Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte (Sprache & Litteratur).
Publié le 13/06/2013
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Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte (Sprache & Litteratur). Peter Schlemihls wundersame Geschichte, veröffentlicht 1814, gehört zu den bekanntesten Erzählungen der deutschen Romantik. Der Autor Adelbert von Chamisso, ebenfalls ein begabter Lyriker und Reiseschriftsteller, erzählt darin unter Verwendung des Teufelspaktmotivs die Geschichte eines jungen Mannes, der seinen Schatten an einen diabolischen Verführer verkauft und dafür ein Säcklein erhält, aus dem man eine unbegrenzte Menge an Goldstücken ziehen kann. Der Verlust seines Schattens bedeutet jedoch ein schweres Stigma für Schlemihl, und sein Reichtum macht ihn nicht glücklich. Er wirft sein Geldsäcklein weg und findet ein paar Stiefel, die ihn rastlos durch die Welt tragen, denn jeder Schritt ist sieben Meilen lang. In seiner Realistik kann das Werk als Vorläufer der modernen phantastischen Literatur gelten. Adelbert von Chamisso: Peter Schlemihls wundersame Geschichte Wie erschrak ich, als ich den Mann im grauen Rock hinter mir her und auf mich zukommen sah. Er nahm sogleich den Hut vor mir ab und verneigte sich so tief, als noch niemand vor mir getan hatte. Es war kein Zweifel, er wollte mich anreden, und ich konnte, ohne grob zu sein, es nicht vermeiden. Ich nahm den Hut auch ab, verneigte mich wieder und stand da in der Sonne mit bloßem Haupt wie angewurzelt. Ich sah ihn voller Furcht stier an und war wie ein Vogel, den eine Schlange gebannt hat. Er selber schien sehr verlegen zu sein; er hob den Blick nicht auf, verbeugte sich zu verschiedenen Malen, trat näher und redete mich an mit leiser, unsicherer Stimme, ungefähr im Tone eines Bettelnden. ,,Möge der Herr meine Zudringlichkeit entschuldigen, wenn ich es wage, ihn so unbekannterweise aufzusuchen, ich habe eine Bitte an ihn. Vergönnen Sie gnädigst -" - ,,Aber um Gottes willen, mein Herr!" brach ich in meiner Angst aus, ,,was kann ich für einen Mann tun, der -" wir stutzten beide und wurden, wie mir deucht, rot. Er nahm nach einem Augenblick des Schweigens wieder das Wort: ,,Während der kurzen Zeit, wo ich das Glück genoß, mich in Ihrer Nähe zu befinden, hab ich, mein Herr, einige Male - erlauben Sie, daß ich es Ihnen sage - wirklich mit unaussprechlicher Bewunderung den schönen, schönen Schatten betrachten können, den Sie in der Sonne und gleichsam mit einer gewissen edlen Verachtung, ohne selbst darauf zu merken, von sich werfen, den herrlichen Schatten da zu Ihren Füßen. Verzeihen Sie mir die freilich kühne Zumutung. Sollten Sie sich wohl nicht abgeneigt finden, mir diesen Ihren Schatten zu überlassen?" Er schwieg, und mir ging's wie ein Mühlrad im Kopfe herum. Was sollt' ich aus dem seltsamen Antrag machen, mir meinen Schatten abzukaufen? Er muß verrückt sein, dacht' ich, und mit verändertem Tone, der zu der Demut des seinigen besser paßte, erwiderte ich also: ,,Ei, ei! guter Freund, habet Ihr denn nicht an Eurem eignen Schatten genug? Das heiß ich mir einen Handel von einer ganz absonderlichen Sorte." Er fiel sogleich wieder ein: ,,Ich habe in meiner Tasche manches, was dem Herrn nicht ganz unwert scheinen möchte; für diesen unschätzbaren Schatten halt ich den höchsten Preis zu gering." Nun überfiel es mich wieder kalt, da ich an die Tasche erinnert ward, und ich wußte nicht, wie ich ihn hatte guter Freund nennen können. Ich nahm wieder das Wort und suchte es womöglich mit unendlicher Höflichkeit wiedergutzumachen. ,,Aber, mein Herr, verzeihen Sie Ihrem untertänigsten Knecht. Ich verstehe wohl Ihre Meinung nicht ganz gut; wie könnt' ich nur meinen Schatten - -" Er unterbrach mich: ,,Ich erbitte mir nur Dero Erlaubnis, hier auf der Stelle diesen edlen Schatten aufheben zu dürfen und zu mir zu stecken; wie ich das mache, sei meine Sorge. Dagegen als Beweis meiner Erkenntlichkeit gegen den Herrn überlasse ich ihm die Wahl unter allen Kleinodien, die ich in der Tasche bei mir führe: die echte Springwurzel, die Alraunwurzel, Wechselpfennige, Raubtaler, das Tellertuch von Rolands Knappen, ein Galgenmännlein zu beliebigem Preis; doch das wird wohl nichts für Sie sein: besser Fortunati Wünschhütlein, neu und haltbar wieder restauriert; auch ein Glückssäckel, wie der seine gewesen." - ,,Fortunati Glückssäckel", fiel ich ihm in die Rede, und wie groß meine Angst auch war, hatte er mit dem einen Wort meinen ganzen Sinn gefangen. Ich bekam einen Schwindel, und es flimmerte mir wie doppelte Dukaten vor den Augen. - ,,Belieben gnädigst der Herr, diesen Säckel zu besichtigen und zu erproben." Er steckte die Hand in die Tasche und zog einen mäßig großen, festgenähten Beutel von starkem Korduanleder an zwei tüchtigen ledernen Schnüren heraus und händigte mir selbigen ein. Ich griff hinein und zog zehn Goldstücke daraus, und wieder zehn, und wieder zehn, und wieder zehn; ich hielt ihm schnell die Hand hin: ,,Topp! der Handel gilt; für den Beutel haben Sie meinen Schatten." Er schlug ein, kniete dann ungesäumt vor mir nieder, und mit einer bewundernswürdigen Geschicklichkeit sah ich ihn meinen Schatten, vom Kopf bis zu meinen Füßen, leise von dem Grase lösen, aufheben, zusammenrollen und falten und zuletzt einstecken. Er stand auf, verbeugte sich noch einmal vor mir und zog sich dann nach dem Rosengebüsche zurück. Mich dünkt', ich hörte ihn da leise für sich lachen. Ich aber hielt den Beutel bei den Schnüren fest; rund um mich her war die Erde sonnenhell, und in mir war noch keine Besinnung. Adalbert von Chamisso: Peter Schlehmils wundersame Geschichte. Stuttgart 1980, S. 21-23. Microsoft ® Encarta ® 2009. © 1993-2008 Microsoft Corporation. Alle Rechte vorbehalten.
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