte USA und UdSSR, die nach dem 2. Weltkrieg Europa (und die Welt) in zwei Macht- und Einflusssphären aufteilten. Die unüberbrückbaren Differenzen zwischen den USA und der UdSSR hinsichtlich der europäischen Nachkriegsordnung führten zur Auseinanderentwicklung und schließlich zur Aufspaltung Deutschlands und Europas und im Rahmen des Kalten Krieges zur Bildung zweier Blöcke. Auf den Versuch der USA, sich über die Truman-Doktrin und den Marshallplan in Europa politische und wirtschaftliche Einflusssphären zu schaffen, reagierte die UdSSR mit dem Ausbau ihrer Kontrolle in Ost- und Südosteuropa sowie in ihrer Besatzungszone in Deutschland. Die sich verschärfende Konfrontation zwischen USA und UdSSR kulminierte 1949 in der Gründung zweier deutscher Staaten, der Errichtung des Rates für Gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) zur wirtschaftlichen Integration des Ostens und der Gründung der NATO, u. a. zur Verhinderung eines weiteren Vordringens des Kommunismus im Westen. Damit war die Blockbildung in Europa zu einem ersten Abschluss gekommen; die Folgezeit war von der inneren Konsolidierung der beiden Blöcke und der Verhärtung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Fronten zwischen den beiden Blöcken geprägt. Trotz der Spaltung Europas in zwei gegensätzliche Blöcke blieb der Europagedanke im Westen inklusive der westlichen Besatzungszonen bzw. der Bundesrepublik Deutschland politisch wirksam: 1949 wurde der Europarat gegründet, 1952 die Montanunion sowie 1957 die EURATOM und die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft (EWG); Montanunion, EURATOM und EWG fusionierten 1967 zu den Europäischen Gemeinschaften (EG). Großbritannien, zunächst noch gegen supranationale Institutionen, schuf 1960 die Europäische Freihandelsassoziation (EFTA). Neben den sechs Gründerstaaten Frankreich, Italien, Bundesrepublik Deutschland, Belgien, Luxemburg, Niederlande wurden 1973 Großbritannien, Irland und Dänemark in die EG aufgenommen, 1981 Griechenland, 1986 Portugal und Spanien und 1995 Finnland, Schweden und Österreich. 1970 wurde die Europäische Politische Zusammenarbeit (EPZ) zur Koordinierung der Außenpolitik der Mitgliedsstaaten der EG institutionalisiert, und 1979 konstituierte sich erstmals ein direkt gewähltes Europäisches Parlament, das die politische Einigung (West-)Europas voranbringen sollte. Während Westeuropa in den ersten Nachkriegsjahren wirtschaftlich und politisch von den USA dominiert worden war, emanzipierte es sich in der Folge zunehmend von der Vormacht USA und entwickelte sich auf dem Weltmarkt, teilweise auch auf der internationalen politischen Bühne, zu einem Konkurrenten der USA. Die ost-, südost- und mitteleuropäischen Staaten im Interessengebiet der Sowjetunion waren durch Stalin sukzessive politisch und wirtschaftlich dem sowjetischen System angeglichen worden. Nach Stalins Tod 1953 artikulierten sich in den einzelnen Staaten zunehmend Forderungen nach größerer politischer und wirtschaftlicher Selbständigkeit von der Sowjetunion; reformkommunistische Bewegungen wurden jedoch zum Teil (Ungarn 1956, Tschechoslowakei 1968) von der Sowjetunion gewaltsam niedergeschlagen. Auf die Aufnahme der Bundesrepublik in die NATO 1955 reagierte der Ostblock mit der Gründung des Warschauer Paktes, in den auch die DDR einbezogen wurde. Die wirtschaftliche Integration des Ostblocks, u. a. 1971 und 1984 in ,,Komplexprogrammen" formuliert, blieb jedoch vielfach in den Ansätzen stecken und scheiterte oft an fehlender Koordination. Außenpolitisch, ebenso wie wirtschaftlich und ideologisch, stand der Ostblock unter der Hegemonie der UdSSR. 6.5.3 Entspannung Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges zu Beginn der sechziger Jahre (Berlinkrisen 1958 und 1961, Kubakrise 1962) leiteten die USA und die UdSSR angesichts der unübersehbaren Folgen einer möglichen militärischen Konfrontation zwischen den beiden Blöcken eine zunächst zögerliche Entspannungspolitik ein. Flankiert wurde die Entspannungspolitik zwischen USA und UdSSR von der deutschen Ostpolitik, die 1970 zum Moskauer und zum Warschauer Vertrag und 1973 zum Grundlagenvertrag mit der DDR führte. 1972 kam es zwischen den USA und der UdSSR zur Unterzeichnung eines ersten SALT-Abkommens zur Rüstungsbegrenzung, 1979 folgte das zweite. Ab 1973 tagte die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE bzw. OSZE), auf der alle europäischen Staaten außer Albanien sowie Kanada und die USA vertreten waren und deren Teilnehmerstaaten sich 1975 in der Schlussakte von Helsinki u. a. zum Erhalt des Friedens, zur Garantie der Souveränität der Einzelstaaten und zur Einhaltung der Menschenrechte verpflichteten. Diese und andere bi- und multilaterale Abkommen ließen eine konstruktive Entspannung zwischen Ost und West als realistisches Ziel erscheinen. 