Chile - geographie. 1 EINLEITUNG Chile, amtlich República de Chile, Republik im Südwesten Südamerikas, die im Norden an Peru, im Osten an Bolivien und Argentinien und im Süden und Westen an den Pazifischen Ozean grenzt. Das Land hat eine äußerste Nord-Süd-Erstreckung von 4 300 Kilometern, die durchschnittliche Breite dagegen beträgt nur 180 Kilometer. Der Süden Chiles umfasst zahlreiche Inseln und reicht bis nach Patagonien, von der Insel Chiloé bis zum Kap Hoorn, dem südlichsten Punkt des südamerikanischen Kontinents. Zu den bekannteren Inseln gehören der Chonos-Archipel, die Wellington-Insel und der westliche Teil von Feuerland. Der Küste Chiles vorgelagert liegen die Inseln San Felix und San Ambrosio, die Juan-Fernández-Inseln (mit der Robinson-Crusoe-Insel) sowie die Osterinsel und die Isla Sala y Gómez im südlichen Pazifik, die alle ebenfalls zu Chile gehören. Die Gesamtfläche des Landes beträgt 756 626 Quadratkilometer, die Bevölkerungszahl etwa 16,4 Millionen. Chile beansprucht außerdem einen Teil der Antarktis. Hauptstadt ist Santiago mit einer Einwohnerzahl von etwa 5,48 Millionen in der Agglomeration. 2 LAND Chile hat eine sehr schmale, lang gestreckte Form und reicht über 39 Breitengrade und mehrere Klimazonen hinweg. Geprägt wird das Land durch zwei Gebirgszüge, die es in Längsrichtung durchziehen, von denen die Anden den markanteren bilden. 2.1 Physische Geographie Chile lässt sich der Länge nach in drei topographische Zonen einteilen: die Anden (Cordillera de los Andes) im Osten; die niedrigere Küstenkordillere (Cordillera de la Costa), die im Westen am Pazifischen Ozean entlang verläuft, und das dazwischen liegende Große Längstal (Valle Longitudinal). Von Nord nach Süd lassen sich drei wesentliche geographische und klimatologische Regionen unterscheiden: die nördliche, trockene Wüstenzone in Nordchile, auch ,,Großer Norden" genannt; in Mittelchile eine Beckenregion mit Mittelmeerklima, als ,,Kleiner Süden" bekannt, und in Südchile eine niederschlagsreiche Region, der ,,Große Süden", für den die inselartig aufgelösten Ausläufer der hohen Gebirgszüge prägend sind. Die Anden sind im Norden am breitesten und verschmälern sich nach Süden zu. Im Norden bestehen sie aus mehreren Hochplateaus, die von zahlreichen Bergen mit Höhen bis zu 6 100 Metern umgeben sind. Hier befindet sich auch der mit 6 880 Metern höchste Gipfel Chiles, der Ojos del Salado. Das Plateaugebiet wird von der großen Wüste Atacama durchzogen, die ausgedehnte Salpeterfelder und reiche Vorkommen anderer Minerale (Kupfer, Borat, Iod, Sulfat, Kochsalz) enthält. Mittelchile ist durch das Große Längstal geprägt, das eine Länge von 965 Kilometern aufweist. Das Tal mit einer Breite von 40 bis 80 Kilometern ist der am dichtesten besiedelte Teil Chiles, und die fruchtbare Region zwischen den Flüssen Aconcagua und Bío-Bío bildet sein landwirtschaftliches Herzstück. Die zentralen Anden haben hier eine geringere Breite und sind niedriger als im Norden. Die meisten wichtigen Pässe über die Anden finden sich hier ebenso wie die besten natürlichen Häfen des Landes. Nach Süden zu löst sich das Längstal in einzelne Becken auf. Im südlichen Chile läuft das Große Längstal bei Puerto Montt im Meer aus. Die langen Inselketten vor der Küste bilden die Gipfel der nunmehr unter dem Meeresspiegel liegenden, südlichen Fortsetzung der Küstenkordillere, während die Anden im östlichen Küstenteil von zahlreichen Fjorden tief zerteilt und eingeschnitten sind. Sie übersteigen hier selten eine Höhe von 1 800 Metern. Chile liegt in einer Zone geologischer Instabilität, weshalb Erdbeben häufig vorkommen und die vulkanische Aktivität mit noch aktiven Vulkanen in Nord- und Mittelchile recht ausgeprägt ist. 2.2 Flüsse und Seen Die meisten Flüsse in Chile sind relativ kurz, entspringen in den Anden und fließen von dort aus nach Westen in den Pazifischen Ozean. In Nord- und Mittelchile werden die Flüsse überwiegend vom ewigen Schnee in den Anden gespeist. Nach Süden zu nimmt die Wasserführung aufgrund der erhöhten Niederschläge zu. Die wichtigsten Flüsse des Landes sind (von Norden nach Süden) Loa, Elqui, Aconcagua, Maipo, Maule, Bío-Bío und Imperial. Obwohl die Flüsse wegen der Wasserfälle für die Schifffahrt von geringer Bedeutung sind, spielen sie für die Bewässerung und die Erzeugung von elektrischem Strom eine große Rolle. Viele der großen Seen Chiles, einschließlich des Llanquihue, konzentrieren sich auf den landschaftlich sehr schönen Seenbezirk in Südchile. Im Nordosten liegt der 2 270 Quadratkilometer große Salar de Atacama, eine ausgedehnte Salztonebene. 2.3 Klima Wegen der enormen Längenausdehnung finden sich in Chile die verschiedensten Klimate. Im Allgemeinen sind die Temperaturen - abgesehen von den Hochgebirgsregionen - wegen der ozeanischen Einflüsse gemäßigt. Der Norden besteht fast ausschließlich aus Wüste; diese Region zählt zu den trockensten der Welt, in den hoch gelegenen Becken im Inneren fällt oft über Jahre hinweg überhaupt kein Regen. Durch den kalten Humboldtstrom vor der Küste kommt es in Küstennähe jedoch zu häufiger Nebelbildung, die eine spärliche Vegetation ermöglicht. Das Klima hier ist gemäßigt, die jährliche Niederschlagsmenge beträgt in Antofagasta 12,7 Millimeter. Die durchschnittlichen Januartemperaturen liegen in Antofagasta bei 20,6 °C und in Santiago bei 19,5 °C, die Julitemperaturen bei 14 °C (Antofagasta) bzw. 8 °C (Santiago). Pro 150 Meter Höhenanstieg nehmen in den Anden die Temperaturen um etwa 1 °C ab. Die Niederschläge nehmen nach Süden immer stärker zu. In Mittelchile herrscht im nördlichen Teil ein mediterranes Klima. Hier konzentrieren sich die Regenfälle auf die Wintermonate (Mai bis Juli), sie betragen in Santiago jährlich 375 Millimeter. Die Winter sind hier allgemein mild, die Sommer relativ kühl. Die südliche Region ist kühler; hier regnet es das gesamte Jahr über. Die Niederschläge erreichen in der Nähe der Magellanstraße eine maximale Höhe von 5 800 Millimetern. Bei Punta Arenas im Süden des Landes liegt die jährliche Durchschnittstemperatur bei 6,1 °C. Starke Winde sind für die südliche Region charakteristisch. 