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Christian Dietrich Grabbe: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Christian Dietrich Grabbe: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung (Sprache & Litteratur). Der deutsche Schriftsteller Christian Dietrich Grabbe ist neben Georg Büchner der führende Dramatiker des Vormärz. Sein 1822 entstandenes und 1827 erschienenes Lustspiel Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung wurde im Dezember 1876 am Wiener Akademie-Theater uraufgeführt. Im Mittelpunkt des nihilistisch-desperaten Werkes steht der Teufel, der in die Welt der Menschen eintritt und beinahe erfroren in das Schloss des Barons von Haldungen gebracht wird, wo der ungewöhnliche Gast den Anstoß zu weiteren grotesken Dialogen und Verwicklungen gibt. Christian Dietrich Grabbe: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung ZWEITE SZENE Heller, warmer Sommertag. Der Teufel sitzt auf einem Hügel und friert. T e u f e l. 's ist kalt, - kalt - in der Hölle ists wärmer! - Satirische Großmutter hat mir zwar, weil sieben am häufigsten in der Bibel vorkommt, sieben Pelzhemdchen, sieben Pelzmäntelchen und sieben Pelzmützchen angezogen, - aber 's ist kalt, - kalt - Hol mich Gott, es ist sehr kalt! - - Könnt ich nur Holz stehlen oder 'nen Wald anzünden, - 'nen Wald anzünden! - Alle Engel, 's wäre doch kurios, wenn der Teufel erfrieren müßte! - - Holz stehlen, - Wald anzünden, - anzünden! - stehlen - (Er erfriert.) E i n N a t u r h i s t o r i k e r (tritt auf, botanisierend). Wahrhaftig, es finden sich in dieser Gegend seltene Gewächse; Linnäus, Jussieu - Herr Christus, wer liegt hier auf der Erde? Ein toter Mensch, und, wie man deutlich sieht, erfroren! Nun, das ist doch sonderbar! Ein Wunder, wenn es nämlich ein Wunder gäbe! Wir schreiben heute den 2ten August, die Sonne steht flammend am Himmel, es ist der heißeste Tag, den ich je erlebt habe, und der Mensch da wagt es, unterwindet sichs, gegen alle Regeln und Beobachtungen weiser Männer zu erfrieren! - Nein, es ist unmöglich, absolut unmöglich! Ich will meine Brille aufsetzen! (Er setzt sich die Brille auf.) Sonderbar! sonderbar! Ich habe meine Brille aufgesetzt, und der Kerl ist nichtsdestoweniger erfroren! Höchst sonderbar! Ich will ihn zu meinen Kollegen bringen! (Er packt den Teufel beim Kragen und schleppt ihn mit sich fort.) DRITTE SZENE Saal auf dem Schlosse. Der Teufel liegt auf dem Tische und die vier Naturhistoriker stehen um ihn herum. E r s t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Sie geben mir zu, meine Herren, es ist mit diesem Toten ein verwickelter Kasus. Z w e i t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Wie man es nimmt! Es ist nur schlimm, daß seine Pelzkleider so labyrinthisch zugeknöpft sind, daß selbst der Weltumsegler Cook sie nicht würde aufknöpfen können. E r s t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Sie geben mir zu, daß es ein Mensch ist? D r i t t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Gewiß! er hat fünf Finger und keinen Schwanz. V i e r t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Hier ist also nur die Frage zu lösen, was es für ein Mensch sein mag. E r s t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Richtig! Dabei kann man aber nicht vorsichtig genug zu Werke gehn; obschon es also heller Tag ist, so rate ich doch, daß man noch außerdem ein Licht anzündet. D r i t t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Sehr wahr, Herr Kollege! (Sie zünden ein Licht an und setzen es neben den Teufel auf den Tisch.) E r s t e r N a t u r h i s t o r i k e r (nachdem sie alle vier den Teufel mit der angestrengtesten Aufmerksamkeit betrachtet haben). Meine Herren, ich denke jetzt mit diesem rätselhaften Kadaver im klaren zu sein, und ich hoffe, daß ich mich nicht irre. Bemerken Sie diese zurückgestülpte Nase, diese breiten, großmäuligen Lippen, - bemerken Sie, sage ich, diesen unnachahmlichen Zug von göttlicher Grobheit, welcher über das ganze Antlitz ausgegossen ist, und Sie werden nicht zweifeln, daß Sie einen unsrer jetzigen Rezensenten, und zwar einen echten, vor sich liegen sehen. Z w e i t e r N a t u r h i s t o r i k e r. Lieber Kollege, ich kann nicht so völlig mit Ihrer übrigens außerordentlich scharfsinnigen Meinung übereinstimmen. Nicht zu erwähnen, daß unsre heurigen Rezensenten, besonders die Theaterkritiker, mehr einfältig als grob sind, so spüre ich auch in diesem toten Gesichte kein einziges von den Merkmalen, welche Sie uns aufzuzählen belieben. Ich gewahre im Gegenteil durchaus etwas Mädchenartiges darin; die buschigen, überhängenden Augenbrauen deuten auf jene zarte, weibliche Verschämtheit, welche sogar ihre Blicke zu verstecken trachtet, und die Nase, welche Sie zurückgestülpt nennen, scheint sich vielmehr aus Höflichkeit zurückgebeugt zu haben, um dem schmachtenden Liebhaber einen recht großen Platz zum Kusse offen zu lassen; - genug, wenn mich nicht alles trügt, so ist dieser erfrorene Mensch eine Pastorstochter. Christian Dietrich Grabbe: Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung. Stuttgart 1970, S. 9-11. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.

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