Bürgerliches Trauerspiel (Sprache & Litteratur).
Publié le 13/06/2013
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Bürgerliches Trauerspiel (Sprache & Litteratur). Bürgerliches Trauerspiel, zur Mitte des 18. Jahrhunderts entstandene dramatische Gattung, die mit der klassizistischen Auffassung der Tragödie bricht und Probleme des häuslich-privaten Bereichs bzw. den Konflikt der Stände zum Gegenstand der Handlung macht. Damit wurde mit der bis dahin gültigen Ständeklausel gebrochen, die ausschließlich den Adel als Personal der Tragödie vorsah. Der Begriff bürgerlich allerdings hatte zunächst noch nicht die modernen, ökonomisch bestimmten Konturen: Als Akteure des bürgerlichen Trauerspieles fungieren sowohl Bürger als auch Adelige, ,,kurz, Jedweder, der Gelegenheit gehabt hat, sein Herz zu bessern, oder seinen Verstand aufzuklären" (Johann Gottlob Benjamin Pfeil: Vom bürgerlichen Trauerspiel, 1755). Ausgeschlossen bleiben die ,,Großen" (Fürsten, Könige) und der ,,Pöbel". Innerhalb dieses gesellschaftlichen ,,Mittelstandes" waren Gesinnung und Bildung die entscheidenden Kriterien. Anders als in der klassizistischen Tragödie hatte die Handlung im bürgerlichen Trauerspiel keinen öffentlich-politischen Charakter. Nicht der Hof, sondern die Familie war jener Schauplatz, an dem die Figuren sich mit Problemen des häuslichen Lebens, der mitmenschlichen Beziehung und der Moral auseinandersetzen. Christoph Martin Wieland sprach daher 1773 vom ,,Privat-Trauerspiel". Im bürgerlichen Trauerspiel dominierten zunächst empfindsame Züge (,,empfindsames Trauerspiel"). Erst später kam mit dem Standeskonflikt als bestimmendem Handlungsmoment eine neue Dimension hinzu. Der Einfluss der Empfindsamkeit schlägt sich auch in der Definition des Wirkungsziels nieder: Das bürgerliche Trauerspiel wollte durch ,,Rührung" auf Gemüt und ,,Herz" zur moralischen Besserung beitragen. Absicht war mithin, die Fähigkeit zum ,,Mitleiden" zu aktivieren. Der Abkehr von den Regeln der Tragödie des französischen Klassizismus, an der sich etwa Johann Christoph Gottsched orientierte, und dem ,,unheroischen" Charakter des bürgerlichen Trauerspiels entsprach die Verwendung von Prosa anstelle des Alexandriners. Nach Johann Gottlob Benjamin Pfeil trug vor allem Gotthold Ephraim Lessing zur Theorie und Rechtfertigung des bürgerlichen Trauerspieles bei. Mit Miß Sara Sampson begründete Lessing 1755 den Typus des empfindsamen bürgerlichen Trauerspieles in Deutschland: Zwei englische Stücke, George Lielos The London Merchant (1731, Der Kaufmann von London, 1752) und Edward Moores The Gamester (1753, Der Spieler, 1754), hatten den Erfolg der Gattung vorbereitet. Lessings Drama blieb für rund 20 Jahre vielfach nachgeahmtes Modell für Stücke, deren Handlung um Tugend und Laster kreiste und die mit dem Leiden des vollkommenen oder sich vervollkommnenden Charakters und der Reue der Widersacher (Väter, Rivalen, Rivalinnen usw.) für Rührung, Mitleid und empfindsame Tränenfluten sorgten. Mit Lessings Emilia Galotti (1772) löste ein anderer Typus des bürgerlichen Trauerspieles die empfindsame Variante ab: Bis zu Friedrich Schillers Kabale und Liebe (1784) wurde nun der meist durch Liebesbeziehungen ausgelöste Konflikt zwischen den Ständen zum charakterischen Thema. Insbesondere im Sturm und Drang erhielt das bürgerliche Trauerspiel einen dezidiert gesellschaftskritischen Impuls (so bei Heinrich Leopold Wagner und Jakob Michael Reinhold Lenz). Neben der Konfrontation von Adel und Bürgertum wurden auch Konflikte zwischen verschiedenen Schichten des Bürgertums thematisiert (z. B. in Wagners Die Reue nach der Tat, 1775). In der Folgezeit löste sich das bürgerliche Trauerspiel im trivialen Familiengemälde auf, bis mit den Tendenzdramen des Jungen Deutschland (Karl Gutzkow) eine kurze Neubelebung der Gattung eintrat. Den letzten Höhepunkt des bürgerlichen Trauerspiels bildete Friedrich Hebbels Maria Magdalena (1844): Hier wurde das Bürgerliche selbst, seine geistige und moralische Enge, zur Ursache des Tragischen. Als zur Jahrhundertmitte die Probleme des Bürgertums durch die soziale Frage verdrängt wurden, hatte sich das bürgerliche Trauerspiel überlebt. Verfasst von: Volker Meid Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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