2.4 Flora und Fauna Entsprechend seiner großen Längenausdehnung hat Chile Anteil an sehr verschiedenen Vegetationsformen mit einer jeweils sehr eigenen Pflanzenwelt und vielen Endemiten (nur in diesem Gebiet vorkommenden Arten). Im Norden finden sich Wüsten und Dornstrauchsteppen, in denen nur wenige Kakteen und Sukkulenten, Dornbüsche und andere Pflanzen gedeihen. Weiter im Süden finden sich in Küstennähe Wälder mit üppigerer Vegetation, die ihren Wasserbedarf teilweise durch die Feuchtigkeit aus dem häufig auftretenden Nebel decken. Im feuchteren Großen Längstal wächst eine strauchreiche Steppenvegetation mit u. a. verschiedenen Kakteen, Espino (einem Dornstrauch) und zahlreichen Gräsern. In größerer Höhe (etwa 500 bis 1 800 Meter) gegen die Anden hin herrschen Nadelwälder vor, in denen Araukarien mit ihren essbaren Nüssen oder Chilenische Flusszedern dominieren. Südlich von Valdivia finden sich Reste des so genannten Valdivianischen Regenwaldes, eines temperierten Regenwaldes, der durch die hohen Niederschläge und ganzjährige Frostfreiheit begünstigt ist. Hier wachsen zahlreiche Lorbeergewächse, Magnolien und bunt blühende Lianen ebenso wie üppige Krautpflanzen. Außerhalb dieses eng begrenzten Gebiets sind für Mittelchile laubwerfende Wälder charakteristisch, in denen Südbuchen dominieren; weiter nach Süden zu werden sie von immergrünen Nadelwäldern abgelöst. Im äußersten Süden herrschen wiederum Grassteppen vor. Die Höhenlagen der Anden sind durch eine eigentümliche, artenreiche Hochgebirgsvegetation gekennzeichnet. Die Artenvielfalt der Fauna ist in Chile geringer als in anderen Teilen Südamerikas, da die Anden eine beträchtliche Barriere für Tierwanderungen darstellen. Zu den bekannteren einheimischen Säugetieren zählen Lamas, Alpakas, Vikunjas, Pumas, Andenschakale, Magellanfüchse, Pudus, Chinchillas sowie der sehr seltene, in großer Höhe lebende Huemul oder Andenhirsch (das Wappentier Chiles). Das Vogelleben ist recht vielfältig, die meisten größeren südamerikanischen Formen sind jedoch nicht anzutreffen; zur Avifauna gehören u. a. Chilenische Flamingos, Guanokormorane, Spottdrosseln und Chile-Pfeifenten. Neben der Forelle, die aus Nordamerika eingeführt wurde, bevölkern nur wenige Süßwasserfische die chilenischen Flüsse und Seen. In den Küstengewässern gibt es jedoch einen großen Reichtum an verschiedenen Fischen und anderen Meerestieren. 3 BEVÖLKERUNG Im Vergleich zu anderen südamerikanischen Ländern ist die Bevölkerungszusammensetzung Chiles relativ homogen. Die ersten spanischen Siedler vermischten sich mit den lokal ansässigen Ethnien, vor allem mit den Araukanern. Nachkommen dieser Mischehen, die Mestizen, bilden heute 92 Prozent der Bevölkerung. Die europäische Einwanderung spielt in Chile keine so große Rolle wie in anderen Ländern Amerikas. Lediglich im 19. Jahrhundert fand eine kleine Immigrationswelle statt. Darunter befanden sich auch Deutsche, die nach der gescheiterten Revolution von 1848 auswanderten. Sie siedelten vor allem im Gebiet von Valdivia und Puerto Montt, wo inzwischen etwa 100 000 deutschstämmige Chilenen leben. Daneben gibt es im ganzen Land kleinere Bevölkerungsanteile an Italienern, Österreichern, Schweizern, Briten, Jugoslawen und Franzosen. Dennoch beträgt der rein europäische Bevölkerungsanteil nur etwa 2 Prozent. Knapp 7 Prozent der Bevölkerung sind Indianer, von denen die im Süden des Landes lebenden Mapuche die größte Gruppe bilden. Weitere, bekanntere Ethnien sind z. B. die Aymara und die Feuerländer. Die Einwohnerzahl von Chile beläuft sich auf etwa 16,4 Millionen (2008); damit ergibt sich eine Bevölkerungsdichte von 22 Einwohnern pro Quadratkilometer. Neun Zehntel der Bevölkerung leben in der Zentralregion zwischen Concepción und La Serena. Das jährliche Bevölkerungswachstum beträgt 0,89 Prozent (2008). Etwa 88 Prozent der Bevölkerung leben in Städten, ungefähr ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes hat ihren Wohnsitz in der Agglomeration Santiago. Sowohl die Gemeinden im Süden als auch in der Wüstenregion im Norden sind sehr isoliert und durch weite, meist unbewohnte Landstriche vom Rest des Landes getrennt. 3.1 Wichtige Städte Zu den bedeutenden Städten in Chile zählen neben Santiago auch Concepción, Zentrum der Landwirtschaft und Industrie (225 000 Einwohner), Valparaíso, ein großer Seehafen (276 000), und Viña del Mar, ein beliebter Urlaubsort (292 000). 3.2 Sprache Die Amtssprache in Chile ist Spanisch und wird nahezu von der gesamten Bevölkerung gesprochen. Die indigene Bevölkerung spricht Indianersprachen wie Quechua, Aymara und vor allem Dialekte der Araukaner wie das Mapudungun. 3.3 Religion Etwa 77 Prozent der chilenischen Bevölkerung sind römisch-katholischen Glaubens. Weitere 13 Prozent der Bevölkerung bekennen sich zum Protestantismus. Es gibt ferner eine kleine jüdische Glaubensgruppe. Die Indianer üben ihre traditionellen Religionen aus. Im Jahr 1925 erfolgte die offizielle Trennung von Kirche und Staat. 3.3.1 Feiertage In Chile feiert man am 1. Januar Neujahr. Weitere Feiertage sind Karfreitag, Karsamstag und Ostersonntag. Der Tag der Arbeit wird am 1. Mai abgehalten, und am 21. Mai folgt der Gedenktag der Seeschlacht von Iquique. Der katholische Feiertag Fronleichnam fällt, abhängig von Ostern, entweder in den Mai oder in den Juni. Am Feiertag von Peter und Paul am 29. Juni lässt man Boote von der Küstenstadt Valparaíso treiben, die mit Bildern des heiligen Petrus, des Schutzheiligen der Fischer, geschmückt sind. Diese Prozession wird bereits seit 1682 alljährlich zelebriert. Am 15. August feiert man Mariä Himmelfahrt. Nationalfeiertag ist der 18. September (Unabhängigkeitstag), der an die Ablösung des spanischen Generalkapitäns durch eine Junta zur Zeit der Unabhängigkeitsbestrebungen im Jahr 1810 erinnert. Der Tag der Armee fällt auf den 19. September. Der Kolumbustag am 12. Oktober gedenkt der Ankunft der spanischen Forschungsreisenden in Amerika im Jahr 1492. Weitere Feiertage sind Allerheiligen am 1. November und Mariä Empfängnis am 8. Dezember. Chilenen kommen am 25. Dezember in den Genuss einer warmen Weihnacht, denn in der südlichen Hemisphäre ist zu dieser Zeit Sommer. Daraus entstand vielleicht auch der Brauch, die Haustür angelehnt zu lassen, um Vorübergehende zum Eintreten einzuladen und an der Krippe (Pesebre) ein Gebet zu sprechen. 3.4 Soziales In den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts wurde erstmals eine Sozialgesetzgebung erlassen, und bis in die frühen siebziger Jahre zählte das Wohlfahrtsprogramm zu den umfassendsten der Welt. Nach dem Militärputsch von 1973 wurde ein großer Teil der sozialen Absicherungsstruktur abgebaut. Die Mehrheit der Bevölkerung kann sich jedoch kostenlos in staatlichen Gesundheitszentren und Krankenhäusern medizinisch versorgen lassen. Arbeiter beziehen im Alter zumeist eine Rente, sind gegen Arbeitslosigkeit versichert und erhalten andere Vergütungen. Außerdem gibt es seit Beginn der neunziger Jahre, als fünf Millionen Menschen in Armut lebten, ein Programm zur Bekämpfung der sozialen Polarisierung. 