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Charles Baudelaire: Der Dandy (Sprache & Litteratur).

Publié le 13/06/2013

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Charles Baudelaire: Der Dandy (Sprache & Litteratur). In seinem durchaus auch kritischen Essay über das Modephänomen des Dandyismus begriff Charles Baudelaire den Dandy als ersten - und letzten - Heroen der Moderne: ,,Der Dandy muss ununterbrochen danach streben, erhaben zu sein. Er muss leben und schlafen vor einem Spiegel". Vor allem mit dem Kultcharakter setzte sich Baudelaire auseinander. Charles Baudelaire: Der Dandy Wenn ich gelegentlich des Dandysm von der Liebe spreche, so geschieht es, weil die Liebe die natürliche Beschäftigung der Müßigen ist. Aber der Dandy erblickt in der Liebe keinen Spezialzweck. Wenn ich vom Gelde gesprochen habe, so geschah's, weil das Geld für die Leute, die sich aus der Pflege ihrer Leidenschaften einen Kult bilden, eine Unerläßlichkeit bedeutet; aber der Dandy strebt nicht nach Gelde als etwas an sich wesentlichem; ein unbeschränkter Kredit könnte ihm genügen; er überläßt diese grobe Leidenschaft den gewöhnlich gesinnten Sterblichen. Der Dandysm ist auch gar nicht einmal, wie viele Leute von geringer Überlegungskraft zu glauben scheinen, eine unmäßige Liebe zur Toilette und zur materiellen Eleganz. Diese Dinge sind für den vollkommenen Dandy nur ein Symbol der aristokratischen Überlegenheit seines Geistes. So besteht denn auch für seine Augen, die vor allem andren auf ,,Distinktion" bedacht sind, die Vollkommenheit der Toilette in der absoluten Einfachheit, als welche in der Tat die beste Art ist, sich zu ,,unterscheiden". Worin besteht dann also jene Leidenschaft, die, Doktrin geworden, aus den beherrschenden Adepten diese ungeschriebene Institution gemacht hat, die eine so hochgemute Kaste bildete? Sie besteht vor allem in dem brennenden Bedürfnis, sich eine Originalität zu bilden, die sich in den äußeren Grenzen der Konvenienz hält. Sie besteht in einer Art von Kult seiner selber, der die Suche nach dem Glück, das man in jemand anderem, im Weibe zum Beispiel, finden könnte, der selbst alles, was man als Illusionen bezeichnet, zu überleben vermag. Sie besteht in dem Pläsier, in Erstaunen zu setzen, und in der stolzen Genugtuung, selbst doch nie erstaunt zu sein. Ein Dandy kann ein blasierter, kann sogar ein leidender Mensch sein; aber in letzterem Falle wird er lächeln, wie der Lacedämonier unter dem Bisse des Fuchses lächelte. Man sieht, in mancher Beziehung grenzt der Dandysm an den Spiritualismus und den Stoizismus. Aber ein Dandy kann niemals ein alltäglicher Mensch sein. Wenn er ein Verbrechen beginge, so würde er darum vielleicht nicht herabgesunken sein; wenn dieses Verbrechen jedoch einer trivialen Quelle entstammte, so wäre die Schande nicht wieder gut zu machen. Der Leser möge über diesen Ernst im Frivolen sich nicht empören und sich erinnern, daß in allem Wahnwitz Größe, in allen Excessen Kraft steckt. Seltsamer Spiritualismus! Für die, welche zugleich seine Priester und seine Opfer sind, sind alle komplizierten materiellen Bedingungen, denen sie sich unterwerfen - von der untadeligen Toilette zu jeder Stunde des Tages und der Nacht bis zu den gefährlichsten Kraftleistungen des Sports - nichts als eine geeignete Gymnastik zur Stärkung des Willens und zur Disziplinierung der Seele. In der Tat, ich hatte nicht so ganz unrecht, den Dandysm als eine Art Religion zu betrachten. Die strengste Klosterregel, der unweigerliche Befehl des ,,Alten vom Berge", der seinen berauschten Schülern den Selbstmord anbefahl, war nicht despotischer und fand keinen willigeren Gehorsam, als diese Doktrin der Eleganz und der Originalität, die ihrerseits gleichfalls ihren ehrgeizigen und hingabevollen Sektierern - oftmals ungestümen, leidenschaftlichen, mutigen Naturen voll gehaltener Energie - den furchtbaren Spruch auferlegte: Perinde ac cadaver! Ob diese Menschen sich Raffinés, Incroyables, Beaux, ,,Löwen" oder ,,Dandys" nennen: der Ursprung ist bei ihnen allen der gleiche; allen ist derselbe oppositionelle und revolutionäre Charakter gemeinsam; alle sind sie Repräsentanten dessen, was das beste am menschlichen Stolz und Hochmut ist: jenes heutzutage nur allzu seltenen Bedürfnisses, die Trivialität zu bekämpfen und zu zerstören. Daraus entsteht denn auch bei den Dandys jene hochfahrende Attitüde einer Kaste, die unerachtet ihrer Kälte etwas Herausforderndes hat. Der Dandysm erscheint mit Vorliebe in den Übergangszeiten, wenn die Demokratie noch nicht allmächtig ist, wenn die Aristokratie erst zum Teil wankt und herabsinkt. Im Trubel solcher Zeitläufe ist es möglich, daß manche deklassierten, degoutierten, müßigen Menschen, die im übrigen jedoch reich sind an ursprünglicher Kraft, den Plan fassen, eine Art neuer Aristokratie zu begründen, die umso schwieriger zerstörbar sei, als sie sich auf die kostbarsten, unaustilgbarsten Eigenschaften gründen soll, auf die Himmelsgaben, die Arbeit und Geld nicht zu verleihen vermögen. Der Dandysm ist der letzte Ausbruch von Heroismus in den Niedergangepochen; und der Dandytyp, dem der Wanderer in Nordamerika begegnete, tut dieser Idee in keiner Weise Abbruch: denn nichts steht der Annahme im Wege, die Stämme, die wir als ,,wilde" bezeichnen, seien die Überreste großer, verschwundener Zivilisationen. Der Dandysm ist ein Sonnenuntergang; gleich dem Gestirne, das zur Rüste geht, ist er erhaben, ohne Wärme und voll Melancholie. Charles Baudelaire: Der Dandy. In: Hans J. Schickedanz (Hg.): Der Dandy. Texte und Bilder aus dem 19. Jahrhundert. Dortmund 1980, S. 106f. 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