6.5.4 Die europäische Einigung Der Reformkurs des sowjetischen Staatschefs Michail Gorbatschow ab Mitte der achtziger Jahre gab nicht nur dem Ost-West-Entspannungsprozess und der Abrüstungspolitik (Abbau der atomaren Mittel- und Kurzstreckenraketen in Europa) neue, positive Impulse, sondern bewirkte auch ein politisches Umdenken in den anderen Staaten des Ostblocks. Die kommunistischen Strukturen des Ostblocks lösten sich auf (ebenso die supranationalen Institutionen im Osten, RGW und Warschauer Pakt), wurden von - in unterschiedlichem Maß - pluralistischen, demokratischen, marktwirtschaftlich ausgerichteten Systemen abgelöst und strebten teilweise die wirtschaftliche und politische Integration in die EG an. Die Wiederherstellung der deutschen Einheit 1990 löste eines der komplexesten Probleme im geteilten Europa der Nachkriegszeit auf friedlichem Weg. Der politischen Auflösung des Ostblocks folgte die staatliche Neuordnung im Osten: Die Sowjetunion löste sich im Dezember 1991, nachdem im August bereits die drei baltischen Staaten aus der Union ausgetreten waren, auf und schuf mit der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) ein lockeres Bündnis zwischen ehemaligen Sowjetrepubliken; die Republik Jugoslawien zerbrach 1991 mit dem Austritt Kroatiens, Sloweniens, Bosnien-Herzegowinas und Mazedoniens (der späteren Ehemaligen Jugoslawischen Republik Mazedonien); die Tschechoslowakei wurde aufgelöst, und am 1. Januar 1993 wurden die Tschechische und die Slowakische Republik selbständige Staaten. In einigen der neu entstandenen Staaten brachen jetzt allerdings die jahrzehntelang unterdrückten Nationalitätenkonflikte mit aller Gewalt aus, so etwa in dem nach Unabhängigkeit von Russland strebenden Tschetschenien (siehe Tschetschenien-Krieg). Gegenüber diesen Konflikten, besonders aber gegenüber dem BosnischKroatisch-Serbischen Krieg im ehemaligen Jugoslawien versagten die friedenssichernden Instrumente der europäischen Staatengemeinschaft wie etwa die OSZE. Der Krieg in Bosnien-Herzegowina konnte erst 1995 - nach vierjähriger Dauer - durch das Eingreifen von NATO-Truppen (im Auftrag der UN) und den Abschluss eines Friedensabkommens, des Dayton-Abkommens, beendet werden. Ebenso scheiterten die europäischen Vermittlungsbemühungen im Kosovo-Konflikt; auch hier war es wieder die NATO, die 1999 den Konflikt mit militärischen Mitteln beilegte. Im Kosovo-Konflikt agierte die NATO jedoch ohne Mandat der UN, und ihr Einsatz, den sie als humanitäre Nothilfe rechtfertigte, war in einer Reihe der europäischen NATO-Staaten umstritten. Erst der Konflikt in Mazedonien konnte 2001 auf dem Verhandlungswege beigelegt werden. Am 1. Januar 1993 wurde mit dem Wegfall der Grenzkontrollen zwischen den EG-Staaten der Europäische Binnenmarkt geschaffen, und mit dem Vertrag von Maastricht, der am 1. November 1993 in Kraft trat, legten die EG-Staaten Grundlagen zur Erweiterung ihrer Wirtschaftsgemeinschaft zur politischen, zur Europäischen Union (EU). Ziel der EU ist neben der Ausgestaltung des Binnenmarkts die Umsetzung einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) und die Zusammenarbeit in den Bereichen Inneres und Justiz (ZIJ); langfristig strebt die EU die Vollendung des ,,gemeinsamen europäischen Hauses" an. Wesentliche Schritte auf dem Weg zu diesen Zielen waren die Vertiefung der politischen Union durch den 1997 unterzeichneten Vertrag von Amsterdam, die Verwirklichung der Währungsunion mit der Einführung des Euro zum 1. Januar 1999 und als Bargeld zum 1. Januar 2002 in den meisten der damals 15 EU-Staaten (weitere EU-Staaten folgten ab 2007) sowie die Integration mittel- und osteuropäischer Staaten in die EU. Parallel zur wirtschaftlichen und politischen Integration forcierten die EU und NATO auch die Einbindung Mittel- und Osteuropas in das westliche Sicherheitskonzept: 1994 institutionalisierte die NATO durch die Partnerschaft für den Frieden eine engere militärische und sicherheitspolitische Zusammenarbeit mit zahlreichen mittel- und osteuropäischen Staaten, u. a. mit Russland. 1999 wurden mit Polen, Ungarn und der Tschechischen Republik die ersten drei ehemaligen Warschauer-Pakt-Mitglieder in die NATO aufgenommen; 2004 kamen Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Rumänien, die Slowakische Republik und Slowenien hinzu. Ebenfalls 2004 wurde die EU um acht mittel- und osteuropäische Länder (Estland, Lettland, Litauen, Polen, die Slowakische Republik, Slowenien, die Tschechische Republik und Ungarn) sowie um Malta und Zypern erweitert und 2006 um Bulgarien und Rumänien. Die EU umfasste nun 27 Staaten mit einer Gesamtfläche von etwa 4,35 Millionen Quadratkilometern und beheimatete etwa 486 Millionen Bürger. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.