4 BILDUNG UND KULTUR Die Kultur und das Erziehungssystem in Chile lehnen sich überwiegend an europäische Vorbilder an. Dennoch konnte sich auch eine eigene kulturelle Tradition entwickeln, welche die Elemente der verschiedenen ethnischen Gruppen einbezieht und die durch Einflüsse der Nachbarländer mitgeprägt wurde. 4.1 Bildung und Schulwesen Das moderne Erziehungssystem in Chile entstand Mitte des 19. Jahrhunderts. Heute sind 8 Schuljahre für alle Kinder zwischen sechs und 14 Jahren obligatorisch (2002-2003), die Lehrmittelfreiheit ist garantiert. Die Schulen unterliegen der Verwaltung durch die Staatsregierung und dem damit beauftragten Erziehungsminister. 96,5 Prozent der chilenischen Bevölkerung können lesen und schreiben. Dieser Prozentsatz gehört zu den höchsten in Lateinamerika. Zu den bekanntesten unter den 24 höheren Bildungseinrichtungen des Landes gehören die angesehene Universität von Chile (gegründet 1738) in Santiago, die Universität Concepción (1919), die katholische Universität von Chile (1888), die katholische Universität Valparaíso (1928) sowie einige technische Hochschulen. 4.2 Kultureinrichtungen Die wichtigen kulturellen Institutionen Chiles befinden sich in den großen Städten der Zentralregion. Dazu gehören das Nationalmuseum der Schönen Künste, das Museum für Nationalgeschichte und das Nationalmuseum für Naturgeschichte - alle in Santiago - sowie das Naturgeschichtliche Museum in Valparaíso. Die größte Bibliothek des Landes ist die Nationalbibliothek in Santiago. 4.3 Kunst In Chile dominieren zwei lebendige und stark kontrastierende Strömungen das kulturelle Leben: die kosmopolitische Kultur der wohlhabenden Stadtbevölkerung und die volkstümliche Kultur, die auf dem Land vorherrscht und überwiegend spanisch beeinflusst ist, aber auch araukanische Züge in sich trägt. Letztere zeigt sich am stärksten in der chilenischen Musik und im Tanz. Chile besitzt eine reiche und blühende literarische Tradition, worauf u. a. die beiden Literaturnobelpreisträger Gabriela Mistral und Pablo Neruda hinweisen. Während zunächst noch die Lyrik eine wichtige Position einnahm, gewann die Prosa in den sechziger Jahren des 20. Jahrhunderts an Bedeutung. Internationale Aufmerksamkeit erzielte Isabel Allende etwa mit ihren Romanen La casa de los espíritus (1982; Das Geisterhaus) und Eva Luna (1987; Eva Luna). 4.4 Medien Chile verfügt über ein breites Spektrum moderner Kommunikationsmittel. Es erscheinen ungefähr 100 Zeitschriften und circa 60 Tageszeitungen. El Mercurio, La Nación, La Tercera und La Hora werden in Santiago herausgegeben und zählen zu den einflussreichsten Presseorganen des Landes. Das 1958 eingeführte Fernsehen wird von einem Netzwerk der Nationalregierung und mehreren unabhängigen Sendestationen betrieben. Außerdem gibt es etwa 375 Rundfunksender im ganzen Land. 5 VERWALTUNG UND POLITIK Das politische System Chiles basierte bis zum Staatsstreich im Jahr 1973 auf der Verfassung von 1925. Obwohl auch danach die Verfassung nominell in Kraft blieb, wurden zahlreiche Paragraphen ausgesetzt. Eine neue Verfassung wurde 1980 verabschiedet und im folgenden Jahr in Kraft gesetzt; sie enthielt zahlreiche Bestimmungen, die in erster Linie darauf abzielten, die Militärdiktatur abzusichern und ihre Macht zu festigen. Nach dem Ende der Militärdiktatur 1990 wurde sie mehrmals geändert, aber erst 2005, 15 Jahre nach dem Ende der Diktatur, durch eine reformierte Verfassung ersetzt, die den Großteil der das Militär begünstigenden Klauseln beseitigte. Nach der neuen wie auch nach den Vorgängerverfassungen ist Chile eine Präsidialrepublik. 5.1 Exekutive Die Exekutivgewalt hat der Präsident inne; er wird alle vier Jahre (bis 2005: alle sechs Jahre) direkt vom Volk gewählt und ernennt das Kabinett. Die ersten freien Präsidentschaftswahlen fanden 1989 statt. Eine unmittelbare Wiederwahl des Amtsinhabers ist nicht möglich. 5.2 Legislative Das Parlament (Congreso Nacional) besteht aus dem Abgeordnetenhaus, dessen 120 Mitglieder für vier Jahre gewählt werden, und dem Senat mit 48 Mitgliedern, von denen 38 frei gewählt und zehn auf Lebenszeit ernannt wurden, bis durch die reformierte Verfassung von 2005 die auf Lebenszeit verliehenen Sitze abgeschafft wurden. Es besteht Wahlpflicht für Bürger ab 18 Jahren. 5.3 Judikative Die höchste richterliche Gewalt wird in Chile vom Obersten Gerichtshof ausgeübt, der aus 21 Richtern besteht. Daneben gibt es im Land 17 Berufungsgerichte. Die Richter werden auf Lebenszeit vom Präsidenten und auf Empfehlung der obersten Richter ernannt. Das chilenische Rechtssystem entstand auf Basis des französischen und des spanischen Rechtswesens. 5.4 Kommunalverwaltung Chile gliedert sich verwaltungsmäßig in zwölf Regionen und die Hauptstadtregion Santiago. Die Regionen sind wiederum in insgesamt 50 Provinzen unterteilt. Die Gouverneure, die den einzelnen Regionen vorstehen, sowie die Regierungsbeamten der Provinzen werden vom Präsidenten ernannt. 5.5 Politische Parteien Nach dem Militärputsch von 1973 wurden alle politischen Parteien verboten und erst 1987 wieder zugelassen. Aufgrund des besonderen Wahlrechts haben sich die Parteien zu zwei Bündnissen zusammengeschlossen: dem Mitte-links-Bündnis Concertación de Partidos por la Democracia (CPPD), zu dem die Christdemokratische Partei (Partido Demócrata Cristiano, PDC), die Sozialdemokratische Partei (Partido por la Democracia, PPD), die Sozialistische Partei (Partido Socialista, PS) und die Radikale Sozialdemokratische Partei (Radical Socialdemócrata, PRSD) gehören, sowie dem Rechtsbündnis Alianza por Chile, bestehend aus Nationaler Erneuerungspartei (Renovación Nacional, RN), Unabhängiger Demokratischer Union (Unión Demócrata Independiente, UDI) und einigen kleineren Parteien. Parteien, die keinem dieser Bündnisse angehören, haben kaum eine Chance, in das Parlament einzuziehen. 5.6 Verteidigung In Chile ist für alle Männer ab 18 Jahren ein einjähriger Militärdienst beim Heer oder ein zweijähriger bei Marine oder Luftwaffe Pflicht. Die Armee umfasst etwa 78 098 Soldaten, von denen 47 700 Mann beim Heer, 19 398 in der Marine und 11 000 in der Luftwaffe dienen. 6 WIRTSCHAFT In der Wirtschaft Chiles dominiert seit dem frühen 20. Jahrhundert der Abbau von Kupfer; das Land ist der größte Kupferproduzent der Welt. Das Metall bildet daher eine wichtige Grundlage für die chilenische Wirtschaft und macht einen Großteil des Exportvolumens aus. Seit den vierziger Jahren haben sich aber auch andere Bereiche des industriellen Sektors durch verschiedene Regierungsmaßnahmen stark und vielseitig entwickelt. Heute gehört Chile zu den führenden Industrienationen Lateinamerikas sowie zu den größten Rohstoffproduzenten. In den siebziger Jahren wurden große Anstrengungen unternommen, den Ertrag der vernachlässigten Landwirtschaft zu erhöhen und damit die Importabhängigkeit des Landes bei den Nahrungsmitteln herabzusetzen. Nach einem Rückgang der Getreideproduktion in den frühen achtziger Jahren hatte sich der Ertrag am Ende des Jahrzehnts wieder verbessert. Dennoch hat die Landwirtschaft insgesamt einen vergleichsweise geringen Anteil an der gesamten Wirtschaft von nur etwa 4,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, gegenüber der Industrie mit 47,7 Prozent und dem Dienstleistungsgewerbe mit 48,2 Prozent (2006). Das Bruttoinlandsprodukt beträgt insgesamt 145 843 Millionen US-Dollar (2006). Mittlerweile zählen die Wachstumsraten der chilenischen Wirtschaft zu den höchsten in ganz Südamerika. 6.1 Landwirtschaft Etwa 13 Prozent der Arbeitskräfte sind in der Landwirtschaft beschäftigt (2005). Mit Ausnahme der überwiegend im tiefen Süden durchgeführten Schafzucht konzentriert sich die landwirtschaftliche Aktivität in Chile auf das Große Längstal. Die 1960 entwickelten Programme zur Landreform dienten dazu, den Landbesitz der Großgrundbesitzer aufzuteilen. Mit Hilfe moderner Techniken ließ sich auch die Produktivität steigern. Etwa sieben Prozent der Gesamtfläche Chiles werden landwirtschaftlich genutzt. Zu den wichtigsten landwirtschaftlichen Produkten zählen Weizen, Mais, Kartoffeln, Obst und Gemüse (vor allem Tomaten), Zuckerrüben, Reis und Hafer. Die Obsternte besteht im Wesentlichen aus Grapefruits, Melonen, Äpfeln, Pfirsichen, Aprikosen, Pflaumen und Kirschen. Darüber hinaus hat sich in den letzten Jahren der Weinbau etabliert. Chilenische Weine sind mittlerweile auch im Ausland gefragt. Die Schafzucht wird in Feuerland und Patagonien in großem Umfang betrieben. Der Viehbestand umfasst vor allem Schafe, Rinder, Schweine und Pferde; die Bedeutung der Geflügelzucht nimmt zu. 6.2 Forstwirtschaft und Fischerei 21,3 Prozent der chilenischen Gesamtfläche sind bewaldet (2005). Der Holzeinschlag umfasst sowohl Nadelhölzer (insbesondere Kiefern) als auch Laubhölzer wie etwa Eucalyptus. Das Holz findet Verwendung in der Bauindustrie oder dient als Grundlage für die Papierherstellung. Die Holzindustrie wurde seit Mitte der siebziger Jahre durch kräftige Investitionen gestützt und hat einen Anteil von etwa zehn Prozent am Gesamtexport. Die Fischfangindustrie Chiles zählt zu den größten in Südamerika. Der jährliche Fang in den reichen Fischgründen des Landes umfasst 5,45 Millionen Tonnen. Zu den wichtigsten Fischen zählen Sardinen, Sardellen, Makrelen und Seehechte. In den Fischverarbeitungsfabriken wird ein Großteil des Fanges für den Vertrieb verpackt. 6.3 Bergbau Chile verfügt über die größten bekannten Kupfervorkommen der Welt. Laut UN-Angaben wird der Anteil an Kupfer in chilenischen Lagerstätten auf 40 Prozent des Weltvorrates geschätzt. Das Metall nimmt den größten Stellenwert beim Export ein, der Anteil beträgt etwa 35 Prozent des jährlichen Exportvolumens. Rohöl und Erdgas (erstmalig 1945 entdeckt) werden auf Feuerland und in der Magellanstraße gewonnen. Etwa zehn Millionen Barrel Rohöl und 862 Millionen Kubikmeter Erdgas werden jährlich gefördert. Ebenfalls eine wichtige Rolle für den Bergbau Chiles ist der Abbau von Eisenerz. Die Erzminen erreichen Fördermengen von mehr als acht Millionen Tonnen pro Jahr. Darüber hinaus verfügt das Land über große Vorkommen an Nitraten, Iod, Schwefel und Kohle sowie Silber, Gold, Mangan und Molybdän. Die ehemals große Bedeutung der Salpetervorkommen in der Atacama-Region, die aufgrund des Salpetermonopols (siehe unten: Geschichte; Liberale Regierung und Kriege mit dem Ausland) für den enormen Reichtum Chiles Ende des 19. Jahrhunderts bis in die zwanziger Jahre des 20. Jahrhunderts sorgten - der stickstoffreiche Salpeter war damals Hauptbestandteil der Düngemittel -, ging mit der Einführung von synthetischem Stickstoffdünger auf dem Weltmarkt stark zurück. 6.4 Industrie Der industrielle Sektor beschäftigt etwa 23 Prozent der Arbeitskräfte im Land (2005). Neben der Verhüttung von Kupfer und der Erzeugung von Eisen und Stahl stehen vor allem die Metallverarbeitung, die chemische und die elektrotechnische Industrie im Vordergrund. Chile gehört zu den größten Stahlherstellern Südamerikas. Verschiedene Erdölraffinerien verarbeiten sowohl das heimische als auch das importierte Rohöl. Weitere wichtige Produktionszweige sind die Zellstoff- und Papierherstellung, die Produktion und Verarbeitung von Nahrungsmitteln (z. B. Fisch) sowie Textilindustrie (aus Baumwolle, Wolle und Synthetik). Bedeutende Industriestandorte befinden sich im Ballungsgebiet um die Hauptstadt Santiago de Chile sowie um die Städte Valparaíso, Valdivia und Concepción. 6.5 Energie Die Strom erzeugenden Anlagen in Chile erreichen eine Gesamtkapazität von vier Millionen Kilowatt und produzieren 45,3 Milliarden Kilowattstunden Strom pro Jahr (2003). Wesentliche Grundlage stellen die Wasserkraftwerke dar. Mit Wasserkraft werden 53,4 Prozent des chilenischen Strombedarfs gedeckt. 6.6 Verkehrswesen Chiles Straßennetz erstreckt sich über 79 604 Kilometer (2001), von denen 20 Prozent asphaltiert sind. Die Eisenbahnlinien dehnen sich auf einer Länge von 2 030 Kilometern aus (2005) und beschränken sich auf die nördlichen zwei Drittel des Landes. Das wichtigste Nord-Süd-System besteht aus Strecken, welche die bedeutenden Küstenstädte verbinden und über die Anden nach Argentinien und Bolivien führen. Da das Gebiet aufgrund des gebirgigen Charakters verkehrstechnisch sehr schwierig zu erschließen ist, setzen viele Städte auf den Transport durch die Schifffahrt. Dennoch sind große Häfen selten. Zu den wichtigsten zählen diejenigen von Valparaíso, Talcahuano und Tomé (beide an der Bucht Concepción gelegen), Antofagasta, San Antonio und Punta Arenas. Der bedeutendste internationale Flughafen des Landes befindet sich nahe Santiago; weitere liegen bei Arica, Antofagasta, Puerto Montt und Punta Arenas. 6.7 Währung und Bankwesen Die Währungseinheit Chiles ist der Chilenische Peso (1 Peso = 100 Centavos). Der Peso wurde 1975 eingeführt und ersetzte den Escudo. Die halbautonome Zentralbank von Chile (1926 eingerichtet) fungiert als Notenbank und hat weit reichende Kompetenzen zur Regulierung der nationalen Geldpolitik. Zu den weiteren Banken des Landes gehören eine Staatsbank und eine Reihe von Handels- und Entwicklungsbanken. 6.8 Außenhandel Erzeugnisse aus dem Bergbau machen etwa die Hälfte des gesamten Exportvolumens machen aus. Hier stehen vor allem Kupfer und Eisen an der Spitze. Weitere wichtige Ausfuhrgüter sind Zellstoff, Papierprodukte, chemische Erzeugnisse und Industriewaren. Darüber hinaus gehen auch Erzeugnisse der Nahrungsmittelindustrie und Agrarprodukte in den Export. Zu den wesentlichen Importgütern zählen Maschinen und Kraftfahrzeuge, Lebensmittel, elektronische Anlagen, Mineralprodukte und chemische Erzeugnisse. Wichtige Handelspartner Chiles sind die USA, Japan, Brasilien, Deutschland, Argentinien und Großbritannien. 7 GESCHICHTE Erste Besiedlungsspuren auf dem Gebiet des heutigen Chile lassen sich bereits für das 12. Jahrhundert v. Chr. nachweisen; sie stammen aus der Region um die Stadt Antofagasta im Gebiet der Wüste Atacama, die zu der Zeit vermutlich noch wesentlich feuchter war. Als erster Europäer betrat der portugiesische Entdeckungsreisende Fernão de Magalhães im Jahr 1520 chilenischen Boden. Er setzte seine Reise in den Pazifik auf einer Wasserstraße zwischen Feuerland und der Südspitze Chiles fort, die man heute nach ihm Magellanstraße nennt. Zur Zeit Magellans wurde der südlich des Flusses Rapel gelegene Teil Chiles von den Araukanern beherrscht, während die Völker im nördlichen Teil Chiles im 15. Jahrhundert von den Inkas aus Peru unterworfen worden waren. 1535, nachdem die Spanier unter Francisco Pizarro die Eroberung Perus vollendet hatten, führte einer von Pizarros Vertrauten, Diego de Almagro, eine Expedition zur Suche nach Gold von Peru aus nach Chile an. Diese dauerte drei Jahre, hatte jedoch keinen Erfolg, so dass die Spanier sich wieder nach Peru zurückzogen. 7.1 Spanische Besiedlung Pedro de Valdivia, ein weiterer Offizier Pizarros, unternahm 1540 eine zweite Expedition in das südliche Chile. Trotz starker Widerstände der Araukaner gelang es Valdivia, einige Siedlungen zu errichten; in dieser Zeit wurde auch Santiago gegründet (1541). Einige Jahre später erfolgte die Gründung von Concepción (1550) und Valdivia (1552). 1553 organisierten die Araukaner einen erfolgreichen Aufstand, bei dem Valdivia und viele seiner Gefolgsleute getötet und mit Ausnahme von Concepción und La Serena alle spanischen Siedlungen zerstört wurden. Diese Rebellion markierte den Beginn einer 100 Jahre andauernden Phase, die von kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen den spanischen Besatzern und den indianischen Ureinwohnern geprägt war. Die Araukaner waren das einzige Volk in Südamerika, das den spanischen Angriffen nicht nachgab, sondern lange Zeit Widerstand leistete. Die Konflikte dauerten auch während und nach der spanischen Kolonialherrschaft an und flammten bis in das späte 19. Jahrhundert hinein immer wieder auf. Südlich des Bío-Bío-Flusses gelang es den Araukanern, bis in die zweite Hälfte des 18. Jahrhunderts ihre Unabhängigkeit zu bewahren. Während der spanischen Kolonialzeit war Chile vom Vizekönigreich Peru abhängig. Das Land entwickelte sich langsam, da es im Gegensatz zu anderen Ländern Südamerikas wie etwa Peru weder über große Silber- noch Goldvorkommen verfügte, welche die Spanier angezogen hätten. Auch die geographische Lage war ein Grund für die langsame Entwicklung des Landes. Die Landwirtschaft im Zentraltal war der wesentlichste Wirtschaftsfaktor, Chile versorgte Peru mit Nahrungsmitteln, insbesondere mit Weizen. Die Stadtbevölkerung lebte vorwiegend vom Handel. 7.2 Unabhängigkeit von Spanien 1810 erstrebte Chile ebenso wie andere spanische Kolonien in Südamerika die politische Unabhängigkeit von Spanien. Am 18. September dieses Jahres setzte der Stadtrat von Santiago den Kolonialgouverneur von Chile ab und delegierte dessen Macht an den Rat der Sieben; dieser Tag wird seitdem als chilenischer Unabhängigkeitstag gefeiert. Obwohl dieser Akt formal die Unabhängigkeit Chiles von Spanien markierte, kam es zu einem über 15 Jahre andauernden Unabhängigkeitskrieg mit spanischen Truppen, die aus Peru entsandt wurden. Eine königliche Armee konnte am Chacabuco im Februar 1817 von einer chilenisch-argentinischen Armee entscheidend geschlagen werden, wodurch auch die Befreiung des nördlichen Chile von spanischer Herrschaft erfolgte. Genau ein Jahr später - am 12. Februar 1818 - verkündete General Bernardo O'Higgins, einer der Führer der siegreichen Armee, die absolute Unabhängigkeit Chiles. Dennoch kontrollierten die spanischen Truppen bis 1818 fast den gesamten Süden Chiles, ehe sie 1826 endgültig aus dem Land vertrieben wurden. 7.3 Regierung der Konservativen General O'Higgins wurde 1818 zum Director supremo ernannt und regierte das Land diktatorisch, bis 1823 das Volk seinen Rücktritt erzwang. Eine liberale Verfassung, die eine republikanische Regierungsform vorsah, wurde ausgearbeitet und verabschiedet; dennoch kam es bis 1830 immer wieder zu politischen Unruhen aufgrund anhaltender Machtkämpfe zwischen den konservativen und liberalen Kräften des Landes. 1830 organisierten die Konservativen unter Führung von General Joaquín Prieto einen erfolgreichen Aufstand und übernahmen die Regierungsmacht. 1831 wurde Prieto Präsident, aber die bedeutendste Person in der Regierung war Diego Portales, der während Prietos Amtszeit verschiedene Ministerpositionen ausübte. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung konnte 1833 erfolgreich abgeschlossen werden. In den Jahren 1835, 1851 und 1859 kam es zu mehreren bewaffneten Aufständen liberaler Gruppen gegen die Konservativen. Trotz ihres autoritären Charakters gelang es der konservativen Regierungspartei mit ihrer Innenpolitik der Stabilität, Chile eine solide wirtschaftliche Basis zu verschaffen und die Weiterentwicklung der Landwirtschaft zu fördern, insbesondere während der Regierungszeit von Präsident Manuel Montt von 1851 bis 1861. Es wurden die ersten Schritte zur Nutzung der Bodenschätze (vor allem Salpeter und Kupfer) unternommen und die ersten Eisenbahnlinien gebaut. Auch die Immigration wurde gefördert. Gleichzeitig wurde das Schulsystem eingerichtet und verschiedene kulturelle Institutionen aufgebaut. Die Hauptentwicklung in der Außenpolitik war in der Periode der konservativen Herrschaft geprägt von verschiedenen Konflikten mit den Nachbarländern, teilweise verbunden mit bewaffneten Auseinandersetzungen, zunächst mit Bolivien und Peru im Jahr 1836, und dann Anfang 1843 mit Argentinien. Diese Konflikte dauerten bis zur Unterzeichnung eines Vertrags 1881, der das halbe Territorium Feuerlands Chile zusprach. 7.4 Liberale Regierung und Kriege mit den Nachbarländern Währenddessen hatten sich innerhalb der Konservativen Partei aufgrund von Unstimmigkeiten mit der römisch-katholischen Kirche mehrere Fraktionen gebildet. Anfang 1861 erließ der liberale Flügel zusammen mit der Liberalen Partei einige Verfassungsreformen, einschließlich des Verbots einer wiederholten Amtszeit desselben Präsidenten. Die Bemühungen um ein öffentliches Wohlfahrtssystem und die Erschließung der Bodenschätze wurden vorangetrieben. Eine neue Eisenbahnlinie und ein Postsystem entstanden. 1865 wurde Chile in den Spanisch-Peruanischen Krieg um die peruanischen Guanovorkommen verwickelt, der immer wieder sporadisch aufflammte und bis 1869 anhielt. Siehe auch Peru: Geschichte In der Folge konzentrierte sich das chilenische Interesse auf die Ausbeutung der wertvollen Salpetervorkommen in der Wüste Atacama. Die bolivianischen Ansprüche an diese Region wies Chile zurück und schickte im Februar 1879 militärische Einheiten in den bolivianischen Hafen Antofagasta. Zwei Monate später erklärte Peru als Verbündeter Boliviens Chile den Krieg, der den Beinamen Salpeterkrieg erhielt. Als Ergebnis aus dem Sieg in diesem Konflikt, der 1883 endete, erhielt Chile Gebiete beträchtlichen Ausmaßes zugesprochen, einschließlich der Provinz Antofagasta (von Bolivien) und der Provinz Tarapacá (von Peru). Peru trat außerdem auch Tacna und Arica unter der Bedingung an Chile ab, dass nach zehn Jahren eine Volksabstimmung abgehalten würde. Obwohl beide Länder sich über die Bedingungen des Volksentscheids uneinig waren, konnte die Frage um die betroffenen Gebiete im Jahr 1928 auf dem Verhandlungsweg geklärt werden. Tacna ging daraufhin in peruanischen, Arica in chilenischen Besitz über (siehe Tacna-Arica-Frage). Chile besaß nun das weltweite Monopol für den Handel mit Salpeter und kam in der Folgezeit zu beträchtlichem Reichtum, der sich überwiegend auf die Einnahmen durch die Ausfuhrzölle gründete. 7.5 Bürgerkrieg und Naturkatastrophen 1891 verbanden sich die konservativen politischen Kräfte des Landes eng mit der römisch-katholischen Kirche und organisierten einen Aufstand gegen die Regierung von Präsident José Manuel Balmaceda Fernández, dem Vorsitzenden der Liberalen Partei. Unter der Führung von Kapitän Jorge Montt, einem Marineoffizier, übernahmen die Rebellen, die sich selbst Kongressionalisten nannten, die chilenische Flotte und besetzten die Gebiete mit den reichen Salpetervorkommen im Norden. Im August schlugen sie eine Regierungsarmee in der Nähe von Valparaíso. Auch die Stadt selbst fiel in die Hände der Rebellen. Der Fall von Santiago beendete den Krieg, bei dem mehr als 10 000 Menschen getötet wurden. Im September beging Balmaceda Selbstmord. Kurz danach wurde Montt Präsident, und für Chile begann eine Periode des Friedens und des Wiederaufbaus. Als Zugeständnis an die liberalen Kräfte im Land willigte Montt in verschiedene Reformen ein, darunter die Demokratisierung der Exekutive, und es kam ingesamt zu einer Liberalisierung des parlamentarischen Systems. Die folgenden Jahre waren von wachsender Teilnahme der chilenischen Bevölkerung an der Politik gekennzeichnet und von einer Zunahme politischer Unruhen. Im August 1906 zerstörte ein starkes Erdbeben die Stadt Valparaíso fast vollständig und richtete auch in Santiago große Schäden an. Etwa 3 000 Menschen kamen dabei ums Leben, ungefähr 100 000 Personen wurden obdachlos. Der Wiederaufbau in den betroffenen Gebieten erfolgte jedoch relativ rasch. 7.6 Weltkriege Im 1. Weltkrieg blieb Chile neutral. Nach dem Krieg entwickelte sich im Land ein scharfer Gegensatz zwischen den konservativen und liberalen Kräften. Die Liberalen gelangten durch die Wahlen im Jahr 1920 an die Macht. Der ehemalige Innenminister Arturo Alessandri Palma wurde Präsident, doch er war nicht in der Lage, für seine Reformvorschläge die notwendige parlamentarische Zustimmung zu erlangen. 1924 führte eine Gruppe aus dem Militär einen Staatsstreich durch, offensichtlich mit dem Hintergrund, die geplanten liberalen Reformen zu verhindern. Alessandri wurde aus dem Amt entlassen und eine Militärdiktatur errichtet, die jedoch Anfang 1925 durch einen weiteren Staatsstreich gestürzt wurde. Zur Änderung des Wahlsystems entwarf man eine neue Verfassung, gemäß der die Machtbefugnisse des Kongresses zugunsten derjenigen des Präsidenten eingeschränkt und die Trennung von Staat und Kirche beschlossen wurden. Alessandri kehrte als Präsident zurück, aber diese Amtsperiode dauerte nur ein Jahr. Unter dem nächsten Präsidenten, Emiliano Figueroa, wurde die Regierungsautorität von dem Armeeoffizier Carlos Ibáñez del Campo ausgeübt, der die Präsidentschaft von 1927 bis 1931 übernahm. Nach weiteren Unruhen und Regierungsumbildungen wurde Alessandri 1932 erneut zum Präsidenten gewählt, ein Amt, das er bis 1938 innehatte. Bei den Wahlen von 1938 wurde eine liberale Regierung mit Pedro Aguirre Cerda (einem Mitglied der Radikalen Partei) als Präsident von einer Koalition mehrerer demokratischer Gruppen gewählt, die sich zu einer Volksfront zusammengeschlossen hatten. Die positiven Effekte eines neuen ehrgeizigen Handelsprogramms wurden 1939 durch ein schweres Erdbeben zunichtegemacht, bei dem mehr als 30 000 Menschen ums Leben kamen. Die entstandene Koalition war auch 1942 wieder erfolgreich, und Juan Antonio Ríos, ebenfalls Mitglied der Radikalen Partei, wurde zum Präsidenten gewählt. Er betrieb zunächst eine Politik des Ausgleichs trotz innenpolitischer Spannungen, ausgelöst durch politische Kräfte, die eine Unterstützung der USA bzw. der Achsenmächte im 2. Weltkrieg forderten. Später entschloss sich Ríos zu einer aktiven Unterstützung der Alliierten, und Chile trat 1944 auf Seiten der USA in den Krieg ein. Während des Krieges entwickelte sich die Kommunistische Partei zu einer der stärksten politischen Organisationen in Chile. Das Land gehörte im Juni 1945 zu den Gründungsmitgliedern der Vereinten Nationen. 7.7 Nachkriegsregierungen (1946-1970) Aus den Präsidentschaftswahlen von 1946 ging Gabriel González Videla, Kandidat der Radikalen Partei, als Gewinner hervor. Er wurde von einer linksgerichteten Koalition unterstützt, die im Wesentlichen aus der Radikalen und der Kommunistischen Partei bestand. González Videla berief drei Kommunisten in sein Kabinett, das in dieser Zusammensetzung nur sechs Monate Bestand hatte. Die Kommunisten, häufig im Streit mit den anderen Regierungsmitgliedern, wurden im April 1947 aus dem Kabinett entlassen, und kurze Zeit später brach Chile die diplomatischen Beziehungen zur UdSSR ab. 1948 kam es zu einer Verhaftungswelle, von der Hunderte von Kommunisten betroffen waren. Gemäß einem neu erlassenen Gesetz zur Verteidigung der Demokratie kam es zum Verbot der Kommunistischen Partei. Es folgte ein militärischer Aufstand, angeführt vom ehemaligen Präsidenten Ibáñez, der jedoch rasch niedergeschlagen wurde. Auch in den folgenden Jahren kam es häufig zu sozialen Unruhen und Streiks, die sich 1951 auf alle Wirtschaftsbereiche ausdehnten. Als Reaktion auf die Stagnation der traditionellen Parteien wurde im folgenden Jahr General Ibáñez zum Präsidenten. Er stellte zwar die Ordnung wieder her, konnte die ökonomischen und sozialen Probleme des Landes jedoch nicht bewältigen. 1958 wurde daraufhin Jorge Alessandri Rodríguez, ehemaliger Senator und Sohn des ehemaligen Präsidenten Arturo Alessandri Palma, als Führer einer konservativ-liberalen Koalition zum Präsidenten gewählt. Er entwickelte eine wirtschaftliche Basis, die die freie Unternehmerschaft begünstigte und Investitionen aus dem Ausland ermutigte. Als Reaktion auf die starke Opposition der wieder zugelassenen Kommunistischen Partei und der neu formierten Christdemokratischen Partei schlug er einen Zehnjahresplan vor, der Steuerreformen, Bauprojekte und eine Agrarreform vorsah. 1964 brach er die diplomatischen Beziehungen zu Kuba ab, knüpfte aber neue Beziehungen zur UdSSR. Bei den Präsidentschaftswahlen von 1964 errang das ehemalige Senatsmitglied Eduardo Frei Montalva als Kandidat der Christdemokratischen Partei die Mehrheit über die linksgerichtete Koalition. Freis wichtigste Reformen, darunter die teilweise Verstaatlichung der Kupferindustrie, führten sowohl bei den Linken als auch bei den Konservativen zu Unzufriedenheit und heftiger politischer Opposition. 7.8 Die Regierung Allende Bei den Präsidentschaftswahlen von 1970 formierte sich die linke Opposition zu einem Volksbündnis und nominierte Salvador Allende Gossens zum Kandidaten, der seinen Wahlkampf auf ein umfassendes Konzept des so genannten ,,Sozialismus in Freiheit" gründete. Es umfasste u. a. die komplette Verstaatlichung aller wesentlichen Industriezweige, ausländischen Banken und Monopolgesellschaften, die Zugriff auf die Bodenschätze hatten - was den Freikauf von ausländischen Beteiligungen, insbesondere von US-Kapital, bedeutete -, sowie die Fortsetzung der Bodenreform, allgemeine soziale Verbesserungen und verschiedene demokratische Zusagen. Er erhielt mit 37 Prozent knapp die Mehrheit der Stimmen. Der Kongress unterstützte ihn mit überwiegender Mehrheit gegen den rechten Gegenkandidaten, den ehemaligen Präsidenten Alessandri. Allende war damit der erste Präsident eines nichtkommunistischen Landes der westlichen Hemisphäre, der auf der Basis eines sozialistischen Regierungsprogramms frei gewählt wurde. Nach seiner Vereidigung als Präsident begann Allende mit der Umsetzung seiner Wahlkampfversprechen. Darüber hinaus begann er mit der Umverteilung der Einkommen. Er hob die Löhne an und kontrollierte die Preise. Die Opposition unter den reichen Bevölkerungsschichten und ausländischen Investoren gegen sein Programm war jedoch von Anfang an stark. Als sich 1972 die ersten ernsten wirtschaftlichen Probleme abzeichneten - ein Hauptgrund war die von US-Präsident Richard Nixon verhängte Kreditsperre -, kam es zu einer extremen Polarisierung der Bevölkerung und ersten Streiks. Die Situation wurde zunehmend kritisch, als 1973 die Preise dramatisch anstiegen, Nahrungsmittelrationierungen erforderlich wurden und weitere Streiks sowie politische Unruhen mit heftigen Straßenschlachten zwischen rechten Gruppen und dem Militär Chile an den Rand des Chaos führten. Die Krise wurde durch die Haltung der USA verstärkt, die das Regime Allendes destabilisierte. Die Lage eskalierte, und am 11. September 1973 kam es schließlich zum Putsch: Militärkräfte stürmten den Präsidentenpalast, und Allende wurde unter bis heute ungeklärten Umständen getötet. Eine besondere Rolle kam dabei dem US-Geheimdienst CIA zu, der den Putsch mit vorbereitet und den Oppositionsgruppen finanzielle Unterstützung gewährt hatte. 7.9 Die Regierung Pinochet Die für den Putsch verantwortliche Militärjunta stand unter Führung von General Augusto Pinochet Ugarte, der damit zum neuen Staatspräsidenten wurde. Er setzte die Verfassung außer Kraft, löste den Kongress auf, ordnete eine strenge Zensur an und verbot alle politischen Parteien. Ferner ging er brutal gegen alle linken Kräfte des Landes vor. Es kam zu über 30 000 Verhaftungen und vielen sofortigen Exekutionen; Folterungen durch Militärgruppen sowohl bei den Festnahmen als auch in den Gefängnissen standen an der Tagesordnung, viele regimekritische Bürger wurden entführt und verschwanden spurlos, während etwa 6 000 Personen ins Exil gezwungen wurden. Während der nächsten Jahre regierte die Junta mit massiver Unterdrückung der Opposition, ehe gegen Ende der siebziger Jahre eine leichte Abschwächung der repressiven Politik eintrat. Das Kriegsrecht wurde 1978 aufgehoben - die Notstandsgesetze blieben jedoch in Kraft -, und einige Zivilisten erhielten Zutritt in das Kabinett. Chile blieb dennoch ein Polizeistaat. Eine neue Verfassung, von einem Referendum 1980 am siebten Jahrestag des Putsches gebilligt, legalisierte das Militärregime bis in das Jahr 1989. Es folgte eine weitere achtjährige Amtszeit von Präsident Pinochet, die im März 1981 begann. Mit streng gehandhabten Kontrollmechanismen begrenzte Pinochet in den Jahren zwischen 1977 und 1981 die Inflation und regte die Produktion an. Die weltweite Rezession von 1982 und der Verfall der Kupferpreise führten jedoch zu einer Krise der chilenischen Wirtschaft, so dass das Regime Pinochet in der Folge auch bei den rechtsgerichteten Kreisen der wohlhabenden Bevölkerungsschicht an Zuspruch verlor. 1983 formierten sich starke Proteste gegen die Regierung. Es folgte eine Welle von Bombenanschlägen in den großen Städten. Die aufkeimende Unruhe im Volk und die Verschlechterung der wirtschaftlichen Situation verleiteten Pinochet im November 1984 zur erneuten Verhängung des Kriegsrechtes. Nach einem erfolglosen Mordanschlag auf Pinochet im September 1986 ergriff er erneut repressive Maßnahmen. 7.10 Rückkehr zu demokratischen Verhältnissen Im August 1988 wurden die Notstandsgesetze aufgehoben, und im Oktober konnten die Chilenen per Volksentscheid darüber abstimmen, ob die im März 1989 auslaufende Amtszeit von Pinochet bis 1997 erneuert werden sollte. Als 67 Prozent der Wähler sich dagegen entschieden, wurde Pinochets Amtszeit bis zum März 1990 verlängert, um freie Präsidentschafts- und Parlamentswahlen vorzubereiten. Im Dezember 1989 fanden in Chile die ersten Präsidentschaftswahlen seit 19 Jahren statt, aus denen der Kandidat des Oppositionsbündnisses Concertación de Partidos por la Democracia (CPPD), der Christdemokrat Patricio Aylwin Azócar, als Sieger hervorging. Mit Aylwins Amtsantritt im März 1990 endete Pinochets Militärdiktatur formell; Pinochet blieb jedoch Oberbefehlshaber der Armee und Mitglied des Nationalen Sicherheitsrates und verfügte damit weiterhin über großen Einfluss und ein bedeutendes Machtinstrument. Der Versuch, Pinochet über eine Verfassungsänderung zu entmachten, scheiterte. Aylwin leitete liberale Wirtschaftsreformen ein, die Chile zu einem signifikanten wirtschaftlichen Aufschwung verhalfen; außerdem setzte er eine Kommission ein, die die Verletzungen der Menschenrechte unter dem Pinochet-Regime untersuchen sollte. Die Kommission erfasste knapp 3 000 während des Regimes Ermordete und Verschwundene; zur strafrechtlichen Verfolgung der Täter und Verantwortlichen wurde 1993 ein Sondergericht eingesetzt. Die Präsidentschaftswahlen Ende 1993 gewann mit Eduardo Frei Ruiz-Tagle, dem Sohn des früheren Präsidenten Frei Montalva, erneut ein Christdemokrat und Kandidat der CPPD. Frei Ruiz-Tagle folgte im März 1994 Aylwin im Präsidentenamt nach. Frei Ruiz-Tagle forcierte die Wirtschaftsreformen seines Vorgängers noch, so dass Chile zeitweise wirtschaftlich in Südamerika als Musterland galt, bis die Krisen in Asien, Russland und Südamerika selbst ab Ende der neunziger Jahre zu Rückschlägen auch in Chile führten. Außerdem leitete Frei Ruiz-Tagle Modernisierungsprogramme u. a. im Gesundheits- und im Bildungswesen ein. Im Dezember 1998 unterzeichneten Chile und Argentinien ein Abkommen, das den letzten zwischen den beiden Staaten bestehenden Grenzstreit beilegte. Dabei ging es um die Festlegung des Grenzverlaufs auf einer Länge von 160 Kilometern im Gletschergebiet Patagoniens. Im November 1999 konnte auch ein lange Zeit zwischen Chile und Peru währender Grenzstreit beigelegt werden. Im März 1998 trat Pinochet als Oberbefehlshaber zurück und ließ sich sogleich als Senator auf Lebenszeit vereiden, als der er in den Genuss parlamentarischer Immunität kam, wodurch er sich auch weiterhin jeglicher strafrechtlicher Verfolgung der unter seinem Regime begangenen Verbrechen entziehen konnte. In der Folgezeit entspann sich eine langwierige, von internationalen Protesten und Demonstrationen von Pinochet-Anhängern wie -Gegnern begleitete Auseinandersetzung um die Aufhebung der Immunität Pinochets und die Einleitung von Verfahren wegen seiner Beteiligung oder zumindest Mitwisserschaft an verschiedenen Verbrechen. Am Ende wurde zwar Pinochets Immunität aufgehoben, aus Gesundheitsgründen wurde Pinochet jedoch Prozessunfähigkeit bescheinigt, so dass er sich trotz einer Reihe von Anklagen nicht vor Gericht verantworten musste. Bei den Präsidentschaftswahlen setzte sich in der Stichwahl im Januar 2000 erneut der Kandidat der CPPD durch, und zwar Ricardo Lagos Escobar, mit dem erstmals seit dem Sturz Allendes wieder ein Sozialist das Präsidentenamt übernahm. Die Parlamentswahlen im Dezember 2001 entschied wieder, allerdings unter deutlichen Verlusten, das seit dem Ende der Pinochet-Diktatur regierende Parteienbündnis CPPD für sich; es konnte knapp die absolute Mehrheit behaupten. Das rechtsgerichtete oppositionelle Bündnis Alianza por Chile gewann stark hinzu und verfehlte lediglich um vier Mandate die absolute Mehrheit. Die Aufarbeitung der Militärdiktatur gestaltete sich auch zehn Jahre nach deren Ende noch schwierig, was sich in der anhaltenden Auseinandersetzung um die Aufhebung von Pinochets Immunität manifestierte sowie in der fortdauernden Polarisierung der Gesellschaft zwischen Anhängern und Gegnern der Pinochet-Diktatur. Trotzdem machte die Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen und anderen Verbrechen, die die Diktatur zu verantworten hatte, einige Fortschritte (offengelegt wurde u. a. auch die Mitwirkung der Colonia Dignidad an dem Foltersystem) und wurde von Präsident Lagos vorangetrieben. So plädierte Lagos nachdrücklich dafür, dass Pinochet in Chile der Prozess gemacht werde, und er setzte die ,,Kommission zu Politischer Gefangenschaft und Folter" zur Untersuchung des Folter- und Unterdrückungssystems im PinochetRegime ein, die im Lauf ihrer Tätigkeit insgesamt mehr als 27 000 Folteropfer dokumentierte. Angesichts dieser Fakten musste schließlich sogar das Militär seine Schuld als Institution anerkennen und konnte Menschenrechtsverletzungen und andere Verbrechen nicht mehr als Einzelfälle abtun. Einen entscheidenden Schritt auf dem Weg zur Überwindung der Militärdiktatur markierte die Verabschiedung einer reformierten Verfassung im August und ihr In-KraftTreten am 18. September 2005. Die Verfassungsreform beseitigte eine Reihe von Bestimmungen aus der Verfassung Pinochets aus dem Jahr 1980, die vorwiegend dazu gedient hatten, die Demokratisierung in Schranken zu halten, die Macht des Militärs zu konsolidieren und die Verantwortlichen der Militärdiktatur auch für den Fall der Ablösung der Militär- durch eine Zivilregierung mit Einfluss und Schutz auszustatten. Laut Präsident Lagos war erst mit der Verabschiedung der reformierten Verfassung die Phase des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie abgeschlossen. Die neue Verfassung gibt dem Präsidenten das Recht, Befehlshaber in Armee und Polizei zu ernennen und abzusetzen (bis dahin ernannten Armee und Polizei ihre Befehlshaber selbst), der vom Militär dominierte Nationale Sicherheitsrat hat nur noch beratende, nicht mehr entscheidende Kompetenzen, und es gibt keine auf Lebenszeit verliehenen Senatorenposten mehr, wie sie bisher u. a. ehemaligen Staatspräsidenten und Militärkommandanten zukamen; außerdem wird die Militärjustiz der zivilen Justiz unterstellt. Und schließlich setzt die reformierte Verfassung die Amtszeit des Präsidenten von sechs auf vier Jahre herunter und stärkte die Grundrechte. Nicht geändert wurde vorerst jedoch das eigenartige Wahlrecht, das die Parteien zwingt, sich zu zwei Blöcken zusammenzuschließen, und kleinen, blockunabhängigen Parteien kaum eine Chance lässt, Parlamentsmandate zu erringen. Bei den Präsidentschaftswahlen im Dezember 2005/Januar 2006 setzte sich erneut das Parteienbündnis CPPD durch, und zwar in Gestalt der Sozialistin Michelle Bachelet, die unter Präsident Lagos als Gesundheits- und als Verteidigungsministerin amtiert hatte. Bachelet kündigte die Fortsetzung der wirtschaftsfreundlichen Politik Lagos' an und sagte zugleich den Ausbau und die Sicherung des chilenischen Sozialsystems zu. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.